Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 16 A 6052/96
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in derselben Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Mit Feststellungs- und Rückzahlungsbescheid vom 5. Februar 1995 setzte das Bundesverwaltungsamt die Darlehensschuld des Klägers (80.381,64 DM) und das Ende der Förderungshöchstdauer (Ende September 1990) fest, bestimmte als Rückzahlungsbeginn den 31. Oktober 1995 und setzte die Vierteljahresrate auf 1.005,-- DM fest. Gegen die Festsetzung des Endes der Förderungshöchstdauer und des Rückzahlungsbeginns legte der Kläger mit der Begründung Widerspruch ein, er habe aus Krankheitsgründen sein Studium der Humanmedizin erst am 24. Mai 1993 erfolgreich beenden können, so daß die "Förderungshöchst- grenze" auf Mai 1993 und der Rückzahlungsbeginn auf Juni 1998 festzusetzen seien. Der Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 1996 zurückgewiesen.
3Im Klageverfahren hat der Kläger sich darauf berufen, daß die unverschuldete Verlängerung seines Studiums vom BAföG-Amt Berlin durch Weiterförderung bis Juni 1993 anerkannt worden sei. Ein Festhalten am bisherigen Rückzahlungsbeginn sei ungerecht und stelle eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes dar.
4Der Kläger hat sinngemäß beantragt,
5die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Feststellungs- und Rückzahlungsbescheides des Bundesverwaltungsamtes vom 5. Februar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 1996 zu verpflichten, das Ende der Förderungshöchstdauer auf Ende Mai 1993 und den Rückzahlungsbeginn auf den 30. Juni 1998 festzusetzen.
6Die Beklagte hat beantragt,
7die Klage abzuweisen.
8Sie ist der Ansicht, daß durch die Förderung des Klägers über die Förderungshöchstdauer hinaus nicht das Ende der Förderungshöchstdauer hinausgeschoben worden sei. Außerdem sei in seinem Falle durch das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Förderungshöchstdauer offensichtlich bereits bestandskräftig festgesetzt worden, so daß eine Überprüfung nicht mehr möglich sei.
9Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch den angefochtenen Gerichtsbescheid - zugestellt am 11. Oktober 1996 - abgewiesen.
10Mit Schriftsatz vom 3. November 1996 - per Einschreiben abgesandt am 4. November 1996 - wollte der Kläger Berufung einlegen. Das Schriftstück hat das Oberverwaltungsgericht nicht erreicht; ein Nachforschungsantrag bei der Deutschen Bundespost hatte keinen Erfolg. Am 21. November 1996 hat er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Berufungsschrift übersandt. Er rügt erneut eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung wegen Nichtberücksichtigung der bei ihm gegebenen außergewöhnlichen Härte. Auch er habe Anspruch darauf, in den Genuß der fünfjährigen Frist zwischen Studienende und Rückzahlungsbeginn zu gelangen.
11Der Kläger beantragt sinngemäß,
12ihm hinsichtlich der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, den angefochtenen Gerichtsbescheid zu ändern und entsprechend dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Berufung zurückzuweisen.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vom Bundesverwaltungsamt vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe:
17Die Berufung ist zulässig; denn dem Kläger ist wegen Versäumung der Berufungsfrist gemäß § 60 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Berufung ist aber nicht begründet; denn der Kläger hat keinen Anspruch auf eine anderweitige Festsetzung des Endes der Förderungshöchstdauer und des Rückzahlungsbeginns. Die insoweit angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
18Das Ende der Förderungshöchstdauer ist zu Recht auf Ende September 1990 festgesetzt worden; denn der Kläger hat sein Studium der Humanmedizin zum Wintersemester 1982/83 aufgenommen, so daß die Förderungshöchstdauer von 14 Semestern bei Nichtberücksichtigung der zwei Auslandssemester Ende des Sommersemesters 1990 abgelaufen ist. Die Tatsache, daß der Kläger seinerzeit gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG "über die Förderungshöchstdauer hinaus" gefördert worden ist, hat zwar die Förderungsdauer, nicht aber die Förderungshöchstdauer verlängert. Daraus folgt zugleich, daß der Rückzahlungsbeginn richtigerweise auf den 31. Oktober 1995 festgesetzt worden ist; denn er knüpft an das Ende der Förderungshöchstdauer und nicht an das Ende der Förderungsdauer an.
19Der Senat hat in der Regelung des § 18 Abs. 3 Satz 2 BAföG bisher keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG gesehen (vgl. das Senatsurteil vom 12. Dezember 1992 - 16 A 859/90 -) und vermag einen solchen auch nicht im Fall des Klägers zu erkennen. Der Senat hat in seinem Urteil vom 12. Dezember 1992 auf folgendes hingewiesen:
20"Der Gleichheitssatz enthält die allgemeine Weisung, bei steter Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln (BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 1953 - 1 BvR 147/52 -, BVerfGE 3, 58, 135). Er ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt, kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muß (vgl. BVerfG, Beschluß vom 8. Juni 1988 - 2 BvL 9/85 und 3/86 -, BVerfGE 78, 249, 278). Dies hat auch der Gesetzgeber zu beachten, wobei ihm allerdings weitgehende Gestaltungsfreiheit eingeräumt ist, die nur einer eingeschränkten verfassungsrechtlichen Kontrolle unterliegt. Für die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Sozialrechts gilt dies wegen der fortwährenden schnellen Veränderungen des Arbeits-, Wirtschafts- und Soziallebens in noch höherem Maße (BVerfG, Urteil vom 23. Januar 1990 - 1 BvL 44/86 und 48/87 -, BVerfGE 81, 156, 205 f.)."
21Im Hinblick auf den dort begehrten Studiendauerteilerlaß wegen einer Weiterförderung gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 3 BAföG hat er ausgeführt:
22"Die Regelung des § 15 Abs. 3 BAföG ist auf die Ausbildungsphase zugeschnitten. Sie dient dazu, dem Auszubildenden, der aus besonderen ausbildungsbezogenen Gründen nicht in der Lage war, seine Ausbildung innerhalb der normierten Förderungshöchstdauer abzuschließen, die Fortsetzung dieser Ausbildung zu ermöglichen. Sie dient hingegen nicht dazu, dem Auszubildenden, der seine Ausbildung nicht innerhalb der vorgeschriebenen Förderungshöchstdauer abschließen kann, die Möglichkeit eines Teilerlasses zu erhalten bzw. neu zu eröffnen. Insoweit läßt sich die mit § 15 Abs. 3 BAföG verfolgte Zielsetzung auf die Rückzahlungsphase nicht übertragen. Der Gesetzgeber ist daher nicht zwangsläufig gehalten, die "Wohltat" der Weiterbewilligung nach § 15 Abs. 3 BAföG auch in der Rückzahlungsphase durch einen Teilerlaß dieser Leistungen (wie etwa in § 18 b Abs. 4 BAföG vorgesehen) oder durch eine entsprechende großzügige Fassung der Voraussetzungen für den Teilerlaß wegen kurzer Studiendauer fortzuführen."
23Der Senat ergänzt diese Ausführungen dahin, daß der Gesetzgeber nach Ansicht des Senats auch nicht gehalten ist, den Beginn der Rückzahlungsfrist in Beziehung zum Ende der Förderungsdauer zu setzen. Würde der Gesetzgeber dies tun, könnte das sogar gegen den Gleichheitssatz verstoßen, weil das Ende der Förderungsdauer auch bereits deutlich vor dem Ende der Förderungshöchstdauer und dem Ende der Ausbildung liegen kann. Das ist etwa der Fall, wenn die Weiterförderung daran scheitert, daß inzwischen das anzurechnende Einkommen der Eltern oder des Ehegatten des Auszubildenden zu hoch ist oder der Auszubildende die Bescheinigung nach § 48 BAföG nicht vorlegen kann. Gerade durch das Abstellen auf das Ende der Förderungshöchstdauer wird eine gleichmäßige Behandlung der BAföG-Emfpänger erreicht.
24Wenn der Kläger sich mit denjenigen Darlehensnehmern vergleicht, die nur bis zum Ende der Förderungshöchstdauer gefördert worden sind, weil sie sich auf keine Verlängerungsgründe im Sinne des § 15 Abs. 3 BAföG berufen konnten, und verlangt, ebenso wie diese erst fünf Jahre nach Beendigung der tatsächlichen Förderung mit der Rückzahlung beginnen zu müssen, so übersieht er zunächst, daß diejenigen Darlehensnehmer, die über die Förderungshöchstdauer hinaus gefördert worden sind, typischerweise auch viel höhere Darlehensbeträge insgesamt erhalten haben. Das wird auch im Falle des Klägers deutlich, der insgesamt Darlehen in Höhe von über 80.000,-- DM erhalten hat. Der Gleichheitssatz verlangt aber nicht, daß diejenigen Darlehensnehmer, die in der Ausbildungsphase einen solchen Vorteil erlangt haben, auch noch in der Rückzahlungsphase weiterhin begünstigt werden. So gilt etwa auch für sie die 20-Jahres-Frist des § 18 Abs. 3 Satz 1 BAföG in gleicher Weise, auch wenn dies zu einer Erhöhung der Monatsrate bzw. Vierteljahresrate führen kann, wie das beim Kläger der Fall ist. Da der Kläger bereits im Oktober 1981 zum ersten Mal ein BAföG-Darlehen erhalten hat, mußte er nach der gegenwärtigen Regelung erst 14 Jahre später mit der Rückzahlung dieses zinslosen Darlehens beginnen. Auch diese zeitliche Komponente spricht nicht dafür, daß der Kläger in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise ungleich behandelt wird.
25Letztlich läuft das Begehren des Klägers darauf hinaus, daß der Rückzahlungsbeginn an das Ende der Ausbildung anknüpft. Dies war nach der früheren Rechtslage der Fall, als der Darlehensnehmer mit der Rückzahlung des Darlehens noch drei Jahre nach Beendigung der Ausbildung zu beginnen hatte, und gilt übergangsweise auf besonderen Antrag auch noch für alle diejenigen Darlehensnehmer, die vor dem 1. August 1983 Darlehen erhalten haben (§ 66 a Abs. 5 BAföG). Der Gesetzgeber ist von dieser damaligen gesetzlichen Regelung aber gerade auch aus Verwaltungsvereinfachungsgründen abgegangen, damit in der Massenverwaltung der BAföG-Darlehensabwicklung nicht in jedem Falle das individuelle Ende der Ausbildung ermittelt werden muß. Dies war verfassungsrechtlich zulässig und würde konterkariert, wenn nunmehr wiederum auf das individuelle Ende der Ausbildung abgestellt würde und darüber hinaus zu prüfen wäre, ob die Überschreitung der Förderungshöchstdauer auf unverschuldete oder nicht zu vertretende Gründe zurückzuführen wäre. Letzteres ließe sich in vielen Fällen wohl nicht mehr sicher oder nur unter größeren Schwierigkeiten aufklären. Dem Begehren des Klägers, den Rückzahlungsbeginn auf den 30. Juni 1996 festzusetzen, kann daher nicht entsprochen werden.
26Auch eine Festsetzung des Rückzahlungsbeginns auf den 25. Mai 1996 kommt nicht in Betracht. Eine solche Festsetzung wäre zwar möglich gewesen, wenn der Kläger den nach § 66 a Abs. 5 BAföG erforderlichen Antrag innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Feststellungsbescheides vom 5. Februar 1995 gestellt hätte. Einen solchen Antrag hat der Kläger aber nicht gestellt, obwohl er über diese rechtliche Möglichkeit unter Nr. 9 der Hinweise des Feststellungs- und Rückzahlungsbescheides vom 5. Februar 1995 belehrt worden ist. In seinem Schreiben vom 25. Februar 1995 kann ein solcher Antrag nicht erblickt werden, weil der Kläger ausdrücklich eine Festsetzung des Rückzahlungsbeginns auf den Zeitpunkt fünf Jahre nach Studienabschluß beantragt hat und Anhaltspunkte für eine Antragstellung nach § 66 a Abs. 5 BAföG nicht ersichtlich sind.
27Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über deren vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
28Der Senat läßt die Revision nicht zu, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
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