Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 5 A 4628/96
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist ägyptischer Staatsangehöriger. Er reiste im April 1987 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sein Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter blieb sowohl im Asylverfahren (Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 16. Januar 1992 - 16 K 10891/88 -) als auch in dem von ihm seit Juli 1993 betriebenen Asylfolgeverfahren (Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 28. April 1998 - 11 K 810/95.A - und Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29. Juli 1998 - 23 A 2545/98.A -) ohne Erfolg.
3Mit anwaltlichem Schreiben vom 21. März 1995 wandte sich der Kläger an den Petitionsausschuß des Landtags Nordrhein- Westfalen mit dem Anliegen, sich beim Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen dafür einzusetzen, daß die gegen ihn gerichtete Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung des Oberstadtdirektors der Stadt vom 14. April 1988 nicht vollzogen werde. Zur Begründung führte er an, als Anhänger einer islamistischen Bewegung vom ägyptischen Staat politisch verfolgt und u.a. zu sieben Jahren Strafhaft verurteilt worden zu sein. Dies hätten sowohl das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge als auch das Verwaltungsgericht Düsseldorf und das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in den von ihm betriebenen Asyl- und Asylfolgeverfahren in rechtswidriger Weise verkannt.
4Der Petitionsausschuß faßte am 8. September 1995 folgenden Beschluß, der dem Kläger mit Schreiben des Präsidenten des Landtags Nordrhein-Westfalen vom 19. September 1995 zur Kenntnis gegeben wurde:
5"Aufgrund der rechtskräftigen Entscheidungen im Asylverfahren ist es ausgeschlossen, den Oberstadtdirektor in anzuweisen, die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung gegen den Mandanten des Petenten nicht zu vollziehen. Gründe für eine asylverfahrensunabhängige Aufenthaltserlaubnis oder Duldung werden nicht vorgetragen.
6Soweit sich der Petent gegen die Entscheidung im Asylverfahren seines Mandanten wendet, wird eine Fotokopie der Petition dem Deutschen Bundestag überwiesen."
7Mit Schreiben vom 23. September 1995 machte der Kläger geltend, das Land Nordrhein-Westfalen sei für die Rechtmäßigkeit des Gesetzesvollzuges verantwortlich, zumal von ihm vorgelegte Beweismittel mißachtet worden seien. Unter dem 26. Oktober 1995 teilte der Präsident des Landtages dem Kläger mit, daß der Petitionsausschuß am 10. Oktober 1995 folgenden Beschluß gefaßt habe:
8"Der Petitionsausschuß ist nicht befugt, Entscheidungen von Bundesbehörden oder Gerichten zu prüfen. Es verbleibt deshalb beim Beschluß vom 8. September 1995."
9Nachdem der Kläger in einem weiteren Schreiben vom 31. Oktober 1995 Kritik an der Entscheidung des Petitionsausschusses geübt hatte, faßte dieser am 16. November 1995 folgenden Beschluß, der dem Kläger mit Schreiben vom 23. November 1995 zur Kenntnis gegeben wurde:
10"Die weitere Petition enthält kein neues Vorbringen. Es muß daher bei den Beschlüssen des Petitionsausschusses vom 8. September und 10. Oktober 1995 verbleiben.
11Weitere Eingaben in dieser Angelegenheit sind zwecklos und werden nicht mehr beantwortet."
12Mit seiner am 14. November 1995 erhobenen Klage hat der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines früheren Vorbringens ausgeführt, die Verfassung des Landes Nordrhein- Westfalen kenne keinen Ausschluß des Petitionsrechtes, soweit Entscheidungen von Bundesbehörden oder Gerichten zur Überprüfung gestellt würden.
13Der Kläger hat beantragt,
14den Beklagten zu verurteilen, sich im Petitionsausschuß mit seiner Petition vom 21. März 1995 sachlich zu befassen.
15Der Beklagte hat beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Er hat zur Begründung ausgeführt, daß der Petitionsausschuß des Landtags nicht befugt sei, Entscheidungen von Bundesbehörden und Gerichten zu überprüfen. Die Überprüfung einer Entscheidung einer Bundesbehörde - wie hier des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - sei Angelegenheit des Deutschen Bundestages. Der Petitionsausschuß habe die Petition deshalb insoweit zuständigkeitshalber an den Petitionsausschuß des Deutschen Bundestages überwiesen. Artikel 97 GG verbiete es, gerichtliche Entscheidungen zu überprüfen. Aus dem Petitionsvorbringen hätten sich zudem keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts tatsächliche oder rechtliche Abschiebungshindernisse bzw. Gründe für eine asylverfahrensunabhängige Aufenthaltserlaubnis oder Duldung entstanden sein könnten.
18Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch den angefochtenen Gerichtsbescheid vom 18. Juli 1996 abgewiesen; auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen.
19Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung macht er geltend, die Vorinstanz verkürze zu Unrecht selbstverständliche Rechte des Landtags. Der Innenminister sei dem Landtag für die Rechtmäßigkeit der öffentlichen Verwaltung in seinem Geschäftsbereich verantwortlich. Von dieser Verpflichtung werde er nicht durch Entscheidungen von Bundesbehörden oder Gerichten enthoben. Sein Anliegen ziele auch nicht auf die Aufhebung gerichtlicher Entscheidungen, sondern allein darauf, daß von seiner Abschiebung nach Ägypten abgesehen werde.
20Der Kläger beantragt,
21den angefochtenen Gerichtsbescheid zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, sich im Petitionsausschuß mit seiner Petition vom 21. März 1995 sachlich zu befassen.
22Der Beklagte beantragt,
23die Berufung zurückzuweisen.
24Er verteidigt den angefochtenen Gerichtsbescheid.
25Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte einschließlich der beigezogenen Verfahrensakten 11 K 810/95.A und 11 L 952/95.A VG Düsseldorf (Beiakten Hefte 2 und 3) sowie des vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgangs (Beiakte Heft 1) Bezug genommen.
26Entscheidungsgründe:
27Die Berufung hat ungeachtet der Frage, ob Klage und Berufung mangels Angabe der aktuellen "ladungsfähigen" Anschrift des Klägers unzulässig sind,
28vgl. VGH Kassel, Beschluß vom 21. Dezember 1988 - 4 TG 2070/88 -, NJW 1990, S. 138; OVG NW, Beschluß vom 6. März 1996 - 19 E 944/95 -, NWVBl. 1996, S. 397 m.w.N.; a.A. VGH Mannheim, Urteil vom 22. April 1996 - 1 S 662/95 -, NVwZ 1997, S. 1233,
29keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Beklagte die Petition des Klägers vom 21. März 1995 in rechtlich nicht zu beanstandender Weise (erschöpfend) behandelt hat; ein weitergehender Anspruch des Klägers auf (erneute) sachliche Befassung besteht nicht.
30Art. 17 GG i.V.m. Art. 4 Abs. 1 LVerf NW verleiht jedermann das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden. Dieses Grundrecht hat formellen Charakter, da es keinen Anspruch auf Erfüllung des Petitionsanliegens gewährt.
31Vgl. OVG Berlin, Urteil vom 26. August 1975 - V B 22.73 -, DVBl. 1976, S. 261 m.w.N.
32Vielmehr entscheidet die angerufene Volksvertretung, die in der Regel keine eigene Abhilfekompetenz hat, autonom darüber, ob und gegebenenfalls in welcher Weise sie zugunsten des Petenten politischen Einfluß ausüben, Lösungen anregen sowie Regierungen und Verwaltungen um Abhilfe ersuchen will. Der aus Art. 17 GG folgenden umfassenden Behandlungskompetenz entspricht ein Behandlungsgebot, das die Verpflichtung zur Kenntnisnahme, sachlichen Prüfung und Bescheidung der eingereichten Bitten und Beschwerden umfaßt.
33BVerfG, Beschluß vom 22. April 1953 - 1 BvR 162/51 -, BVerfGE 2, 225 (230); BVerfG, Urteil vom 11. Juli 1961 - 2 BvR 2/58, 2 BvE 1/59 -, BVerfGE 13, 54 (90); BVerfG, Beschluß vom 15. Mai 1992 - 1 BvR 1553/90 -, NJW 1992, S. 3033.
34Diesen Anforderungen hat der Beklagte vorliegend Rechnung getragen. Er hat die Petition des Klägers zur Kenntnis genommen und in dem gebotenen Umfang sachlich geprüft und beschieden. Soweit das Anliegen des Klägers darauf gerichtet war, daß der Oberstadtdirektor der Stadt als zuständige Ausländerbehörde veranlaßt wird, die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung vom 14. April 1988 nicht zu vollziehen, hat der Petitionsausschuß dazu in seinem Beschluß vom 8. September 1995 Stellung bezogen. Er hat zutreffend festgestellt, daß der Kläger keine Gründe für eine asylverfahrensunabhängige Aufenthaltserlaubnis oder Duldung und damit nichts vorgetragen hat, was dem Petitionsausschuß des Landtags in seiner Kompetenz Anlaß zu einer weitergehenden sachlichen Prüfung hätte geben können. Soweit es dem Kläger darum ging, ungeachtet der bestands- bzw. rechtskräftigen Entscheidungen des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und der Verwaltungsgerichte nicht nach Ägypten abgeschoben zu werden, durfte sich der Petitionsausschuß in seinem Beschluß vom 10. Oktober 1995 auf den Hinweis beschränken, daß er nicht befugt ist, Entscheidungen von Bundesbehörden oder Gerichten zu überprüfen. Es liegt nicht in der Kompetenz des Petitionsausschusses des Landtags, sondern allein in der des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages, sich im Rahmen des Zulässigen mit einer Entscheidung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - einer Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Inneren - zu befassen. Sachlich "zuständig" i.S.d. Art. 17 GG ist die Stelle, die befugt ist, über die Petition zu entscheiden. Art. 17 GG begründet keine Zuständigkeiten; vielmehr folgt die Befugnis zur Entscheidung aus dem sonstigen Organisationsrecht einschließlich der Kompetenzverteilung, die durch den bundesstaatlichen Gesamtaufbau vorgegeben ist.
35Vgl. Dürig in Maunz/Dürig/Herzog/ Scholz, GG, Art. 17 Rdnr. 63.
36Gleichermaßen ist es dem Petitionsausschuß mit Blick auf die Unabhängigkeit der Dritten Gewalt verwehrt, gerichtliche Entscheidungen zu überprüfen, zu ändern oder aufzuheben.
37Vgl. OVG NW, Urteil vom 22. März 1994 - 5 A 4242/92 -; Graf Vitzhum/März, Der Petitionsausschuß, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Schneider/Zeh, 1989, § 45, Rdnr. 17.
38Weitergehende Ansprüche stehen dem Kläger nicht zu. Wie bereits die Vorinstanz zutreffend dargelegt hat, gewährt Art. 17 GG über die dargestellten Rechte hinaus keinen Anspruch auf Erledigung im Sinne des Petenten.
39Vgl. BVerfG, Beschluß vom 22. April 1953 - 1 BvR 162/51 -, a.a.O.; BVerwG, Beschluß vom 1. September 1976 - VII B 105.75 -, NJW 1977, S. 118.
40Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Entscheidung über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
41Die Revision ist nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 132 Abs. 2 VwGO).
42
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.