Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 7 A 962/95
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt eine Baugenehmigung für die Errichtung einer Doppelgarage auf dem Grundstück Gemarkung X. , Flur 12, Flurstück 246.
3Das streitbefangene Grundstück liegt westlich der hier von Südwesten nach Nordosten verlaufenden I. Straße (K 14), die von I. nach T. führt. Die I. Straße ist vom Ortsteil I. aus betrachtet auf ihrer Westseite zunächst bandartig überwiegend mit Wohnhäusern bebaut, es folgt auf der westlichen Straßenseite der Friedhof von I. , der eine Straßenfront von etwa 65 m einnimmt, darauf schließt sich weiter nach Nordosten auf das klägerische Grundstück zu die unbebaute, mit Gras bewachsene und Büschen und Bäumen umsäumte Parzelle 247 an, die eine Straßenfront von ca. 25 m aufweist. Hierauf folgt das klägerische Grundstück mit einer Straßenfront von ca. 31 m. Danach beginnen großflächige unbebaute Grundstücke, die als Weideland genutzt werden. Auf der gegenüberliegenden, südöstlichen Seite der I. Straße endet die durchgehende Bebauung bereits ca. 150 m weiter südwestlich vom streitbefangenen Grundstück. Lediglich eine dem Friedhof gegenüberliegende Parzelle sowie ein auf einer Anhöhe ca. weitere 100 m entfernt liegendes Grundstück sind bebaut.
4Der Flächennutzungsplan stellt den Bereich nordöstlich des Friedhofsgrundstücks beginnend mit der Parzelle 247 als Fläche für die Landwirtschaft dar.
5Das Grundstück, auf dem das Vorhaben verwirklicht werden soll, liegt in einem Gelände, das von Osten nach Westen stark zum Fluß Inde abfällt, der das im Mittel etwa 75 m tiefe Grundstück im Nordwesten begrenzt. Das Grundstück war nach dem Bauschein vom 6. April 1927 zunächst nur straßenseitig mit einem zweigeschossigen Wohnhaus mit einer Grundfläche von 60 qm bebaut, an dessen nordöstlicher Außenwand eine Garage angebaut war. Im Jahre 1982 errichtete der Vater der Klägerin als Voreigentümer im Anschluß an die vorhandene Garage eine Doppelgarage. Die drei Garagen, die wegen der Hanglage des Grundstücks auf Kellerebene liegen, werden über einen südwestlich am Wohngebäude vorbeiführenden Fahrweg, der auf eine Betonplatte mündet, von hinten angefahren. Der äußere Rand dieser Betonplatte darf nach den genehmigten Bauzeichnungen 19,25 m von der Straße entfernt liegen, tatsächlich ist die tiefergelegene Grundstücksfläche indessen bis zu einer Tiefe von ca. 28 m befestigt. Über sie wird ein Carport mit drei Einstellplätzen angefahren, der rechtwinklig zum Wohnhaus an der nordöstlichen Grundstücksgrenze errichtet worden ist.
6Aufgrund des Bauscheins vom 21. November 1985 wurde das Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung Mitte der achtziger Jahre erweitert, indem man auf die vorhandene Garagenanlage einen Anbau setzte und so die Wohnfläche um etwa 30 qm auf 152 qm vergrößerte. Dem Bauschein war als Nebenbestimmung beigefügt, daß das Gebäude nur mit höchstens zwei Wohneinheiten genutzt werden darf.
7Am 5. Mai 1992 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung einer weiteren Doppelgarage. Das Garagengebäude mit einer Höhe von 3 m soll mit seiner Rückwand an die nordöstliche Grundstücksgrenze zur unbebauten Parzelle 245 mit einer Bebauungstiefe von 26,25 m errichtet werden. Auf dem dem Bauantrag beigefügten Lageplan ist eingetragen "Wohnmobil Garagen".
8Mit Bescheid vom 21. September 1992 lehnte der Beklagte den Bauantrag ab mit der Begründung, das zur Bebauung vorgesehene Grundstück liege im Außenbereich. Als nicht privilegiertes Vorhaben sei es dort nicht zulässig, da es öffentliche Belange beeinträchtige. Das Grundstück liege im Geltungsbereich des Landschaftsplanes der Stadt B. , der für den vorderen, hier betroffenen Teil den besonderen Schutz von Bäumen, Hecken und Gewässern festsetze. Das Vorhaben könne auch deshalb nicht zugelassen werden, weil das Grundstück mit drei Garagen und einem Carport für drei Fahrzeuge bereits über Stellplätze in ausreichender Anzahl verfüge.
9Am 2. Oktober 1992 legte die Klägerin Widerspruch ein und machte geltend, das Bauvorhaben beeinträchtige keine öffentlichen Belange. Der vordere Teil des Grundstücks, auf dem das Vorhaben errichtet werden solle, sei nicht als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen. Im übrigen sei die betroffene Hoffläche bereits seit Jahrzehnten betoniert und gepflastert und diene als Kraftfahrzeugabstellplatz.
10Mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 1993 - zugestellt am 1. April 1993 - wies die Beigeladene den Widerspruch unter Bezugnahme auf den ablehnenden Bescheid zurück.
11Am 23. April 1993 hat die Klägerin Klage erhoben mit der Begründung, das streitbefangene Grundstück gehöre nicht zum Außenbereich. Der Bebauungszusammenhang ende erst an der nordöstlichen Grenze ihres Grundstücks. Die Garagen seien erforderlich, da das Wohnhaus mittlerweile von vier Parteien genutzt werde, die jeweils aus beruflichen Gründen auf einen Pkw angewiesen seien.
12Die Klägerin hat beantragt,
13den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 21. September 1992 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung L. vom 30. März 1993 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Genehmigung zum Neubau einer Doppelgarage auf dem Grundstück Gemarkung X. , Flur 12, Flurstück 246 zu erteilen.
14Der Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Er hat sich im wesentlichen auf den Inhalt der ablehnenden Bescheide berufen und ergänzend vorgetragen, das Umweltamt des Beklagten sehe das Vorhaben nicht mit den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege als vereinbar an.
17Die Beigeladene hat beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Nach einer Inaugenscheinnahme durch den Berichterstatter der Kammer am 28. September 1994 hat das Verwaltungsgericht B. die Klage mit dem dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 3. Januar 1995 zugestellten Urteil vom 6. Dezember 1994, auf dessen Inhalt verwiesen wird, abgewiesen.
20Mit ihrer am 3. Februar 1995 eingelegten Berufung macht die Klägerin geltend, ihr Vorhaben sei planungsrechtlich zulässig. Das streitbefangene Grundstück liege im Innenbereich, weil es dem südwestlich gelegenen Bebauungszusammenhang zuzurechnen sei. Weder das Friedhofsgrundstück noch die unbebaute Parzelle Nr. 247 unterbreche den Bebauungszusammenhang. Das somit nach § 34 BauGB zu beurteilende Vorhaben füge sich in die nähere Umgebung ein, jedenfalls sei es nicht geeignet, bodenrechtlich beachtliche Spannungen zu begründen. Selbst wenn man das Grundstück dem Außenbereich zurechne, bestehe aus dem Gesichtspunkt des Bestandsschutzes ein Anspruch auf Erteilung der Genehmigung. Zur funktionsgemäßen Nutzung des Wohnhauses gehöre auch die Möglichkeit, Kraftfahrzeuge unterzustellen.
21Die Klägerin beantragt,
22das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
23Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,
24die Berufung zurückzuweisen.
25Sie nehmen Bezug auf ihr bisheriges schriftsätzliches Vorbringen sowie den Inhalt des Urteils des Verwaltungsgerichts B. .
26Der Berichterstatter des Senats hat die Örtlichkeit am 24. September 1996 in Augenschein genommen; wegen des Ergebnisses wird auf die Niederschrift verwiesen.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Beigeladenen Bezug genommen.
28Entscheidungsgründe:
29Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Erteilung der beantragten Baugenehmigung, denn ihrem Vorhaben stehen öffentlich- rechtliche Vorschriften entgegen (vgl. § 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NW). Das Vorhaben der Klägerin ist planungsrechtlich unzulässig.
30Das Vorhaben der Klägerin ist planungsrechtlich nach § 35 BauGB zu beurteilen. Das streitbefangene Grundstück, auf dem die Doppelgarage errichtet werden soll, liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans und auch nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils nach § 34 Abs. 1 BauGB, sondern ist dem Außenbereich im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BauGB zuzurechnen. Im Außenbereich ist das Vorhaben der Klägerin aber nicht zulässig.
31Das Antragsgrundstück liegt nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB. Ein Bebauungszusammenhang im Sinne von § 34 BauGB reicht soweit, wie die vorhandene aufeinanderfolgende Bebauung trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt. Die Grenze zwischen einem Bebauungszusammenhang und dem Außenbereich ist regelmäßig dort zu ziehen, wo nach der Verkehrsauffassung der Bebauungszusammenhang in die zum Außenbereich gehörenden Freiflächen übergeht. Der Bebauungszusammenhang endet insoweit unbeschadet der anderweitigen Abgrenzung durch Parzellen und Grundstückszuschnitte regelmäßig mit der letzten vorhandenen Bebauung, so daß, auch wenn sich die zu bebauende unbebaute Fläche unmittelbar an die zusammenhängende Bebauung anschließt, diese sich bereits im Außenbereich befindet. Nur bei Vorliegen besonderer Umstände kann ein Bebauungszusammenhang über den letzten Baukörper hinausreichen. Ob das der Fall ist, hängt davon ab, ob in dem zu beurteilenden Bereich Landschaftselemente vorhanden sind, die dem Innenbereich eine über das letzte bebaute Grundstück hinausreichende Grenze ziehen. Ob ein Bebauungszusammenhang vorliegt, ist letztlich aber nicht anhand geographisch- mathematischer Maßstäbe zu ermitteln, sondern es ist in eine umfassende Wertung und Bewertung des im Einzelfall konkreten Sachverhalts einzutreten.
32Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 1972 - IV C 121.68 -, BRS 25 Nr. 38; Urteil vom 29. November 1974 - IV C 10.73 -, BRS 28 Nr. 28; Urteil vom 12. Dezember 1990 - 4 C 40.87 -, BRS 50 Nr. 72.
33Lassen sich im Anschluß an eine die Merkmale des § 34 Abs. 1 BauGB erfüllende Bebauung keinerlei Merkmale ausmachen, die eine zum Außenbereich abgrenzbare Fläche markieren und diese deshalb als noch zum Bebauungszusammenhang gehörig erscheinen lassen, endet der Bebauungszusammenhang mit dem letzten Gebäude.
34Vgl. BVerwG, Urteil vom 6. November 1968 - 4 C 2.66 -, BRS 20 Nr. 35; Beschluß vom 15. Februar 1990 - 4 B 24.90 -.
35Nach diesen Beurteilungsgrundsätzen steht die Außenbereichslage des streitbefangenen Grundstücks aufgrund der vom Berichterstatter des Senats vor Ort getroffenen Feststellungen und des vorliegenden Lichtbild- und Kartenmaterials, das den vor Ort gewonnenen Eindruck von den örtlichen Verhältnissen verdeutlicht und ergänzt, zur Überzeugung des Senats fest. Das Antragsgrundstück nimmt nicht am Bebauungszusammenhang des Ortsteils B. -I. teil. Der im Zusammenhang bebaute Ortsteil endet im Bereich der Nord- West-Seite der I. Straße bereits an dem letzten Gebäude der Straßenrandbebauung vor Beginn des Friedhofsgeländes, mithin etwa 100 m vor dem Grundstück der Klägerin. Mit diesem Wohnhaus findet die durch eine dichte Aufeinanderfolge der Gebäude gekennzeichnete Häuserreihe ihren deutlichen Abschluß, ohne daß besondere Umstände vorliegen, die dem Bebauungszusammenhang eine über das letzte Haus der aufeinanderfolgenden Bebauung hinausgehende Grenze ziehen.
36Das Friedhofsgelände und das darauf folgende unbebaute Grundstück sind nicht Bestandteil des Bebauungszusammenhangs.
37"Bebauung" im Sinne des o.g. Grundsatzes, daß ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil soweit reicht, wie die aufeinanderfolgende Bebauung trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit vermittelt, ist nicht jede noch so unbedeutende bauliche Anlage. Innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils richtet sich die Zulässigkeit eines Bauvorhabens, soweit keine Planung besteht, gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB danach, ob es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Der innere Grund für die nach diesen Maßstäben sich ergebende Zulässigkeit der Bebauung innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile liegt darin, daß nur eine nach der Siedlungsstruktur angemessene Fortentwicklung der Bebauung zugelassen werden soll. Dies setzt eine Bebauung voraus, die maßstabbildend ist. Unter den Begriff der "Bebauung" im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB fallen deshalb nur bauliche Anlagen, die optisch wahrnehmbar sind und ein gewisses Gewicht haben, so daß sie geeignet sind, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten Charakter zu prägen.
38Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. September 1992 - 4 C 15.90 -, BRS 54 Nr. 65; Urteil vom 14. April 1967 - IV C 134.65 -, BRS 18 Nr. 23.
39Eine solche Fähigkeit, prägende Wirkung in bezug auf das Vorliegen eines Bebauungszusammenhanges zu entfalten, kommt dem Friedhof nicht zu.
40Der Friedhof stellt keine im oben dargestellten Sinne maßstabbildende Bebauung dar. Die auf ihm stehenden Grabsteine sind, mögen sie auch gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BauO NW dem landesrechtlichen Begriff der baulichen Anlagen unterfallen, nach allgemeinem Verständnis keine im hier maßgebenden planungsrechtlichen Sinne zu verstehende Bebauung. Die auf einem Friedhof in einer größeren Anzahl vorhandenen und an den Wegen ausgerichteten Grabsteine sind demgemäß keine zusammenhängende Bebauung, bilden also so gesehen auch kein Element eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils. Die auf dem Friedhof stehende Kapelle ist zwar ein Gebäude und für sich gesehen daher geeignet, Element eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils zu sein. Dem braucht hier jedoch nicht weiter nachgegangen zu werden; als Einzelbauwerk steht die Kapelle selbst zu isoliert, um aus sich heraus einen von Südwesten her bis an die Friedhofsgrenze heranreichenden Bebauungszusammenhang nach Nordosten hin weiterreichen zu können. Da die auf dem Friedhof stehenden und seinen Charakter ausmachenden bautechnischen Bestandteile nach allem nicht geeignet sind, Elemente eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils zu sein, fehlt auch dem Friedhof als solchem die maßstabbildende Kraft für einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil.
41Das bedeutet zwar nicht, daß er deshalb imstande wäre, einen ansonsten vorhandenen Bebauungszusammenhang zu unterbrechen.
42Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. April 1967 - IV C 134.65 - aaO; Urteil vom 6. November 1968 - IV C 2.66 - BRS 20 Nr. 35.
43Auf der anderen Seite ist er aber auch nicht in der Lage, einen Bebauungszusammenhang, an dem es fehlt, zu vermitteln. Dies gilt insbesondere dann, wenn er sich in einer Ortsrandlage befindet.
44Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. September 1992 - 4 C 15.90 -, aaO.
45So liegt der Fall hier. Dem Friedhof fehlt die maßstabbildende Kraft für die Vermittlung eines Bebauungszusammenhangs, weil er sich dem Beobachter bei einer optischen Bewertung als nicht zusammenhängend bebaut darstellt. Wie ausgeführt, werden die Grabsteine nicht als Bebauung im siedlungsmäßigen Sinne empfunden. Die Kapelle scheidet aufgrund ihrer geringen Ausmaße und ihrer Solitärposition als für die Bewertung des Friedhofes insgesamt ins Gewicht fallendes Element aus. Mit den auch aus den dem Senat überreichten Lichtbildern erkennbar begrünten Flächen und den in sie eingebetteten Grabsteinen ist das Friedhofsgelände damit nicht geeignet, den Bebauungszusammenhang entlang der Straße nach Nordosten hin fortzusetzen. Der Friedhof, der im übrigen zur Straße hin teilweise durch eine Mauer abgeschlossen und verdeckt ist und sich auch insoweit gegenüber der auf die Straße hin orientierten Bebauung im Südwesten erkennbar unterscheidet, wird als gegenüber dieser Bebauung deutlich abgesetzte Fläche eigener Art empfunden, die, weil sich eine entsprechende Bebauung nicht auf der Nordostseite des Friedhofs fortsetzt, als neues Element in Erscheinung tritt und deshalb zur Folge hat, daß die Bebauung im Südwesten als mit dem letzten bebauten Grundstück abgeschlossen wirkt.
46Das Haus der Klägerin läßt eine andere Bewertung - Fortsetzung des Bebauungszusammenhangs im Südwesten über den Friedhof und die zwischen dem Haus und dem Friedhof liegende Freifläche hinweg - nicht zu.
47Das Haus der Klägerin erscheint in seiner Größenordnung und in seiner durch die als Grünland genutzte Freifläche noch betonten Einzellage so sehr als von der Bebauung des Ortsteils I. löstgelöster Bautatbestand, daß es nach dem Eindruck in der Örtlichkeit dem Friedhof nicht die Eigenschaft eines Bindegliedes zu der südwestlichen zusammenhängenden Bebauung zu vermitteln vermag und damit seinerseits auch nicht an einem Bebauungszusammenhang teilnimmt.
48Daß somit im Außenbereich geplante Vorhaben der Klägerin kann nicht gemäß § 35 Abs. 2 BauGB als sonstiges Vorhaben im Einzelfall zugelassen werden, weil es öffentliche Belange nach § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtigt. Es beeinträchtigt schon deshalb öffentliche Belange, weil es den Darstellungen des Flächennutzungsplanes der Stadt B. widerspricht, der das Antragsgrundstück als Fläche für die Landwirtschaft darstellt. Zwar enthält die Darstellung einer Fläche für die Landwirtschaft im allgemeinen - so auch hier - keine qualifizierte standortbezogene Aussage, gegenüber einem nichtprivilegierten, sonstigen Vorhaben setzt sie sich in aller Regel aber durch.
49Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. Februar 1984 - 4 C 56.79 -, BRS 42 Nr. 80.
50Die Darstellung entbehrt im vorliegenden Fall auch nicht der Aussagekraft. Sie bringt hinreichend konkret die planerischen Vorstellungen der Stadt B. zum Ausdruck. Weder stehen die örtlichen Gegebenheiten wie z.B. die natürliche Boden- oder Geländebeschaffenheit von vornherein der Verwirklichung der planerischen Vorstellung der Gemeinde entgegen noch ist die Entwicklung des Baugeschehens in dem in Rede stehenden Bereich über die Darstellung als Fläche für die Landwirtschaft in einer ihrer Verwirklichung auf Dauer ausschließenden Weise hinweggegangen. Angesichts der sich nördlich und westlich an das Antragsgrundstück anschließenden großräumigen landwirtschaftlich genutzten Flächen ist nicht zweifelhaft, daß auch der hier maßgebliche, von Hochbauten freie Teil des Grundstücks einer planmäßigen Bodenertragsnutzung zugeführt werden könnte.
51Vgl. OVG NW, Urteil vom 12. November 1992 - 7 A 1767/90 -.
52Unbeschadet der Frage der Beeinträchtigung öffentlicher Belange nach § 35 Abs. 3 BauGB ist das Vorhaben im übrigen aber auch schon deshalb planungsrechtlich unzulässig, weil es von dem gewählten Standort her nicht mit dem Grundsatz der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs (§ 35 Abs. 5 BauGB) vereinbar ist. Nach den vorgelegten Bauzeichnungen soll es in einem Abstand von 7 m vom Wohnhaus errichtet werden und sich insgesamt 13,50 m über die bisherige "Baugrenze" hinweg in die nordwestliche Freifläche hineinschieben, obwohl andere, weniger weit vom Hauptgebäude abgesetzte Standorte auf dem Grundstück möglich sind, die die Landschaft geringfügiger beeinträchtigten. So kann der von der Klägerin geltend gemachte Bedarf an einer weiteren Garage - wie anläßlich des Ortstermins vom Beklagten ausdrücklich angesprochen - schon dadurch gedeckt werden, daß sie neben die vorhandenen Garagen auf die Grenze zum Flurstück 245 gesetzt wird.
53Auch aus dem von der Klägerin angesprochenen Gesichtspunkt des Bestandsschutzes läßt sich ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Genehmigung nicht herleiten. Das Vorhaben ist vom Bestandsschutz nicht gedeckt. Der Bestandsschutz berechtigt nicht nur dazu, eine rechtmäßig errichtete bauliche Anlage in ihrem Bestand zu erhalten und wie bisher zu nutzen; er berechtigt auch dazu, die zur Erhaltung und zeitgemäßen Nutzung der baulichen Anlage notwendigen Maßnahmen durchzuführen. Über den Schutz des tatsächlich Vorhandenen hinaus läßt sich aus dem Gesichtspunkt des Bestandsschutzes auch ein Anspruch auf eine - begrenzte - Erweiterung des Bestehenden herleiten, soweit die Beibehaltung und funktionsgerechte Nutzung des Vorhandenen dies erfordert. Eine begrenzte Erweiterung ist allerdings nur zulässig, wenn sie öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht über das hinaus verletzt, was die Erhaltung des Bestands und seine weitere Nutzung bereits mit sich bringen.
54Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 1986 - 4 C 80.82 -, BVerwGE 72, 362 = DVBl. 1986, 677.
55Diese Voraussetzungen erfüllt das Vorhaben der Klägerin jedoch nicht. Zwar handelt es sich bei einem Garagengebäude um eine untergeordnete Nebenanlage, die nach heutiger Auffassung zur funktionsgerechten Nutzung einer Wohnung erforderlich ist,
56vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 1986 - 4 C 80.82 -, a.a.O.,
57das Vorhaben der Klägerin überschreitet indessen nach der Anzahl der Garagenplätze das im Verhältnis zum bestandsgeschützten Hauptgebäude Erforderliche.
58Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit der Erweiterung unter dem Gesichtspunkt des Bestandsschutzes sind die individuellen Bedürfnisse des Eigentümers und seiner Familie an objektiven Maßstäben zu messen und nicht daran, wie die jeweiligen Bewohner ihre Bedürfnisse selbst bestimmen. Als objektiver Maßstab für die Bestimmung der Notwendigkeit und Angemessenheit der Erweiterung liegt es bei der Errichtung von Garagen nahe, hinsichtlich der zulässigen Anzahl der Stellplätze als Anhalt auf die Richtzahlen der Verwaltungsvorschrift zur BauO NW für den Stellplatzbedarf zurückzugreifen. Diese Richtzahlen geben nach Nutzungsarten differenziert einen durchschnittlichen Stellplatzbedarf an und bieten auf gesicherter Erfahrungsgrundlage beruhende Anhaltspunkte für die Bestimmung der notwendigen Anzahl,
59vgl. OVG NW, Urteil vom 23. Januar 1978 - X A 500/77 -, BRS 33 Nr. 104.
60Für das Wohngebäude der Klägerin, das nach dem Bauschein vom 21. November 1985 nur mit höchstens zwei Wohneinheiten genutzt werden darf, stehen bislang drei genehmigte Garagen, nach Verwirklichung des Vorhabens insgesamt fünf Garagenplätze zur Verfügung. An objektiven Maßstäben ausgerichtet sind im Verhältnis zur Zahl der genehmigten zwei Wohneinheiten unter Berücksichtigung der Stellplatzrichtlinien, die bei einer Wohnnutzung je Wohneinheit im Höchstfall zwei Stellplätze vorsehen, fünf Garagenplätze jedenfalls unangemessen und für eine funktionsgerechte Nutzung des Vorhandenen unter dem Blickwinkel des Bestandsschutzes objektiv nicht erforderlich.
61Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
62Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
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