Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 14 A 3733/96
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Bruder des Klägers, Herr aus , ist seit dem 1. Januar 1977 Eigentümer des Grundstücks in , das mit Mehrfamilienhäusern bebaut ist. Der Kläger ist berechtigt, seinen Bruder als Eigentümer in allen Angelegenheiten betreffend das genannte Objekt zu vertreten, und ist entsprechend dem Inhalt einer Vollmacht vom 9. Dezember 1976 insbesondere zuständig für die Neuvermietung von Wohnungen, die Kündigung von Mietern, die Führung von Rechtsstreitigkeiten mit Mietern, die Verhandlungen mit Behörden, die Vergabe von Reparaturaufträgen, die Verfügung über das Mietenkonto und die Einziehung von Mietforderungen.
3Mit Bewilligungsbescheid vom 28. Oktober 1965 hatte der Beklagte der damaligen Eigentümerin für Rechnung der Wohnungsbauförderungsanstalt des Landes Nordrhein-Westfalen für den Wiederaufbau zweier Mehrfamilienhäuser mit 18 Wohnungen öffentliche Mittel in Höhe von insgesamt 275.192,-- DM bewilligt. Die planmäßige Rückzahlung der Mittel ist für das Jahr 2025 vorgesehen.
4Mit Schreiben vom 11. Juni 1980 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, nach seinen Feststellungen hätten mehrere Mieter im Haus und eine mit öffentlichen Mitteln geförderte Wohnung bezogen, ohne daß die Wohnberechtigung nachgewiesen worden sei. Es werde daher gebeten, dafür Sorge zu tragen, daß die Mieter den Antrag auf Erteilung einer Wohnberechtigungsbescheinigung innerhalb von 14 Tagen bei der zuständigen Ortsbehörde stellen würden. Ferner werde darauf aufmerksam gemacht, daß bei schuldhaftem Verstoß gegen die Vorschriften des Wohnungsbindungsgesetzes Geldleistungen erhoben werden könnten.
5Mit Schreiben vom 16. Juni 1980 antwortete der Kläger, er habe nun schon über 13 Jahre lang davon ausgehen dürfen, daß der Beklagte die ohnehin nicht einfache Vermietung von Wohnungen eines größeren Objektes nicht unnötig erschweren wolle, zumal keine geeigneten Bewerber zur Verfügung stünden. Angesichts dieser Verwaltungspraxis sei er von der Verpflichtung, eine Wohnung einem Wohnungssuchenden nur gegen Übergabe einer Wohnberechtigungsbescheinigung zu überlassen, zumindest de facto freigestellt worden. Mit dem Beklagten sei abgesprochen worden, daß er - der Kläger - selbst auf die Wohnberechtigung der jeweiligen Mieter zu achten habe. Entsprechendes habe er dann auch in den Mietverträgen vorgesehen. Um künftig Klarheit zu haben, beantrage er die mögliche Freistellung, hilfsweise die Genehmigung der bereits erfolgten Vermietungen. Ferner bitte er um Übersendung von 20 Antragsvordrucken, damit er bei künftigen Vermietungen direkt die Genehmigung beantragen könne. Er versichere abschließend, daß er künftig selbstverständlich so verfahre, wie es der Beklagte neuerdings vielleicht verlangen müsse.
6Ausweislich eines Vermerks vom 20. Juni 1980 sah der Beklagte von der weiteren Anforderung der Wohnberechtigungsbescheinigungen und der Ahndung des Verstoßes im Interesse des Vertrauensschutzes des Verfügungsberechtigten ab.
7In der Zeit vom 15. Februar 1993 bzw. 1. März 1993 bis zum 25. April 1995 waren die Mieterin und der Mieter für die Wohnung im III. Obergeschoß des Hauses gemeldet, ohne im Besitz einer Wohnberechtigungsbescheinigung zu sein. Einen Antrag des Mieters auf Erteilung einer Wohnberechtigungsbescheinigung lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 7. Juni 1993 ab. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Oberkreisdirektor mit Bescheid vom 23. Juli 1993 zurück.
8Mit Schreiben vom 7. Juni 1993 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, er habe die o.a. Wohnung den Mietern und ohne die erforderliche Wohnberechtigungsbescheinigung überlassen. Aufgrund dieses Verstoßes könnten u.a. gemäß § 25 des Wohnungsbindungsgesetzes (WoBindG) Geldleistungen festgesetzt werden. Insoweit werde dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
9Darauf äußerte sich der Kläger unter dem 12. Juni 1993 wie folgt: Aus dem Verwaltungsvorgang dürfe sich ergeben, daß die Frage der Wohnberechtigung bisher stets liberal gehandhabt worden sei. Auf diese langjährige Verwaltungspraxis könne er sich jetzt von Rechts wegen berufen. Der Mieter habe bereits zuvor im Haus gewohnt, und zwar in der Wohnung seiner Mutter. Als eheähnliche Gemeinschaft müßten die Mieter zumindest aus Härtegesichtspunkten in der Wohnung verbleiben dürfen.
10Mit Bescheid vom 12. August 1993 setzte der Beklagte gegen den Kläger persönlich Geldleistungen gemäß § 25 WoBindG in Höhe von 1.260,-- DM für den Zeitraum vom 1. April 1993 bis zum 31. Juli 1993 und in Höhe von 315,-- DM monatlich für den Zeitraum ab dem 1. August 1993 fest. Zur Begründung führte er aus: Der Kläger sei als Bevollmächtigter nach dem Wohnungsbindungsgesetz als Verfügungsberechtigter anzusehen. Eine Wohnung dürfe er einem Wohnungssuchenden nur dann zum Gebrauch überlassen, wenn dieser ihm vor der Überlassung eine Bescheinigung über die Wohnberechtigung im öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau übergebe. Gegen diese Regelung habe der Kläger schuldhaft verstoßen. Aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit als Hausverwalter und des in diesem Zusammenhang mit ihm geführten Schriftwechsels seien ihm die gesetzlichen Bestimmungen bekannt. Dadurch, daß er diese dennoch nicht beachtet habe, habe er zumindest die erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen und somit fahrlässig gehandelt. In Anbetracht der Schwere des Verstoßes sei die Höhe der festgesetzten Geldleistungen angemessen.
11Der Kläger legte Widerspruch ein und berief sich zur Begründung darauf, der Beklagte habe von seinem Recht, eine Kündigungsanordnung zu erlassen, Gebrauch machen müssen. Zudem sei auch die Erhebung von Fehlbelegungsabgaben nach dem Fehlbelegungsgesetz möglich gewesen. Dies hätte sich im Rahmen einer fairen Zusammenarbeit und einer sozialverantwortbaren Ermessensausübung angeboten.
12Den Widerspruch des Klägers wies der Oberkreisdirektor mit Bescheid vom 30. Juni 1994 zurück, worauf der Kläger am 25. Juli 1994 Klage erhoben hat. Zur Begründung hat er ausgeführt: Die Ablehnung der Erteilung einer Wohnberechtigungsbescheinigung an die Mieter sei ermessensfehlerhaft, da eine Ausnahmeregelung in Betracht gekommen sei. Daraus folge, daß auch die Ermessensentscheidung des Beklagten über die Festsetzung der umstrittenen Geldleistungen ermessensfehlerhaft sei. Zudem habe der Beklagte nicht berücksichtigt, daß er - der Kläger - einen Antrag auf Freistellung gestellt habe. Angesichts der Verwaltungspraxis des Beklagten treffe ihn kein Verschulden. Insoweit verweise er auf die Mieterwechsel in den Jahren zwischen 1980 und 1993, bei denen keine Wohnberechtigungsbescheinigung seitens des Beklagten verlangt worden sei. Die Erhebung der Geldleistungen führe zu einer unbilligen Härte, da der Beklagte den Mietern die Wohnberechtigungsbescheinigung hätte erteilen müssen. Unter Berücksichtigung der nunmehr zusätzlich erhobenen Fehlbelegungsabgaben entstehe eine Situation, die für die Parteien finanziell unzumutbar sei, was ebenfalls zu einer unbilligen Härte führe.
13Der Kläger hat beantragt,
14den Bescheid des Beklagten vom 12. August 1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Oberkreisdirektors des Kreises vom 30. Juni 1994 aufzuheben.
15Der Beklagte hat beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Er hat sich darauf berufen, die Versagung der Wohnberechtigungsbescheinigung an die Mieter sei rechtmäßig gewesen. Rechtsfehler bei der Festsetzung der Geldleistungen seien nicht erkennbar. Zwar sei im Jahre 1980 ein Freistellungsantrag nicht beschieden worden. Jedoch habe der Kläger mehrfach Wohnberechtigungsbescheinigungen eingereicht. Falls er weitere Vermietungen ohne Wohnberechtigungsbescheinigungen vorgenommen habe, habe er - der Beklagte - hiervon keine Kenntnis erhalten. Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt davon ausgehen dürfen, von den wohnungsbindungsrechtlichen Vorgaben freigestellt zu sein. Er sei verpflichtet gewesen, sich im Zweifelsfall zu erkundigen, so daß seine Handlungsweise zumindest als fahrlässig zu bewerten sei. Geldleistungen nach dem Wohnungsbindungsgesetz und Fehlbelegungsabgaben schlössen sich nicht aus.
18Durch das angefochtene Urteil, auf das Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.
19Der Kläger hat Berufung eingelegt und ausgeführt: Angesichts der gesamten Umstände stelle sich die Erhebung der Geldleistungen als unbillig dar. Der Beklagte habe einen Antrag auf Freistellung nicht beschieden. Vielmehr sei es zu einer Verwaltungspraxis gekommen, die der Erteilung einer Freistellung gleichzusetzen sei. Zumindest habe er - der Kläger - darauf vertrauen dürfen, nicht ohne Vorankündigung des Beklagten aufgrund von Verstößen gegen die Festsetzungen des Wohnungsbindungsgesetzes zur Verantwortung gezogen zu werden.
20Der Kläger beantragt,
21das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag I. Instanz zu erkennen.
22Der Beklagte beantragt,
23die Berufung zurückzuweisen,
24und führt aus: Eine Freistellung gemäß § 7 WoBindG sei nicht erfolgt. Auch wenn es eine interne Handlungsanweisung gegeben habe, wie damals zu verfahren gewesen sei, könne hieraus kein Duldungsrecht für die Zukunft gefolgert werden. Auf eine Vorankündigung habe der Kläger nicht vertrauen dürfen.
25Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
26Entscheidungsgründe:
27Die zulässige Berufung ist unbegründet.
28Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen - vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO -.
29Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zu den umstrittenen Geldleistungen ist § 25 Abs. 1 WoBindG, hier maßgeblich in der bei Erlaß des Widerspruchsbescheides des Oberkreisdirektors vom 30. Juni 1994 geltenden Fassung vom 27. Juli 1992. Danach kann die zuständige Stelle für die Zeit, während der der Verfügungsberechtigte schuldhaft u.a. gegen die Vorschrift des § 4 Abs. 2 WoBindG verstößt, von ihm durch Verwaltungsakt Geldleistungen bis zu 10,-- DM monatlich je Quadratmeter Wohnfläche der Wohnung erheben, auf die sich der Verstoß bezieht. Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 WoBindG darf der Verfügungsberechtigte die Wohnung einem Wohnungssuchenden nur zum Gebrauch überlassen, wenn dieser ihm vor der Überlassung eine Bescheinigung über die Wohnberechtigung im öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau (§ 5) übergibt, und wenn die in der Bescheinigung angegebene Wohnungsgröße nicht überschritten wird. Gemäß § 19 Abs. 3 WoBindG steht dem Verfügungsberechtigten ein von ihm Beauftragter gleich, somit der Kläger dem Eigentümer, seinem Bruder
30Das Verwaltungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt, daß ein schuldhafter Verstoß gegen die Regelung des § 4 Abs. 2 Satz 1 WoBindG vorliegt. Insbesondere hat es überzeugend dargelegt, daß den Kläger das gemäß § 25 Abs. 1 WoBindG erforderliche Verschulden trifft, Ermessensfehler nicht erkennbar sind und keine Gesichtspunkte vorliegen, nach denen der Beklagte aus Billigkeitsgründen auf die geforderte Geldleistung zu verzichten hätte. Daher sieht der Senat insoweit von einer weiteren Darstellung der Gründe ab und verweist auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil.
31Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, daß die Übergabe der Wohnung an die Mieter und im Widerspruch zu dem eigenen Verhalten des Klägers steht, wie er es dem Beklagten gegenüber mit Schriftsatz vom 16. Juni 1980 angekündigt hatte. Hier hatte er dem Beklagten versichert, selbstverständlich so zu verfahren, wie es neuerdings vielleicht verlangt werden müsse. Dem ist eindeutig zu entnehmen, daß der Kläger die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben des Wohnungsbindungsgesetzes in Aussicht gestellt hatte. Hierfür spricht auch seine Bitte um die Übersendung von 20 Antragsvordrucken, um bei künftigen Vermietungen direkt eine (Ausnahme-)Genehmigung beantragen zu können. Diese Bitte war aus Sicht des Beklagten nur so zu verstehen, der Kläger werde in Zukunft, soweit es im jeweiligen Einzelfall erforderlich werden sollte, die entsprechenden Genehmigungen (u.U. im Wege der Freistellung gemäß § 7 WoBindG) beim Beklagten einholen. Dementsprechend bedurfte es einer Entscheidung über den ebenfalls mit Schreiben vom 16. Juni 1980 gestellten Freistellungsantrag des Beklagten nicht, da der Beklagte zudem für die Vergangenheit auf die Anforderung von Wohnberechtigungsbescheinigungen und die Ahndung von Verstößen verzichtete.
32Auch das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren, in dem er sich im wesentlichen auf Billigkeitserwägungen im Sinne von § 25 Abs. 3 WoBindG stützt, veranlaßt den Senat nicht zu einer anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 WoBindG sollen zwar die Befugnisse nach den Absätzen 1 und 2 nicht geltend gemacht werden, wenn die Geltendmachung unter Berücksichtigung des Verhältnisses des Einzelfalls, namentlich der Bedeutung des Verstoßes, unbillig sein würde. Unbillig im Sinne dieser Regelung sind jedoch nur die vom Gesetzgeber nicht gewollten Härten.
33Vgl. Fischer- Dieskau/Pergande/Schwen-der, Wohnungsbaurecht, Band 3.1, § 25 WoBindG, Anm. 7.
34Wie es das in Satz 2 des § 25 Abs. 3 WoBindG angeführte Beispiel der nachträglichen Erteilung einer Wohnberechti- gungsbescheinigung zeigt, ist ein entscheidendes Kriterium der Unbilligkeit allgemein dann anzunehmen, wenn der Verstoß nur formaler Natur ist, weil dann kein Schaden der öffentlichen Hand entstanden ist. Das genannte Beispiel ist der vom Kläger geltend gemachten Absprache mit dem Beklagten vergleichbar, wonach der Kläger selbst die Wohnberechtigung der Mieter habe überprüfen dürfen, da Inhalt dieser Absprache gerade nur der Verzicht auf die formellen Voraussetzungen für den Bezug durch wohnberechtigte Mieter, nicht jedoch auch auf die materielle Wohnberechtigung gewesen sein soll. Von einem Schaden für die öffentliche Hand ist infolge der Vermietung an die Mieter und auszugehen, da deren fehlende Berechtigung zum Bezug der von ihnen angemieteten Wohnung mit der bestandskräftigen Ablehnung der Erteilung einer Wohnberechtigungsbescheinigung festgestellt worden ist.
35Das vom Kläger geltend gemachte Verhalten des Beklagten, den Freistellungsantrag nicht zu bescheiden, vermag Billigkeitsgesichtspunkte nicht zu begründen, da es, wie ausgeführt, angesichts des eigenen Verhaltens des Klägers einer Entscheidung durch den Beklagten nicht bedurfte und der Kläger es zudem in der Hand hatte, sein Begehren, ggfs. im Wege einer Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO, weiter zu verfolgen.
36Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 der Zivilprozeßordnung (ZPO).
37Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen der § 132 Abs. 2 und 137 Abs. 1 VwGO nicht vorliegen.
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