Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 16 A 5223/96
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Berufungsverfahrens.
Dieser Beschluß ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
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G r ü n d e :
2Der Senat entscheidet über die Berufung der Klägerin gemäß § 130a VwGO nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluß, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die von der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 24. August 1998 beantragte mündliche Verhandlung ist entbehrlich, weil der zwischen den Beteiligten allein bestehende Streit, ob der Beklagte einen nicht überleitungsfähigen Anspruch übergeleitet hat, lediglich die Erörterung von Rechtsfragen notwendig macht, die schriftsätzlich erfolgen kann und durch die anwaltlich vertretene Klägerin auch erfolgt ist, ohne daß es einer zusätzlichen mündlichen Verhandlung bedarf. Dies hat die Klägerin letztlich auch so gesehen, denn sie hat auf Anfrage des Verwaltungsgerichts im erstinstanzlichen Verfahren auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
3Die Berufung der Klägerin mit dem sinngemäßen Antrag, das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 31. Januar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe vom 16. Mai 1995 aufzuheben,
4hat keinen Erfolg, denn der Bescheid des Beklagten vom 31. Januar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe vom 16. Mai 1995 ist rechtmäßig und beeinträchtigt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
5Hat ein Hilfeempfänger für die Zeit, für die Hilfe gewährt wird, einen Anspruch gegen einen anderen, der kein Leistungsträger im Sinne von § 12 SGB I ist, kann der Träger der Sozialhilfe gemäß § 90 Abs. 1 Satz 1 BSHG durch schriftliche Anzeige an den anderen bewirken, daß dieser Anspruch bis zur Höhe seiner Aufwendungen auf ihn übergeht. Ob dieser Anspruch tatsächlich besteht und - wenn ja - welchen Umfang er hat, ist für die Rechtmäßigkeit der Überleitungsanzeige unerheblich.
6Ständige Rechtsprechung des BVerwG seit dem Urteil vom 20. November 1969 - V C 54.69 -, BVerwGE 34, 219, 220 ff. = FEVS 17, 203; vgl. auch die Urteile vom 27. Mai 1993 - 5 C 7.91 -, BVerwGE 92, 281 = FEVS 44, 229, und - 5 C 50.92 -, NDV 1994, 39 = ZfF 1994, 273; ständige Rechtsprechung des OVG NW; vgl. statt aller das Urteil vom 12. Dezember 1985 - 8 A 286/84 -, FEVS 37, 158, 159, und das Urteil vom 15. Oktober 1991 - 8 A 1271/89 -, FEVS 42, 148, 150.
7Nur wenn feststeht, also offensichtlich ist, daß der übergeleitete Anspruch nicht besteht, könnte eine dennoch erlassene, erkennbar sinnlose Überleitungsanzeige rechtswidrig sein.
8BVerwG, Urteil vom 12. Juli 1979 - 5 C 35.78 -, BVerwGE 58, 209 = FEVS 27, 441, 449; Urteil vom 4. Juni 1992 - 5 C 57.88 -, FEVS 43, 99, 101 = NJW 1992, 3313, sowie Urteil vom 27. Mai 1993 - 5 C 7.91 -, aaO; OVG NW, Urteile vom 12. Dezember 1985 - 8 A 286/84 -, aaO, und vom 15. Oktober 1991 - 8 A 1271/89 -, aaO.
9Hieran anknüpfend teilt der Senat die Ansicht des Beklagten und der Vorinstanz, daß nicht feststeht, also nicht offensichtlich ist, daß der übergeleitete Anspruch nicht besteht.
10Da der Beklagte nicht das als persönliche Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragene Wohnrecht des Hilfeempfängers, nämlich des verstorbenen Vaters der Klägerin, übergeleitet hat, kommt es entgegen der seit der Widerspruchsbegründung ständig wiederholten Meinung der Klägerin nicht darauf an, ob ein dinglich gesichertes Wohnrecht im Sinne des § 1093 BGB, das der Hilfeempfänger nicht (mehr) ausübt bzw. ausüben kann, übergeleitet werden kann oder nicht.
11Bejahend: OVG NW, Urteil vom 26. August 1994 - 8 A 2312/94 -, und Baur, Überleitung und Bewertung von Wohnungsrechten nach § 90 BSHG, ZfS 1982, 229; verneinend: OLG Braunschweig, Beschluß vom 11. September 1995 - 2 W 118/95 -, Nds. Rpfl. 1996, 93, für den Fall, daß das Wohnrecht nicht Teil eines Altenteils ist; so im Ergebnis auch OLG Oldenburg, Urteil vom 3. Mai 1994 - 12 U 16/94 - = NJW-RR 1994, 1041.
12Vielmehr hat der Beklagte einen auf § 528 iVm §§ 812 ff. BGB gestützten Schenkungsrückforderungsanspruch übergeleitet, der unstreitig überleitungsfähig ist, und diese Überleitung damit begründet, daß der Hilfeempfänger, der verstorbene Vater der Klägerin, zugestimmt hat, die das Wohnrecht sichernde persönliche Dienstbarkeit im Grundbuch löschen zu lassen, und durch diese Zustimmung darauf verzichtet haben könnte, sein Wohnrecht auszuüben oder anstelle des Wohnrechts tretende Geldleistungen zu beanspruchen.
13Es steht nicht fest, daß dieser so begründete Schenkungsrückforderungsanspruch nicht besteht, so daß die Überleitungsanzeige des Beklagten nicht erkennbar sinnlos ist. Zum einen erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen, eine Schenkung darin zu sehen, daß der verstorbene Vater der Klägerin durch seine Zustimmung zur Löschung des dinglich gesicherten Wohnrechts dazu beigetragen hat, den Wert des im Eigentum der Klägerin stehenden Grundstückes zu steigern. Darauf hat der Beklagte zu Recht hingewiesen. Zum anderen erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, daß das Wohnrecht Teil einer Altenteilsvereinbarung zwischen dem Hilfeempfänger und der Klägerin sowie deren Ehemann war. In diesem Fall könnte eine Schenkung darin gesehen werden, daß der verstorbene Vater der Klägerin durch seine Zustimmung zur Löschung des dinglich gesicherten Wohnrechts ohne Gegenleistung darauf verzichtet hat, die Geldrente zu beanspruchen, die gemäß Art. 96 EGBGB iVm Art. 22, 23 des lippischen AGBGB in der Fassung vom 12. August 1933, LippG S. 159, an die Stelle des Wohnrechts tritt, vgl. Staudinger-Kriegbaum, BGB, 12. Aufl. 1985, Art. 96 Rdnrn. 5 und 7, sowie Palandt-Bassenge, Bürgerliches Gesetzbuch, 57. Aufl. 1998, Art. 96 EGBGB Rdnr. 5,
14wenn der Berechtigte ohne eigenes Verschulden sein Wohnrecht nicht mehr ausüben kann.
15Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 1993 - 5 C 7.91 -, aaO, und OVG NW, Urteil vom 12. Dezember 1985 - 8 A 286/84 -, aaO.
16Das von der Klägerin angeführte Urteil des OLG Braunschweig vom 11. September 1995 - 2 W 118/95 -, aaO., hat es sogar für statthaft gehalten, ein Wohnrecht überzuleiten, das Teil eines Altenteilsrechts ist. Es steht mithin nicht fest, daß der hier übergeleitete Anspruch auf Rückgewähr einer Schenkung im Zusammenhang mit der Löschung eines dinglich gesicherten Wohnrechts offensichtlich nicht gegeben ist. Vielmehr müssen die zwischen den Beteiligten streitigen Fragen, die die Auslegung von Vorschriften des BGB und des EGBGB betreffen, der Klärung in einem etwaigen zivilgerichtlichen Verfahren vorbehalten bleiben.
17Soweit die Klägerin auch im Berufungsverfahren beantragt hat, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig zu erklären, ist dieses Anliegen gegenstandslos, weil das Verwaltungsgericht diesem Antrag schon in dem angefochtenen Urteil stattgegeben hat.
18Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO, ihre vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 2 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
19Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.
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Referenzen
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