Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 17 B 2110/96
Tenor
Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozeßkostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt F. aus H. beigeordnet.
Nr. 1 des angefochtenen Beschlusses wird teilweise geändert.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 26. März 1996 wird bis zum Erlaß des Widerspruchsbescheides wiederhergestellt bzw. angeordnet.
Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahren je zur Hälfte.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 4.000,-- DM festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts beruht auf §§ 166 VwGO, 114, 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
3Die Beschwerde, mit der die Antragstellerin ihren Antrag,
4die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 26. März 1996 wiederherzustellen bzw. anzuordnen,
5weiterverfolgt, hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
6Insoweit fällt nämlich die im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotene Abwägung der widerstreitenden Vollzugsinteressen zugunsten der Antragstellerin aus. Denn die Ermessensausübung durch den Antragsgegner begegnet rechtlichen Bedenken, denen allerdings im Rahmen des Widerspruchsverfahrens Rechnung getragen werden kann.
7Nach § 12 Abs. 2 Satz 2 AuslG kann die befristete Aufenthaltsgenehmigung nachträglich zeitlich beschränkt werden, wenn eine für die Erteilung wesentliche Voraussetzung entfallen ist. Dies ist hier der Fall, da die in Rede stehende Aufenthaltserlaubnis der Antragstellerin im Hinblick auf ihre damalige, inzwischen aufgelöste eheliche Lebensgemeinschaft mit ihrem vormaligen deutschen Ehemann erteilt worden war.
8Ausweislich der Begründung der angefochtenen Ordnungsverfügung hat der Antragsgegner erkannt, daß ihm hinsichtlich der Befristungsentscheidung Ermessen eingeräumt ist. Die Ausübung des Ermessens unterliegt innerhalb der Grenzen des § 114 VwGO gerichtlicher Nachprüfung. Hierbei ist der gegenwärtige Sach- und Erkenntnisstand zugrunde zu legen, da eine Entscheidung im Widerspruchsverfahren noch aussteht. Die vom Antragsgegner in der Beschwerdeerwiderung vertretene Auffassung, die Schwangerschaft der Antragstellerin und ihre eheliche Lebensgemeinschaft mit einem anderen deutschen Staatsangehörigen seien - da erst nach Erlaß des Ausgangsbescheides bekanntgeworden - unbeachtlich, ist daher unzutreffend. Beide Umstände sind auch der Sache nach potentiell geeignet, die Ausübung des Befristungsermessens zu beeinflussen. Dies liegt hinsichtlich der Schwangerschaft der Antragstellerin auf der Hand und ergibt sich hinsichtlich ihrer eheähnlichen Lebensgemeinschaft daraus, daß im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
9vgl. Urteil vom 27. Februar 1996 - 1 C 41.93 -, InfAuslR 1996, 294,
10davon auszugehen sein dürfte, daß nicht nur im - dort entschiedenen - Fall einer homosexuellen, sondern auch in demjenigen einer eheähnlichen heterosexuellen Lebensgemeinschaft die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Ermessenswege gem. §§ 7 und 15 AuslG in Betracht kommt. In beiden Fällen dürfte davon auszugehen sein, daß die §§ 17 ff. AuslG nicht als Negativregelung entgegenstehen, da weder die homo- noch die eheähnliche heterosexuelle Lebensgemeinschaft durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützt wird, was jedoch spezifisches Merkmal des Anwendungsbereichs der § 17 ff. AuslG ist. Diese Gesichtspunkte werden nunmehr im Rahmen des Widerspruchsverfahrens zu würdigen sein. Ein besonderes öffentliches Interesse daran, daß die Antragstellerin schon vor Abschluß des - ergebnisoffenen - Widerspruchsverfahrens das Bundesgebiet verläßt, ist nicht ersichtlich.
11Anlaß für die Gewährung weitergehenden Rechtsschutzes besteht nicht. Es liegt kein Grund vor, der es rechtfertigen würde, die Vollziehung der angefochtenen Ordnungsverfügung bis zum Eintritt ihrer Bestandskraft auszusetzen. Entgegen der in der Beschwerdebegründung vertretenen Auffassung liegen Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit der Ordnungsverfügung nicht vor. Die Aufenthaltsbefristung verstößt auch nicht deshalb gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, weil am Tage ihrer Zustellung ein Arbeitsvertrag zwischen der Antragstellerin und der Stadt H. zustandegekommen ist. Da der Antragstellerin schon seit Ende Januar 1996 bekannt war, daß der Antragsgegner ihren Aufenthalt zu beendigen beabsichtigte, hatte sie keinen Anlaß, darauf zu vertrauen, unabhängig vom Bestand ihres Aufenthaltsrechts bei der Stadt H. arbeiten zu können. Entgegen der von ihr vertretenen Auffassung steht ihr auch kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 10 Abs. 2 AuslG iVm § 5 Nr. 8 AAV zu. Abgesehen davon, daß sie die von ihr neuerdings behauptete Ausbildung als Altenpflegerin nicht glaubhaft gemacht hat - in ihrem undatierten Aufenthaltserlaubnisantrag hatte sie als erlernten Beruf noch "Protokollantin" angegeben -, handelt es sich bei den genannten Regelungen lediglich um Ermessensvorschriften.
12Anhaltspunkte für ein Bleiberecht der Antragstellerin als "Spätaussiedlerin" sind nicht ersichtlich.
13Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG.
14Dieser Beschluß ist nicht anfechtbar.
15
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.