Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 8 A 940/96
Tenor
Der angefochtene Gerichtsbescheid wird geändert.
Der Bescheid der Beklagten vom 19. September 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 1994 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt die Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der im Jahre 1961 geborene Kläger, der die iranische Staatsangehörigkeit besitzt, reiste nach den Angaben des Ausländeramtes Brüssel erstmals am 21. Dezember 1986 in Belgien ein und wurde dort am 17. November 1987 als politischer Flüchtling anerkannt. Nach den Feststellungen der belgischen Kriminalpolizei in E. bezog der Kläger in der Zeit vom 1. März 1988 bis zum 30. Juni 1989 Sozialhilfeleistungen in Z. (Belgien) und anschließend vom 1. Juli 1989 bis zum November 1990 in A. .
3Am 20. April 1989 beantragte er zusammen mit seiner Ehefrau F. S. und seiner Tochter A. G. beim Sozialamt der Beklagten laufende Hilfe zum Lebensunterhalt, wobei er angab, er sei am 18. April 1989 aus der Türkei kommend in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und seitdem mittellos. Er wohnte zu dieser Zeit in B. .
4Daraufhin gewährte die Beklagte am 20. April 1989 dem Kläger, seiner Ehefrau und seiner Tochter laufende Hilfe zum Lebensunterhalt für die Zeit vom 20. April 1989 bis zum 31. Mai 1989 in regelsatzmäßiger Höhe. Dabei wurde für den Kläger ein monatlicher Regelsatz von 414,- DM, für die Ehefrau von 331,- DM und für die Tochter von 186,- DM in Ansatz gebracht. Der am 20. April 1989 für den Zeitraum bis zum 31. Mai 1989 bewilligte Gesamtbetrag von 1.276,36 DM (41/30 der Summe aus 414,- DM, 331,- DM und 186,- DM) wurde an den Kläger zur Auszahlung gebracht, und zwar als Scheck über 1.000,- DM und als Rest-Überweisung in Höhe von 272,36 DM. Außerdem erklärte sich die Beklagte am 20. April 1989 bereit, die Kosten der Unterbringung des Klägers, dessen Ehefrau und dessen Tochter im Hotel R. in B. , R. weg 29, für die Zeit vom 20. April 1989 bis zum 31. Mai 1989 zu übernehmen. Diese Unterbringungskosten, die laut der Rechnung des Hotels R. vom 1. Juni 1989 für die Zeit vom 20. April 1989 bis zum 31. Mai 1989 2.050,- DM betrugen (41 x 50,- DM), wurden von der Beklagten am 9. April 1989 an den Inhaber des Hotels überwiesen.
5Am 24. April 1989 bewilligte die Beklagte eine einmalige Bekleidungsbeihilfe in Höhe von insgesamt 1.000,- DM, wovon nach dem Bearbeitungsvermerk des Sozialamtes auf den Kläger ein Teilbetrag von 423,- DM entfiel. Der Bewilligungsbetrag wurde dem Kläger am 24. April 1989 in bar übergeben.
6Für eine TPHA-Untersuchung des Blut-Serums des Klägers im Institut für Medizinische Mikrobiologie und Immunologie der Universität B. entstanden der Beklagten Kosten in Höhe von 14,08 DM.
7Mit Bescheid vom 1. Juni 1989 bewilligte die Beklagte für die Zeit ab 1. Juni 1989 Hilfe zum Lebensunterhalt für den Kläger in regelsatzmäßiger Höhe von 414,- DM, für dessen Ehefrau in Höhe von 331,- DM und für die Tochter in Höhe von 186,- DM (insgesamt 931,- DM). Die für die Unterbringung des Klägers, der Ehefrau und der Tochter im Hotel R. in B. für den Monat Juni 1989 angefallenen Unterkunftskosten in Höhe von 1.500,- DM (30 Tage à 50,- DM) wurden von der Beklagten ebenfalls übernommen und entsprechend der vom Hotel R. unter dem 1. Juli 1989 ausgestellten Rechnung am 3. Juli 1989 direkt an den Hotelbetreiber überwiesen.
8Mit Bescheid vom 1. Juli 1989 bewilligte die Beklagte auch für die Zeit ab 1. Juli 1989 Hilfe zum Lebensunterhalt in regelsatzmäßiger Höhe, und zwar für den Kläger in Höhe von 426,- DM, für dessen Ehefrau in Höhe von 341,- DM und für dessen Tochter in Höhe von 192,- DM (insgesamt 959,- DM monatlich). Außerdem übernahm die Beklagte entsprechend den ihr vorgelegten Rechnungen des Hotels R. die Kosten der Hotelunterbringung des Klägers, der Ehefrau und der Tochter für die Monate Juli und August 1989 jeweils in Höhe von 1.550,- DM (31 x 50,- DM) und für die Zeit vom 1. September bis zum 15. September 1989 in Höhe von 750,- DM (15 x 50,- DM), wobei sie wiederum jeweils die bewilligten Unterkunftskostenbeträge direkt an den Betreiber des Hotels zur Auszahlung brachte.
9Am 18. September 1989 zog der Kläger mit seiner Familie von B. nach M. , Im S. 34, in das Bundesland Rheinland-Pfalz um.
10Bereits am 25. April 1989 hatte die Beklagte beim Arbeitsamt B. (Kindergeldkasse) gemäß §§ 102 ff. SGB X einen Ersatzanspruch hinsichtlich des dem Kläger für seine Tochter zustehenden Kindergeldes für die Zeit ab dem 20. April 1989 geltend gemacht, das diesen Antrag an das Arbeitsamt B. weiterleitete. Mit Bescheid vom 13. August 1989 bewilligte das Arbeitsamt B. dem Kläger für die Zeit von April 1989 bis September 1989 Kindergeld in Höhe von monatlich 50,- DM und Kindergeldzuschlag in Höhe von monatlich 46,- DM. Den Gesamtbetrag von 576,- DM (5 x 96,- DM) erstattete das Arbeitsamt B. (Kindergeldkasse) der Beklagten.
11Nachdem der an die bisherige Adresse des Klägers in B. abgesandte Bescheid der Beklagten über die Gewährung von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt (einschließlich Weihnachtsbeihilfe) für den Monat Dezember 1989 dem Kläger nicht per Post übermittelt werden konnte und mit dem Vermerk "Unbekannt" an die Beklagte zurückgekommen war, stellte die Beklagte die Gewährung von Leistungen mit sofortiger Wirkung ein.
12Mit an den Kläger persönlich gerichtetem Bescheid vom 19. September 1991 hob die Beklagte nach zuvor erfolgter Anhörung des Klägers "die im Zeitraum 20.4.1989 bis 31.12.1989 ergangenen Bescheide" über die Bewilligung von Sozialhilfe unter Berufung auf § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X auf und forderte vom Kläger "die ohne Rechtsgrund gezahlte Sozialhilfe in einer Gesamthöhe von 14.195,04 DM" zurück. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt und Krankenhilfe an den Kläger und seine Familie in der Zeit vom 20. April 1989 bis zum 31. Dezember 1989 in Höhe von insgesamt 14.771,04 DM sei zu Unrecht erfolgt, da der Kläger vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht habe; er habe verschwiegen, daß er in der Zeit vom 1. März 1988 bis zum 30. November 1990 in Belgien ebenfalls Sozialhilfeleistungen bezogen habe; der von ihr, der Beklagten, gewährte Gesamtbetrag von 14.771,04 DM habe sich allerdings inzwischen durch Befriedigung ihres Kostenerstattungsanspruches durch das Arbeitsamt B. (Kindergeldkasse) um 576,- DM auf 14.195,04 DM vermindert.
13Hiergegen legte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 21. Oktober 1991 fristgerecht Widerspruch ein.
14Mit an den Prozeßbevollmächtigten des Klägers gerichtetem Widerspruchsbescheid vom 21. November 1994 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers vom 21. Oktober 1991 "im wesentlichen als unbegründet zurück" und erklärte, "der zurückzufordernde Gesamtbetrag" belaufe sich auf 12.996,05 DM. In den Gründen des Widerspruchsbescheides wird ausgeführt, der Kläger habe in der Zeit vom 20. April bis 31. Dezember 1989 für sich, seine Ehefrau und das gemeinsame Kind Sozialhilfeleistungen in Höhe von insgesamt 14.771,04 DM erhalten, die durch den Bescheid vom 19. September 1991 zurückgefordert worden seien; dieser Betrag werde um das von der Kindergeldkasse erstattete Kindergeld in Höhe von 576,- DM auf 14.195,04 DM reduziert. Sie, die Beklagte, sei verpflichtet, für den Bewilligungszeitraum vom 20. April 1989 bis 30. September 1989 vom Kläger 5.161,55 DM, von seiner Ehefrau 4.704,88 DM sowie von seiner Tochter 3.129,62 DM zurückzufordern. Daraus ergebe sich insgesamt ein Erstattungsbetrag von 12.996,05 DM. Dem Widerspruchsbescheid war eine Einzelaufstellung der in der Zeit von April bis einschließlich September 1989 dem Kläger, seiner Ehefrau und seiner Tochter gewährten Sozialhilfeleistungen beigefügt.
15Daraufhin hat der Kläger am 16. Dezember 1994 Klage erhoben. Zur Begründung hat er im wesentlichen ausgeführt: Er habe die von der Beklagten im Widerspruchsbescheid aufgeführten Sozialhilfeleistungen in der geforderten Höhe von 12.996,05 DM nicht in eigener Person erhalten. Die Beklagte habe im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung zudem nicht berücksichtigt, daß durch die von ihm im gleichen Zeitraum in Belgien empfangenen Sozialhilfeleistungen sein eigener Lebensunterhalt und der seiner Familie nicht habe sichergestellt werden können; denn er sei Opfer einer Erpressung gewesen und habe die empfangenen Geldmittel aus Belgien an den Erpresser abführen müssen.
16Der Kläger hat beantragt, den Aufhebungs- und Leistungsbescheid der Beklagten vom 19. September 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 1994 aufzuheben.
17Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
18Zur Begründung hat sie im wesentlichen vorgetragen: Gegenstand des Klageverfahrens sei der Ausgangsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. November 1994. Darin werde unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß die in der Zeit vom 20. April 1989 bis zum 30. September 1989 gegenüber allen Personen der Bedarfsgemeinschaft ergangenen Sozialhilfebescheide aufgehoben worden seien. Aus den im Widerspruchsbescheid im einzelnen bezifferten Angaben ergebe sich, daß der Kläger nicht gesamtschuldnerisch haften solle; er habe lediglich die ihm gewährte Hilfe in Höhe von 5.161,55 DM (irrtümlich: 50.161,55 DM) zu erstatten.
19Das Verwaltungsgericht hat mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
20Gegen den seinem Prozeßbevollmächtigten am 22. Januar 1996 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 14. Februar 1996 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er im wesentlichen vor: Ein Bescheid über die monatliche Leistungsgewährung im Zeitraum vom 20. April 1989 bis zum 31. Dezember 1989 sei nicht ergangen. Vielmehr habe die Beklagte die Leistungsansprüche für seine gesamte Familie durch Überweisung der errechneten Hilfe geregelt. Stelle sich bei einem der Berechtigten nachträglich aufgrund des Widerrufs der Bewilligung eine Überzahlung heraus, so könne der entsprechende Betrag auch nur von diesem Berechtigten zurückgefordert werden. Tatsächlich sei der angefochtene Leistungsbescheid jedoch nur gegenüber ihm, dem Kläger, ergangen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei der ihm gegenüber ergangene Leistungsbescheid auch nicht durch den Widerspruchsbescheid vom 21. November 1994 "verdeutlicht" worden. Der Ursprungsbescheid sei lediglich in der Höhe geringfügig abgeändert, nicht jedoch aufgehoben worden. Er, der Kläger, sei alleiniger Adressat des Widerspruchsbescheides, mit dem eine Gesamtforderung von 12.996,05 DM geltend gemacht werde. In der Begründung werde dieser Betrag zwar auf die drei Angehörigen seiner Familie aufgeteilt, jedoch werde er allein zur Zahlung dieses Betrages herangezogen. Außerdem sei die Beklagte für die Aufhebung der Bewilligungsbescheide örtlich nicht zuständig gewesen.
21Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des Gerichtsbescheides vom 14. Dezember 1995 den Aufhebungs- und Leistungsbescheid der Beklagten vom 19. September 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 1994 aufzuheben.
22Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
23Zur Begründung bezieht sie sich auf die Darlegungen im Widerspruchsbescheid und im angefochtenen Gerichtsbescheid. Ergänzend führt sie aus: Ihre örtliche Zuständigkeit zum Erlaß des angefochtenen Bescheides ergebe sich aus § 45 Abs. 5 i.V.m. § 44 Abs. 3 SGB X. Auch im übrigen sei der Bescheid rechtmäßig. Jedenfalls im Widerspruchsbescheid sei deutlich zum Ausdruck gebracht worden, daß vom Kläger nur ein Betrag in Höhe von 5.161,55 DM zurückgefordert werde. Auf Seite 4 des Widerspruchsbescheides werde von den drei Personen der Familie ein bestimmter Betrag zurückgefordert, der den beigefügten differenzierten Berechnungen, welche Bestandteile des Widerspruchsbescheides seien, entnommen werden könne. Keinesfalls werde der Kläger allein zur Rückzahlung herangezogen, sondern die jeweiligen Adressaten der Hilfe in Höhe des jeweils auf sie entfallenden Betrages.
24Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorganges Bezug genommen.
25Entscheidungsgründe:
26Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 19. September 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 1994 ist aufzuheben; denn er ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
27Allerdings ist die Beklagte für den Erlaß des angefochtenen Bescheides örtlich zuständig. Soweit der Senat in seinem die Gewährung von Prozeßkostenhilfe für das Berufungsverfahren betreffenden Beschluß vom 11. November 1997 diesbezügliche Zweifel ausgesprochen hat, greifen diese im Ergebnis nicht durch.
28Zieht nämlich ein Empfänger von Sozialhilfe (laufende Hilfe zum Lebensunterhalt) nach dem Erlaß des (rechtswidrigen) Bewilligungsbescheides in den örtlichen Zuständigkeitsbereich eines anderen Sozialhilfeträgers um, so bleibt für die Aufhebung des Bewilligungsbescheides der für dessen Erlaß zuständig gewesene Sozialhilfeträger zuständig. An dieser bereits mit Urteil vom 11. Dezember 1997 - 8 A 5182/95 - vertretenen Ansicht hält der Senat auch im vorliegenden Verfahren fest.
29Die maßgebliche Regelung für die örtliche Zuständigkeit im Falle der auf § 45 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 SGB X gestützten Aufhebung eines Verwaltungsaktes ergibt sich aus der Vorschrift des § 45 Abs. 5 SGB X, die insoweit - ebenso wie § 46 Abs. 2, § 47 Abs. 3 und § 48 Abs. 4 SGB X - auf § 44 Abs. 3 SGB X verweist. Nach § 44 Abs. 3 SGB X entscheidet nach Unanfechtbarkeit eines Verwaltungsaktes über dessen Rücknahme "die zuständige Behörde"; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
30Die Regelung stellt klar, daß für das Rücknahmeverfahren als einem gegenüber dem Bewilligungsverfahren selbständigen Verwaltungsverfahren die allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften Geltung beanspruchen. Die örtliche Zuständigkeit der Behörde ergibt sich im Bereich des Sozialgesetzbuches aus dem jeweils anzuwendenden besonderen Teil des Sozialgesetzbuches, vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NW), Urteil vom 11. Dezember 1997 -8 A 5182/95 -; Engelmann, in: Schroeder-Printzen/Engelmann/Schmalz/ Wiesner/von Wulffen, SGB X, 2. Auflage 1990, § 2 Rdnr. 1.
31Für die Rücknahme eines Verwaltungsaktes über die Bewilligung von Sozialhilfeleistungen ist weder im Zehnten Buch des Sozialgesetzbuches noch im Bundessozialhilfegesetz eine spezielle Regelung getroffen worden. § 97 Abs. 1 Satz 1 BSHG in der hier für den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 21. November 1994 maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 10. Januar 1991 (BGBl. I S. 94, 808) regelt lediglich allgemein, daß "für die Sozialhilfe" der Träger örtlich zuständig ist, in dessen Bereich sich der Hilfesuchende tatsächlich aufhält. Der Wortlaut der Regelung läßt offen, ob es hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit der den Bewilligungsbescheid zurücknehmenden Behörde auf den tatsächlichen Aufenthaltsort des Hilfesuchenden zum Zeitpunkt der Bewilligungsentscheidung oder zum Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung ankommt. Der Normtext der gesetzlichen Regelung in § 45 Abs. 5 iVm § 44 Abs. 3 SGB X und § 97 Abs. 1 Satz 1 BSHG ist insoweit nicht eindeutig.
32Näheren Aufschluß für die Auslegung der Vorschrift geben jedoch ihre Entstehungsgeschichte sowie ihr Regelungszweck.
33Mit der Regelung des § 44 Abs. 3 SGB X, die nach § 45 Abs. 5 SGB X auf die hier in Rede stehende Aufhebung eines Verwaltungsaktes nach § 45 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 SGB X entsprechend anzuwenden ist, hat der Gesetzgeber unmittelbar an den Wortlaut der bei Inkrafttreten des SGB X bereits bestehenden Vorschrift des § 48 Abs. 5 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) angeknüpft, vgl. dazu den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 4. August 1978,. Bundestagsdrucksache 8/2034, S. 34 zu § 42 (Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes): "Absatz 3 entspricht § 48 Abs. 5 VwVfG".
34Die Regelung des § 48 Abs. 5 VwVfG ist seinerzeit auf Anregung des Bundesrates, vgl. Bundestagsdrucksache 7/910 vom 18. Juli 1973,. Anlage 2 S. 104 (Nr. 19b),
35und mit Zustimmung der Bundesregierung,. vgl. Bundestagsdrucksache 7/910,. S. 110,. zu Nr. 19b,
36mit der Begründung in das Verwaltungsverfahrensgesetz eingefügt worden, diese Ergänzung sei "notwendig zur Klarstellung der Zuständigkeiten nach Unanfechtbarkeit eines Verwaltungsaktes", wobei dies "in Angleichung an § 47 Abs. 4" erfolge, da die Rechtslage vergleichbar sei,. vgl. Bundestagsdrucksache 7/910, S. 104 und S. 110 (zu Ziffer 19b).
37Die in der zitierten Begründung des Bundesrats-Vorschlages erwähnte Vorschrift des § 47 Abs. 4 des Gesetzentwurfes betraf das "Wiederaufgreifen des Verfahrens", die heutige Vorschrift des § 51 VwVfG. Zur Begründung der im Gesetzentwurf der Bundesregierung enthaltenen und vom Bundesrat in Bezug genommenen Vorschrift des § 47 Abs. 4 VwVfG-E war dort ausgeführt worden:
38"Die Vorschrift stellt klar, daß über den Antrag die nach § 3 zuständige Behörde selbst dann zu entscheiden hat, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen wurde."
39Vgl. Bundestagsdrucksache 7/910, S. 75 (zu § 47).
40Mit der auf den Vorschlag des Bundesrates hin erfolgten Einfügung des § 48 Abs. 5 VwVfG ("in Angleichung" an § 47 Abs. 4 VwVfG-E bzw. nunmehr § 50 Abs. 4 VwVfG) sollte mithin geregelt werden, daß über die Rücknahme eines Verwaltungsaktes diejenige Behörde zu entscheiden hat, die im Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung für den Erlaß des zurückzunehmenden Verwaltungsaktes als (nach dem maßgeblichen Fachgesetz) sachlich zuständige Behörde (nach § 3 VwVfG) örtlich zuständig ist bzw. bei einem Ersterlaß zuständig wäre, hätte dieser zum Zeitpunkt des Ergehens der Rücknahmeentscheidung zu erfolgen, vgl. dazu auch Ehlers/Link (Hrsg.), Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Auflage 1990, § 48 Rdnr. 159; Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Auflage 1996, § 48 Rdnr. 100 m.w.N..
41Dabei ist davon auszugehen, daß es vor Inkrafttreten (des Verwaltungsverfahrensgesetzes und damit) des § 51 Abs. 4 VwVfG, dem § 48 Abs. 5 VwVfG und damit auch § 44 Abs. 3 SGB X nachgebildet worden sind, geltendes Recht war, daß die Zuständigkeit für die Beseitigung (Aufhebung, Rücknahme, Widerruf) eines Verwaltungsaktes vorbehaltlich einer besonderen gesetzlichen Regelung bei der Behörde lag, die für den Erlaß des betreffenden Verwaltungsaktes zuständig war. Zuständig für die Rücknahme bzw. den Widerruf eines Bewilligungsbescheides war damit grundsätzlich die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hatte, um dessen Rücknahme es geht, vgl. dazu Wolff,. Verwaltungsrecht, Band I, 8. Aufl. 1971, § 53 I 2; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Auflage 1973, § 13 S. 261 m.w.N.; Ehlers/Link, aaO., § 48 Rdnr. 159.
42Die mit § 48 Abs. 5 VwVfG bewirkte gesetzliche Neuregelung änderte daran nichts. Sie sollte lediglich die seinerzeit noch umstrittene Frage klären, daß die nach dem Gesetz zuständige Behörde selbst dann zu entscheiden hat, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung begehrt wird, von einer anderen Behörde, d.h. von einer anderen als der zuständigen Behörde, erlassen wurde, vgl. Bundestagsdrucksache 7/910, S. 75 (zu der in Bezug genommen Regelung des § 47 Abs. 4 VwVfG-E bzw. jetzt § 51 Abs. 4 VwVfG.
43Daran, daß über die Rücknahme eines Verwaltungsaktes grundsätzlich die Behörde entscheidet, die den zurückzunehmenden Verwaltungsakt erlassen hat, solange sie sachlich und örtlich zuständig ist, sollte freilich nichts geändert werden, vgl. dazu u.a. Meyer/Borgs/ Maciejewski, Verwaltungsverfahrensgesetz, 1982, § 48 Rdnr. 76; Knack u.a., Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 4. Auflage 1994, § 48 Rdnr. 5.4; Ehlers/Link, aaO., § 48 Rdnr. 159.
44Dieser sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschriften des § 44 Abs. 3 SGB X bzw. § 48 Abs. 5 VwVfG ergebende Regelungsinhalt entspricht ersichtlich auch dem Sinn und Zweck der Regelung. Denn sie soll, wie das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, vgl. BVerwG, Beschluß vom 25. August 1995, aaO., S. 232,
45und wovon auch der Senat ausgeht, eine möglichst optimale Erledigung der Verwaltungsaufgaben durch den ortsnächsten Leistungsträger gewährleisten. Der "ortsnächste" Träger ist auch im Falle der Aufhebung eines Bewilligungsbescheides derjenige, der für den tatsächlichen Aufenthaltsort des Hilfesuchenden im maßgeblichen Bewilligungszeitraum zuständig war (§ 97 Abs. 1 Satz 1 BSHG). Denn er verfügt in aller Regel unmittelbar über die für die Beurteilung der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen im maßgeblichen Bewilligungszeitraum am tatsächlichen Aufenthaltsort maßgeblichen Kenntnisse und Informationen. Er hat auch ein unmittelbares Interesse daran, daß im Falle einer rechtswidrigen Leistungsbewilligung der Bescheid aufgehoben und die zu Unrecht erbrachten Leistungen zurückgefordert werden. Wenn freilich die Bewilligungsentscheidung von einer nach dem Gesetz unzuständigen Behörde getroffen worden ist, entspricht es dem gesetzlichen Regelungsziel, daß die zu Unrecht beanspruchte Zuständigkeit nicht prolongiert, sondern daß die nach dem Gesetz "zuständige Behörde" mit der Sache befaßt wird und über die Aufhebung des Bescheides entscheidet. "Zuständig" im Sinne des § 44 Abs. 3 SGB X ist dann die Behörde, die im Zeitpunkt der zu treffenden Aufhebungsentscheidung zum Erlaß des Bewilligungsbescheides zuständig wäre, vgl. dazu OVG Rheinland-Pfalz,. Urteil vom 29. Juni 1995 - 12 R 11875/94 -; bestätigt von BVerwG,. Beschluß vom 25. August 1995 - 5 B 141.95 -, aaO., S. 232 f..
46Dementsprechend geht auch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts davon aus, daß im Falle einer seit dem Erlaß des aufzuhebenden Verwaltungsaktes eingetretenen Änderung der Voraussetzungen der Zuständigkeit diejenige Behörde zur Rücknahme des (Ausgangs-)Bescheides berufen ist, die im Zeitpunkt ihrer Entscheidung zum Erlaß des zurückzunehmenden Verwaltungsaktes zuständig wäre, vgl. dazu Bundessozialgericht,. Urteil vom 17. Juli 1985 - 1 RA 35/84 -, in: SozR 1500 § 77 Nr. 61.
47Auch im Fachschrifttum wird diese Auffassung geteilt,. vgl. dazu u.a. Zeitler, Sozialgesetzbuch X für die Praxis der Sozialhilfe und Jugendhilfe, Kommentar, 3. Auflage, § 44 Anm. 6b; Grüner/Dalichau, Verwaltungsverfahren (SGB X) Kommentar, Band I. , 1996,. § 44 Anm. V, S. 36; Wiesner, aaO., § 44 Anm. 9; Schnapp, in: Krause/von Mutius/Schnapp/Siewert, GK-SGB X 1, 1991, § 44 Rdnr. 26.
48Mithin war im vorliegenden Falle die Beklagte für die durch den Bescheid vom 19. September 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 1994 erfolgte Aufhebung begünstigender Verwaltungsakte über die Bewilligung von Sozialhilfeleistungen für den hier maßgeblichen Zeitraum vom 20. April 1989 bis zum 30. September 1989 örtlich zuständig. Denn zum Zeitpunkt des Ergehens dieser Bewilligungsentscheidungen hatte der Kläger seinen tatsächlichen Aufenthaltsort im Zuständigkeitsbereich der Beklagten (§ 97 Abs. 1 Satz 1 BSHG). Der Mitte September 1989 erfolgte Umzug des Klägers und seiner Familie nach 53894 M. , Im S. 34, in das Bundesland Rheinland-Pfalz ließ diese einmal begründete Zuständigkeit der Beklagten unberührt.
49Denn § 97 Abs. 1 Satz 1 BSHG fixiert jedenfalls bei der Gewährung von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt die örtliche Zuständigkeit des einmal zuständig gewordenen Sozialhilfeträgers für die Regelung zumindest derjenigen Bedarfslagen, die im Verantwortungsbereich dieses Sozialhilfeträgers während der Dauer des tatsächlichen Aufenthalts des Hilfesuchenden nicht nur entstanden und ihm zur Kenntnis gelangt sind, sondern von ihm auch durch Erledigung des Hilfefalles beseitigt werden können, vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Januar 1994 - 5 C 47.91 -, FEVS 45, 89 (92 f.); OVG NW, Urteil vom 11. Dezember 1997 - 8 A 5182/95 -.
50Selbst wenn die Beklagte seinerzeit noch nicht über das Begehren des Klägers auf Bewilligung von Sozialhilfeleistungen entschieden gehabt hätte, wäre damit die Beklagte auch nach dem Mitte September 1989 erfolgten Umzug des Klägers nach M. örtlich zuständig geblieben. Da mithin die Beklagte bei Ergehen der Bewilligungsbescheide im hier maßgeblichen Zeitraum im Rahmen ihrer örtlichen Zuständigkeit entschieden und sich zwischenzeitlich die rechtlichen Voraussetzungen dieser örtlichen Zuständigkeit hinsichtlich dieses Bewilligungszeitraumes nicht geändert hatten, ist demgemäß die Beklagte als die die zurückzunehmenden Verwaltungsakte erlassende Stelle auch für deren Rücknahme zuständig.
51Der angefochtene Rücknahmebescheid der Beklagten vom 19. September 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 1994 ist jedoch rechtswidrig, weil ihm die hinreichende Bestimmtheit im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB X fehlt.
52Ein Verwaltungsakt ist im Sinne der Vorschrift des § 33 Abs. 1 SGB X, die insoweit der Regelung des § 37 Abs. 1 VwVfG nachgebildet ist, vgl. dazu die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, Bundestags-Drucksache 8/2034, S. 33; Pickel, SGB X, Kommentar zum Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch, Ordner 1, April 1997, § 33 SGB X Anm. 1,
53inhaltlich hinreichend bestimmt, wenn der in ihm zum Ausdruck gekommene Wille der Behörde für die Beteiligten des Verfahrens, in dem der Verwaltungsakt ergeht, unzweideutig erkennbar und nicht einer unterschiedlichen subjektiven Bemessung zugänglich ist, vgl. OVG NW, Urteil vom 27. November 1997 - 8 A 4279/95 - unter Hinweis auf Bundestagsdrucksache 7/910, S. 58 (Abs. 1); Schroeder-Printzen/ Engelmann/Schmalz/Wiesner/ von Wulffen, SGB X, aaO., § 33 Rdnr. 2 m.w.N.; Hauck/ Freischmidt/Freund/Recht/ Rombach, Sozialgesetzbuch SGB X/1, 2, 1997, § 33 Rdrn. 3; Krause/von Mutius/Schnapp/ Siewert, Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch-Verwaltungsverfahren GK SGB X 1, 1991, § 33 Rdnr. 4 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1990 - 8 T 69/87 -, NVwZ 1990, 855 (zu der Parallelvorschrift des § 37 Abs. 1 BayVwVfG).
54Namentlich muß der Verwaltungsakt den Adressaten erkennen lassen. Der Adressat, an den sich der Verwaltungsakt richtet, muß sich aus dem Verwaltungsakt bestimmt oder zumindest eindeutig bestimmbar ergeben, vgl. OVG NW, Urteil vom 27. November 1997 - 8 A 4279/95 -; Pickel, SGB X, aaO., § 33 Rdnr. 19; Meyer-Borgs- Maciejewski, Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Auflage 1982, § 37 Rdnr. 4.
55Außerdem muß der Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes unmißverständlich für den Adressaten erkennbar sein.
56Zwar ist hiernach der (Ausgangs-)Bescheid vom 19. September 1991 isoliert betrachtet inhaltlich bestimmt. Es kommt darin unzweifelhaft die Regelung zum Ausdruck, daß der Beklagte in der (irrigen) Annahme, der Kläger sei der alleinige Empfänger der für ihn und die Familienangehörigen gewährten Sozialhilfeleistungen gewesen, dem Kläger gegenüber die Bewilligungsbescheide zurücknehme und von dem Kläger den gesamten überzahlten Betrag zurückfordere.
57Die Frage der Bestimmtheit kann indessen nicht losgelöst von dem Inhalt des Widerspruchsbescheides beurteilt werden. Denn gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist Gegenstand der Anfechtungsklage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Hiernach hängen beide Verwaltungsakte zusammen und sind prozessual und materiell-rechtlich als eine Einheit anzusehen, vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 1964 - BVerwG V C 14.63 -, BVerwGE 19, 327 (330); vgl. auch Beschluß vom 30. April 1996 - 6 B 77/95 -, NVwZ-RR 1997, Heft 2, S. 132 (133).
58Dementsprechend werden auch der Regelungsgehalt des ursprünglichen Verwaltungsaktes und damit auch dessen inhaltliche Bestimmtheit durch den Inhalt des Widerspruchsbescheides festgelegt.
59In der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 1994 ist der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 19. September 1991 inhaltlich unbestimmt. Er ist hinsichtlich seines Regelungsgehaltes objektiv mehrdeutig und einer unterschiedlichen subjektiven Bemessung zugänglich.
60Dies ergibt sich vor allem daraus, daß zwischen dem verfügenden Teil ("Tenor") und dem begründenden Teil ("Begründung") des den Ausgangsbescheid gestaltenden Widerspruchsbescheides ein unauflösbarer Widerspruch besteht.
61Dabei ist davon auszugehen, daß sich der Widerspruchsbescheid - ebenso wie der Ausgangsbescheid - ausschließlich an den Kläger, nicht jedoch an dessen Ehefrau und dessen Tochter richtet. Im Adressenfeld des Ausgangsbescheides der Beklagten vom 19. September 1991 wird ausschließlich der Kläger als Adressat angegeben. Außerdem wird in der Anrede ("Sehr geehrter Herr G. N. ") und in der Begründung des Bescheides eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß sich der Bescheid ausschließlich an den Kläger persönlich wendet. Auch im Betreff des an den (durch seinen Prozeßbevollmächtigten vertretenen) Kläger gerichteten Widerspruchsbescheides wird ausdrücklich auf den von Rechtsanwalt W. namens und im Auftrag des Klägers erhobenen Widerspruch vom 21. Oktober 1991 Bezug genommen, nicht aber etwa auf einen Widerspruch gegen einen an die Ehefrau oder die Tochter gerichteten Bescheid; in Übereinstimmung damit heißt es in der Entscheidungsformel des Widerspruchsbescheides auch, dieser Widerspruch (des Klägers) gegen den Ausgangsbescheid vom 19. September 1991 werde "im wesentlichen als unbegründet zurückgewiesen"; die Kosten des Verfahrens seien "- soweit dem Widerspruch nicht abgeholfen wurde - von Ihrem Mandanten (= dem Kläger)zu tragen". Anhaltspunkte dafür, daß der Widerspruchsbescheid - anders als der Ausgangsbescheid - nicht nur an den Kläger persönlich, sondern zugleich auch an den Kläger als Bevollmächtigten oder Vertreter seiner Ehefrau oder Tochter adressiert war und bekanntgegeben wurde, sind nicht ersichtlich. Auch die Beklagte hat dies nicht substantiiert dargetan.
62Der (mithin allein an den Kläger gerichtete) angefochtene Bescheid in der gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO maßgeblichen Fassung des Widerspruchsbescheides läßt jedoch nach seinem objektiven Erklärungswert seinen Regelungsinhalt nicht unzweideutig erkennen.
63Einerseits wird nämlich in der Entscheidungsformel des an den Kläger gerichteten Widerspruchsbescheides vom 21. November 1994 zum Ausdruck gebracht, daß der Widerspruch des Kläger "im wesentlichen als unbegründet zurückgewiesen" wird (Nr. 1) und daß sich der "zurückzufordernde Gesamtbetrag" auf 12.996,05 DM belaufe (Nr. 2). Diese Regelung kann nach ihrem objektiven Erklärungswert nur dahin verstanden werden, daß der Widerspruch des Klägers gegen die Aufhebung der ihn begünstigenden Bewilligungsbescheide (für den Zeitraum vom 20. April 1989 bis zum 30. September 1989) und gegen die an ihn gerichtete Rückforderungsentscheidung - abgesehen von einer betragsmäßigen Reduzierung - zurückgewiesen und daß von ihm als Adressaten des Ausgangs- und des Widerspruchsbescheides ein "Gesamtbetrag" von 12.996,05 DM zurückgefordert wird. Auf der Grundlage des verfügenden Teils des Widerspruchsbescheides müßte der Kläger demzufolge mit gegen ihn gerichteten Vollstreckungsmaßnahmen wegen einer Forderung in Höhe von 12.996,05 DM rechnen. Denn jedenfalls hinsichtlich des "zurückzufordernden Gesamtbetrages" von 12.996,05 DM wird in Nr. 2 des verfügenden Teils des Widerspruchsbescheides nicht zwischen dem Kläger einerseits und seiner Ehefrau und seiner Tochter andererseits unterschieden.
64Andererseits wird jedoch im begründenden Teil des Widerspruchsbescheides ausgeführt, die Beklagte habe im Rahmen des ihr gemäß § 45 Abs. 1 SGB X zustehenden Ermessens von der Möglichkeit der Rücknahme der den Kläger "und seine Familie" begünstigenden Verwaltungsakte Gebrauch gemacht, weil das Interesse des Sozialhilfeträgers im Rahmen der Gleichbehandlung aller Sozialhilfeberechtigten an der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes das Interesse des Klägers und seiner Ehefrau ("Ihrer Mandanten") überwiege. Auch wenn diese Darlegungen im begründenden Teil des allein an den Kläger gerichteten Widerspruchsbescheides nach ihrem objektiven Erklärungswert dahingehend auszulegen sein sollten, daß sie schon wegen fehlender Bekanntgabe (an Ehefrau und Tochter) keine Regelung hinsichtlich der Aufhebung der die Ehefrau und die Tochter des Klägers begünstigenden Bewilligungsentscheidungen und hinsichtlich der gegenüber diesen Personen geltend gemachten Rückforderung(en) beinhalten, bleibt ein unauflösbarer Widerspruch zwischen ihnen und dem verfügenden Teil des Widerspruchsbescheides. Denn im begründenden Teil wird - wie dargelegt - eben ausgeführt, die Beklagte sei verpflichtet, vom Kläger einen Betrag von 5.161,55 DM, von seiner Ehefrau einen Betrag von 4.704,88 DM und von seiner Tochter von 3.129,63 DM "zurückzufordern". Damit wird ersichtlich zum Ausdruck gebracht, daß die Beklagte vom Kläger nicht den in Nr. 2 des verfügenden Teils des Widerspruchsbescheides genannten "Gesamtbetrag" von 12.996,05 DM, sondern lediglich einen Betrag von 5.161,55 DM zum Gegenstand ihres Rückforderungsbegehrens macht. Da mithin ausweislich der zitierten Begründung des Widerspruchsbescheides vom Kläger persönlich lediglich ein Betrag von 5.161,55 DM zurückgefordert werden sollte, andererseits jedoch im verfügenden Teil des Widerspruchsbescheides in der Entscheidungsformel Nr. 2 als zurückzufordernder Gesamtbetrag ausdrücklich die Summe von 12.996,05 DM genannt wird, bleibt nach dem objektiven Erklärungsinhalt letztlich unklar, welche Regelung gegenüber dem Adressaten des Ausgangsbescheides in der Gestalt des Widerspruchsbescheides, nämlich dem Kläger, durch die Beklagte getroffen worden ist.
65Mithin ist davon auszugehen, daß der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides nicht hinreichend bestimmt und deshalb rechtswidrig ist.
66Die fehlende Bestimmtheit des Bescheides kann nicht nach § 41 SGB X geheilt werden. Dies ergibt sich schon daraus, daß es sich bei der fehlenden Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes nicht um eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften handelt, vgl. dazu u.a. Schroeder-Printzen, aaO., § 33 Anm. 3.
67Damit kommt auch eine Heilung nach § 42 SGB X nicht in Betracht.
68Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO.
69Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 ABs. 1 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
70Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
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