Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 7A D 93/95.NE
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Antragsteller ist Eigentümer der Grundstücke Gemarkung T. , Flur 55, Flurstücke 15, 18 und 19 sowie Flur 54, Flurstück 11.
3Das 571 qm große Grundstück Flur 55, Flurstück 18 ist mit einem Wohnhaus bebaut, das von der Mutter des Antragstellers bewohnt wird. Auf den übrigen Flurstücken mit einer Gesamtfläche von 47.836 qm stehen ein weiteres Wohnhaus, das vom Antragsteller bewohnt wird, sowie teilweise im Anschluß, teilweise aber auch separat die Betriebsgebäude einer dem Antragsteller vom Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt L. mit Bescheid vom 4. April 1984 genehmigten Anlage "zum Halten bzw. zur Aufzucht von Junggeflügel (Geflügelzuchtbetrieb in Form einer Tierintensivhaltung i.S. der Nr. 7.1. Spalte 1 der Anlage zur 4. BImSchV)" mit 57.500 Aufzuchttieren. Das Betriebsgelände wird im Inneren über einen privaten Stichweg (G. straße) erschlossen, der an der Südostgrenze des Geländes in den H. Weg mündet. Die westlich, östlich und nördlich des Grundstücks des Antragstellers gelegenen großflächigen Nachbargrundstücke sind unbebaut und werden teils land-, teils forstwirtschaftlich genutzt; überwiegend sind sie mit Wald bestanden. Etwa 80 m nordöstlich des Betriebsgeländes, nordwestlich des von Südwesten nach Nordosten verlaufenden H. Weges, der hier anschließend in die I. -M. -Straße übergeht, die wiederum in die Von- L. ring-Straße (L 58) mündet, liegen beginnend mit dem Flurstück 56 drei aufeinanderfolgende Grundstücke, die straßennah wohngenutzt werden, im übrigen - ebenso wie die nordwestlich anschließenden Flächen - mit Wald bestanden sind. Darauf folgt in nordöstlicher Richtung ein etwa 30 m breites unbebautes Grundstück. Es schließen sich entlang der Straße wiederum mehrere wohngenutzte Grundstücke an. Etwa 250 m vom Betriebsgelände des Antragstellers entfernt zweigt von der I. -M. -Straße die Anliegerstraße Auf dem X. in nordwestlicher Richtung ab, die auf großflächigen Grundstücken beidseitig mit Wohngebäuden bebaut ist. Nach gut 160 m schwenkt diese Straße nach Nordosten und verläuft etwa parallel zur I. -M. -Straße, bis sie auf die Von- L. ring-Straße stößt. Entlang dieses Straßenarms befindet sich im südlichen Bereich bis zur Von-L. ring-Straße durchgehend Wohnbebauung. Im nördlichen Teil ist - von Westen gesehen - nur das erste Grundstück mit einem Wohnhaus bebaut, danach folgt zunächst das Gelände einer ehemaligen Geflügelfarm mit Wohnhaus und anschließend bis zur Von- L. ring-Straße Ackerfläche.
4Die Grundstücke südöstlich des Straßenzugs H. Weg/I. -M. -Straße sind entlang der Straße durchgehend bebaut; die Gebäude dienen der Wohnnutzung.
5Der Antragsteller wendet sich gegen den Bebauungsplan Nr. 82/III - Auf dem X. - der Antragsgegnerin, der einen Bereich nordwestlich der I. -M. -Straße zwischen der Einmündung in die Von-L. ring-Straße und der westlichen Grenze des Flurstücks 56 umfaßt. Die westliche Plangrenze verläuft zunächst in Richtung Nordwesten entlang der westlichen Grenze des Flurstücks 56, dann weiter in nördlicher Richtung durch eine Waldfläche; etwa an der nordwestlichen Ecke des Flurstücks 80 schwenkt sie nach Nordosten, bis sie auf die Von-L. ring-Straße trifft.
6Nach der Begründung des Bebauungsplans ist maßgeblicher Planungsanlaß, die im Plangebiet vorhandenen großzügigen Freiflächen entsprechend den Darstellungen des Flächennutzungsplanes der Wohnnutzung zuzuführen, um den erheblichen Wohnungsmangel im Stadtgebiet zu beheben. Vorrangige Planungsziele der Antragsgegnerin sind, ein städtebauliches Konzept vorwiegend für den Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern unter Berücksichtigung der bestehenden Baustruktur zu entwickeln, durch die Festsetzung verkehrsberuhigter Bereiche die Wohnumfeldqualität zu steigern und die landschaftlichen Gegebenheiten, wie Waldflächen, Landschaftsschutzgebiete und einen Bachlauf mit Uferzone weiterzuentwickeln.
7Der Bebauungsplan orientiert sich hinsichtlich der festgesetzten bebaubaren Flächen in Richtung Westen an dem vorhandenen Bestand an Wohngebäuden; im nordöstlichen Teil des Plangebiets insbesondere im Bereich der ehemaligen Geflügelfarm weist er zusätzliche Bauflächen aus. Als Nutzungsart ist für die Bauflächen reines Wohngebiet festgesetzt. Von der Überplanung als reines Wohngebiet ausgenommen sind ausgedehnte Freiflächen entlang der nordwestlichen und nördlichen Plangrenze sowie im südöstlichen Teil des Plangebiets im Bereich I. -M. -Straße/von L. ring Straße, die als "Flächen für Wald" ausgewiesen sind, und ein als private Grünfläche festgesetzter Bereich entlang des C. Baches, der das Plangebiet durchfließt.
8Der Bebauungsplan enthält ferner Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung sowie Pflanzgebote nach § 9 Abs. 1 Nr. 25a BauGB, Maßnahmen nach § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB, Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 23 BauGB und zum Lärmschutz nach § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB, zur Höhenlage baulicher Anlagen sowie bauordnungsrechtliche Festsetzungen vornehmlich zur äußeren Gestaltung baulicher Anlagen.
9Das Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplans nahm folgenden Verlauf:
10In seiner Sitzung vom 14. März 1983 beschloß der Rat der Antragsgegnerin erstmals die Aufstellung und Offenlegung des Bebauungsplans. Nach Satzungsbeschluß vom 13. Februar 1989 wurde der Bebauungsplan dem Regierungspräsidenten L. nach § 11 BauGB angezeigt. Nachdem dieser den Bebauungsplan beanstandet hatte, überarbeitete die Antragsgegnerin das Plankonzept. In seiner Sitzung vom 20. September 1993 stimmte der Rat dem neuen Bebauungsplanentwurf zu und beschloß die öffentliche Auslegung des Entwurfs nach § 3 Abs. 2 BauGB, die vom 9. November bis zum 10. Dezember 1993 stattfand. Die Träger öffentlicher Belange wurden beteiligt.
11Das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt nahm mit Schreiben vom 27. Dezember 1993 Stellung. Es führte u.a. aus, es seien aufgrund erneuter Beschwerden aus dem Bereich "Am F. /H. Weg" umfangreiche Begehungen zur Feststellung der Grundstückssituation durchgeführt worden, bei denen erhebliche Geruchsbelästigungen durch die Hühnerfarm des Antragstellers festgestellt worden seien. Es sei beabsichtigt, die tatsächlichen Immissionsverhältnisse zu erfassen und bei Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle mögliche Sanierungsmaßnahmen beim Betrieb des Antragstellers zu untersuchen und ggfs. umzusetzen. Da mit der Verwirklichung des Bebauungsplans keine Wohnbebauung an die Hühnerfarm des Antragstellers heranrücke, werde sich kein direkter Einfluß auf eventuelle Sanierungsmaßnahmen ergeben.
12Während der Offenlegung gingen auch zahlreiche Bedenken und Anregungen von Bürgern - unter anderem auch des Antragstellers - ein.
13In seiner Sitzung vom 20. Juni 1994 befaßte sich der Rat der Antragsgegnerin mit den Bedenken und Anregungen, wies sie anschließend im einzelnen zurück und beschloß sodann den Bebauungsplan Nr. 82/III - Auf dem X. - als Satzung. Von einem Anzeigeverfahren wurde gemäß § 2 Abs. 6 BauGB-MaßnG abgesehen. Der Ratsbeschluß wurde am 6. September 1994 bekanntgemacht.
14Am 9. Juni 1995 hat der Antragsteller den vorliegenden Normenkontrollantrag gestellt, zu dessen Begründung er vorträgt: Er sei antragsbefugt, obwohl sein Grundstück außerhalb des Plangebiets liege. Der Bebauungsplan verletze sein Eigentumsrecht. Er müsse wegen der Emissionssituation seines Betriebes mit Einschränkungen bei Erweiterungsmaßnahmen rechnen, weil Wohnbebauung heranrücke. Schon jetzt würden die nach dem Abstanderlaß und der VDI 3472 erforderlichen Abstände zwischen seinem Betrieb und der vorhandenen Wohnbebauung nicht eingehalten. Der Bebauungsplan weise auch das Gebäude der ehemaligen Hühnerfarm im Norden des Plangebiets als reines Wohngebiet aus, so daß sich der Charakter der näheren Umgebung der Art der Nutzung nach zu seinem Nachteil ändere. Zudem werde mit der Errichtung weiterer Wohngebäude der Kreis der potentiellen Beschwerdeführer gegen die von seinem Betrieb ausgehenden Emissionen größer. Schließlich sei die hinzutretende Wohnbebauung trotz des größeren Abstandes zum Emissionsort schutzwürdiger als die vorhandene und löse deshalb stärkere Rücksichtnahmepflichten seines Betriebes aus. Der Antrag sei auch begründet. Das Gebot der Abwägung sei verletzt.
15Der Antragsteller beantragt,
16den Bebauungsplan Nr. 82/III - Auf dem X. - der Antragsgegnerin für nichtig zu erklären.
17Die Antragsgegnerin beantragt,
18den Antrag abzulehnen.
19Sie trägt zur Begründung im wesentlichen vor: Der Antragsteller sei bereits nicht antragsbefugt, weil er die Möglichkeit einer Rechtsverletzung nicht dargetan habe. Die festgesetzte Wohnbebauung rücke nicht näher an den Betrieb des Antragstellers heran. Es gäbe bereits jetzt eine Vielzahl von Bauten, die dem Betrieb erheblich näher lägen. Die Rücksichtnahmepflichten des Betriebes verstärkten sich nicht. Es sei bereits eine Umgebungsbebauung vorhanden, die zu Betriebsbeschränkungen führe. Jedenfalls sei der Antrag des Antragstellers aber unbegründet. Eine Verletzung des Abwägungsgebots sei nicht zu erkennen.
20Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von der Antragsgegnerin vorgelegten Aufstellungsvorgänge Bezug genommen.
21Entscheidungsgründe:
22Der Antrag ist unzulässig.
23Der Antragsteller ist nicht antragsbefugt.
24Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in der Fassung, die er durch Art. 1 Nr. 2a des Sechsten Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 1. November 1996, BGBl I 1626 (6. VwGOÄndG) erhalten hat, kann den Antrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO innerhalb einer näher bestimmten Frist jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden; antragsbefugt sind darüber hinaus auch Behörden. Auf diese gemäß Art. 11 6. VwGOÄndG am 1. Januar 1997 in Kraft getretene Fassung des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO n.F. ist auch im vorliegenden Verfahren abzustellen, obwohl der Antragsteller den Normenkontrollantrag bereits vor dem 1. Januar 1997 gestellt hat und damit noch zu einer Zeit, in der gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO a.F. die Antragsbefugnis bereits dann gegeben war, wenn die antragstellende Person durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung (zwar noch keine Rechtsverletzung, aber bereits) einen Nachteil erlitten oder in absehbarer Zeit zu erwarten hatte.
25Der Wortlaut des Art. 1 Nr. 2a in Verbindung mit Art. 11 6. VwGOÄndG ergibt, daß über die Antragsbefugnis - als einer Zulässigkeitsvoraussetzung gerichtlicher Sachprüfung, die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gegeben sein muß - in bereits anhängigen Verfahren nunmehr nach Maßgabe des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in der Fassung zu befinden ist, die er durch das Sechste Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung erhalten hat. Eine abweichende Regelung, die fordern würde, in vor dem 1. Januar 1997 eingeleiteten Verfahren auf § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO a.F. abzustellen, sehen die Überleitungsvorschriften des Art. 10 6. VwGOÄndG nicht vor. Vielmehr verdeutlichen die Überleitungsvorschriften, daß der Gesetzgeber die Antragsbefugnis auch für im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Sechsten Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung anhängige Verfahren an die Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO n.F. knüpfen wollte. Denn er hat in Art. 10 Abs. 4 6. VwGOÄndG ausdrücklich eine Überleitungsregelung für § 47 Abs. 2 VwGO n.F. getroffen, jedoch nur insoweit, als es um die in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO n.F. bestimmte Frist für die Antragstellung geht. Der Gesetzgeber hat sich demnach mit der Frage befaßt, ob § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO n.F. ab Inkrafttreten des Sechsten Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung gelten sollte, und für die Neuregelung der Antragsbefugnis dennoch keine Übergangsbestimmung vorgesehen.
26Die sich aus dem Wortlaut des Art. 1 Nr. 2a in Verbindung mit Art. 11 6. VwGOÄndG ergebende Neuregelung der Antragsbefugnis auch für bereits anhängige Verfahren entspricht allgemeinen Grundsätzen des Prozeßrechts, nach denen Änderungen des Verfahrensrechts mit ihrem Inkrafttreten grundsätzlich auch anhängige Rechtsstreitigkeiten erfassen.
27Vgl. BVerfG, Urteil vom 25. Juni 1968 - 2 BvR 251/63 -, BVerfGE 24, 33 (55); Beschluß vom 12. Juli 1983 - 1 BvR 1470/82 -, BVerfGE 65, 76 (98), BVerwG, Urteil vom 4. Oktober 1962 - I C 145.58 -, BVerwGE 15, 48 (50).
28Art. 1 Nr. 2a in Verbindung mit Art. 11 6. VwGOÄndG steht mit Verfassungsrecht in Übereinstimmung. Eine Einschränkung des allgemeinen Grundsatzes des intertemporalen Prozeßrechts, wonach eine Änderung des Verfahrensrechts grundsätzlich auch anhängige Rechtsstreitigkeiten erfaßt, ist für Rechtsmittelverfahren in Betracht zu ziehen, da das im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Vertrauensschutzprinzip die Rechtsmittelsicherheit gebieten kann.
29Vgl. BVerfG, Beschluß vom 7. Juli 1992 - 2 BvR 1631, 1728/90 -, BVerfGE 87, 48 (64).
30Das Vertrauensschutzprinzip gebietet es jedoch nicht, die Voraussetzungen der Antragsbefugnis für anhängige Normenkontrollverfahren unverändert zu lassen. Das Normenkontrollverfahren ist kein Rechtsmittelverfahren, in dem eine erstinstanzliche Entscheidung zur Überprüfung stünde. Auch ist ein Vertrauen auf die Ungültigkeit des Bebauungsplanes als formell bestehender Rechtsnorm in aller Regel nicht geschützt.
31Vgl. BVerfG, Beschluß vom 15. November 1967 - 2 BvL 7, 20, 22/64 -, BVerfGE 22, 330 (348); BGH, Urteil vom 24. Juni 1982 - III ZR 169/80 -, NJW 1983, 215 = BRS 39 Nr. 30; BVerwG, Beschluß vom 13. April 1983 - 4 N 1.82 -, BRS 40 Nr. 25.
32Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist hier ersichtlich nicht gegeben. Aber auch ein etwaiges Vertrauen darin, nicht mit den Kosten des Normenkontrollverfahrens belastet zu werden, fordert von Verfassungs wegen keine Überleitungsvorschrift. Das Kosteninteresse wird von den Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung zur Kostenverteilung angemessen erfaßt. Entfällt die Zulässigkeit des Antrags in Folge der gesetzlichen Neuregelung, führt dies zu seiner Erledigung. In Konsequenz einer dieser Rechtslage Rechnung tragenden übereinstimmenden Erledigungserklärung ist über die Kosten des Verfahrens gemäß § 161 Abs. 2 VwGO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes (und damit auch der Erfolgsaussichten des Antrages) zu entscheiden.
33Das Normenkontrollverfahren ist auch nicht (im bisherigen Umfange) erforderlich, um ausreichenden Rechtsschutz zu gewährleisten. Abgesehen davon, daß bei einer Rechtsverletzung, die nach Art. 19 Abs. 4 GG zur Eröffnung eines Rechtsweges zwingt, die Antragsbefugnis auch für das Normenkontrollverfahren weiterhin bestehen bleibt, steht dem von den Festsetzungen eines Bebauungsplanes in rechtlich geschützten Interessen Betroffenen weiterhin der Individualrechtsschutz offen, in dem die Wirksamkeit des Bebauungsplanes inzident zu prüfen sein kann. Im Hinblick auf die gegen die Auswirkungen eines Bebauungsplanes gegebenen Rechtsschutzmöglichkeiten ist das Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO durch Art. 19 Abs. 4 GG nicht geboten.
34Vgl. BVerfG, Beschluß vom 27. Juli 1971 - 2 BvR 443/70 -, BVerfGE 31, 364 (370).
35Die nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO n.F. erforderlichen Voraussetzungen der Antragsbefugnis sind im vorliegenden Verfahren nicht gegeben.
36Ein Bebauungsplan führt zu einer Rechtsverletzung, wenn er subjektive Rechte des von seinen Festsetzungen Betroffenen verletzt. Während das Gesetz mit dem Nachteilsbegriff in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO a.F. die Antragsbefugnis in Normenkontrollverfahren bewußt weiter öffnete als in § 42 Abs. 2 VwGO die Klagebefugnis mit dem Begriff der Rechtsverletzung,
37vgl. hierzu BVerwG, Beschluß vom 18. Februar 1994 - 4 NB 24.93 -, BRS 56 Nr. 30 (S. 81),
38greift das Gesetz nunmehr für die Antragsbefugnis auf den Maßstab der Rechtsverletzung zurück, wie er auch für die Klagebefugnis entscheidend ist. Die sich aus dem Wortlaut des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO n.F. ergebende Rechtslage entspricht dem Sinn des Gesetzes, wie er durch die Gesetzesmaterialien bestätigt wird. Die weitgefaßte Antragsbefugnis sollte an die Regelung der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO angepaßt werden.
39Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze, BT-Drucks. 13/3993 vom 6. März 1996, S. 9, 10; OVG NW, Urteil vom 23. Januar 1997 - 7a D 70/93 -.
40Eine Rechtsverletzung im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO n.F. kann gegeben sein, wenn der Bebauungsplan Festsetzungen trifft, die sich auf subjektive Rechte des Antragstellers auswirken können. Ob eine solche Rechtstellung betroffen ist, auf die sich der Antragsteller gegenüber den Festsetzungen eines Bebauungsplanes berufen kann, ergibt sich aus dem jeweils in Rede stehenden materiellen Recht.
41Vgl. BVerwG, Beschluß vom 9. November 1979 - 4 N 1-4.79 -, BRS 35 Nr. 24, Seite 69.
42Nicht hinreichend für die Annahme einer Rechtsverletzung ist hingegen, daß lediglich die Verletzung solcher privater Belange, die zwar bei der Aufstellung eines Bebauungsplanes abwägend zu berücksichtigen, nicht aber Teil einer Rechtsposition des Antragstellers sind, oder die Fehlerhaftigkeit des Bebauungsplanverfahrens geltend gemacht werden. Ein subjektives Recht auf ein fehlerfreies Bebauungsplanverfahren oder auf Abwägung privater Belange wird durch das Baugesetzbuch nicht begründet.
43Einen subjektiven Rechtsanspruch auf Durchführung eines fehlerfreien Bebauungsplanverfahrens, dessen Verletzung ein Betroffener ungeachtet der Frage geltend machen könnte, ob er durch das Ergebnis des Bebauungsplanverfahrens, also durch die Festsetzungen des Bebauungsplanes in eigenen, ihm zustehenden materiellen Rechten verletzt ist, kennt das Baugesetzbuch nicht. Das Bebauungsplanverfahren dient ausschließlich dem Zweck, zu einer Bauleitplanung beizutragen, die der der Gemeinde im Interesse erforderlicher städtebaulicher Entwicklung und Ordnung (vgl. § 1 Abs. 3 BauGB) auferlegten Verpflichtung genügt, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde vorzubereiten und zu leiten (vgl. § 1 Abs. 1 BauGB). Einen subjektiven Anspruch auf Bebauungsplanung, also auch auf fehlerfreie Durchführung des in den Erlaß (oder die Aufhebung bzw. Änderung) eines Bebauungsplanes mündenden Verfahrens, schließt § 2 Abs. 3 (i.V.m. Abs. 4) BauGB ausdrücklich aus. § 2 Abs. 3 BauGB, wonach auf die Aufstellung von Bebauungsplänen kein Anspruch besteht, gestattet keine Ausnahme.
44Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. März 1977 - 4 C 45.75 -, DVBl. 1977, 529 = NJW 1977, 1979 = BauR 1977, 241 = BRS 32 Nr. 1; BVerwG, Beschluß vom 9. Oktober 1996 - 4 B 180.96 -.
45Gibt es einen Anspruch auf Planaufstellung nicht, so gibt es noch viel weniger einen Anspruch auf Durchführung einzelner Verfahrensschritte, die lediglich Bestandteil des Planaufstellungsverfahrens sind.
46Vgl. Berliner Kommentar, BauGB, 2. Aufl., Vorbemerkung zu den §§ 29 bis 38, RdNr. 79, § 2 RdNr. 16.
47Angesichts des Wortlauts des § 2 Abs. 3 BauGB kommt eine Auslegung nicht in Betracht, nach der einem Dritten ein Recht auf Durchführung eines Bebauungsplanverfahrens oder der Einhaltung einzelner Verfahrensschritte einzuräumen sein könnte. Für eine dahingehende Auslegung läßt sich auch § 1 Abs. 6 BauGB, wonach bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind, nichts entnehmen. Die durch die Planung berührten privaten Belange in die Abwägung einzustellen, wird bereits durch das verfassungsrechtliche Rechtsstaatsprinzip geboten,
48vgl. BVerwG, Urteil vom 30. April 1969 - IV C 6.68 -, DÖV 1970, 64 = NJW 1969, 1868 = DVBl. 1969, 697 = BRS 22 Nr. 3,
49nicht jedoch, den Abwägungsvorgang als solchen mit subjektiven Rechten auszustatten. Werden die betroffenen privaten Belange in einem mit der Rechtsposition des Betroffenen (namentlich aus Art. 14 Abs. 1 GG) nicht vereinbaren Maße übergangen, führt dies zur Nichtigkeit des Bebauungsplanes. Werden die privaten Belange unterhalb dieser Schwelle nicht mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt, in ihrer Bedeutung verkannt oder wird der Ausgleich der durch die Planung berührten Belange in einer Weise vorgenommen, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht, kann auch dies zur Nichtigkeit des Bebauungsplanes führen. Die Nichtigkeit eines Bebauungsplanes ist jedoch nicht von einer dahingehenden Feststellung des Verwaltungsgerichts abhängig. Der Betroffene hat die Möglichkeit, diese Nichtigkeit neben dem Verfahren nach § 47 Abs. 1 VwGO in anderen Gerichtsverfahren, deren Entscheidung von der Gültigkeit des Bebauungsplanes abhängt, von den Gerichten inzident prüfen zu lassen. Dies unterscheidet das Verfahren zur Aufstellung (Änderung oder Aufhebung) eines Bebauungsplanes von anderen Planfeststellungsverfahren, die in einen bestandskraftfähigen Planfeststellungsbeschluß münden.
50Vgl. zur Fernstraßenplanung: BVerwG, Urteil vom 14. Februar 1975 - IV C 21.74 - BVerwGE 48, 56 (66).
51Eines subjektiven Rechts auf Teilhabe der eigenen privaten Belange an der Abwägung bedarf es daher aus Rechtsschutzgründen nicht.
52Vgl. dazu, daß sich aus § 1 Abs. 6 BauGB (§ 1 Abs. 4, Abs. 5 BBauG) kein subjektives öffentliches Recht auf Abwägung ableiten läßt: BVerwG, Urteil vom 29. Juli 1977 - IV C 51.75 -, BVerwGE 54, 211; Beschluß vom 16. Dezember 1992 - 4 B 202.92 -, Buchholz 406.11 § 3 BauGB Nr. 4.
53Daß ein subjektives Recht auf Abwägung eigener Belange keine Bedeutung für die Frage hat, ob ein Bebauungsplan wirksam ist, bestätigt § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB. Die Beachtung privater Belange in der Abwägung mit dem ihnen zukommenden Gewicht betrifft den Abwägungsvorgang; selbst offensichtliche Fehler des Abwägungsvorgangs schlagen auf den Bebauungsplan mit der Folge seiner Unwirksamkeit jedoch nicht durch, wenn sie auf das Abwägungsergebnis nicht von Einfluß gewesen sind. Schließlich würde der Zweck der Änderung des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO durch das Sechste Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung verfehlt, würde entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für das Bauleitplanverfahren ein subjektives Recht auf Abwägung privater Belange anerkannt. § 1 Abs. 6 BauGB fordert nicht nur die Abwägung von Rechtspositionen, sondern verlangt die Abwägung aller durch die Bauleitplanung betroffenen Belange. Bei fehlerhafter Abwägung wäre das in diesem Zusammenhang unterstellte Recht auf fehlerfreie Abwägung (eigener, noch nicht zur Rechtsposition erstarkter Belange) verletzt und damit die Antragsbefugnis wegen eben dieser Rechtsverletzung eröffnet. Alle nicht zur Rechtsposition erstarkten Nachteile, die die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO a.F. zu begründen geeignet waren, würden mit der Behauptung, sie seien nicht hinreichend abgewogen worden und daher sei das Recht auf Abwägung verletzt, den Anforderungen genügen, die § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO n.F. an die Antragsbefugnis stellt.
54Ein subjektives Recht auf Abwägung privater Belange ist schließlich nicht geboten, um einen hinreichenden Grundrechtsschutz zu gewährleisten. Grundrechtsschutz kann allerdings auch durch die Gestaltung von Verfahren bewirkt werden. Aus diesem Grunde hat das Bundesverfassungsgericht eine Grundrechtsverletzung etwa in Betracht gezogen, wenn die Behörde im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren solche atomrechtlichen Verfahrensvorschriften außer Acht läßt, die der Staat in Erfüllung seiner aus Art. 2 Abs. 2 GG folgenden Schutzpflicht erlassen hat.
55Vgl. BVerfG, Beschluß vom 20. Dezember 1979 - 1 BvR 385/77 -, BVerfGE 53, 30 (65).
56Eine vergleichbare Konstellation liegt dem Bebauungsplanverfahren nicht zugrunde. Es zielt nicht auf Grundrechtssicherung, sondern im Rahmen städtebaulicher Entwicklung und Ordnung auf die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke. Soweit es zur Verwirklichung des Bebauungsplanes behördlicher Vollzugsakte bedarf, beeinträchtigt der Bebauungsplan Grundrechte ohnehin nicht unmittelbar.
57Vgl. BVerfG, Beschluß vom 27. Juli 1991 - 2 BvR 443/70 -, a.a.O., S. 369.
58Aber auch dort, wo es behördlicher Vollzugsakte nicht bedarf, weil die bauliche oder sonstige Nutzung keiner bauaufsichtlichen Genehmigung oder Zustimmung bedarf und der Bauaufsichtsbehörde auch nicht angezeigt werden muß (vgl. § 29 Satz 1 BauGB), ist ein Grundrechtsschutz durch Begründung subjektiver Verfahrensrechte nicht erforderlich. Für beide denkbaren Fallgruppen bedarf es auch ohne vorgeschaltetes behördliches Prüfungsverfahren der Nutzungsverwirklichung oder jedenfalls einer hierauf gerichteten Absicht. Will ein Dritter von den Bebauungsplanfestsetzungen zu Lasten seiner Nachbarschaft Gebrauch machen, kann es erst durch Verwirklichung seiner Nutzungsabsichten zu Nachbarbeeinträchtigungen kommen. Der Nachbarschaft sind hiergegen die zivil- und verwaltungsrechtlichen Abwehransprüche gegeben, zu deren Begründung die Unwirksamkeit des maßgeblichen Bebauungsplanes behauptet werden kann und ggfs. inzident zu prüfen ist. Will der Eigentümer sein Grundstück anders nutzen als im Bebauungsplan vorgesehen, hat er die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit seines Vorhabens feststellen zu lassen.
59Der Antragsteller machte zur Stützung seiner Antragsbefugnis geltend, daß eigene Rechte durch den Bebauungsplan Nr. 82/III - Auf dem X. - der Antragsgegnerin verletzt würden. Zur Begründung beruft er sich darauf, die Festsetzungen des Bebauungsplans griffen in seinen durch Art. 14 GG geschützten eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ein. Es werde Wohnbebauung an seinen Gewerbebetrieb heranrücken, so daß er wegen der Emissionssituation des Betriebs, der wegen der mit der genehmigten Hühnerhaltung verbundenen Gerüche ein beträchtliches Belästigungspotential aufweise, zumindest in seinen Entwicklungsmöglichkeiten erheblich beschränkt werde, er werde unter Umständen sogar wegen der bestehenden Hühnerhaltung nachträglichen Anforderungen unterworfen.
60Dieses Vorbringen vermag die notwendige Antragsbefugnis nicht zu begründen. Wie aus dem dem Senat vorliegenden umfassenden Kartenmaterial ohne weiteres ablesbar ist und auch durch den Inhalt der vorliegenden Aufstellungsvorgänge bestätigt wird, ist offensichtlich ausgeschlossen, daß die Festsetzungen des angegriffenen Bebauungsplans für zukünftige Betriebsbeschränkungen und damit für eine Betroffenheit von Rechten des Antragstellers ursächlich sein können.
61Ob ein Bebauungsplan oder dessen Anwendung zu einer Rechtsverletzung (zumindest in absehbarer Zeit) führen kann, läßt sich im gegebenen Zusammenhang nur durch einen Vergleich der Rechtslage vor Erlaß des Bebauungsplanes mit der durch ihn geschaffenen Rechtslage beantworten. Läßt der Bebauungsplan die bisher geltende Rechtslage hinsichtlich der vom Antragsteller geltend gemachten Rechtsposition unberührt, fehlt es an der notwendigen Ursächlichkeit.
62So liegt der Fall hier. Ein Vergleich der Rechtslage vor Erlaß des Bebauungsplans mit der durch ihn geschaffenen ergibt, daß die vom Antragsteller geltend gemachte Rechtsposition hinsichtlich seines Betriebs unverändert bleibt. Den nach den Vorschriften des Bundesimmissionsschutzgesetzes als "Anlage zum Halten bzw. zur Aufzucht von Junggeflügel" genutzten vorhandenen Betriebsbestand des Antragstellers trifft mit der Ausweisung der reinen Wohngebiete offenkundig keine stärkere planungsrechtliche Rücksichtnahmepflicht als bisher. Eine Verschlechterung der aus dem Gebot der Rücksichtnahme abzuleitenden Abwehrposition des Betriebs durch das Hinzutreten von Wohnbebauung im Plangebiet ist ausgeschlossen, weil dort bereits jetzt Wohnhäuser vorhanden sind, auf die der Betrieb in gleicher Weise Rücksicht nehmen muß, so daß keine immissionsschutzrechtlichen Beschränkungen des legal genutzten vorhandenen Bestandes infolge der hinzutretenden Nutzung zu befürchten sind. Gleiches gilt hinsichtlich künftiger Erweiterungen des Betriebes.
63Die vorhandene bebauungsrechtliche Prägung wird in ihrer Bedeutung als Maßstab für die nach dem Gebot der Rücksichtnahme zu stellenden Immissionsschutzanforderungen und für das Ausmaß der gegenseitigen nachbarlichen Schutz- und Abwehrrechte durch die Festsetzung des reinen Wohngebiets im Bebauungsplan nicht zu Lasten des Antragstellers verändert.
64Bereits bisher waren die dem Betrieb des Antragstellers im Osten nächstgelegenen, nunmehr überplanten bebauten Grundstücke dem unbeplanten Innenbereich zuzurechnen und entsprachen der Art ihrer Nutzung nach ersichtlich einem reinen Wohngebiet i.S.v. § 3 BauNVO.
65Die derzeitige Bebauungssituation im Plangebiet, wie sie in ihrer tatsächlichen Dimension in dem dem Senat vorliegenden Kartenmaterial im einzelnen - und auch nach dem Vortrag der Beteiligten zutreffend - wiedergegeben ist, läßt keinen Zweifel daran aufkommen, daß es sich jedenfalls bei dem bebauten Bereich, der vom Betrieb des Antragstellers aus gesehen die nächstgelegene Wohnbebauung erfaßt, ersichtlich um einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil handelt. Daß die südöstlich des Straßenzugs H. Weg/I. -M. -Straße vorhandene Bebauung einen Ortsteil darstellt, bedarf keiner weiteren Vertiefung. An diesem Zusammenhang nimmt offensichtlich auch die Bebauung teil, die sich über die I. -M. -Straße hinweg nach Nordwesten zum Tal des C. bach hin erstreckt und auch das Wohnhaus westlich der ehemaligen Hühnerfarm, nördlich der Straße "Auf dem X. " erfaßt. Alle diese im westlichen Bereich dieses Bebauungskomplexes gelegenen und damit dem Betriebsgelände des Antragstellers zugewandten Grundstücke werden ausweislich der Bebauungsplanbegründung und des dem Senat vorliegenden Auszugs aus der Deutschen Grundkarte, die auch die Nutzungsart der vorhandenen Baukörper wiedergibt, ausschließlich wohngenutzt. Dieser dem Betriebsgelände des Antragstellers gleichsam als "Barriere" zugewandte Randbereich entspricht damit seiner städtebaulichen Prägung nach schon jetzt einem unter dem Gesichtspunkt des Immissionsschutzes gegenüber einer gewerblichen Nutzung besonders schutzwürdigen und schutzbedürftigen reinen Wohngebiet i.S.v. § 3 BauNVO.
66An dieser planungsrechtlichen Beurteilung, die der Antragsteller auch nicht in Zweifel zieht, ändert das Gelände der ehemaligen Hühnerfarm nordöstlich der Wohnbebauung nichts. Insoweit ist rechtlich irrelevant, ob die vorhandenen Betriebsgebäude noch dem unbeplanten Innenbereich zuzuordnen sind oder im Außenbereich liegen. Gehört das ehemalige Betriebsgelände zum Bebauungszusammenhang, ist es jedenfalls nicht (mehr) in der Lage, den bodenrechtlichen Charakter der im übrigen ausschließlich durch wohngenutzte Ein- und Zweifamilienhäuser geprägten näheren Umgebung mit zu bestimmen und deren Einordnung als faktisches reinen Wohngebiet auszuschließen, weil der Betrieb bereits vor dem Aufstellungs- und Offenlegungsbeschluß vom 20. September 1993 ausgelagert worden war. Das mit der Auslagerung als bewußtem und zielgerichteten Willensakt der Nutzungsaufgabe verbundene Zurückweichen der wohnfremden Nutzung und die seit der Auslagerung vergangene geraume Zeitspanne schließen es aus, daß die noch vorhandenen ehemaligen Betriebsgebäude städtebaulich in einer Weise nachwirken, daß sie ihrerseits die Umgebungsbebauung mit prägen und insgesamt zu einer Gebietsstruktur mit einer geruchsspezifisch deutlich höheren Toleranzschwelle führen. Sind die ehemaligen Betriebsgebäude demgegenüber dem Außenbereich zuzuordnen, vermögen sie aus den genannten Gründen die für die vorhandene Wohnbebauung maßgeblichen Schutzmaßstäbe ebenfalls nicht zu verändern.
67Das durch die bei Planaufstellung bereits bestehende Bebauung bedingte Maß an Rücksichtnahmepflichten des Betriebes des Antragstellers gegenüber den umliegenden andersartigen Nutzungsformen wird durch den Bebauungsplan und die durch ihn zugelassene zusätzliche Bebauung nicht verstärkt.
68Die vorstehend beschriebene vorhandene und als reine Wohnbebauung zu qualifizierende Bebauung liegt in allen Bereichen des Plangebiets jeweils in geringerer Entfernung zu dem Betrieb des Antragstellers als die Flächen, für die der Bebauungsplan gegenüber dem Istzustand noch zusätzliche Wohnbebauung vorsieht. Angesichts dessen, daß das Maß der Rücksichtnahmepflichten faktisch umso größer ist, je näher der Standort des Rücksichtnahmeberechtigten an dem des Rücksichtnahmeverpflichteten liegt, wird das Maß der Rücksichtnahme durch den Standort des nächstliegenden Rücksichtnahmeberechtigten bestimmt. Alle entfernter liegenden Objekte können - von Besonderheiten abgesehen, die sich aus der vorherrschenden Windrichtung ergeben - zwangsläufig nur ein geringeres Maß an Rücksichtnahme fordern, als ein näherliegendes Objekt. Das bedeutet unter den vorliegenden Gegebenheiten, daß die bebauungsplanbedingt in größerer Entfernung von dem Betrieb des Antragstellers entstehenden Objekte niemals das Maß an Rücksichtnahme verlangen können, das dem Betrieb des Antragstellers bereits im Hinblick auf die näherliegende planunabhängig bestehende Bebauung obliegt, sodaß der Plan damit das Maß an Rücksichtnahmepflichten nicht erhöht.
69Soweit die dem Betrieb des Antragstellers zugewandte "Barriere" wegen ihrer Randlage zum Außenbereich eine geringere Zumutbarkeitsschwelle als etwa eine inmitten eines Wohngebiets gelegene Wohnbebauung hat,
70vgl. BVerwG, Urteile vom 12. Dezember 1975 - 4 C 71.73 -, BRS 29 Nr. 135, vom 22. Juni 1990 - 4 C 6.87 - , BRS 50 Nr. 84 und vom 18. Mai 1995 - 4 C 20.94 -, BRS 57 Nr. 67; BayVGH, Urteil vom 30. April 1993 - 26 B 91.1284 -, BayVBl. 1994, 113,
71ändert dies nichts daran, daß das Maß der Rücksichtnahmepflichten des Antragstellers durch den Plan nicht erhöht wird. Soweit - vom Grundstück des Antragstellers aus gesehen - jenseits dieses Riegels zusätzliche Wohngebäude entstehen werden, die nicht mehr durch eine Randlage zum Außenbereich gekennzeichnet sind, ist zum einen bereits auch hier vergleichbare Bebauung vorhanden und wird zum anderen die ggf. stärkere Schutzwürdigkeit wegen fehlender Randlage durch den größeren Abstand zum Betrieb des Antragstellers ersichtlich mit der Folge ausgeglichen, daß im Ergebnis für den Antragsteller keine höheren Rücksichtnahmepflichten bestehen.
72Die faktische Vergrößerung der Zahl potentiell von Geruchsimmissionen betroffener "Neuansiedler" ist für sich genommen rechtlich nicht relevant.
73Damit ergibt sich aus den vorliegenden und vom Antragsteller geltend gemachten Tatsachen nicht die hinreichende Möglichkeit, daß es als Folge des Planes zu einer Erhöhung des dem Antragsteller obliegenden Maßes an Rücksichtnahmepflichten kommt, so9daß der Plan in die Rechtsposition des Antragstellers nicht eingreift und der Antrag damit unzulässig ist.
74Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
75Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
76Die Revision war zuzulassen, weil die Fragen, ob § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in seiner durch das Sechste Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung geprägten Fassung auch auf bereits vor Inkrafttreten des Sechsten Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung anhängigen Verfahren anzuwenden ist, und welche Anforderungen § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO n.F. an die Antragsbefugnis stellt, grundsätzliche Bedeutung haben (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
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