Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 17 A 5464/94
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
1
Tatbestand:
2Der im Jahre 1940 geborene Kläger ist libyscher Staatsangehöriger und wohnhaft in T. . Nach eigener Darstellung ist er Geschäftsmann mit vielfältigen Kontakten zu deutschen Firmen. Zur Pflege dieser Kontakte will er sich in den achtziger Jahren des öfteren in Deutschland aufgehalten haben; die Angaben zu den Aufenthaltszeiten sind im einzelnen wechselhaft.
3Am 28. Mai 1991 beantragte er bei der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in T. (Botschaft) die Erteilung eines Visums für einen einmonatigen Geschäftsbesuch bei der Firma A. -I. - in S. -G. . Die Botschaft lehnte den Antrag mit Bescheid vom 15. Dezember 1991 ohne Angabe von Gründen ab.
4Der Kläger hat am 14. Dezember 1992 Klage erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt: Er unterhalte seit Jahren geschäftliche Kontakte zu deutschen Firmen. Auf deren Einladungen hin sei er in der Vergangenheit wiederholt mit entsprechender Aufenthaltserlaubnis nach Deutschland eingereist. Im Jahre 1991 sei er von der Firma I. in K. eingeladen worden. Die Ablehnung seines daraufhin gestellten Visumsantrags durch Bescheid vom 15. Dezember 1991 sei rechtswidrig, da Versagungsgründe nicht ersichtlich seien.
5Der Kläger hat beantragt,
6die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids ihrer Botschaft in T. vom 15. Dezember 1991 zu verpflichten, ihm ein Visum für einen Monat zur Durchführung einer Geschäftsreise zu erteilen.
7Die Beklagte hat beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Sie hat vorgetragen: Das Visum habe gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 iVm § 45 Abs. 1 AuslG versagt werden müssen, da der vom Kläger angestrebte Aufenthalt in Deutschland erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigen würde. Es lägen ernstzunehmende Hinweise vor, daß er dem libyschen Nachrichtendienst nahestehe und es ihm darum gehe, unter dem Vorwand unauffälliger geschäftlicher Tätigkeit an der Beschaffung von sensitiver Technologie mitzuwirken, die aufgrund internationaler Sanktionen für Libyen gesperrt sei. In diese Richtung deute der Umstand, daß der Kläger in der Vergangenheit unter anderem auch von der Firma A. T. in K. bei M. eingeladen worden sei, die als Teil der dem libyschen Nachrichtendienst nahestehenden Organisationen "LAFICO" (Libyan Arab Foreign Investment Company) und "AFENCO" (African Engeneering Company) gelte. Hinzu komme, daß der Kläger im Rahmen dreier Visumsanträge zum Teil stark voneinander abweichende Angaben hinsichtlich früherer Aufenthalte in Deutschland gemacht habe, wodurch offenbar Ziel und Zweck seiner Reisen bewußt verschleiert werden sollten. Im Januar 1990 habe er versucht, ohne Visum auf dem Luftweg in das Bundesgebiet einzureisen. Angeblich sei es um einen Geschäftsabschluß im Wert von 6,5 Mio. DM gegangen. Die ihm von Seiten der Grenzschutzbeamten eröffnete Möglichkeit, sich mit dem libyschen Volksbüro in B. zwecks Erlangung einer Bonitätserklärung in Verbindung zu setzen, habe er nicht genutzt, sondern sei kommentarlos nach T. zurückgeflogen, obwohl seine Geschäftspartner ihn am Flugplatz hätten abholen wollen. Dieses Verhalten deute darauf hin, daß es ihm zwar möglicherweise auch auf die Durchführung eines Geschäftsabschlusses, wahrscheinlich jedoch eher auf eine unauffällige Einreise in das Bundesgebiet angekommen sei. Eine weitergehende Substantiierung der Sicherheitsbedenken sei ebenso wie eine vollständige Aktenvorlage aus Sicherheitsgründen nicht möglich.
10Der Kläger hat hierauf zunächst erwidert, daß er keine Geschäftsbeziehungen zu der Firma A. T. GmbH unterhalte und von dieser auch nicht eingeladen worden sei. Nachdem daraufhin die Beklagte ein an die Botschaft gerichtetes Einladungsschreiben vom 1. Oktober 1989 vorgelegt hatte, hat sich der Kläger dahin eingelassen, daß ihm möglicherweise ein Freund bei der Visumsbeschaffung habe behilflich sein wollen; er selbst habe von der Kontaktierung nichts gewußt, geschweige denn darum gebeten.
11Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil, dem Kläger zugestellt am 18. Oktober 1994, abgewiesen.
12Mit seiner am 18. November 1994 eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt ergänzend vor: Die Versagung des Visums sei ermessensfehlerhaft. Die Vermutung der Beklagten, er stehe dem libyschen Geheimdienst nahe und solle als "Technologiebeschaffer" die internationalen Sanktionen gegen Libyen umgehen, sei unzutreffend. Er habe zu der Firma A. T. GmbH keine unmittelbaren oder auch nur mittelbaren Kontakte unterhalten. Deren Einladung gehe auf die - nicht mit ihm abgesprochene - Initiative eines Herrn I. T. M. zurück, von dem der Kläger eine unter dem 10. Mai 1996 ausgestellte englischsprachige Erklärung vorlegt. Aus dem Vorfall im Januar 1990 könne schon deshalb nichts hergeleitet werden, weil nach Angaben des Sitzungsvertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht auch eine etwaige Bonitätserklärung des libyschen Volksbüros die angeblichen Sicherheitsbedenken nicht ausgeräumt hätte. Die Voraussetzungen von § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO seien nicht hinreichend dargetan.
13Der Kläger beantragt,
14das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids ihrer Botschaft in T. vom 15. Dezember 1991 zu verpflichten, ihm ein Visum für einen Monat zur Durchführung einer Geschäftsreise zu erteilen.
15Die Beklagte beantragt,
16die Berufung zurückzuweisen.
17Sie trägt ergänzend vor: Die Einlassungen des Klägers zu dem Einladungsschreiben der Firma A. T. GmbH seien nicht nachvollziehbar. Angesichts des Umstandes, daß in diesem Schreiben die Paßnummer des Klägers angeführt werde, reiche dessen allgemeiner Hinweis auf einen - zunächst nicht näher bezeichneten - "Freund", der möglicherweise bei der Visumsbeschaffung habe behilflich sein wollen, als Erklärung nicht aus. Die Tatsache, daß der Kläger bei seinem Einreiseversuch im Januar 1990 nicht einmal den Versuch unternommen habe, mit dem libyschen Volksbüro in B. Kontakt aufzunehmen, belege, daß es ihm darum gegangen sei, die angeblich vorgesehenen Geschäftskontakte im Dunkeln zu halten.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der von der Beklagten auszugsweise vorgelegten Verwaltungsvorgänge. Entscheidungsgründe:
19Die Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Versagungsbescheid der Botschaft vom 15. Dezember 1991 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
20Ihm steht der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung eines Visums von einmonatiger Gültigkeitsdauer zur Durchführung einer Geschäftsreise nicht zu. Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob das begehrte Visum erteilt werden muß oder aus Rechtsgründen nicht erteilt werden darf, ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats,
21vgl. Urteil des Senats vom 31. Mai 1995 - 17 A 3538/92 -, NVwZ-RR 1996, 608 = InfAuslR 1996, 309 m.w.N..
22Als Rechtsgrundlage für die Erteilung eines Geschäftsreisevisums kommt allein § 28 Abs. 1 Satz 1 AuslG in Betracht. Nach dieser Vorschrift wird die Aufenthaltsgenehmigung als Aufenthaltsbewilligung erteilt, wenn einem Ausländer der Aufenthalt nur für einen bestimmten, seiner Natur nach einen nur vorübergehenden Aufenthalt erfordernden Zweck erlaubt wird. Die diesbezügliche Entscheidung steht im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, dessen Ausübung sich nach § 7 AuslG richtet. Hiernach scheidet ein Anspruch des Klägers auf Visumserteilung schon deshalb aus, weil der Regelversagungstatbestand des § 7 Abs. 2 Nr. 1 iVm § 45 Abs. 1 AuslG Platz greift und keine besonderen Umstände vorliegen, aufgrund derer ein Abweichen von der Regelrechtsfolge möglich wäre.
23Nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 AuslG wird die Aufenthaltsgenehmigung versagt, wenn ein Ausweisungsgrund vorliegt. Nach § 45 Abs. 1 AuslG kann ein Ausländer unter anderem dann ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt. Letzteres ist in bezug auf den Kläger der Fall. Denn es bestehen Anhaltspunkte dafür, daß der Zweck der von ihm beabsichtigten Einreise in das Bundesgebiet darin besteht, an der Beschaffung sensitiver Technologien mitzuwirken, die dem Staat Libyen aufgrund der gegen ihn verhängten internationalen Sanktionen auf legalem Weg nicht zugänglich sind. An der Beachtung und Durchsetzung dieser Sanktionen besteht ein erhebliches Interesse der internationalen Staatengemeinschaft und damit auch der Bundesrepublik Deutschland.
24Die Besorgnis, daß sich der Kläger in embargowidriger Weise als Technologiebeschaffer betätigen will, stützt sich maßgeblich auf den Inhalt des - in T. ausgestellten - Schreibens der Firma A. T. GmbH in M. vom 1. Oktober 1989 an die Botschaft der Beklagten in T. . Dieses Unternehmen ist nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben der Beklagten den libyschen Organisationen "LAFICO" bzw. "AFENCO" zugeordnet, die ihrerseits dem libyschen Nachrichtendienst nahestehen und sich mit der Beschaffung von "Dual-Use-Gütern" befassen. Da kein Anlaß besteht, die Richtigkeit dieser Angaben zu bezweifeln, und der Kläger ihnen nicht entgegengetreten ist, können sie der Entscheidung auch ohne Vorlage der diesbezüglichen - nach Einschätzung der Beklagten geheimhaltungsbedürftigen - Aktenteile zugrundegelegt werden. In dem genannten Schreiben wird um die Erteilung einer Einreiseerlaubnis für den Kläger gebeten, dessen Paßnummer korrekt angegeben wird. Ferner wird bestätigt, daß alle eventuell anfallenden Kosten von seiten des einladenden Unternehmens übernommen werden. Dieses Schreiben belegt, daß zwischen der Firma A. T. GmbH und dem Kläger eine Verbindung besteht. Soweit er demgegenüber vorträgt, daß er "nie Geschäftsbeziehungen" zu dem Unternehmen unterhalten habe und daß "möglicherweise ein Freund" ihm bei der Beschaffung eines Einreisevisums habe behilflich sein wollen, vermag dies nicht zu überzeugen. Namentlich fehlt jeder Ansatz einer Erklärung dafür, wie die Firma A. T. GmbH Kenntnis von der Registrierungsnummer seines Nationalpasses erlangt hat; der Hinweis auf einen "Freund" ist insoweit zu unsubstantiiert. Es hätte dem Kläger gegebenenfalls oblegen, im einzelnen darzutun, welchen "Freunden" er bei welchen Gelegenheiten und aus welchem Grund die Registrierungsnummer seines Nationalpasses mitgeteilt hat und welchen Anlaß der "Freund" gehabt haben könnte, ein anderes Unternehmen als das vom Kläger tatsächlich besuchte mit der Beantragung eines Einreisevisums zu befassen. Das erstmals im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgelegte Schreiben eines Herrn I. T. M. vom 10. Mai 1996 ist in diesem Zusammenhang nicht erhellend. Abgesehen davon, daß es an einer Erklärung für den späten Zeitpunkt der Beibringung dieser Erklärung fehlt, ist aus ihr nicht ersichtlich, in welcher Beziehung ihr Aussteller zu dem Kläger steht, was ihn bewogen hat, sich um eine Einladung für ihn zu bemühen, und woher er seine Paßnummer kennt. Diese inhaltlichen Defizite der Erklärung werden durch die auf sie aufgeklebten, nicht abgestempelten (Geführen-?)Marken, die offenbar den Anschein des offiziellen erwecken sollen, nicht kompensiert.
25Im übrigen sprechen auch die ausgesprochen wechselhaften und widersprüchlichen Angaben des Klägers zu seinen Voraufenthaltszeiten im Bundesgebiet dafür, daß es ihm um eine bewußte Verschleierung seiner jeweiligen Reiseziele und - zwecke zu tun ist.
26Die somit zugrundezulegende Absicht des Klägers, bei der Beschaffung sensitiver, dem internationalen Embargo unterfallender Technologien mitzuwirken, beeinträchtigt erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Besondere Umstände, die es ermöglichen würden, ihm - abweichend von der Regelrechtsfolge des § 7 Abs. 2 AuslG - ein Visum zu erteilen, sind nicht ersichtlich.
27Der in dem Verpflichtungsantrag als wesensgleiches Minus enthaltene Antrag auf erneute Bescheidung hinsichtlich des Visumsbegehrens hat ebenfalls keinen Erfolg. Denn aus den vorstehenden Darlegungen folgt, daß eine allfällige Neubescheidung zwangsläufig negativ ausfallen müßte, da dem Kläger ein Visum nicht erteilt werden darf.
28Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
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