Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 17 A 4938/94
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
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T a t b e s t a n d :
2Die Kläger sind srilankische Staatsangehörige tamilischer Volkszugehörigkeit und stammen aus Jaffna. Die am 7. Oktober 1949 geborene Klägerin zu 1. ist seit Mai 1977 mit dem am 31. Januar 1947 geborenen Herrn U. C. verheiratet. Die Kläger zu 2. und 3., geboren am 22. Januar 1980 bzw. am 6. Mai 1984, sind deren gemeinsame Kinder.
3Der Ehemann der Klägerin zu 1. und Vater der Kläger zu 2. und 3. hält sich seit dem 25. Juni 1986 in der Bundesrepublik Deutschland auf. Am 27. Juni 1986 beantragte er seine Anerkennung als Asylberechtigter mit der Begründung, daß er wegen seiner tamilischen Volkszugehörigkeit Verfolgung, Bedrohung, Verhaftungen sowie Mißhandlungen seitens der srilankischen Sicherheitskräfte ausgesetzt gewesen sei. Er wurde zunächst durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 15. Mai 1987 als Asylberechtigter anerkannt. Auf die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten hob das Verwaltungsgericht Neustadt mit Urteil vom 7. März 1988 - 9 K 230/87 - den Anerkennungsbescheid auf. Die diesbezügliche Berufung des Ehemannes bzw. Vaters der Kläger wies das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz mit Beschluß vom 16. Dezember 1988 - 11 A 25/88 - zurück. In der Folgezeit wurde sein weiterer Aufenthalt ab dem 27. Juli 1989 zunächst geduldet. Seit dem 3. Dezember 1991 ist er im Besitz von fortlaufend verlängerten Aufenthaltsbefugnissen.
4Am 7. Januar 1993 beantragten die Kläger bei der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Colombo (Botschaft) die Erteilung je eines Visums zur Familienzusammenführung. Im Rahmen eines am selben Tage von der Botschaft durchgeführten Interviews gab die Klägerin zu 1. an: Sie habe bis 1990 als Handelslehrerin an einem technischen College gearbeitet. Vor zwei Jahren seien sie und die Kläger zu 2. und 3. nach Colombo gezogen. Gründe hierfür seien die "üblichen Probleme in Jaffna" und das Anliegen gewesen, in Colombo Visa zu beantragen. Sie wohnten dort im Privathaus von Freunden und seien ordnungsgemäß angemeldet. Sie hätten keine Schwierigkeiten in Sri Lanka und seien gesund. Die Kläger zu 2. und 3. besuchten in Colombo die Schule. Die Familie werde finanziell unterstützt durch den Ehemann bzw. Vater, der seinerseits arbeitslos sei.
5In einer internen Stellungnahme vermerkte die Botschaft, humanitäre Gründe gemäß §§ 30 und 31 AuslG seien nicht gegeben. Mit Formularbescheid vom 8. Januar 1993 lehnte sie den Visumsantrag ab.
6Die Kläger haben daraufhin am 23. Februar 1993 Klage erhoben. Zur Begründung haben sie ausgeführt:
7Der geltend gemachte Visumsanspruch ergebe sich aus § 31 Abs. 1 iVm § 30 Abs. 1 bis 4 AuslG. Dem Ehemann bzw. Vater sei aufgrund der seit Sommer 1990 noch weiter verschlechterten Lage in Sri Lanka ein Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen zugebilligt worden. Aus denselben Gründen seien ihnen Visa zum Zwecke der Familienzusammenführung zu erteilen. Eine Aufrechterhaltung der gegenwärtigen Trennung der Kläger von ihrem Ehemann bzw. Vater sei mit dem Schutzgebot von Art. 6 GG nicht vereinbar. Sie führe zu einer tiefgreifenden Entfremdung zwischen den betroffenen Familienmitgliedern. Insbesondere für die Kinder sei das Vorhandensein des Vaters von grundlegender Bedeutung. Es komme hinzu, daß die Klägerin zu 1. in Colombo über keine Lebensgrundlage verfüge, da ihr gesamter Besitz durch den Bürgerkrieg zerstört worden sei. Außerdem sei sie erheblich erkrankt.
8Die Kläger haben schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids ihrer Botschaft in Colombo vom 8. Januar 1993 zu verpflichten, ihnen je ein Visum zur Familienzusammenführung zu erteilen.
10Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie hat vorgetragen: Die familiäre Beziehung der Kläger zu ihrem in Deutschland lebenden Ehemann bzw. Vater reiche nicht aus, um einen Nachzugsanspruch zu begründen. Vielmehr sei erforderlich, daß in der Person der Kläger selbst dringende humanitäre Gründe im Sinne von § 30 Abs. 1 AuslG vorliegen. Dies sei nicht der Fall, wie sich aus den Einlassungen der Klägerin zu 1. im Rahmen des mit ihr geführten Interviews ergebe. Der Wunsch nach Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft sei für sich genommen kein dringender humanitärer Grund im Sinne von § 30 Abs. 1 AuslG. Dies ergebe sich zum einen aus dem Wortlaut von § 31 AuslG, der ausdrücklich auf die Voraussetzungen des § 30 AuslG verweise. Zum anderen folge dies aus der Systematik des Gesetzes. Halte man nämlich die Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft für einen dringenden humanitären Grund, würde der Inhaber einer Aufenthaltsbefugnis praktisch einem Asylberechtigten oder einem Aufenthaltsberechtigten gleichgestellt. Überdies könne erst bei Vorliegen der in § 35 Abs. 1 AuslG genannten Voraussetzungen davon ausgegangen werden, daß der Ausländer dauerhaft seinen Lebensmittelpunkt nach Deutschland verlegt habe, wodurch sich der Familiennachzug rechtfertige. Die in § 31 iVm § 30 AuslG getroffene Regelung widerspreche auch nicht dem grundgesetzlichen Schutz von Ehe und Familie. Denn Art. 6 GG vermittele Ausländern, die sich in Deutschland aufhielten, keinen allgemeinen und pauschalen Anspruch darauf, hier mit ihren Familien eine dauerhafte Lebensgemeinschaft zu begründen. Vielmehr verlange Art. 6 GG eine differenzierte Behandlung je nach der Art des Aufenthaltsgrundes, der Dauer des Aufenthaltes und sonstiger Umstände. Die in § 31 Abs. 1 iVm § 30 AuslG getroffene Regelung enthalte eine Konkretisierung des grundgesetzlichen Familienschutzes für nachzugswillige Familienangehörige eines aufenthaltsbefugten Ausländers. Die Versagung der beantragten Visa führe nicht zu einer außergewöhnlichen Härte, da die familiären Kontakte durch Telefonate und Schriftwechsel aufrecht erhalten werden könnten und es auch nicht auszuschließen sei, daß eine Familienzusammenführung im gemeinsamen Heimatland möglich sei.
13Das in Hinblick auf den damaligen Aufenthaltsort des Ehemannes bzw. Vaters der Kläger ursprünglich beigeladen gewesene Bundesland Rheinland-Pfalz hat - ohne eigene Antragstellung - ausgeführt: Der Erteilung von Visa zur Familienzusammenführung stehe entgegen, daß der Ehemann bzw. Vater der Kläger zumindest in den Monaten November und Dezember 1991 Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten habe.
14Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid, den Klägern zugestellt am 12. September 1994, abgewiesen.
15Die Kläger haben am 8. Oktober 1994 Berufung eingelegt. Zur Begründung tragen sie ergänzend vor:
16Ihr Ehemann bzw. Vater sei aus gesundheitlichen Gründen auf Dauer nicht im Stande, ihren Lebensunterhalt sicherzustellen. Daher sei für ihn die Erlangung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 35 AuslG ausgeschlossen mit der Folge, daß ihnen ein Familiennachzug nach §§ 17 ff. AuslG auch in Zukunft nicht möglich sein werde. Falls ihnen keine Visa auf der Grundlage von § 30 AuslG erteilt würden, würden sie daher lebenslang von ihrem Ehemann bzw. Vater getrennt bleiben. Ihr Lebensunterhalt in Sri Lanka sei nicht sicher. Die Klägerin zu 1. sei ebenfalls erkrankt und könne daher ihren Beruf nicht ausüben. Der Ehemann bzw. Vater beziehe Sozialhilfe und könne daher nur sporadisch geringfügige Beträge überweisen. Eine Familienzusammenführung im gemeinsamen Heimatland komme auch angesichts der derzeitigen politischen Situation in Sri Lanka nicht in Betracht. Im Norden und Osten des Landes werde die tamilische Zivilbevölkerung durch massive Bombardements seitens der srilankischen Regierungstruppen bedroht. Eine inländische Fluchtalternative gebe es nicht, da Tamilen in anderen Landesteilen, namentlich auch im Großraum Colombo, keine ausreichende Lebensgrundlage vorfänden.
17Die Kläger beantragen,
18den angefochtenen Gerichtsbescheid zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids ihrer Botschaft in Colombo vom 8. Januar 1993 zu verpflichten, ihnen je ein Visum zur Familienzusammenführung zu erteilen.
19Die Beklagte beantragt,
20die Berufung zurückzuweisen.
21Sie macht geltend:
22Aus der von den Klägern behaupteten Unmöglichkeit einer Familienzusammenführung in Rahmen der §§ 17 ff. AuslG könne nicht automatisch auf einen Anspruch auf Aufenthaltsbefugnis nach § 31 AuslG geschlossen werden. Dies hätte nämlich zur Folge, daß die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 35 Abs. 1 AuslG, die das Gesetz als Wohltat ansehe, zu einer gravierenden Schlechterstellung des Ausländers führen würde. Denn während dieser die Voraussetzungen der §§ 17 ff. AuslG zusätzlich erfüllen müsse, hätte bei einem Ausländer mit Aufenthaltsbefugnis die Nichterfüllung derselben Voraussetzungen positive Konsequenzen. Dies widerspreche dem Willen des Gesetzgebers. Ein Nachzug der Kläger nach Deutschland komme demnach nur unter den Voraussetzungen der §§ 30, 31 AuslG in Betracht. Danach müßten in der Person der nachzugswilligen Familienangehörigen selbst dringende humanitäre Gründe im Sinne von § 30 Abs. 1 AuslG vorliegen. Das sei bei den Klägern nicht der Fall. Sie lebten nach eigenen Angaben bei Freunden in Colombo und erhielten zumindest einige finanzielle Unterstützung durch ihren Ehemann. Im Hinblick darauf, daß in Sri Lanka selbst einem Lehrer lediglich ein durchschnittlicher Monatsverdienst von umgerechnet ca. 90 bis 110 DM zur Versorgung seiner Familie zur Verfügung stehe, dürfte der Lebensunterhalt der Kläger ausreichend gesichert sein. Im übrigen könne eine Familienzusammenführung in zumutbarer Weise auch im gemeinsamen Heimatland erfolgen. Tamilen, die keiner Verbindung zur LTTE verdächtigt würden, hätten keine staatliche Verfolgung zu gewärtigen. Die Klägerin zu 1. habe bei der Antragstellung angegeben, ihr Mann sei unter anderem wegen Schwierigkeiten mit der LTTE aus Jaffna geflohen. Da kein Rückkehrer gezwungen werde, in die von der LTTE kontrollierten Gebiete zurückzugehen, sei kein Grund ersichtlich, weshalb die Zusammenführung der Familie nicht in Sri Lanka erfolgen könne. Ca. 70 % der tamilischen Bevölkerung lebe frei und ohne Verfolgung in den hauptsächlich von Singhalesen bewohnten Landesteilen. Viele Tamilen, die in westlichen Ländern aus humanitären Gründen Aufnahme gefunden hätten, hielten sich wochen-, mitunter monatelang zu verschiedenen Zwecken in Sri Lanka auf. Der Ehemann bzw. Vater der Kläger habe 1991 offenbar selbst keine Bedenken gehabt, seinen Paß bei der srilankischen Botschaft in Bonn verlängern zu lassen. Die politische Lange in Sri Lanka habe sich nach den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im August bzw. im Oktober 1994 wesentlich zum Besseren verändert. Die neugewählte Präsidentin habe die Beachtung der Menschenrechte zu einem Hauptziel ihrer Politik erklärt und das friedliche Zusammenleben aller Volksgruppen in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen gestellt. Zwar sei es nach der im April 1995 von seiten der LTTE einseitig erfolgten Aufkündigung des Waffenstillstandes wieder zu verstärkten Kampfhandlungen mit den Regierungstruppen gekommen; die Regierung sei jedoch um eine möglichst weitgehende Schonung der tamilischen Zivilbevölkerung in den Kampfgebieten im Norden und Osten des Landes bemüht. Tamilen, die in anderen Landesteilen Zuflucht genommen hätten, würden nicht gezwungen, in die von den Kampfhandlungen betroffenen Gebiete zurückzukehren.
23Ein Mitarbeiter der Botschaft habe die Klägerin zu 1. zur Klärung ihrer Lebensumstände unter der angegebenen Adresse aufgesucht. Sie lebe mit den Klägern zu 2. und 3. in einem abgetrennten Teilbereich eines einstöckigen Hauses in guter Wohnlage. Nach ihren Angaben wohne dort auch eine zwanzigjährige Nichte. Anzeichen einer schweren Erkrankung der Klägerin zu 1. seien nicht ersichtlich gewesen. Hierauf angesprochen, habe sie erklärt, ihre Gebärmutterbeschwerden würden medikamentös behandelt. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, daß erforderliche Operationen bei Mittellosigkeit der Patienten in Sri Lanka kostenfrei durchgeführt werden könnten.
24Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
25Er teilt mit: Die zeitlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 35 AuslG an den Ehemann bzw. Vater der Kläger würden im Mai 1997 erfüllt sein. Zur Zeit lebe er von wöchentlich 216,60 DM Arbeitslosengeld. Er habe die Möglichkeit, in der kommenden Saison erneut - wie bereits in der Vergangenheit - bei der Q. T. ..M. H. und Co. KG in C. zu arbeiten.
26Die Auskünfte des Auswärtigen Amts vom 16. Januar und 30. August 1996 sowie die Stellungnahme des UNHCR vom 23. Juli 1996 wurden zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gemacht.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach.. und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und des Beigeladenen.
28Entscheidungsgründe:
29Die Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Versagungsbescheid der Botschaft vom 8. Januar 1993 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger daher nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
30Ihnen steht der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung je eines Visums zur Familienzusammenführung zu ihrem Ehemann bzw. Vater nicht zu. Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob das begehrte Visum erteilt werden muß oder aus Rechtsgründen nicht erteilt werden darf, ist die Sach.. und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats,
31vgl. Urteil des Senats vom 31. Mai 1995 .. 17 A 3538/92 .., NVwZ..RR 1996, 608 = InfAuslR 1996, 309 n.w.N..
32Als Rechtsgrundlage für eine Erteilung der von den Klägern begehrten Visa zur Familienzusammenführung kommt allein § 31 Abs. 1 i.V.m. § 30 Abs. 1 AuslG in Betracht.
33Die Klägerin zu 1) ist Ehefrau, die Kläger zu 2) und 3) sind minderjährige ledige Kinder eines Ausländers, der eine Aufenthaltsbefugnis besitzt. Somit unterfallen sie dem Anwendungsbereich von § 31 Abs. 1 AuslG mit der Folge, daß ihnen nach Maßgabe des § 30 Abs. 1 bis 4 eine Aufenthaltsbefugnis zu Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft mit dem Ausländer im Bundesgebiet erteilt werden darf.
34Nach § 30 Abs. 1 AuslG .. die Absätze 2 bis 4 scheiden aus, da sie einen Inlandsaufenthalt des (nachzugswilligen) Ausländers voraussetzen .. wird die Aufenthaltsgenehmigung als Aufenthaltsbefugnis erteilt, wenn einem Ausländer unter anderem aus dringenden humanitären Gründen .. die übrigen Anlaßvarianten sind thematisch nicht einschlägig .. Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet erlaubt werden soll und die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen ist oder ihr einer der in § 7 Abs. 2 bezeichneten Versagungsgründe entgegensteht.
35Dringende humanitäre Gründe im Sinne der genannten Vorschrift sind vorliegend nicht gegeben.
36Allerdings kommt .. entgegen der Ansicht der Beklagten .. der von den Klägern gehegte Wunsch nach Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft mit ihrem Ehemann bzw. Vater grundsätzlich durchaus als dringender humanitärer Grund in Betracht. Die Regelung des § 30 Abs. 1 AuslG ist nicht dahin zu verstehen, daß die dort vorausgesetzten dringenden humanitären Gründe in der Person des nachzugswilligen Familienangehörigen gegeben sein müßten. Der Wortlaut der Vorschrift enthält keinen Anhaltspunkt für eine dahingehende einschränkende Auslegung. Sie läßt sich auch nicht aus der gesetzlichen Systematik der Regelungen über den Familiennachzug herleiten. Namentlich sind die Vorschriften der §§ 17 ff. AuslG nicht in dem Sinne abschließend, daß eine Familienzusammenführung nur auf ihrer Grundlage und nicht gegebenenfalls auch auf derjenigen von § 30 Abs. 1 AuslG stattfinden könnte. Vielmehr ist Raum für eine Anwendung der letztgenannten Vorschrift gerade dann, wenn die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen ist. Entgegen der Ansicht der Beklagten führt die grundsätzliche Anerkennung des Wunsches nach Herstellung der Familieneinheit als dringender humanitärer Grund im Sinne von § 30 Abs. 1 AuslG nicht zu einer Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe nachzugswilliger Ausländer, je nachdem, ob die Bezugsperson im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis oder einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis ist. Denn auch im letztgenannten Fall ist bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen von § 17 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 AuslG ein Familiennachzug nicht von vornherein ausgeschlossen, sondern kommt gegebenenfalls auf der Grundlage von § 30 Abs. 1 AuslG in Betracht.
37Die Beurteilung der Frage, ob dringende humanitäre Gründe im Sinne von § 30 Abs. 1 AuslG vorliegen, erfordert eine umfassende Würdigung aller im Einzelfall relevanten Gesichtspunkte. Dabei ist zu berücksichtigen, daß nach der gesetzlichen Konzeption die dringenden humanitären Gründe so beschaffen sein müssen, daß aufgrund ihres Vorliegens Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet erlaubt werden "soll". Es reicht demnach in Fällen der vorliegenden Art nicht aus, daß dringende humanitäre Gründe für eine Beendigung des familiären Trennungszustandes sprechen; erforderlich ist darüberhinaus, daß die Herstellung der Familieneinheit aus den nämlichen Gründen gerade im Bundesgebiet erfolgen muß.
38Letzteres ist vorliegend nicht der Fall. Den Klägern und ihrem Ehemann bzw. Vater kann zugemutet werden, die angestrebte Familieneinheit im gemeinsamen Heimatland herzustellen. Der zu diesem Zweck erforderlichen Rückkehr des Ehemanns bzw. Vaters nach Sri Lanka stehen Hinderungsgründe, die im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigen sind, nicht entgegen.
39In diesem Zusammenhang ist für eine Prüfung der Fragen, ob ihm in seinem Heimatland politische Verfolgung oder Gefahren der in § 51 Abs. 1 AuslG genannten Art drohen, kein Raum, da diesbezügliche Feststellungen nur in einem Asylverfahren getroffen werden können, dessen abschließende Entscheidung Verbindlichkeit nach Maßgabe von § 4 Satz 1 AsylVfG beansprucht. Da der Ehemann bzw. Vater der Kläger nicht als Asylberechtigter anerkannt und in Bezug auf ihn auch nicht festgestellt ist, daß die Voraussetzungen von § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, kommt die von den Klägern geltend gemachte Gefährdung seiner Person wegen seiner tamilischen Volkszugehörigkeit bzw. wegen ihm möglicherweise staatlicherseits unterstellter Verbindungen zur LTTE nicht in Betracht.
40Uneingeschränkt berücksichtigungsfähig sind im vorliegenden Verfahren demgegenüber etwaige Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG, deren Vorliegen zur Folge hätte, daß eine Herstellung der Familieneinheit in Sri Lanka nicht zumutbar wäre. Zwar wird im Rahmen eines Asylverfahrens auch darüber entschieden, ob Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen, § 24 Abs. 2 AsylVfG, wobei die Ausländerbehörde an die Entscheidung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge oder des Verwaltungsgerichtes gebunden ist, § 42 Satz 1 AsylVfG. Eine diesbezügliche Entscheidungszuständigkeit des Bundesamtes setzt allerdings die .. hier nicht neuerlich erfolgte .. Stellung eines Asylantrages voraus. Fehlt es hieran, so obliegt die Prüfung der Voraussetzungen von § 53 AuslG der Ausländerbehörde bzw. im vorliegenden Zusammenhang der Auslandsvertretung.
41Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG sind vorliegend jedoch nicht gegeben. Namentlich kann nicht zugrundegelegt werden, daß die Kläger und ihr Ehemann bzw. Vater in Sri Lanka nicht über das lebensnotwendige Existenzminimum verfügten und deshalb eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben bestünde, § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG. Insoweit ist zum einen zu berücksichtigen, daß die Kläger seit der Ausreise ihres Ehemannes bzw. Vaters vor nunmehr über 10 Jahren in Colombo offenbar in durchaus geordneten Verhältnissen leben. Anhaltspunkte dafür, daß der Ehemann bzw. Vater im Falle einer Rückkehr nicht auch in dem von seinen Angehörigen bewohnten Hausteil Unterkunft finden könnte, sind nicht ersichtlich. Insoweit unterscheidet sich die Situation des Ehemannes bzw. Vaters im Falle einer Rückkehr spezifisch von derjenigen anderer Tamilen, die sich nicht auf eine Familie stützen können und bezüglich derer es in der
42Stellungnahme des UNHCR vom 23. Juli 1996 gegenüber dem Hess.VGH
43heißt, daß die Sicherung eines Existenzminimums und die Suche nach einer Wohnung nicht einfach seien. Zwar dürfte es auch für den Ehemann bzw. Vater der Kläger schwierig sein, am Wohnort seiner Familie eine Arbeitsstelle zu finden. Ausgeschlossen ist dies jedoch nicht. Ausweislich des
44Berichts des Auswärtigen Amtes über die asyl.. und abschieberelevante Lage in Sri Lanka (Stand: 15. August 1996) vom 30. August 1996
45hängen die Aussichten von Rückkehrern auf dem Arbeitsmarkt von einer Vielzahl von Faktoren ab, wie zum Beispiel Ausbildung, Kontakte, Verbindungen, Alter u.s.w.. Der Ehemann bzw. Vater der Kläger befindet sich im arbeitsfähigen Alter. Seine während des Aufenthalts in Deutschland gesammelten Auslandserfahrungen und Sprachkenntnisse könnten ihm bei einem Einstieg in das Erwerbsleben durchaus nützlich sein. Im übrigen ist nach dem vorgenannten Bericht davon auszugehen, daß der srilankische Staat ein System sozialer Absicherung bereitstellt, das die Hilfe sowohl für vorübergehend Einkommens.. oder Unterhaltslose als auch für infolge Behinderung, Krankheit, Alter, Bürgerkrieg und Naturkatastrophen Bedürftige umfaßt, wobei die Höhe der finanziellen Hilfe sich am örtlichen Lebensstandard orientiert. Dem steht der Hinweis in der Stellungnahme des UNHCR, a.a.O., nicht entgegen, wonach es zumindest in Colombo keine Unterstützungsprogramme der Regierung gibt. Diese Feststellung bezieht sich offenbar auf spezielle Wiedereingliederungsprogramme für Auslandsrückkehrer, deren Existenz auch in dem Bericht des Auswärtigen Amtes verneint wird. Das System sozialer Absicherung wird nach dem Bericht des Auswärtigen Amtes ergänzt durch eine für Bedürftige kostenlose Heil.. und Krankenfürsorge.
46Bei dieser Sachlage ist von einer Sicherung der Existenzgrundlage der Kläger und ihres Ehemannes bzw. Vaters in Sri Lanka auszugehen.
47Der in dem Verpflichtungsantrag als wesensgleiches Minus zugleich enthaltene Bescheidungsantrag hat ebenfalls keinen Erfolg, da eine etwaige Neubescheidung mangels Vorliegens dringender humanitärer Gründe zwangsläufig negativ ausfallen müßte.
48Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
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