Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 3 B 1950/94
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewie- sen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.990,18 DM festge- setzt.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde ist unbegründet. Die Voraussetzungen für ei- ne Aussetzung der Vollziehung des umstrittenen Erschließungsbeitragsbescheides des Antragsgegners vom 7. März 1994 liegen vor (§ 80 Abs. 5 und Abs. 4 Satz 3 VwGO). Eine Beitragspflicht der Antragstellerin wegen erstmaliger Herstellung der Erschließungsanlage "I. " ist bei summarischer Prüfung nach Aktenlage bisher nicht entstanden. Das folgt aus § 125 Abs. 2 Satz 2 BauGB (iVm § 125 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BauGB):
3Die genannte Bestimmung macht von dem Grundsatz, daß die Herstellung einer Erschließungsanlage aufgrund eines Bebau- ungsplans oder mit Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde erfolgen muß, eine Ausnahme, wenn die Anlage innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile liegt u n d für sie die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist. Letz- teres dürfte hier nicht der Fall sein. Verlauf und Ausmaß der Anlage waren nach vorläufiger Erkenntnis auf einer ca.50 m langen, vor dem Grundstück der Antragstellerin und den Flurstücken 556 (tlw.) und 563 (tlw.) vorbeiführenden Teilstrecke nicht derart durch vorhandene Bebauung auf den Grundstücken festgelegt, daß ein Bebauungsplan daran nichts mehr hätte ändern können. Zwar ist dem Antragsgegner zu- zugeben, daß geringfügige, allein die Straßenbreite betreffen- de Variationsmöglichkeiten unbeachtlich sind und die Aufstel- lung eines Bebauungsplans noch nicht erfordern.
4Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Oktober 1975 - IV C 78.73 -, DÖV 1976, 97.
5Ein Planungsspielraum, der die Möglichkeit läßt, bei der Aus- baubreite um mehrere Meter zu variieren, kann jedoch nicht mehr als im hier interessierenden Zusammenhang "geringfügig" angesehen werden.
6Vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 4. Aufl., § 7 Rn. 27, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung; s.a. den Senatsbeschluß vom 14. März 1997 - 3 B 2468/95 -.
7Nach den bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen Ausbauplänen und Flurkarten waren bei Beginn der durchgeführten Straßenbaumaßnahmen auf dem Grundstück der Antragstellerin sowie auf den Flurstücken 556 und 563 Freiflächen vorhanden, die eine Verbreiterung der dort verlaufenden Teilstrecke um mehrere Meter auf annähernd die Breite der Anschlußstrecke (ca. 8 m) ermöglicht hätten. Daß von dieser Möglichkeit kein Gebrauch gemacht worden ist, obwohl beide Strecken gleichermaßen als Mischverkehrsflächen ausgebaut und mit einheitlicher Widmungsverfügung vom 15. November 1993 als Gemeindestraße ohne Einschränkung für den öffentlichen Verkehr bestimmt worden sind, mag darauf beruhen, daß sich der Planer gegen einen Kfz-Durchgangsverkehr von der abgerechneten Erschließungsanlage in die E. Straße (L 602) und umgekehrt entschieden hat. Dies ist in der Reduzierung der Breite der genannten Teilstrecke wie auch in der Aufstellung von Sperrpfosten im Einmündungsbereich zur E. Straße zum Ausdruck gekommen, war nach Aktenlage aber nicht schon durch die Anbauverhältnisse an der betreffenden Straßenstrecke faktisch vorgegeben. Der Widerspruch der Antragstellerin gegen den Erschließungsbeitragsbescheid wird daher voraussichtlich durchdringen, solange dem Planerfordernis aus § 125 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BauGB nicht wenigstens im nachhinein Rechnung getragen wird.
8Sollte insoweit eine nachträgliche Heilung erfolgen, wovon mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Beitragserhebungspflicht nach § 127 Abs. 1 BauGB auszugehen ist,
9vgl. Driehaus, aaO, § 10 Rnrn. 1 und 2,
10wird ggf. im Verfahren der Hauptsache zu klären sein, ob - - erstens - die "Verbindungsstraße Z. - I. " und - zweitens - das über den Hauptzug der Ausbaustrecke hinweg auf eine Wendeanlage auslaufende, ca 80 m lange Straßenstück (Flurstücke Nrn. 471 - 475 und 476 tlw.) unselbständige Anhängsel und damit Bestandteile der abzurechnenden Erschließungsanlage sind. Eine Anhängseleigenschaft der Verbindungsstraße kommt allerdings nicht in Betracht, wenn entsprechend der Auffassung des Antragsgegners die im Privateigentum stehende Wegeparzelle 717 bei Maßgeblichkeit einer natürlichen Betrachtungsweise Teil dieser Verbindungsstraße wäre und damit deren zusätzliche Anbindung an das städtische Straßennetz über die Straße Z. sicherstellte. Eine Anhängseleigenschaft des an zweiter Stelle erwähnten Straßenstücks wäre wohl nur dann zu verneinen, wenn es sich vom örtlichen Erscheinungsbild her als Fortsetzung der Verbindungsstraße darstellen sollte. Unter demselben rechtlichen Gesichtspunkt des Anlagenumfangs dürfte außerdem zu überprüfen sein, ob die Abzweigung im weiteren Verlauf der abgerechneten Erschließungsanlage zwischen den Flurstücken Nr. 293 und 468 (Haus Nr. 30 bzw. 51) bei natürlicher Betrachtungsweise als Bestandteil der abzurechnenden Er- schließungsanlage oder als eigenständige, weitere Erschlie- ßungsanlage erscheint.
11Schließlich bedarf die Versagung einer Eckgrundstücksermäßigung für das Grundstück der Antragstellerin einer Überprüfung im Hauptsacheverfahren, weil die dafür im Verfahrensschriftsatz vom 10. Mai 1994 gegebene Begründung des Antragsgegners, die E. Straße sei als Landstraße keine beitragsfähige Erschließungsanlage (und könne schon deshalb keine Eckgrundstücksermäßigung rechtfertigen), nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts steht.
12Vgl. Urteil vom 15. September 1989 - 8 C 4.88 -, NVwZ 1990, 374; s.a. Driehaus, aaO, § 18 Rn. 74.
13Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 20 Abs. 3 iVm § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
14
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.