Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 7 A 826/96
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Hinsichtlich des Sachverhalts wird gemäß § 130b Satz 1 VwGO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen. Ergänzend ist auszuführen:
3Mit Urteil vom 14. November 1995 hat das Verwaltungsgericht die nach teilweiser Klagerücknahme noch anhängige Klage abgewiesen.
4Am 6. Februar 1996 hat die Klägerin gegen das ihr am 8. Januar 1996 zugestellte Urteil Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie vorträgt: Hinsichtlich des noch streitigen Betrages lägen die Widerrufsvoraussetzungen des § 49 Abs. 3 Nr. 1 VwVfG NW nicht vor, weil dieser Betrag in vollem Umfang zweckentsprechend verwendet worden sei. Eine zweckwidrige Verwendung, welche den Gegensatz des Begriffs "zweckentsprechend" bilde, liege nicht vor. Den gesetzlichen Vorschriften lasse sich nämlich nicht entnehmen, daß es allein auf die dauerhafte Erreichung des Endziels ankomme; vielmehr seien auch Kosten für "notwendige Zwischenziele" ihrerseits als Zuwendungszweck anzusehen. Dies folge auch aus Ziffer 18 der Förderrichtlinien, wonach bereits der Flächenerwerb an sich gefördert werde, mithin nicht nur der am Ende stehende Erfolg, sondern auch die als notwendig vorausgesetzten Handlungen. Schließlich sei die Rücknahme des Zuwendungsbescheides ermessensfehlerhaft, da die Beklagte das Risiko aus dem Kaufvertrag einseitig der Klägerin auferlegt habe, obwohl sie, die Beklagte, das Risiko ebenso wie die Klägerin bewußt eingegangen sei. Letztlich dürfe nicht verkannt werden, daß der Haushalt der Gemeinde durch die Rückforderung erheblich belastet werde und deshalb die Erfüllung wichtiger öffentlicher Aufgaben beeinträchtigt werde.
5Die Klägerin beantragt,
6das angefochtene Urteil zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 4. Mai 1993 und deren Widerspruchsbescheid vom 25. November 1993 aufzuheben, soweit darin der Zuwendungsbescheid der Beklagten vom 29. Dezember 1989 in einem Umfang von mehr als 2.041.483,32 DM aufgehoben wird und ein Betrag von mehr als 2.005.483,32 DM zurückgefordert wird.
7Die Beklagte beantragt,
8die Berufung zurückzuweisen.
9In Ergänzung ihres bisherigen Vorbringens trägt sie vor: Eine selbständige Bezuschussung der hier streitigen Kosten liege nicht vor. Zuwendungszweck sei allein die Ermöglichung des rechtlich gesicherten Grunderwerbs im Rahmen des kleinteiligen Flächenrecyclings gewesen. Dieser Zweck sei verfehlt worden, da das Grundstück wegen des Rücktrittsrechts der Grundstücksverkäuferin zu keinem Zeitpunkt der Klägerin rechtlich gesichert zur Verfügung gestanden habe. Der Widerruf sei auch nicht ermessensfehlerhaft. Die eigene Kenntnis der Risiken des Vertragsabschlusses führe nicht zu einer Mithaftung gegenüber der als eigenständige juristische Person handelnden Klägerin. Dafür fehle jede Rechtsgrundlage.
10Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.
11Entscheidungsgründe:
12Die zulässige Berufung ist unbegründet.
13Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 4. Mai 1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 1993 ist rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 VwGO).
14Rechtsgrundlage des Widerrufs des Zuwendungsbescheides ist § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwVfG NW in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 24. November 1992 (GV NW S.446). Danach darf u.a. ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige Geldleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn die Leistung nicht mehr für den im Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird. Diese Vorschrift ist gemäß Art. 10 Abs. 2 des Änderungsgesetzes auch auf Bescheide über Zuwendungen im Sinn des § 23 Landeshaushaltsordnung anwendbar, die - wie hier - vor Inkrafttreten der Neufassung des § 49 VwVfG NW erlassen worden sind. Gegen die Rückwirkung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, weil durch die Einführung der Widerrufsmöglichkeit für die Vergangenheit die jeweiligen Zuwendungsempfänger nicht schlechter gestellt werden.
15Vgl. dazu im einzelnen OVG NW, Urteil vom 4. November 1993 - 4 A 3488/92 - m.w.N., ZKF 1994, 280.
16Die Voraussetzungen für den Widerruf liegen vor. Die einmalig gewährte Geldleistung wird nicht mehr für den im Zuwendungsbescheid bestimmten Zweck verwendet. Dieser Zweck ist dadurch zu ermitteln, daß neben dem Wortlaut des Zuwendungsbescheides in entsprechender Anwendung der Auslegungsregel des § 133 BGB auch auf den objektiven Gehalt der Erklärung abzustellen ist. Wesentlich sind dabei vor allem die vom Begünstigten erkannten oder erkennbaren Umstände, zu denen auch die Richtlinien gehören, welche Grundlage der Bewilligung waren.
17Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1983 - 7 C 70/80 -, DVBl 1983, 810 ff; OVG Lüneburg, Urteil vom 10. April 1984 - 9 OVG A 223/81 -, OVGE 38 S. 328 ff.
18Gemessen daran bestand der maßgebliche Zuwendungszweck darin, den Grundstückserwerb für die Durchführung des sog. kleinteiligen Flächenrecyclings im Bereich T. straße als Maßnahme der Städtebauförderung zu ermöglichen.
19Dieser Zweck war schon deshalb nicht mehr ereichbar, weil der zunächst - mit der rechtlichen Bindung auf eventuelle Rückübertragung - getätigte Grundstückserwerb keinen Bestand gehabt hat. Er ist letzlich daran gescheitert, daß die Klägerin das zunächst erworbene Eigentum an dem Grundstück wegen der zwischenzeitlichen Rückübertragung an die Veräußerin wieder verloren hat. Die Klägerin war somit nicht mehr in der Lage, das Grundstück für die beabsichtigte Städtebauförderungsmaßnahme zu nutzen.
20Die Klägerin kann dem Widerruf nicht mit Erfolg entgegenhalten, sie habe bereits durch den Grundstückskauf und die Abwicklung des Eigentumsübergangs zumindest teilweise den Zweck erreicht. Diese Überlegung geht schon deshalb fehl, weil, bezogen auf den hier zum Inhalt des Zuwendungsbescheid gemachten Zuwendungszweck, dem einmaligen Formalakt Eigentumsübergang bzw. dem ihm zugrundeliegenden Kausalgeschäft keine diesen Zweck erfüllende Bedeutung zukommt. Der Vorgang des "Erwerbens" als bloßes Element einer rechtlich relevanten Geschehensabfolge hat nämlich für sich betrachtet keinerlei Nutzen, Funktion oder eigenständigen Bedeutungsgehalt im Rahmen der Zuwendung. Erst die auf Dauer abgesicherte Eigentümerposition als Handlungserfolg entsprach dem Ziel der Förderung. Dies folgt aus dem Inhalt des Zuwendungsbescheides einschließlich der Förderrichtlinien. Danach sollte der Zuwendungsempfänger durch eine Vorfinanzierung finanziell in die Lage versetzt werden, auf ein Grundstück dauerhaft zugreifen zu können, obwohl die weitere städtebauliche Verwendung, deren Förderung Endziel der Maßnahme war, bis dahin noch nicht hinreichend geklärt war. So ist etwa Ziffer 18.2 der Richtlinien zu entnehmen, daß u.a. die Zuwendung zurückzuzahlen ist, wenn nicht innerhalb von drei Jahren ein Zuwendungsantrag mit dem endgültigen Nutzungskonzept vorgelegt wird. Darüber hinaus verdeutlicht auch der Hinweis im Zuwendungsbescheid auf die Zweckbindungsdauer von 25 Jahren, daß die Innehabung der Eigentümerstellung über einen langen Zeitraum hinweg gesichert sein mußte. Mithin war der isoliert für sich gesehene Akt des Grunderwerbs zwar eine erforderliche Voraussetzung für die Erreichung des nach dem Zuwendungsbescheid vorausgesetzten Förderungsziels. Er reichte aber im Hinblick auf die fehlende Dauerhaftigkeit des durch den Grunderwerb bewirkten rechtlichen Status nicht aus, dieses Ziel zu erreichen.
21Schon deshalb kann sich die Klägerin auch nicht darauf stützen, daß die Erfüllung "notwendiger Zwischenziele" bereits als zweckentsprechende Handlung anzusehen sei.
22Vgl. Vogel, Begrenzung von Subventionen durch ihren Zweck, Festschrift für Ipsen, S. 539 ff; Berg, Zur Zweckverfehlung im Subventionsrecht, GewArch 1987, 1 ff.
23Ausgehend von der Sichtweise der Klägerin wäre der Grundstückserwerb von dem Förderungsinteresse völlig losgelöst und fände schon als reiner Rechtsakt in sanierungsrechtlicher Hinsicht seine Rechtfertigung alleine in sich selbst.
24Vgl. dazu Bayerischer VGH, Beschluß vom 24. September 1990 - 22 B 90.609 -, NVwZ-RR 1991,451 f; OVG NW, a.a.O..
25Eine solche Abstrahierung liefe aber dem die Zuwendung begründenden öffentlichen Interesse zuwider, welches gerade nicht darin liegt, öffentliche Mittel für Grundstückskäufe ohne Festlegung und Absicherung des Nutzungszwecks zur Verfügung zu stellen.
26Dem Hinweis der Klägerin auf eine in der Rechtsprechung vertretene Auffassung, wonach der Zuschußzweck u.U. bereits vor Ablauf der Zweckbindungsdauer erfüllt sein kann, wenn die Erreichung des weitergehenden volkswirtschaftlichen Ziels der Förderung nicht mehr im Verantwortungsbereich des Zuwendungsempfängers liegt,
27vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. April 1980 - 2 A 21/79 -, NJW 1981, 882 ff.; anderer Ansicht: OVG Lüneburg, a.a.O.,
28braucht nicht weiter nachgegangen zu werden; ein solcher Fall liegt nicht vor. Hier geht es nicht darum, ob weitergehende Ziele der Förderung erreicht oder verfehlt worden sind. Zu dieser Frage stößt man schon deshalb nicht vor, weil es der Klägerin nicht gelungen war, auch nur die Anfangsvoraussetzungen für die Realisierung der Förderungsmaßnahme dauerhaft zu schaffen. Erst recht ist nicht davon auszugehen, daß die Zweckverfehlung außerhalb des Verantwortungsbereichs der Klägerin lag, was aus der nachstehenden Begründung zur Ermessensbetätigung folgt.
29Die Beklagte hat spätestens im Widerspruchsbescheid das ihr durch § 49 Abs. 3 VwVfG NW eröffnete Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt (vgl. § 114 Satz 1 VwGO). Sie hat ihr Ermessen daran ausgerichtet, daß bei Nichterreichung des Zuwendungszwecks ein Widerruf wegen des zu beachtenden Gebots der sparsamen Verwendung von Landesmitteln ( vgl. § 7 Abs. 1 Landeshaushaltsordnung NW) in der Regel erfolgt. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden.
30Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 1. Februar 1983 - 10 S 1346/82 -, NVwZ 1983, 552 ff.
31Einen Ausnahmefall, der eine Abweichung von der Regel und ein zumindest teilweises Absehen von dem Widerruf rechtfertigen könnte, hat die Beklagte ermessensfehlerfrei verneint.
32Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß bei einer Projektförderung wie im vorliegenden Fall grundsätzlich der Zuwendungsempfänger das Risiko eines Scheiterns trägt und daß dieses Risiko nicht auf die öffentlichen Haushalte der Zuwendungsgeber abgewälzt werden soll. Nichts anderes gilt im Fall der Zuwendung an eine Gemeinde als Gebietskörperschaft, auch wenn diese ebenfalls öffentliche Aufgaben wahrnimmt.
33Die Beklagte mußte aus Rechtsgründen auch nicht deshalb von einem Widerruf absehen, weil sie aufgrund der Vorlage des Entwurfs des Kaufvertrags bei Antragstellung Kenntnis von dem Rücktrittsrecht der Verkäuferin besaß. Allein die Kenntnis dieses von vornherein ersichtlichen Risikos führt nicht zu einer "Mithaftung" der Beklagten. Die Klägerin traf insoweit in dem allein in ihrem Zuständigkeitsbereich liegenden Tätigkeitsfeld Regelungen bzw. Vereinbarungen traf, während der Beklagten insoweit keine Handlungsmöglichkeiten zustanden und sie sich darauf zu beschränken hatte, hinsichtlich der ihr obliegenden Sicherung der sachgerechten Verwendung der zur Verfügung gestellten Beträge die für ihren Bereich notwendigen Sicherheiten festzulegen. Die jeweiligen Verantwortungsbereiche waren demnach klar voneinander getrennt. Wenn die Klägerin daher als Ergebnis ihrer eigenen Verhandlungen sehenden Auges erheblich einseitig belastende Vertragsbestimmungen akzeptiert und wissentlich das Risiko der Ausübung des einseitigen Rücktrittsrechts, überdies bei lediglich zinsloser Rückzahlung des Kaufpreises, einging, ist vor dem oben erwähnten Hintergrund kein rechtlicher Ansatz erkennbar, die Folgen dieses Handelns auf den Zuwendenden abzuwälzen. Es ist nicht ersichtlich, daß die Beklagte in irgendeiner Weise an der Ausgestaltung des Kaufvertrages mitgewirkt hat und sie aus diesem Grund zu einer anderen Entscheidung verpflichtet gewesen sein könnte.
34Die Beklagte mußte auch nicht wegen der von der Klägerin in der mündlichen Berufungsverhandlung dargelegten schwierigen Finanzlage von dem Widerruf absehen. Es gibt keine Ermessenseinschränkung des Inhalts, daß nur bei finanziell leistungsfähigen Zuwendungsempfängern ein Widerruf erfolgen dürfte; ein solcher aber insbesondere dann zu unterbleiben hat, wenn die öffentliche Hand ohnehin Defizite im Gemeindehaushalt auszugleichen hat. Im übrigen können solche Aspekte bei der Vollziehung genügend berücksichtigt werden.
35Schließlich ist der Widerruf auch fristgerecht innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme gemäß §§ 49 Abs. 3 Satz 2, 48 Abs. 4 VwVfG NW erfolgt. Der Senat nimmt insoweit gemäß § 130b Satz 2 VwGO auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, denen die Klägerin im Berufungsverfahren nicht entgegengetreten ist, Bezug. Dies gilt auch für die Festsetzung des zu erstattenden Betrages gemäß § 49a Abs. 1 VwVfG NW.
36Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
37Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
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