Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 15 A 298/96
Tenor
Das Verfahren über die Berufung des Beklagten wird eingestellt.
Auf die Berufung des Beigeladenen wird das angefochtene Urteil geändert. Die Klage wird abgewiesen.
Die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen trägt der Kläger. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte die Hälfte der bis zur Rücknahme seiner Berufung entstandenen Gerichtskosten und die Hälfte der bis dahin entstandenen außergerichtlichen Kosten des Klägers sowie seine eigenen bis dahin entstandenen außergerichtlichen Kosten. Die andere Hälfte der Gerichtskosten und die infolge der Weiterführung des Berufungsverfahrens durch den Beigeladenen entstandenen gerichtlichen Mehrkosten sowie die gesamten außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen trägt der Kläger, der auch seine übrigen außergerichtlichen Kosten selbst und die nach der Rücknahme der Berufung des Beklagten diesem entstandenen außergerichtlichen Kosten trägt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
T a t b e s t a n d :
2Der seit dem 26. März 1992 mit der Zeugin in zweiter Ehe verheiratete Beigeladene, der mit dieser einen am 28. März 1992 geborenen Sohn hat und noch in den Jahren 1993 und 1994 gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt wurde, wurde bei der Kommunalwahl am 16. Oktober 1994 als Wahlbewerber auf einem Listenwahlvorschlag in die Bezirksvertretung V. (Stadtbezirk 4) der Stadt M. gewählt. Der Kläger ist Listennachfolger dieses Listenwahlvorschlages. Der Beigeladene wurde durch die Bezirksvertretung zum Bezirksvorsteher gewählt. In diesem Zusammenhang kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Beigeladenen und seiner (früheren) Partei.
3Der Kläger erhob am 15. November 1994 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl mit dem Begehren, wegen mangelnder Wählbarkeit des Beigeladenen dessen Ausscheiden aus der Bezirksvertretung anzuordnen. Der Beigeladene habe nämlich seine Hauptwohnung nicht unter der gemeldeten Adresse S. straße 58 im Bezirk V. , sondern in seinem Haus B. A. 9 im Bezirk S. , wo insbesondere auch die Ehefrau und der gemeinsame Sohn wohnten und gemeldet seien.
4Im Einspruchsverfahren ließ sich der Beigeladene dahin ein, er lebe seit Jahren dauernd getrennt von seiner Familie und habe nur eine Wohnung im Haus S. straße 58. Am 1. Februar 1995 stellte der Beklagte die Gültigkeit der Wahl und den Umstand fest, daß mangelnde Wählbarkeit eines Vertreters nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht gegeben sei. Der entsprechende Beschluß wurde am 1. März 1995 veröffentlicht und dem Kläger mit Schreiben vom 15. Februar 1995, am 23. Februar 1995 zur Post gegeben, mitgeteilt.
5Am 27. März 1995, einem Montag, hat der Kläger Klage erhoben. Er hat sein Einspruchsvorbringen wiederholt und vertieft und insbesondere in Abrede gestellt, daß die Zeugin und der Beigeladene getrennt lebten und der Beigeladene in der S. straße statt in der B. A. 9 wohne. Der Beigeladene sei 1988 aus der S. straße anläßlich der Trennung von seiner ersten Ehefrau ausgezogen und in das damals erworbene Haus B. A. 9 mit seiner späteren zweiten Ehefrau, der Zeugin , eingezogen, mit der er in einer fortbestehenden Gemeinschaft lebe.
6Der Kläger hat beantragt,
7die mangelnde Wählbarkeit des Beigeladenen für die Wahl zur Bezirksvertretung des Stadtbezirks 4 in M. vom 16. Oktober 1994 festzustellen und sein Ausscheiden aus der Bezirksvertretung anzuordnen. Der Beklagte hat beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Er hat vorgetragen: Das Getrenntleben des Beigeladenen stehe fest, so daß die melderechtliche Vermutung der Hauptwohnung nach der vorwiegend benutzten Wohnung der Familie nicht Platz greife. Die Angaben des Beigeladenen zu seinen Wohnverhältnissen seien durch Ermittlungen des Steueramtes und die Eintragung im Melderegister bestätigt.
10Der Beigeladene hat ebenfalls beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Er hat vorgetragen: Er lebe von jeher von seiner zweiten Ehefrau getrennt, die er lediglich mit Rücksicht auf den gemeinsamen Sohn geheiratet habe. In der B. A. 9 wohne er überhaupt nicht, dort halte er sich lediglich aus geschäftlichen Gründen auf. Er habe in der Hauptsache in der S. straße 58, in der seine Tochter aus erster Ehe mit ihrem Mann lebe, hin und wieder auch in der S. straße 60, wo er ein Gewerbe angemeldet habe, gewohnt. Später hat der Beigeladene behauptet, nur selten eine Schlafstelle in der Wohnung S. straße 58 benutzt zu haben, in der Regel habe er in den Räumen S. straße 60 übernachtet.
13Das Verwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch zeugenschaftliche Vernehmung der Tochter aus erster Ehe, , und der zweiten Ehefrau sowie durch Augenscheinseinnahme der Räumlichkeiten S. straße 60 und 58. Wegen des Ergebnisses sowie der informatorischen Anhörung des Beigeladenen wird auf die Niederschriften vom 8. September 1995 (Blatt 87 bis 102 und 106 bis 112 der Gerichtsakte) Bezug genommen. Mit Urteil vom 17. November 1995 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben.
14Dagegen haben der Beklagte und der Beigeladene rechtzeitig Berufung eingelegt, die der Beklagte am 25. März 1996 zurückgenommen hat.
15Der Beigeladene trägt vor: Er habe vor der Kommunalwahl 1994 in der S. straße 60 gewohnt, wobei er sich als viel und auch im Ausland reisender Geschäftsmann nur selten in M. aufgehalten habe. Das Verwaltungsgericht verkenne, daß die im Zeitpunkt der Augenscheinseinnahme vorgefundene Möblierung in der S. straße 60 nicht die im Zeitraum seines Wohnens in diesen Räumen vor der Kommunalwahl sei. Im übrigen wiederholt und vertieft er seinen erstinstanzlichen Vortrag.
16Er beantragt,
17die Klage unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Düsseldorf abzuweisen.
18Der Kläger beantragt,
19die Berufung des Beigeladenen vom 12. Januar 1996 abzuweisen.
20Er bestreitet,daß der Beigeladene und seine Ehefrau vor der Kommunalwahl 1994 getrennt gelebt hätten und daß der Beigeladene in der S. straße 60 gewohnt habe, vielmehr sei dort der Sohn aus erster Ehe gemeldet und wohnhaft gewesen, und der Beigeladene habe dort nur ein Gewerbe angemeldet. Im übrigen wiederholt und vertieft er seinen erstinstanzlichen Vortrag.
21Der Beklagte stellt keinen Antrag.
22Der Senat hat Beweis erhoben durch zeugenschaftliche Vernehmung der Herren und sowie der zweiten Ehefrau . Wegen des Ergebnisses sowie der informatorischen Anhörung des Beigeladenen wird auf die Niederschriften vom 9. Oktober 1996 (Blatt 233 bis 242 der Gerichtsakte), 26. November 1996 (Blatt 271 bis 276 der Gerichtsakte) und 14. Januar 1997 (Blatt 295 bis 304 der Gerichtsakte) Bezug genommen. Die vom Kläger für die Tatsache fehlenden Getrenntlebens des Beigeladenen von seiner zweiten Ehefrau als Zeugin benannte erste Ehefrau hat von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der dazu beigezogenen Unterlagen Bezug genommen.
23Entscheidungsgründe:
24Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter (§§ 125 Abs. 1, 87 a Abs. 2 und 3 VwGO).
25Das Verfahren über die Berufung des Beklagten ist nach dessen Berufungsrücknahme einzustellen.
26Die zulässige Berufung des Beigeladenen ist begründet. Nach dem Beweisergebnis im Berufungsverfahren ist die Klage unter Änderung der angefochtenen Entscheidung abzuweisen.
27Die Ablehnung des Beklagten, das Ausscheiden des Beigeladenen wegen mangelnder Wählbarkeit anzuordnen, ist nicht rechtswidrig (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), der Kläger hat keinen Anspruch auf Erlaß des begehrten Verwaltungsaktes.
28Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus den hier allein in Betracht kommenden Vorschriften der §§ 39 Abs. 1 Satz 1, 40 Abs. 1 Buchst. a, 41 Abs. 1 Satz 1, 46 a Kommunalwahlgesetz (KWahlG). Dafür wäre u.a. erforderlich, daß die Wahl wegen mangelnder Wählbarkeit des Beigeladenen für ungültig zu erachten wäre. Das ist nicht der Fall, denn die mangelnde Wählbarkeit des Beigeladenen kann nicht festgestellt werden.
29Die Wählbarkeit des Beigeladenen ergibt sich aus §§ 46 a Abs. 4 Satz 1 und 2, 7 KWahlG. Danach ist wählbar für die Bezirksvertretung, wer für die Wahl der Bezirksvertretung eines Stadtbezirks wahlberechtigt ist, nämlich wer in diesem Stadtbezirk für die Wahl des Rates wahlberechtigt ist. Das ist der, der u.a. am Wahltag mindestens seit drei Monaten in dem Wahlgebiet seine Wohnung, bei mehreren Wohnungen seine Hauptwohnung hat. Diese hier allein zweifelhaften Merkmale der Wählbarkeit können nicht verneint werden. Es konnte nämlich nicht festgestellt werden, wie es für die Anerkennung des Anspruchs des Klägers auf Anordnung des Ausscheidens des Beigeladenen erforderlich wäre, daß der Beigeladene nicht, wie er behauptet, im hier relevanten Zeitraum vom 16. Juli bis 16. Oktober 1994 seine wahlrechtlich maßgebliche Wohnung im Wahlgebiet, im Stadtbezirk V. , nämlich in den Räumlichkeiten S. straße 60, hatte.
30Dies ergibt sich aus der Aussage des Zeugen , der im Zeitraum vor der Wahl mit dem Beigeladenen politisch Kontakt hatte und ihn deshalb dort mehrmals aufsuchte. Er hat bekundet, dort eine wohntypische Einrichtung vorgefunden zu haben, nämlich neben der Küche sowie der Tisch- und Stuhleinrichtung zwei Couches, eine Stereoanlage und einen Fernseher. An den nach Angaben des Beigeladenen vorhanden gewesenen Kleiderschrank hat sich der Zeuge zwar nicht erinnern können, jedoch hat er auch umgekehrt dessen Abwesenheit nicht bestätigen können. Die Angaben des Zeugen sind in sich stimmig und von seinen Erkenntnismöglichkeiten her nachvollziehbar. Sie sind glaubhaft. An der Glaubwürdigkeit des Zeugen hat der Senat keinen Zweifel: Der Zeuge steht in keiner näheren Beziehung zum Beigeladenen, im Gegenteil ergibt sich aus der fortbestehenden Mitgliedschaft des Zeugen in der Partei, die sich dem Beigeladenen entfremdet hat, daß eher ein politisches Interesse des Zeugen am Unterliegen des Beigeladenen naheliegt.
31Die Bekundungen des Zeugen lassen auch die Möglichkeit zu, daß der Beigeladene dort - wie es der Eindruck des Zeugen war - seine Wohnung hatte. Der Beigeladene verfügte nämlich, wie sich u. a. aus der Tatsache mehrmaligen Empfangs des Zeugen ergibt, über diese zum Wohnen geeigneten Räumlichkeiten. Dem steht nicht entgegen, daß - wie der Beigeladene einräumt - auch dessen Sohn aus erster Ehe dort übernachtete, da die Einrichtung zwei Schlafgelegenheiten aufwies. Schließlich können auch die ungewöhnlichen Gesamtumstände und das im Verfahren wechselnde und sich steigernde Vorbringen des Beigeladenen zu seinen Wohnverhältnissen den Senat nicht davon überzeugen, daß jener im hier relevanten Zeitraum keine Wohnung in der S. straße 60 gehabt habe. So ist es zwar für einen Lokalpolitiker und Geschäftsmann mit ausgedehnten Wirtschaftskontakten merkwürdig, daß er nicht über eine Wohnung repräsentativen Zuschnitts, sondern nur über hinsichtlich der Wohnverhältnisse eher kärglich ausgestattete, zugleich auch gewerblich genutzte Räumlichkeiten verfügt, die darüber hinaus auch noch von einem Familienangehörigen mitgenutzt werden. Jedoch hält es der Senat für durchaus möglich, daß der Beigeladene angesichts der infolge seiner ausgedehnten Geschäftstätigkeit häufigen Ortsabwesenheit, die er belegt und auch der Zeuge bekundet hat, auf eine Wohnung des zu erwartenden Status verzichtet. Aus einer solchen wenig intensiven Wohnnutzung erklärt sich auch für den Senat der unpräzise und wechselnde Vortrag des Beigeladenen zu seinen Wohnverhältnissen.
32Die beschriebene wenig intensive Wohnnutzung erfüllt den Begriff des Wohnunghabens in § 7 KWahlG. In diesem Sinne hat eine Wohnung, wer eine Wohnung gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 Meldegesetz NW bezogen hat.
33Vgl. zur Identität wahlrechtlicher und melderechtlicher Begriffe OVG NW, Urteil vom 30. Januar 1987 - 15 A 467/86 -, DöV 1987, 829; Urteil vom 4. Juli 1986 - 15 A 1274/85 -, NVwZ 1987, 1005; Schreiber; Handbuch des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag, 5. Aufl., § 12 Rdnr. 16.
34Dafür ist lediglich die Inanspruchnahme eines Raumes in der Weise erforderlich, daß dort für immer oder vorübergehend im allgemeinen die Angelegenheiten des täglichen Lebens wie Sich- Aufhalten, Essen und Schlafen verrichtet werden.
35Vgl. OVG NW, Beschluß vom 24. April 1981 - 18 B 549/81 -, NJW 1981, 2211.
36Dabei reicht es jedoch aus, wenn die Wohnung nur gelegentlich in Anspruch genommen wird.
37Medert/Süßmuth, Melderecht des Bundes und der Länder, Loseblattsammlung (Stand: Mai 1996), § 11 MRRG Rdnr. 2b.
38Daß die Nutzung durch den Beigeladenen selbst ein solch geringes Maß unterschreitet, konnte nicht festgestellt werden.
39Eine andere Wohnung des Beigeladenen außerhalb des Stadtbezirks V. , die als Hauptwohnung anzusehen wäre und damit die Wählbarkeit im Stadtbezirk V. ausschlösse, konnte nicht festgestellt werden. Insbesondere konnte dies nicht gemäß der hier allein hinsichtlich der B. A. 9 in Betracht kommenden Vorschrift des § 16 Abs. 2 Satz 2 Meldegesetz NW festgestellt werden, wonach Hauptwohnung eines verheirateten Einwohners, der nicht dauernd getrennt von seiner Familie lebt, die vorwiegend benutzte Wohnung der Familie ist. Die Vorschrift greift hier nämlich nicht ein, weil der Beigeladene dauernd getrennt von seiner Familie lebt. Dies hat die Aussage seiner Ehefrau, der Zeugin , ergeben.
40Im Sinne des § 16 Abs. 2 Satz 2 Meldegesetz NW lebt jedenfalls getrennt, wer getrennt im Sinne des § 1567 Abs. 1 Satz 1 BGB lebt, was das Getrenntleben im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 1 Einkommenssteuergesetz umfaßt.
41Vgl. BFH, Urteil vom 13. Dezember 1985 - VI R 190/82 -, BFHE 145, 549 (550).
42Nach dieser bürgerlich-rechtlichen Vorschrift leben Ehegatten getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Diese Voraussetzungen liegen vor.
43Eine häusliche Gemeinschaft besteht nicht, weil nach den Aussagen der Zeugin der Beigeladene niemals in den Räumen der B. A. 9 wohnte, sondern lediglich das Büro geschäftlich nutzte. Es fehlt im hier relevanten Zeitraum also an der gemeinsamen Wohnnutzung.
44Vgl. Wolf, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 5, 2. Aufl., § 1567 Rdnr. 17.
45Der Beigeladene wollte die häusliche Gemeinschaft auch erkennbar nicht herstellen, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Der innere Wille, die häusliche Gemeinschaft aus diesem Motiv nicht herstellen zu wollen, war beim Beigeladenen - wie auch bei der Zeugin - vorhanden.
46Sie bekunden übereinstimmend, daß die Ehe nur aus religiösen Gründen im Bereich der Familie der Zeugin geschlossen wurde und um dem gemeinsamen Sohn zu einem ehelichen Status zu verhelfen, was durch den unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen Hochzeit und Niederkunft bestätigt wird. Eine eheliche Lebensgemeinschaft jenseits der Begründung einer häuslichen Gemeinschaft wie gemeinsame Einkäufe oder Einkauf für den Ehegatten, Versorgen des anderen Ehegatten im Sinne von Kleidungsreinigung oder Essenszubereitung sollte nicht begründet werden. Die Zeugin hat sich darum nicht nur nicht gekümmert, sie wußte sogar nicht einmal, wie der Beigeladene seine Lebensverhältnisse insoweit gestaltete, weil es sich um "persönliche Sachen" handelte, die sie nicht wisse und über die sie mit dem Beigeladenen nicht gesprochen habe. Dies zeigt, daß die Ehegatten die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnten. Der festgestellte Rest von Gemeinsamkeiten, nämlich die gemeinsam besuchten verschiedenen Veranstaltungen, namentlich im Umfeld des Fußballclubs M. , sowie die geschäftlichen Kontakte, ist zu lose, um über seinen freundschaftlichen und geschäftlichen Charakter hinaus in den Bereich der ehelichen Lebensgemeinschaft hineinzuragen.
47Der Beigeladene wollte auch erkennbar die häusliche Gemeinschaft nicht herstellen, weil er selbst bei seinen relativ seltenen Aufenthalten in M. zwischen den Geschäftsreisen nie - wie die Zeugin bekundet hat - im Haus B. A. 9 bei seiner Ehefrau übernachtete, sondern stattdessen die oben beschriebene eher kärgliche Wohnung S. straße 60, gelegentlich auch die Wohnung S. straße 58 seiner Tochter aus erster Ehe vorzog.
48Die tatsächlichen Umstände, die den Senat zur Annahme des Getrenntlebens bewegen, sind von der Zeugin glaubhaft bekundet worden. Da es sich um Vorgänge ihres Lebenskreises handelte, sind ihr die Umstände bekannt. Sie hat ihre Aussage ohne nennenswerte Widersprüche unter eindringlicher gerichtlicher Vernehmung mit Bestimmtheit und ohne Zögern gemacht. Sie hat sie auch unter Vorhalt der gegen die Wahrheit ihrer Aussage sprechenden Umstände und unter Hinweis auf eine mögliche Vereidigung aufrechterhalten, und sie hat sie sogar beschworen, obwohl sie zur Verweigerung sowohl der Aussage als auch des Eides berechtigt war, was sie infolge der richterlichen Belehrung wußte.
49Der Senat hat keinen Anlaß, an der Wahrheit ihrer Aussage zu zweifeln. Die Glaubwürdigkeit der Zeugin wird nicht dadurch erschüttert, daß sie die Beantwortung intimer Fragen abgelehnt hat. Der Senat wertet dies als Ausdruck der natürlichen Scham der Zeugin und nicht als Absicht, für das Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft sprechende Umstände zu verschweigen.
50Der Senat verkennt weder, daß die Zeugin als Ehefrau des Beigeladenen ein Interesse an dessen Obsiegen haben könnte und daher Zweifel an deren Glaubwürdigkeit aufgeworfen sind, noch daß die bereits erwähnten ungewöhnlichen Gesamtumstände und weitere Indizien das Getrenntleben der Ehegatten als fraglich erscheinen lassen können. So sprechen das geschäftliche und freundschaftliche Verhältnis und die sich daraus ergebenden gemeinsamen Aktivitäten eher gegen ein Getrenntleben. Auch die nicht nach Gehalt und Unterhalt differenzierten, der Höhe nach schwankenden Zahlungen des Beigeladenen unterstützen dies. Der Annahme der vom Beigeladenen behaupteten ungewöhnlichen Wohnverhältnisse in der S. straße bedürfte es nicht, wenn er in Wirklichkeit im hier relevanten Zeitraum bei seiner Familie in seinem Haus in der B. A. 9 gewohnt hat. Alle diese Indizien sind jedoch zu wenig zwingend, um die Glaubhaftigkeit der beschworenen Bekundungen der Zeugin erschüttern zu können. Auch die Bekundungen des Zeugen sind zu wenig ergiebig, um dies zu bewirken, da der vom Zeugen festgestellte Aufenthalt des Beigeladenen im Haus B. A. 9 auch geschäftlich bedingt sein könnte und die von ihm beobachteten Herrenutensilien dem Beigeladenen nicht hinreichend sicher zugeordnet werden können. So hat die Zeugin eine denkbare Erklärung dafür geboten. Schließlich kann auch der gemeinsamen steuerlichen Veranlagung der Ehegatten noch bis 1994 keine entscheidende Bedeutung zukommen, da dies angesichts des Beweisergebnisses eher für eine fehlerhafte steuerliche Veranlagung als für fehlendes Getrenntleben spricht.
51Somit verbleibt es dabei, daß die Existenz der wahlrechtlich relevanten Wohnung im Stadtbezirk V. nicht verneint und damit das für den geltend gemachten Anspruch erforderliche Merkmal mangelnder Wählbarkeit nicht festgestellt werden kann.
52Unabhängig davon, daß es für die Versagung des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs auf Anordnung des Ausscheidens des Beigeladenen ausreicht, daß die mangelnde Wählbarkeit nicht festgestellt werden kann, weil das Haben der behaupteten wahlrechtlich relevanten Wohnung im Wahlgebiet nicht ausgeschlossen werden kann, ist der Senat darüber hinaus aufgrund des Beweisergebnisses trotz der aufgeführten gegenläufigen Indiztatsachen davon überzeugt, daß der Beigeladene tatsächlich im relevanten Zeitraum in der S. . 60 seine wahlrechtlich maßgebliche Wohnung hatte. Dies ergibt sich nämlich daraus, daß er, wie die Vernehmung der Zeugin L. ergeben hat, in der B. A. 9 nicht gewohnt hat, so daß als Wohnung vor der Kommunalwahl 1994 mangels anderweitiger Anhaltspunkte allein die vom Beigeladenen behauptete übrig bleibt.
53Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen waren für erstattungsfähig zu erklären, da er sich durch eigene Anträge in den beiden Rechtszügen am Kostenrisiko beteiligt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
54Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit rechtfertigt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
55Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
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