Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 21 B 1990/96
Tenor
Der angefochtene Beschluß wird geändert.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruches des Antragstellers vom 28. März 1996 gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 25. März 1996 wird wiederhergestellt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten beider Rechtszüge.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 4.000,-- DM festgesetzt.
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G r ü n d e
2Die Beschwerde hat Erfolg.
3Dabei legt der Senat zugrunde, daß die angefochtene Verfügung eine einer Anordnung nach § 80 Abs. 5 VwGO zugängliche Regelung enthält, weil sie auf den Entzug einer subjektiven Rechtsposition des Antragstellers zielt. Ob durch eine Ernennung zum "Technischen Fachberater", an die die angefochtene Verfügung nach ihrem Bescheidausspruch anknüpft, tatsächlich eine solche Rechtsposition begründet wird, was von einer entsprechenden organisationsrechtlichen Bewertung der Funktion und Stellung eines Fachberaters innerhalb der Feuerwehr abhängt, und ob bejahendenfalls dem Antragsteller eine solche Stellung (form)wirksam eingeräumt worden ist, mag dahinstehen. Freilich würde die angefochtene Rücknahme andernfalls als ein der Vollziehung fähiger Verwaltungsakt ins Leere gehen, erzeugte aber einen den Antragsteller im Hinblick auf unten angeführte Bedenken belastenden Rechtsschein. Der Antragsgegner selbst hat aber jedenfalls mit der Verfügung eine entsprechende, wirksam begründete subjektive Rechtsposition des Antragstellers behauptet, die mit Blick auf die tatsächliche Aufnahme des Antragstellers in die Freiwillige Feuerwehr als Fachberater und seinen Einsatz als "organisatorischer" Fachberater mit besonderer Aufgabenzuweisung nicht von vornherein ausscheidet.
4Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO in der Sache vorzunehmende Abwägung der beteiligten widerstreitenden öffentlichen und privaten Interessen, fällt zugunsten des Antragstellers aus. Bei dieser Entscheidung erlangt besonderes Gewicht, daß vieles für die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügung spricht.
5Dabei teilt der Senat allerdings nicht die Bedenken des Antragstellers im Hinblick auf die Zuständigkeit im Bereich des Antragsgegners. Das Dienstverhältnis der ehrenamtlichen Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr wird zur jeweiligen Gemeinde begründet. § 9 des Gesetzes über den Feuerschutz und die Hilfeleistung bei Unglücksfällen und öffentlichen Notständen - FSHG - (SGV.NW.213), wonach dem Leiter der Wehr die Aufnahme, Beförderung und Entlassung der ehrenamtlichen Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr obliegt, betrifft dementsprechend allein die funktionelle Zuständigkeit für Personalangelegenheiten der Freiwilligen Feuerwehr innerhalb der Gemeinde. Im Rahmen dieser funktionellen Zuständigkeit ist ein Eintrittsrecht einer übergeordneten Stelle innerhalb der Gemeinde bei rechtswidrigem Verhalten des Leiters der Wehr - wenn auch unter engen rechtlichen Grenzen - durchaus zulässig. Welche Anforderungen insoweit im einzelnen zu stellen sind und ob diese vorliegend erfüllt sind, mag vor dem Hintergrund der folgenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung dahinstehen.
6Rechtliche Bedenken gegen die Verfügung des Antragsgegner vom 25. März 1996 ergeben sich bereits im Hinblick auf den Regelungsgehalt der Verfügung. Die Reichweite dessen, was mit der Verfügung im einzelnen geregelt sein soll, wird nicht hinreichend deutlich. Nach dem Verfügungsausspruch wird nur die "Ernennung zum 'Technischen Fachberater der Feuerwehr'" zurückgenommen. Dabei bleibt aber offen, ob und mit welchen Funktionen der Antragsteller weiter in der freiwilligen Feuerwehr verbleiben soll.
7Soweit der Antragsgegner mit der Verfügung nicht nur die Ernennung des Antragstellers zum Technischen Fachberater zurücknehmen, sondern auch den Ausschluß des Antragstellers aus der Feuerwehr insgesamt erreichen wollte, wofür die Ausführungen in dem Bescheid zu der Anordnung der sofortigen Vollziehung sprechen könnten, daß u.a. nicht zugelassen werden könne, daß der Antragsteller als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr auftrete, kommt dies im Bescheidtenor nicht ausreichend klar zum Ausdruck. Denn die ausgesprochene Rücknahme der Ernennung zum Technischen Fachberater impliziert schon mit Blick auf die speziellen Anforderungen, die an einen solchen Fachberater gestellt werden, angesichts der weiter unten noch zu erörternden Stellung von Fachberatern nicht zwingend den Ausschluß aus der Feuerwehr, auch wenn die Aufnahme in die Feuerwehr und die Ernennung zum Technischen Fachberater zeitgleich erfolgt sind.
8Soweit die Verfügung die (bloße) Mitgliedschaft des Antragstellers in der Freiwilligen Feuerwehr nicht erfaßt, bleibt zweifelhaft, ob sie tatsächlich auch den - von dem Antragsgegner wohl ebenfalls angestrebten - Entzug der von dem Antragsteller in der Vergangenheit übernommen Aufgaben in organisatorischer Hinsicht regelt, denn sie knüpft vom Wortlaut nur an die Ernennung zum "Technischen" Fachberater an, eine Funktion, die der Antragsteller nach Aktenlage nie wahrgenommen hat.
9Die Verfügung unterliegt weiter rechtlichen Bedenken mit Blick auf die ihr zugrundeliegende Vorstellung des Antragsgegners über die Rechtswidrigkeit des von der Rücknahme betroffenen Aktes, daß nämlich in der Freiwilligen Feuerwehr neben Ärzten nur Technische Fachberater Aufnahme finden könnten. Die als normativer und damit maßgeblicher Ausgangspunkt zu sehende Vorschrift des § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Laufbahn der ehrenamtlichen Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr vom 16. Juni 1980, zuletzt geändert durch Verordnung vom 10. Juni 1989 - LVO - (GV. NW. S. 431) besagt lediglich, daß Personen mit besonderen Fähigkeiten und Kenntnissen zur Beratung der Feuerwehr aufgenommen werden können; sie enthält tatbestandlich keine Einschränkung der möglichen fachlichen Ausrichtungen der einen Fachberater qualifizierenden Fähigkeiten und Kenntnisse. Diese bestimmen sich vielmehr nach dem entsprechenden Beratungsbedarf, der sich grundsätzlich nach den jeweiligen Verhältnissen in den einzelnen Freiwilligen Feuerwehren beurteilt. Es kann auch nicht festgestellt werden, daß sich für eine Freiwillige Feuerwehr ein Beratungsbedarf von vornherein nur im technisch/medizinischen Bereich ergeben kann. Vielmehr sind auch im Bereich der Organisation der Feuerwehr Aufgabenstellungen denkbar, die ein Bedürfnis nach fachspezifischer Beratung aufkommen lassen, etwa weil die der einzelnen Wehr zur Verfügung stehenden Mittel und Möglichkeiten zur Problembewältigung als ungenügend erscheinen. Bei entsprechenden Voraussetzungen steht gemäß § 1 Abs. 5 LVO die Entscheidung über die Aufnahme eines entsprechenden Fachberaters im Ermessen des zuständigen Leiters der Wehr. Dieses kann auch außerhalb des technisch/naturwissenschaftlich bzw. medizinischen Bereichs im Sinne der Aufnahme eines Fachberaters ausgeübt werden. Der Runderlaß des Innenministeriums vom 23. April 1986 - Fachberater der Freiwilligen Feuerwehr (Ministerialblatt NW 1986 S. 642) enthält keine generelle Ermessensausübung dahingehend, daß außerhalb der von ihm genannten Fachberatergruppen nebst dazu aufgestellten Kriterien ohne weitere Ermessensausübung eine Aufnahme als Fachberater abzulehnen ist. Der Erlaß greift nur positiv den Beratungsbedarf heraus, der sich in der Freiwilligen Feuerwehr aufgrund fortschreitender Technisierung ergibt, ohne daß ihm zwingend Aussagen zur Verneinung eines sich aus anderen Gründen ergebenden Bedarfs zu entnehmen sind. Er hält die nachgeordneten Behörden an, Personen mit der vorausgesetzten Qualifikation als Technischer Fachberater bzw. als Feuerwehrarzt auch tatsächlich einzustellen. Angesichts dieser erkennbaren Zielrichtung und der offenen Fassung des § 1 Abs. 5 LVO wäre für einen beabsichtigten Ausschluß der Möglichkeit zur Aufnahme von Fachberatern in anderen Bereichen eine deutlichere Fassung des Runderlasses als generelle Ermessensausübung zu erwarten. Die Funktion und die Modalitäten der Tätigkeit eines Fachberaters außerhalb der im Runderlaß angesprochenen Bereiche können - ohne daß es insofern der Vorgaben durch einen Erlaß bedarf - durch im Organisationsermessen des Leiters der Wehr liegende Maßnahmen im Einzelfall bestimmt werden (§ 1 Abs. 5 Satz 2 LVO).
10Ist nach den vorstehenden Ausführungen der Bestand der angefochtenen Verfügung unabhängig davon, ob in der Person des Antragstellers und bezogen auf die Verhältnisse in der Freiwilligen Feuerwehr tatsächlich die Voraussetzungen für die Berufung eines Fachberaters für den organisatorischen Bereich vorliegen, zweifelhaft und ist auch kein öffentliches Interesse daran festzustellen, daß in den Feuerwehren nur Technische Fachberater aufgenommen werden, besteht kein Anlaß von dem gesetzlich (§ 80 Abs. 1 VwGO) als Regel vorgesehenen Grundsatz abzuweichen, daß der Widerspruch aufschiebende Wirkung hat. Jedenfalls besteht kein besonders öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der Rücknahme. Bei einem (vorläufigen) weiteren Verbleib des Antragstellers in der Freiwilligen Feuerwehr als Fachberater ist keine Gefährdung der Allgemeinheit oder Einzelner zu erwarten. Denn der Antragsteller hat auch in der Vergangenheit keine Beratungsaufgaben im technischen, sondern - ausweislich der Aufgabenbeschreibung - allein im organisatorischen Bereich wahrgenommen; daß für den Zeitraum der aufschiebenden Wirkung anderes gelten könnte, ist nicht zu erwarten. Was das Tragen von Funktionsabzeichen angeht, fehlt es an einem tragfähigen Anhalt, daß es hierdurch zu - im Einsatzfalle gefährlichen und allein durch die hier streitige Maßnahme vermeidbaren - Mißverständnissen kommen kann. Das gegenüberstehende Interesse des Antragstellers, bis zur endgültigen Klärung der Rechtslage der Freiwilligen Feuerwehr anzugehören bzw. diesbezügliche Unsicherheiten auszuräumen und in der bisherigen Funktion aus empfundener Verantwortung für Belange der Allgemeinheit ehrenamtliche Tätigkeit zu verrichten, verdient Anerkennung; daß es ideeller Natur ist, nimmt ihm entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht maßgebliches Gewicht.
11Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2; die Streitwertentscheidung beruht auf §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG.
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