Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 9 A 3336/95
Tenor
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das angefochtene Urteil teilweise geändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 10.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 29. Mai 1991 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Klägerin nutzte gemeinsam mit ihren Kindern seit dem 1. August 1986 aufgrund einer schriftlichen Vereinbarung mit der Beklagten über die Gewährung eines Obdachs eine aus vier Zimmern bestehende Unterkunft im Hause R. Straße 130 in O. .
3In den frühen Morgenstunden des 20. Mai 1990 brach in der Unterkunft der Klägerin ein Brand aus, den die Feuerwehr löschte. Die Feuerwehr beließ die beschädigten und verbrannten Gegenstände in der Unterkunft.
4Die Klägerin und ihre Familie hielten sich zum damaligen Zeitpunkt zu einem Besuch in B. auf. Sie kehrten gegen 17.00 Uhr desselben Tages in die Unterkunft zurück. Dabei verschafften sie sich einen ersten Überblick. Die Zuweisung eines städtischen Obdachs lehnte die Klägerin ab, da sie bereits zum 1. Juni 1990 eine Wohnung angemietet hatte, die sie zum genannten Zeitpunkt auch bezog. Gemeinsam mit einem Bekannten fertigten Familienangehörige der Klägerin am 21. und 22. Mai 1990 eine Aufstellung der brandgeschädigten Gegenstände (Hausrat, Elektrogeräte, Möbel und Kleidung) an (Bl. 112 ff. der Gerichtsakte). Zu diesem Zweck suchten sie auch die Unterkunft auf. Auf der Grundlage der Aufstellung zahlte die Hausratversicherung der Klägerin mit Vereinbarung vom 25. Mai 1990 einen Betrag von 17.000,00 DM.
5Wegen des Verdachts auf Furane und Dioxine ließ die Beklagte am 23. Mai 1990 Rußproben aus der Unterkunft nehmen und versiegelte diese am 25. Mai 1990. Das beauftragte Analyselabor kam in seinem Gutachten vom 30. Mai 1990 zu dem Ergebnis, daß zwar in der Wohnung durch den Brand Furane und Dioxine nachweisbar waren, deren Konzentration jedoch die maßgeblichen Gefährdungsgrenzwerte unterschritt. Während der Zeit der Versiegelung suchte ein Sohn der Klägerin in Absprache mit Bediensteten der Beklagten die Wohnung auf, um Pässe und Bankbelege herauszuholen. Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt hob die Beklagte die Versiegelung auf. Sie bestellte am 18. Juni 1990 ein Entsorgungsunternehmen, das die Wohnung reinigte und die darin befindlichen Gegenstände über einen Container beseitigte.
6Die Klägerin hat vor dem Landgericht Duisburg Klage erhoben, die der Beklagten am 29. Mai 1991 zugestellt worden ist. Sie hat wegen der Vernichtung der aus der Unterkunft entfernten Gegenstände Schadensersatz aus eigenem und abgetretenem Recht ihrer Kinder in Höhe von 48.621,00 DM verlangt. Das Landgericht hat den Rechtsstreit durch Beschluß vom 14. August 1991 an das Verwaltungsgericht Düsseldorf verwiesen.
7Die Klägerin hat vorgetragen, nach der Versiegelung der Wohnung durch die Beklagte sei es ihr - mit Ausnahme der Sicherstellung der Pässe und Bankunterlagen - nicht mehr möglich gewesen, in ihre Wohnung zu gelangen, um Gegenstände zu entnehmen. Etwa eine Woche nach Zugang des Untersuchungsberichts habe sie bzw. einer ihrer Angehörigen bei der Beklagten nachgefragt, wann sie wieder ihre frühere Wohnung betreten könne, um ihre sämtlichen in der Wohnung verbliebenen Sachen herauszuholen. Bis zu diesem Zeitpunkt habe sie von der Beklagte keine Nachricht erhalten. Erst um den 11. Juni 1990 herum sei sie durch den Hausmeister, welcher im Besitz des Wohnungsschlüssels gewesen sei, wieder in ihre frühere Wohnung gelangt. Bei der Besichtigung habe sie feststellen müssen, daß sämtliche Einrichtungsgegenstände sowie Bekleidungsstücke und der Hausrat aus der Wohnung entfernt worden seien.
8Die Klägerin hat beantragt,
9die Beklagte zu verurteilen, an sie 48.621,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 29. Mai 1991 zu zahlen.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie hat erwidert, durch tropfenden Kunststoff und den Was- sereinsatz der Feuerwehr seien kaum noch brauchbare Gegenstände in der Wohnung vorhanden gewesen. Hausrat und Mobiliar bzw. Bekleidung habe die Klägerin selbst aus der Wohnung entnehmen können, da sie oder ein Mitglied ihrer Familie sich täglich in dem Hause aufgehalten habe und darüber informiert gewesen sei, daß ein Betreten der Wohnung zur Entnahme darin verbliebener Gegenstände möglich gewesen sei. Die Klägerin habe am 9./10. Juni 1990 ihre verwertbaren Gegenstände aus der Wohnung abtransportiert. Bei der Entsorgung durch die Privatfirma seien nur unbrauchbare und verbrannte Gegenstände in einen Container verbracht worden.
13Das Verwaltungsgericht hat durch Vernehmung von Zeugen Beweis über den Aufbewahrungsort von Haushaltsgegenständen und Bekleidung der Familie der Klägerin für den Zeitraum vom 20. Mai 1990 bis Februar/März 1991 erhoben. Auf das Ergebnis der Beweisaufnahme wird Bezug genommen.
14Durch das angefochtene Urteil hat das Verwaltungsgericht der Klägerin einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 20.363,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 29. Mai 1991 zuerkannt und die Klage im übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen folgendes ausgeführt: Nach der Beweisaufnahme stehe fest, daß die nach dem Brand vom 20. Mai 1990 in der Unterkunft noch vorhandenen Einrichtungsgegenstände sowie Hausrat und Bekleidung im Zeitraum nach dem 18. Juni 1990 - dem Datum der Beauftragung eines Entsorgungsunternehmens - vernichtet worden seien. Die Beweisaufnahme habe keine Anhaltspunkte dafür erbracht, daß die Klägerin oder ihre Familienangehörigen die in der Unterkunft vorhandenen Gegenstände zwischenzeitlich abtransportiert gehabt hätten. Von der nach § 287 ZPO geschätzten Schadenssumme in Höhe von insgesamt 27.150,00 DM sei ein Mitverschuldensanteil von 25 % abzusetzen. Der Abzug sei gerechtfertigt, weil die Klägerin es unterlassen habe, sich mit entschiedenem Nachdruck um die Freigabe der noch brauchbaren Gegenstände zu bemühen.
15Hiergegen richten sich die fristgerecht eingelegten Berufungen der Klägerin und der Beklagten.
16Die Klägerin trägt vor, die Schätzung des Schadens durch das Verwaltungsgericht gemäß § 287 Abs. 1 ZPO sei fehlerhaft. Sie habe eine genaue Aufstellung der vernichteten Gegenstände sowie ihres Wertes eingereicht. Diese Angaben seien durch Zeugenaussagen bestätigt worden. Eine Mitverschuldensquote sei ihr nicht anzulasten. Sie habe überhaupt keine Möglichkeiten gesehen, sich den Anordnungen der Beklagten zu widersetzen. Es sei auch unerheblich, daß die Wohnung ihr angeblich vom 20. bis 25. Mai 1990 zugänglich gewesen sein soll. Das alleinige Verschulden an dem hier eingetretenen Schaden treffe die Beklagte.
17Die Klägerin beantragt,
18das angefochtene Urteil teilweise zu ändern und in vollem Umfang nach dem Klageantrag zu erkennen sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
19Die Beklagte beantragt,
20die Berufung der Klägerin zurückzuweisen sowie das angefochtene Urteil teilweise zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
21Sie trägt vor, das erstinstanzliche Urteil enthalte keinerlei Hinweis darauf, inwieweit das Handeln von Bediensteten der Beklagten pflichtwidrig gewesen sein solle. Daß die Anordnung der Wegschaffung der letztlich noch in der Wohnung verbliebenen Teile des Hausrates, die sämtlich vom Brand gezeichnet gewesen seien, pflichtwidrig gewesen sein solle, sei nicht einzusehen. Die Anordnung sei erforderlich gewesen, um die Unterkunft, die bereits von der Klägerin und ihrer Familie geräumt gewesen sei, kurzfristig einem neuen Bewerber zugänglich zu machen. Von der Möglichkeit des Ermessens nach § 287 Abs. 1 ZPO habe das erstinstanzliche Gericht in einem nicht zu vertretenden Ausmaß Gebrauch gemacht. Auch sei das 25 %ige Mitverschulden der Klägerin und ihrer Familie als viel zu gering anzusehen. Der Schaden sei fast ausschließlich auf das Verhalten der Klägerin und ihrer Familie zurückzuführen. Die Wohnung sei für sie vom 20. bis 25. Mai 1990 zugänglich gewesen. Die Klägerin und ihre Familie hätten mithin ausreichend Zeit und Gelegenheit gehabt, für die Wegschaffung der von ihnen noch für nutzbar angesehenen Gegenstände, Kleidung sowie Hausrat zu sorgen.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
23Entscheidungsgründe
24Die Berufungen der Beteiligten sind zulässig. Die Berufung der Klägerin ist unbegründet; die der Beklagten ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im übrigen ist sie unbegründet.
25Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus eigenem und abgetretenem Recht einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 10.000,-- DM. Das weitergehende Begehren der Klägerin ist unbegründet.
26Rechtsgrundlage hierfür sind die Regelungen über die positive Vertragsverletzung. Denn zwischen der Klägerin und der Beklagten ist mit Abschluß des "Vertrages über die Gewährung eines Obdachs" ein öffentlich-rechtlicher Vertrag gemäß §§ 54ff Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (VwVfG NW) zustandegekommen, auf den nach § 62 VwVfG NW die im bürgerlichrechtlichen Vertragshaftungsrecht entwickelten Grundsätze der positiven Vertragsverletzung Anwendung finden.
27Vgl. Kopp, VwVfG, 6. Auflage, München 1996, § 62 VwVfG, Rdnr. 7.
28Begründet ist der Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung, wenn ein Vertragspartner aufgrund einer schuldhaften Verletzung seiner vertraglichen Schutzpflicht dem anderen einen Schaden zufügt.
29Vgl. Heinrich in Palandt, BGB, 56. Auflage, München 1997, § 276, Rdnr. 104 ff.
30Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Beklagte hat entgegen ihrer Auffassung eine vertragliche Pflichtverletzung begangen, indem sie noch brauchbaren Hausrat, Kleidungsstücke und sonstige Gegenstände der Klägerin und ihrer Kinder aus der Unterkunft R. Straße 130 hat entfernen und vernichten lassen. Der Senat geht mit dem Verwaltungsgericht davon aus, daß die Klägerin und ihre Familie diese Gegenstände nicht bereits vor der Räumung der Wohnung durch die Beklagte aus dieser entfernt hatten und diesbezüglich auch keine Eigentumsaufgabe vorlag. Insoweit wird gemäß § 130 b VwGO auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
31Die Vernichtung der Gegenstände war auch pflichtwidrig. Denn bei einem mietvertragsähnlichen Schuldverhältnis gerichtet auf Gewährung eines Obdachs obliegt es dem Nutzungsüberlasser jedenfalls, die in die Unterkunft eingebrachten Gegenstände des Nutzers nicht zu beschädigen oder gar zu vernichten.
32Vgl. Heinrich in Palandt, a.a.O., Rdnr. 117.
33Die Beklagte hat auch schuldhaft gehandelt. Schuldhaft handelt, wer aus objektiver Sicht diejenige Sorgfalt außer acht läßt, die für einen gewissenhaft und sachgemäß Handelnden geboten und ihm nach den gesamten Umständen zuzumuten ist. Die Beklagte ist zwar nach dem Brand und in Kenntnis des Umstandes, daß die Klägerin und ihre Kinder wegen einer Wohnungsanmietung zum 1. Juni 1990 die Unterkunft nicht mehr in Gebrauch nehmen würden, berechtigt gewesen, die Unterkunft nach ihrer vorübergehenden Versiegelung möglichst schnell wieder in einen gebrauchsfertigen Zustand zu versetzen, um sie kurzfristig einem anderen Nutzer zugänglich zu machen. Gleichwohl haben die zuständigen Bediensteten der Beklagten bei der Räumung der Unterkunft nicht die erforderliche Sorgfalt walten lassen. Denn seit dem 30. Mai 1990 lag diesen das Ergebnis des Gutachtens des Analyselabors vor, wonach die Konzentration der in der Unterkunft festgestellten Furane und Dioxine den maßgeblichen Gefährdungsgrenzwert unterschritt und folglich die in der Unterkunft befindlichen, nicht durch Brand zerstörten Gegenstände noch weiter verwertbar waren. Sie hätten deshalb nicht unbesehen den Auftrag zur Entsorgung erteilen dürfen; vielmehr gebot es die der Beklagten obliegenden Sorgfaltspflicht, nunmehr der Klägerin und ihrer Familie Gelegenheit zur Räumung der Wohnung zu geben. Das ist nicht geschehen. Eine entsprechende ausdrückliche Information über das Untersuchungsergebnis und die Entsiegelung verbunden mit der Aufforderung, die Unterkunft frei zu machen, ist nach Aktenlage nicht erfolgt. Nach dieser kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß die Klägerin und ihre Familie auf andere Weise Kenntnis von der Möglichkeit der Räumung erlangt haben. Der Vortrag der Beklagten, die Klägerin habe in ständigem Kontakt mit ihren Bediensteten gestanden, kann nicht als erwiesen angesehen werden. Diese Sorgfaltspflichtverletzung ihrer Bediensteten ist der Beklagten nach § 278 BGB, der ebenfalls über § 62 VwVfG NW mangels entsprechender öffentlich-rechtlicher Regelung Anwendung findet, im gleichen Umfang zuzurechnen wie eigenes Verschulden.
34Vgl. Kopp, a.a.O., Rdnr. 6.
35Durch die pflichtwidrige und schuldhafte Vernichtung der noch brauchbaren Gegenstände der Klägerin und ihrer Familie ist diesen ein Schaden entstanden. Die Höhe des Schadens schätzt der Senat unter Würdigung aller Umstände gemäß § 173 VwGO, § 287 ZPO auf 20.000,00 DM.
36Diese Vorschriften finden hier Anwendung, denn im vorliegenden Fall ist es nicht mehr möglich, den aus der Pflichtverletzung erwachsenen Schadensumfang aufzuklären und die genaue Höhe des Schadensersatzanspruches zu ermitteln. Der von der Klägerin insoweit angebotene Zeugenbeweis führt nicht weiter, weil der Zeuge bereits vor dem Berichterstatter der erkennenden Kammer des Verwaltungsgerichts seine Aussage gemacht hat und eine erneute Vernehmung keine weiteren Erkenntnisse über die bereits zu Protokoll gegebenen Aussagen hinaus erwarten läßt. Auch die von der Klägerin angeregte Einholung eines Sachverständigengutachtens ist wegen der Vernichtung der hier streitgegenständlichen Gegenstände kein geeignetes Beweismittel. In Fällen der vorliegenden Art soll aber durch die Anwendung des § 287 Abs. 1 ZPO verhindert werden, daß die Klage nur deshalb abgewiesen wird, weil der Geschädigte nicht in der Lage ist, den vollen Beweis für einen ihm erwachsenen Schaden zu erbringen.
37Hartmann in Baumbach, ZPO, 55. Auflage, München 1997, § 287, Rdnr. 2.
38Ausgangspunkt für die Schadensermittlung in Höhe von 20.000,00 DM ist die von der Klägerin in der Klageschrift vom 11. April 1991 vorgelegte Aufstellung der vernichteten Gegenstände. Dabei fällt zunächst auf, daß die Aufstellung der Klägerin, die Schadenersatz in Höhe von 48.621,00 DM geltend macht, nach deren eigenen Wertangaben summenmäßig nur einen Betrag von 47.071,00 DM ergibt, so daß der Schaden von vornherein auf diese Summe zu beschränkten ist. Diese Summe ist zu bereinigen um den Wert der in der Aufstellung aufgeführten Gegenstände, die die Hausratversicherung bereits entschädigt hat, denn es ist davon auszugehen, daß insoweit Deckungsgleichheit besteht. Zu den von der Hausratversicherung entschädigten Gegenständen zählen 2 Mäntel, 10 Paar Schuhe, 2 Oberbettgarnituren und 6 Schlafdecken, eine Friteuse, zwei Toaster, ein Schnellkochtopf und das Geschirr für die Küche und für das Wohnzimmer. Außerdem erscheint der Ansatz der Klägerin für die verbleibenden 4 Schlafdecken überhöht. Während die Klägerin den Wert dieser Schlafdecken in ihrer Aufstellung in der Klageschrift mit durchschnittlich 320,00 DM pro Decke angegeben hat, hat sie gegenüber der Hausratversicherung ebenfalls handgefertigte Schlafdecken lediglich mit 54,00 DM das Stück beziffert. Diesen Wert legt der Senat deshalb seiner weiteren Berechnung zugrunde. Im übrigen dürfte die Anzahl von 20 Garnituren Bettwäsche auch bei einer 7-köpfigen Familie übersetzt sein. Der Senat geht deshalb bei seiner Schadensschätzung von nur 15 Garnituren aus. Ferner ist nach Auffassung des Senats der Schadensbetrag für die Aussteuer um ca. 50% auf rund 4.300,00 DM zu kürzen, da die in der Klageschrift in Ansatz gebrachten Werte teilweise erheblich überhöht erscheinen, zumal - wie das Verwaltungsgericht bereits ausgeführt hat - der persönliche Erinnerungswert der Gegenstände nicht erstattungsfähig ist. Schließlich sind die von der Versicherung gezahlten Kosten für die Reinigung von insgesamt 1.400,-- DM in Abzug zu bringen.
39Hiervon ausgehend senkt der Senat den Wert der vernichteten Gegenstände mit Ausnahme der Aussteuer auf 50 % des in der Klageschrift angegebenen Neuwertes, so daß sich für diese eine geschätzte Schadenssumme von 15.600,00 DM bis 15.700,00 DM ergibt. Die Annahme eines Mittelwertes ist gerechtfertigt, da die Gegenstände in Gebrauch waren und der jeweilige tatsächliche Wert der Sachen entsprechend seines jeweiligen Gebrauchszustandes sehr unterschiedlich gewesen ist. Dies gilt allerdings nicht für die in der Klageschrift aufgeführte Aussteuer, die neuwertig gewesen sein dürfte, so daß insgesamt von einem Schadensbetrag von rund 20.000,00 DM auszugehen ist.
40Auf diesen Schadensbetrag muß sich die Klägerin nach § 254 BGB einen Mitverschuldensanteil anrechnen lassen, den der Senat, anders als das Verwaltungsgericht, mit 50 % bewertet.
41Die Höhe des Mitverschuldensanteils rechtfertigt sich entgegen der Auffassung der Beklagten allerdings nicht aus dem Umstand, daß die Klägerin und ihre Familienangehöhrigen in der Zeit vom 20. Mai 1990 bis zum 25. Mai 1990 - dem Zeitpunkt der Versiegelung - freien Zutritt zu ihrer Unterkunft und ausreichend Zeit und Gelegenheit hatten, für die Wegschaffung der noch brauchbaren Gegenstände, Kleidung sowie Hausrat zu sorgen. Denn es steht fest, daß der Klägerin erst mit der Anmietung der neuen Wohnung zum 1. Juni 1990 eine ausreichende Unterbringungsmöglichkeit für diese Gegenstände zur Verfügung stand. Auch wegen des zwischenzeitlichen Unterkommens der Klägerin und ihrer Kinder bei Bekannten ist nicht davon auszugehen, daß die noch brauchbaren Sachen sofort aus der brandgeschädigten Unterkunft entfernt werden konnten. Die Klägerin und ihre Familie waren ferner nicht verpflichtet, für die wenigen Tage bis zur Bezugsmöglichkeit der neuen Wohnung auf das Angebot der Beklagten zu anderweitiger obdachmäßiger Unterbringung einzugehen, nur um die ausgebrannte Unterkunft zu räumen. Sie hatten das Entgelt bis Ende Mai 1990 entrichtet und es stand in ihrem Belieben, ob sie die Zwischenzeit bei Freunden und Bekannten oder in einer anderen Unterkunft der Beklagten verbringen wollten. Hinzu kommt, daß bereits 3 Tage nach dem Brand wegen des Verdachts auf Dioxine und Furane Rußproben durch Mitarbeiter der Beklagten genommen worden sind und spätestens seit diesem Zeitpunkt mit der Möglichkeit gerechnet werden mußte, daß alle in der Unterkunft befindlichen Gegenstände wegen der Vergiftung durch Furane und Dioxine hätten vernichtet werden müssen.
42Gleichwohl ist die Halbierung des oben ermittelten Schadensbetrages gerechtfertigt, da die Klägerin bzw. ihre Kinder sich nach der Versiegelung nicht nachhaltig genug um die Herausgabe ihrer Sachen bemüht haben. Denn obwohl die Klägerin zum 1. Juni 1990 eine Wohnung bezogen hat, ist sie nach eigenem Bekunden in der Folgezeit gegenüber der Beklagten wegen der Rückgabe ihrer "für den täglichen Bedarf" benötigten Gegenstände untätig geblieben. Trotz Kenntnis davon, daß bereits am 23. Mai 1990 Rußproben zur Ermittlung der Schadstoffbelastung genommen worden waren, deren Ergebnis in der Folgezeit zu erwarten war, und trotz des Umstandes, daß es sich nach der Aufstellung bei den Gegenständen nicht (nur) um geringfügige Werte, sondern mit insgesamt knapp 50.000,00 DM um einen beachtlichen Vermögensbestand und - hinsichtlich der zum Teil handgefertigen Aussteuer - auch um Gegenstände mit einem hohen Eigeninteresse gehandelt hat, ist kein Mitglied der Familie bei der Beklagten vorstellig geworden.
43Dem steht nicht entgegen, daß die Wohnung versiegelt gewesen ist. Denn, wie die Klägerin selbst dargelegt hat, ist es ihr von seiten der Beklagten über den zuständigen Hausmeister auch während der Versiegelung ermöglicht worden, Gegenstände aus der Wohnung zu entnehmen. Wenn es die Klägerin nach ihren eigenen Darlegungen trotz der zu erwartenden Analyseergebnisse, des beachtlichen Vermögens in der alten Wohnung und der mit dem Bezug der neuen Wohnung nunmehr gegebenen Aufnahmemöglichkeiten für diese Gegenstände dabei beläßt, lediglich Pässe und Bankbelege aus der Wohnung zu holen und im übrigen schlicht abzuwarten, so ist dies nach Überzeugung des Senats ebenso zu gewichten, wie die Vernichtung dieser Gegenstände durch die Beklagte ohne vorherige Mitteilung an die Klägerin.
44Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 BGB.
45Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
46Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.
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