Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 10 B 3126/96
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- DM festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Die Beschwerde der Antragsteller ist unbegründet. Das Interesse der Beigeladenen daran, die ihr erteilte Baugenehmigung sofort ausnutzen zu dürfen, überwiegt das Interesse der Antragsteller daran, das Vorhaben der Beigeladenen bis zum Abschluß des Hauptsacheverfahrens vorerst zu verhindern.
3Die Antragsteller werden die Aufhebung der streitigen Baugenehmigung des Antragsgegners vom 10. Mai 1996 zur Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses auf dem Grundstück in voraussichtlich nicht erreichen.
4Die Baugenehmigung dürfte zwar gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoßen, die auch dem Schutze der Antragsteller als Nachbarn zu dienen bestimmt sind. Das geplante Wohn- und Geschäftshaus hält mit seiner an der Dorfstraße gelegenen Außenwand die Abstandfläche nicht ein. Die jeweiligen Abstandflächen des hier vorgesehenen Zwerchgiebels und des erkerartigen Vorbaus liegen jenseits der Mitte der öffentlichen Verkehrsfläche. Dies ist nach § 6 Abs. 2 Satz 2 BauO NW 1995 unzulässig. Für diese Bauteile können geringere Tiefen der Abstandflächen nicht nach § 6 Abs. 15 BauO NW 1995 gestattet werden, weil die Bebauung entlang des maßgeblichen Teils der Dorfstraße nicht durch derartige Bauteile (Zwerchgiebel, erkerartige Vorbauten) geprägt ist, wie bei der Ortsbesichtigung durch den Berichterstatter festgestellt worden ist. Die Gestaltung des Straßenbildes rechtfertigt deshalb keine geringeren Tiefen der Abstandflächen für derartige Bauteile. Zugleich fehlen damit die städtebaulichen Gründe, welche der Antragsgegner für eine Abweichung nach § 73 Abs. 1 BauO NW 1995 geltend gemacht hat.
5Die Antragsteller können jedoch aus diesem Verstoß gegen die Vorschriften über Abstandflächen ein nachbarliches Abwehrrecht nicht herleiten. Denn sie nehmen mit ihrem Wohn- und Geschäftshaus auf der gegenüberliegenden Seite der Dorfstraße diese öffentliche Verkehrsfläche ebenfalls bis über deren Mitte hinaus für die Abstandfläche ihres Hauses in Anspruch. Allerdings läßt sich den vom Verwaltungsgericht angeführten Entscheidungen nicht der generelle Satz entnehmen, daß ein Nachbar sich stets treuwidrig verhält, wenn er sich gegen eine Baugenehmigung für ein Vorhaben wendet, das auf dem Nachbargrundstück unter Verstoß gegen die abstandflächenrechtlichen Vorschriften verwirklicht werden soll, obwohl ein Gebäude auf seinem eigenen Grundstück die Abstandflächen nicht einhält. Das gilt namentlich dann nicht, wenn dieses Gebäude seinerzeit ohne Verstoß gegen die damals geltenden Abstandflächenvorschriften oder sogar in einer Zeit errichtet worden ist, als Abstandflächenvorschriften noch nicht galten. Das mag hier für das Gebäude zugetroffen haben, das ursprünglich auf dem Grundstück der Antragsteller Dorfstraße 31 errichtet worden ist. Dies kann jedoch offenbleiben. Die Antragsteller haben unter der Geltung der Bauordnung 1984 dieses Gebäude baulich verändert, und zwar in einer Weise, die für das Gebäude die Frage insgesamt neu aufwirft, ob es die Abstandfläche einhält. Die Antragsteller haben auf dem straßenseitigen Dach des Gebäudes vier Dachgaupen errichtet, von denen jeweils zwei durch eine aufstehende Wand miteinander verbunden sind. Die gesamte Breite dieser Dachaufbauten beträgt mehr als die Hälfte der darunter liegenden Gebäudewand. Dies ergibt sich aus den seinerzeit genehmigten Bauzeichnungen. Als Folge davon ist zur Berechnung der Tiefe der Abstandfläche die Höhe des Daches zu einem Drittel der Wandhöhe hinzuzurechnen § 6 Abs. 4 Satz 4 Nr. 2 BauO NW 1995/BauO NW 1984. Damit überschreitet auch das Wohn- und Geschäftshaus der Antragsteller die Abstandfläche zur Dorfstraße hin beträchtlich. Die Antragsteller können deshalb nicht ein Vorhaben der Beigeladenen abwehren, das die öffentliche Verkehrsfläche über deren Mitte hinaus in geringerem Umfang als die Antragsteller selbst für ihre Abstandfläche in Anspruch nimmt.
6Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 20 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
7Dieser Beschluß ist unanfechtbar.
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