Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 7A D 70/93.NE
Tenor
Der Bebauungsplan Nr. 5843/02 der Stadt K. ist nichtig.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der den (früheren) Antragstellern zu 1., 2. und 4. mit Urteil vom 23. Januar 1997 auferlegten Verfahrenskosten, die diese selbst tragen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Antragsteller zu 3. ist Testamentsvollstrecker über den Nachlaß des im Laufe des Verfahrens verstorbenen Herrn E. K. , der Eigentümer des Hausgrundstücks M. Straße 25 war. Das Grundstück liegt in J. , einem Stadtteil K. , der im Westen von der Bundesautobahn A 1, im Südwesten von der Bundesautobahn A 4 begrenzt wird. Im Südwesten von J. treffen die beiden Autobahnen A 1 und A 4 im Autobahnkreuz K. -West aufeinander; die A 1 läuft in südliche Richtung weiter, die A 4 von Westen nach Südosten. Im sich vom Autobahnkreuz K. -West nach Südosten öffnenden Dreieck, also aus Richtung J. gesehen auf der südlichen Seite der Bundesautobahn A 4, liegt K. -M. ; der dortige Bereich ist durch den im vorliegenden Verfahren angegriffenen Bebauungsplan Nr. 5843/02 überplant.
3Etwa 600 m südlich des Autobahnkreuzes K. -West verläuft die D. Straße aus der Innenstadt K. kommend Richtung F. . Die D. Straße, eine der Hauptausfallstraßen K. , kreuzt gut 1,5 km östlich der Bundesautobahn A 1 den M. ring, eine der Hauptringstraßen um den linksrheinischen Stadtinnenbereich K. , unterquert die Bundesautobahn A 4, die hier in Dammlage errichtet ist, und führt sodann über die Bundesautobahn A 1 hinaus; an die A 1 ist die D. Straße über den Autobahnanschluß K. /F. angebunden. In etwa parallel und 140 m südlich der D. Straße verläuft der F. Bach, noch weiter südlich sodann eine Bahntrasse, die namentlich von den K. Verkehrsbetrieben genutzt wird. Die Bahntrasse kreuzt in ihrem östlichen Verlauf den M. ring sowie östlich des M. ring auch die D. Straße. Ungefähr 200 m östlich der Bundesautobahn A 1 zweigt die H. Straße von der D. Straße (B 264) nach Süden in Richtung H. ab. Die H. Straße kreuzt die etwa parallel zur D. Straße verlaufende B. Straße, die über den M. ring hinaus ebenfalls in Richtung K. Innenstadt führt.
4Unmittelbar östlich der Bundesautobahn A 4 zweigt die M. Straße von der D. Straße in nördlicher Richtung ab. Ungefähr 850 m nördlich und ca. 500 m Luftlinie von der Bundesautobahn A 4 entfernt, führt der S. weg zum K. weg bzw. K. Weg; diese innerhalb J. gelegenen Straßen haben Verbindung zum M. ring bzw. zur Aachener S. , einer weiteren Ausfallstraße K. , die über den Autobahnanschluß K. - L. an die Bundesautobahn A 1 angebunden ist. Das Grundstück M. S. 25 liegt zwischen der D. S. und den vorgenannten Straßen J. an der M. S. .
5Der zwischen Bundesautobahn A 1 und Bundesautobahn A 4 südlich des Autobahnkreuzes K. -West gelegene Bereich ist bis in eine Tiefe von etwa 150 m südlich der D. S. Gegenstand des Bebauungsplans Nr. 5843/02 der Antragsgegnerin. In südlicher Richtung schließt an diesen Bebauungsplan im Bereich zwischen Bundesautobahn A 1 und H. S. der vom Senat mit Urteil vom 23. Januar 1997 im Verfahren 7a D 110/94.NE für nichtig erklärte Bebauungsplan Nr. 6042/05 an.
6Der Bebauungsplan Nr. 5843/02 setzt im wesentlichen nördlich und südlich der D. S. in ihrem zwischen den beiden Autobahnen gelegenen Teilabschnitt zum einen sieben Sondergebietsflächen fest, die großflächigen (Einzel-)Handelsbetrieben unter Berücksichtigung dort bereits vorhandener derartiger Handelsbetriebe dienen sollen. Im übrigen ist im Bebauungsplangebiet nach Maßgabe näherer Einschränkungen ein in Anlehnung an die Abstandsliste 1990 (Anhang 1 zum Abstandserlaß des Ministers für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft vom 21. März 1990, Mbl. NW 1990, 504) gegliedertes Gewerbegebiet geplant. Der Bebauungsplan bestimmt ferner, daß in den Gewerbegebieten Vergnügungsstätten nicht zulässig sind, ebensowenig Anlagen für sportliche Zwecke mit Ausnahme eines Bereichs, in dem eine Reithalle bei Aufstellung des Bebauungsplans bereits vorhanden war. Einzelhandelsbetriebe sowie Verkaufsstellen von Gewerbebetrieben, die sich ganz oder teilweise an Endverbraucher richten, sind nicht zulässig. Verkaufsstellen, die in unmittelbarem betrieblichen Zusammenhang mit Handwerks- und produzierenden Betrieben stehen und baulich untergeordnet sind, können ausnahmsweise zugelassen werden. Südlich der D. S. sind im westlichen Planbereich eine Fläche für die Landwirtschaft sowie daran südlich und südwestlich anschließend ein Park-and-ride-Platz vorgesehen.
7Der Bebauungsplan sieht die D. S. als Verkehrsfläche in einer Breite vor, die ausweislich der Bebauungsplanbegründung ihren Ausbau durchgehend mit vier Fahrspuren bis zur Einmündung der M. S. sowie den Ausbau des Knotenpunkts mit der M. S. ermöglicht. Der Bereich der vier Fahrspuren soll auf die Strecke zwischen den Bundesautobahnen A 1 und A 4 beschränkt sein. Am Knotenpunkt M. S. sollen die vier Spuren auf zwei Spuren reduziert werden. Die Ausbauplanung der Antragsgegnerin sieht aus Richtung J. die Errichtung sowohl einer Links- als einer Rechtsabbiegespur vor; von der D. S. , sowohl aus Richtung Innenstadt wie aus Richtung F. , ist neben einer Fahrspur in beiden Richtungen je eine Abbiegespur in die M. S. projektiert.
8Das Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 5843/02 nahm im wesentlichen folgenden Verlauf: Nachdem das Bebauungsplangebiet bereits in der Vergangenheit Gegenstand planerischer Bemühungen der Antragsgegnerin gewesen war, beschloß der Rat der Antragsgegnerin am 31. Januar 1991, den Bebauungsplan aufzustellen. Nach Anhörung der Träger öffentlicher Belange beschloß er am 16. Juli 1991, den Bebauungsplanentwurf offenzulegen. Der offengelegte Bebauungsplanentwurf stellte auch den Park-and-ride-Platz so dar, wie er später festgesetzt wurde. Während der Offenlage in der Zeit vom 6. August 1991 bis 5. September 1991 ging eine Vielzahl von Bedenken und Anregungen insbesondere von Bürgern aus K. -J. ein, die sich in erster Linie zu verkehrlichen Auswirkungen der Bebauungsplanung äußerten. Nach Erarbeitung einer Umweltverträglichkeitsprüfung sowie Einholung von Emissionsgutachten der Firma E. befaßte sich der Rat der Antragsgegnerin am 30. Januar 1992 mit den eingegangenen Bedenken und Anregungen, änderte den Bebauungsplanentwurf hinsichtlich einzelner Hinweise zum Bebauungsplan sowie der textlichen Festsetzungen zu Ziffern 1 (Einteilung der Gewerbegebiete der Zonen 1 und 2), 5 (Ausnahme hinsichtlich Verkaufsflächen für Handwerks- und produzierende Betriebe) sowie 9 (Gesamtschalldämmaß der Umfassungsbauteile) und beschloß sodann die Offenlage des Bebauungsplans mit der Maßgabe, daß Bedenken und Anregungen nur hinsichtlich der geänderten oder ergänzenden Teile des Bebauungsplanentwurfs vorgebracht werden könnten. Die Offenlage fand in der Zeit vom 4. März 1992 bis 3. April 1992 statt. Am 9. Juli 1992 beschloß der Rat der Antragsgegnerin nach vorheriger Einholung der Zustimmung der betroffenen Grundstückseigentümer, die Fläche zum Anpflanzen von Bäumen und Sträuchern östlich der Fläche für die Landwirtschaft von 5 m auf 3 m Breite zu reduzieren. Sodann beschloß er den Bebauungsplan Nr. 5843/02 einschließlich gestalterischer Festsetzungen nach § 10 BauGB i.V.m. § 4 GO NW als Satzung mit der als Anlage beigefügten Begründung. Nachdem die Antragsgegnerin den Bebauungsplan dem Regierungspräsidenten K. angezeigt und dieser die Verletzung von Rechsvorschriften nicht geltend gemacht hatte, wurde die Durchführung des Anzeigeverfahrens am 1. Februar 1993 bekanntgemacht.
9Herr K. hat zusammen mit drei weiteren Antragstellern am 18. Juni 1993 den Normenkontrollantrag gestellt. Er hat vorgetragen: Er sei antragsbefugt. Er müsse angesichts der schlechten Sichtverhältnisse im Kreuzungsbereich S. weg/M. S. einen Umweg in Kauf nehmen, wenn er seinen Sohn zum 100 m entfernten Kindergarten bringen wolle. An der Einmündung S. weg/M. S. komme es laufend zu Unfällen. In den Stoßzeiten sei der Verkehr so stark, daß die M. S. nicht überquert werden könne. Er habe sein Schlafzimmer mit Schallschutzfenstern ausgestattet, um bei geschlossenen Fenstern ungestörten Schlaf finden zu können. J. leide seit Jahren an wachsendem regionalen und überörtlichen Durchgangsverkehr, für den das örtliche Straßennetz nicht bestimmt sei. Es habe sich ein stetig wachsender Schleichverkehr aufgrund auch der fehlerhaften Verkehrsplanung der Antragsgegnerin, die in die 70er-Jahre zurückreiche, entwickelt; die Verkehrszunahme habe die Antragsgegnerin eingeräumt. Der Bebauungsplan lasse einen Verkehrszuwachs erwarten, der den durch J. fließenden Verkehr künftig noch stärker belasten werde.
10Der Bebauungsplan sei verfahrensfehlerhaft zustandegekommen und deshalb nichtig. Die Bürgeranhörung sei nicht auf die wesentliche Ergänzung des Bebauungsplans, die im "Hineinbessern" des Park-and-ride-Platzes liege, erstreckt worden. Die Antragsgegnerin habe den größten Teil der Anregungen und Bedenken stillschweigend übergangen. In der Beschlußvorlage der Verwaltung zu den während der Offenlage des Bebauungsplanentwurfs eingegangenen Bedenken und Anregungen seien auch individuelle Einwendungen übergangen worden, so die Einwendungen der Bürger Fritsche und Stahr.
11Der Bebauungsplan sei auch aus materiellen Gründen nichtig. Die Straßenplanung zwischen H. S. und M. S. entbehre einer Rechtsgrundlage, da der Landschaftsverband R. für diesen Straßenteil Straßenbaulastträger sei. Der Bebauungsplan widerspreche dem Gebietsveränderungsvertrag zwischen der Antragsgegnerin und der Gemeinde L. aus dem Jahre 1974, der die Antragsgegnerin verpflichte, den Charakter des Eingliederungsgebiets als Wohngemeinde zu erhalten.
12Eine geordnete städtebauliche Entwicklung werde durch die Bebauungsplanung nicht gewährleistet. Der Verkehr zu den großflächigen Einzelhandelsbetrieben - die zum Teil mit dem Straßennetz des Ortsteils J. werben würden - sei verkannt worden. Die im Verkehrskonzept vorgesehenen baulichen Maßnahmen würden dem Druck des Durchgangsverkehrs nicht entgegenstehen. Ob andere Planungen wie die der Nordumgehung L. verwirklicht werden könnten, sei nicht absehbar.
13Die Planung sei abwägungsfehlerhaft. Die Antragsgegnerin gehe von falschen Voraussetzungen aus. Eine rasche Verbindung über die D. S. ins Ortszentrum K. sei nicht gegeben. Die D. S. sei schon heute ebenso vollkommen überlastet wie die Autobahnen, die aus diesem Grunde zur Erschließung nicht geeignet seien. Der Verkehrsfluß werde durch die neuen Abbiegespuren zum Gewerbegebiet zusätzlich gestört. Die Antragsgegnerin habe verkannt, daß die Bedarfsumleitung zur Autobahn A 1 durch J. führe. Auch 18 Jahre nach der Eingemeindung L. sehe sich die Antragsgegnerin nicht in der Lage, diese Bedarfsumleitung zum M. ring zu verlegen. Das Verkehrsaufkommen auf der D. S. könne mangels aktueller Zählung durch die Antragsgegnerin nur geschätzt werden. Es müsse zwischen 17.797 Kraftfahrzeugen pro Tag westlich des M. ring und 28.731 Kraftfahrzeugen pro Tag hinter der Anschlußstelle F. liegen. Eine Pegelerhöhung um maximal 3 dB(A) und damit eine Verdoppelung des vorhandenen Verkehrsaufkommens sei vom Lärmgutachter angenommen worden; einen solchen Mehrverkehr könne die D. S. nicht aufnehmen. Der Verkehr werde daher seinen Weg durch J. suchen. Der Ausbau der Einmündung der M. S. in die D. S. werde der Aufnahme des zusätzlichen ortsfremden Verkehrs dienen. Eine Pförtnerampel an der Einmündung D. S. /M. S. würde das Problem auch nicht lösen, weil eine solche Ampel jederzeit umgestellt werden könne und im übrigen nur dazu führen werde, daß der örtliche und überörtliche Verkehr um so länger innerhalb der Ortschaft stünde. Die von der Antragsgegnerin angenommene Ist-Belastung der D. S. liege zu hoch, wie ein Vergleich mit den Verkehrszählungen aus 1980, 1985 und 1990 zeige. Die Antragsgegnerin wolle das tatsächliche Verkehrsaufkommen und damit auch verschleiern, mit welchem zusätzlichen Verkehrsaufkommen die Wohnbevölkerung J. künftig belastet werden solle. Die Stadtbahnlinie 2 werde wesentlich öfter als bislang verkehren, um den geplanten Park-and-ride- Platz zu erschließen. In der Folge würde die Kreuzung D. S. /M. ring mit den entsprechenden Auswirkungen auf das Wohngebiet J. öfter blockiert. Die Planung werde dem im Flächennutzungsplan niedergelegten Ziel der Verkehrsplanung der Antragsgegnerin nicht gerecht, das Straßennetz innerhalb des Autobahnrings vom Durchgangsverkehr freizuhalten. Das Verkehrsgutachten des Ingenieurbüros Sigg sei ohne Relevanz, da es nicht Gegenstand des Bebauungsplanverfahrens geworden sei. Es genüge nicht, ein Gutachten zur Frage, wie der "Schleichverkehr" durch J. unterbunden werden könne, in den Händen zu haben. Die Begründung schöner Absichten sei nicht ausreichend. Daß die Antragsgegnerin die Verkehrsplanung nicht in den Griff bekomme, verdeutlichten die Erwägungen zum Mitte 1994 eingeleiteten Bebauungsplanverfahren, das Teile der Bebauungspläne M. /Nord und Gewerbepark H. erfasse. Die Abwägung leide schon deshalb an einem Abwägungsausfall, weil sich die Antragsgegnerin aus finanziellen Schwierigkeiten veranlaßt gesehen habe, die in ihrem Eigentum stehenden Flächen so bald als möglich Handel und Gewerbe zur Verfügung zu stellen.
14Die Antragsteller haben beantragt,
15den Bebauungsplan Nr. 5843/02 der Antragsgegnerin für nichtig zu erklären.
16Die Antragsgegnerin hat beantragt,
17den Antrag abzulehnen.
18Mit Urteil vom 23. Januar 1997 hat der Senat den Normenkontrollantrag als unzulässig abgelehnt, da die Antragsteller nicht antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in der am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Fassung seien; die Revision hat der Senat zugelassen. Auf die noch von Herrn K. eingelegte Revision hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil des Senats aufgehoben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Es hat dargelegt, daß die Antragsbefugnis auf Grundlage des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO a.F. zu beurteilen ist.
19Der Antragsteller vertieft seine Darlegungen zur Antragsbefugnis und zur Frage der verkehrlichen Auswirkungen der Bebauungsplanung, die von der Antragsgegnerin nicht, nicht hinreichend bzw. auf falscher Tatsachengrundlage betrachtet worden seien.
20Der Antragsteller beantragt,
21den Bebauungsplan Nr. 5843/02 der Antragsgegnerin für nichtig zu erklären.
22Die Antragsgegnerin beantragt,
23den Antrag abzulehnen.
24Sie führt zur Antragserwiderung aus: Der Antragsteller sei auch nach Maßgabe des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO a.F. nicht antragsbefugt, da für ihn ein Nachteil durch den vierspurigen Ausbau der D. S. nicht ersichtlich sei. In Höhe der M. S. sei der Ausbau ohnehin nur noch zweispurig beabsichtigt. Mit einer planbedingten Zunahme des Verkehrs sei in der M. S. nicht zu rechnen. Der Ausbau der D. S. diene ihrer Leistungsfähigkeit und damit tendenziell der Entspannung der während der Verkehrsspitzen angespannten Verkehrssituation und werde zur kleinräumigen Umorientierung in Richtung Autobahnnetz beitragen. Die gleiche Tendenz verfolge der Ausbau des Knotens D. S. /M. S. . Anders als bisher werde es eine ungehinderte Ein- und Ausbiegemöglichkeit in die bzw. aus der M. S. infolge der beabsichtigten Signalisierung aus Gründen der Verkehrsberuhigung ebensowenig geben wie eine freilaufende Rechtsabbiegemöglichkeit. Die vorgesehenen Abbiegespuren sollten nicht der Beschleunigung der Abbiegevorgänge, sondern der möglichst ungehinderten Führung des Geradeausverkehrs dienen. Es bedeute keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Konfliktbewältigung, wenn ein Bebauungsplan die Durchführung zur Konfliktbewältigung geeigneter Maßnahmen hier straßenbaulicher und verkehrslenkender Art künftigem Verwaltungshandeln überlasse. Die Öffnung des Stadtteils J. für den überörtlichen Verkehr sei weder Ziel noch Ergebnis der städtischen Planung, vielmehr seien J. betreffende Verkehrsberuhigungsmaßnahmen zum Teil umgesetzt, zum Teil geplant. Eine nachteilige Veränderung des innerörtlichen Verkehrsnetzes der Stadtteile J. und Weiden/Süd sei nicht vorgesehen. Die vom Antragsteller behauptete Erhöhung der Lärmbelastung an der Jungbluthgasse habe ohnehin keinen Zusammenhang mit dem Bebauungsplan.
25Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Akten zur Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 5843/02 und die von den Prozeßbevollmächtigten des Antragstellers überreichten Unterlagen Bezug genommen.
26Entscheidungsgründe:
27Der Antrag ist zulässig.
28Der Antragsteller ist antragsbefugt. Die Antragsbefugnis ist gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1991, BGBl I 686 (VwGO a.F.) gegeben, wenn die den Normenkontrollantrag stellende Person durch den Bebauungsplan oder dessen Anwendung einen Nachteil erlitten oder in absehbarer Zeit zu erwarten hat. Auf die Antragsbefugnis von der Geltendmachung einer Rechtsverletzung abhängig machende Fassung des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, die er durch das Sechste Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 1. November 1996, BGBl I 1626 erhalten hat, kommt es im vorliegenden Verfahren nach der den Senat bindenden Revisionsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. September 1998 - 4 CN 1.97 - nicht an.
29Ein Nachteil im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO a.F. ist gegeben, wenn der Antragsteller durch den angegriffenen Bebauungsplan oder dessen Anwendung in einem Interesse negativ betroffen wird, das im Rahmen der planerischen Abwägung zu berücksichtigen war. An öffentlichen und privaten Belangen ist in die Abwägung dasjenige einzustellen, was "nach Lage der Dinge" im Rahmen der Abwägung erheblich sein kann. Auszuscheiden sind nur solche Belange, die entweder objektiv geringwertig oder die nicht schutzwürdig sind. Derartige Belange sind bereits ihrem Inhalt nach nicht berücksichtigungsfähig. Sie sind kein für die Abwägung geeignetes Abwägungsmaterial, weil sich von ihnen - ganz unabhängig von anderen gegenläufigen Interessen - vorab sagen läßt, daß sie in keinem Fall eine sachgerechte Abwägung beeinflussen können.
30Zu den abwägungserheblichen Belangen kann auch das Interesse der Anwohner einer S. gehören, vor erhöhtem Verkehrslärm verschont zu werden. Allerdings reicht es nicht aus, daß die Zunahme des Lärms auf einer allgemeinen Veränderung der Verkehrslage beruht. Erforderlich ist vielmehr, daß sich die Verkehrssituation in einer spezifisch planbedingten Weise ändert. Ein Nachteil im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO a.F. ist nicht immer schon dann anzunehmen, wenn die Ausweisung eines neuen Plangebiets objektiv zu einer Verstärkung des Verkehrs führt. Vielmehr kommt es dann darauf an, ob das (verständliche) Vertrauen auf den Fortbestand einer bestimmten Verkehrslage noch als schutzwürdiges Interesse angesehen werden kann.
31Vgl. BVerwG, Beschluß vom 9. November 1979 - 4 N 1.78, 2.-4.79 -, BRS 35 Nr. 24; Beschluß vom 19. Februar 1992 - 4 NB 11.91 -, BRS 54 Nr. 41; Beschluß vom 18. Februar 1994 - 4 NB 24.93 -, BRS 56 Nr. 30; Beschluß vom 28. November 1995 - 4 NB 38.94 -, BRS 57 Nr. 41; Urteil vom 17. September 1998 - 4 CN 1.97 -; Beschluß vom 10. November 1998 - 4 BN 45.98 -.
32Abwägungsbeachtlich in diesem Sinne war das Interesse des Eigentümers des Grundstücks M. S. 25, vor einer deutlichen Zunahme des Verkehrsaufkommens auf der M. S. infolge der Bebauungsplanung verschont zu bleiben. Das Grundstück M. S. 25 liegt zwar außerhalb des Bebauungsplanbereichs jenseits der Bundesautobahn A 4 in J. . Eine deutliche planbedingte Zunahme des Verkehrsaufkommens auf der M. S. ist jedoch wahrscheinlich. Zunächst ist ein deutlicher Verkehrszuwachs auf der D. S. selbst aufgrund der durch den Bebauungsplan eröffneten Bebauungsmöglichkeiten, sei es der Neubebauung bislang unbebauter Flächen, sei es der Erweiterung baulicher Nutzbarkeiten an bebauten Standorten sowie durch den Ausbau der D. S. , auch von der Antragsgegnerin prognostiziert worden. Ausweislich der Bebauungsplanbegründung (S. 7 f.) ist im östlichen Teil der D. S. - also in dem Bereich, in dem die M. S. abzweigt - mit einer Zunahme des Verkehrsaufkommens von einer durchschnittlichen täglichen Verkehrsstärke von 29.000 Kraftfahrzeugen/24 h auf 33.394 Kraftfahrzeuge/24 h zu rechnen. Von diesen vom Antragsteller angezweifelten Zahlen geht der Senat zugunsten der Antragsgegnerin im vorliegenden Zusammenhang aus. Angesichts der zwischen den Beteiligten unstrittigen Situation starker Belastung der D. S. ist ein planbedingter Verkehrsfluß dieses erheblichen Mehrverkehrs zu einem nennenswerten Teil über die durch Verkehr stark vorbelastete M. S. jedenfalls wegen des durch die Bebauungsplanung ermöglichten und geplanten Ausbaus des Knotens M. S. /D. S. und die dort vorgesehene Verkehrsflächenaufteilung der D. S. selbst mit der Folge der Abwägungserheblichkeit hinreichend wahrscheinlich. Die geplanten Ab- und Einbiegespuren mögen, wie die Antragsgegnerin vorträgt, der Leistungsfähigkeit der D. S. dienen. Damit dienen sie aber, wenngleich möglicherweise lediglich als nicht erwünschte Nebenfolge, auch der Leistungsfähigkeit der M. S. , da die Ein- und Abbiegemöglichkeiten verbessert werden. Die Anlage von Zusatzstreifen für den abbiegenden Verkehr erhöht gerade auch in Verbindung mit einer Lichtsignalanlage die Leistungsfähigkeit der Straßenführung nicht nur in einer Fahrtrichtung (vgl. die Richtlinien für die Anlage von Straßen, Teil Knotenpunkte, RAS-K-1, Ausgabe 1988 (S. 24, 28 und 34)). Dies verdeutlicht beispielsweise die Situation, die sich für den stadteinwärtsführenden Kraftfahrzeugverkehr ergibt. Aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens in Gegenrichtung kann der Verkehr bislang nur in dem Maße über die M. S. abfließen, in dem der Gegenverkehr dies zuläßt und Warten auf eine Abbiegemöglichkeit im Hinblick auf erwarteten Zeitgewinn gegenüber einer über die D. S. weiterführenden Fahrtroute sinnvoll erscheint. Nunmehr erhält der Kraftfahrer hingegen die Möglichkeit, auf einer gesonderten Linksabbiegespur ohne Verkehrsbehinderung zu warten und nach Freigabe des Verkehrs durch die Ampelanlage jedenfalls dann ungehindert durch den Gegenverkehr in die M. S. abzubiegen, wenn für den Fahrstreifen ein auf den Gegenverkehr entsprechend abgestimmtes Lichtzeichen gegeben wird. Eine entsprechende Lichtzeichenregelung läßt der Bebauungsplan nicht nur zu. Sie ist auch wahrscheinlich, da wegen der Gefahr von der Linksabbiegespur in die Geradeausspur zurückstauenden Verkehrs ein Mindestmaß an Verkehrsabfluß gerade zu den Verkehrsspitzenzeiten gewährleistet sein muß. Daß Kraftfahrer den Weg über die M. S. in gegenüber der bestehenden Situation verstärktem Maß in Betracht ziehen werden, ergibt sich aber nicht nur aus der erleichterten Abbiegemöglichkeit in die M. S. , sondern vor allem auch daraus, daß der Querschnitt der D. S. vor der Abzweigung der M. S. von zwei Spuren auf eine Spur verringert und damit ihre Leistungsfähigkeit auf das bestehende Maß zurückgeführt wird, obwohl die D. S. stadteinwärts stark belastet ist und durch den von der Antragsgegnerin prognostizierten Mehrverkehr noch stärker belastet werden soll. Die Belastung der D. S. wird mit erwarteten 33.394 Kraftfahrzeugen/24h ein deutlich über dem Verkehrsaufkommen liegendes Ausmaß erreichen, das von einer S. mit zwei Fahrstreifen in der Regel (ohne Betrachtung der Randbedingungen) noch bewältigt werden kann und das mit etwa 20.000 Kraftfahrzeugen/24h anzunehmen ist (vgl. Ziff. 3.1.3 iVm Bild 5 der Richtlinien für die Anlage von Straßen - Teil Querschnitte, Ausgabe 1996). In dieser Situation liegt die Überlegung des Kraftfahrers nahe, ob er dem in Fahrtrichtung dichter werdenden Verkehr über die M. S. ausweichen kann. Es war daher abwägungsrelevant, ob sich die von der Antragsgegnerin im übrigen durchaus gesehene Problematik des durch J. fahrenden "Schleichverkehrs" bei den hier in Rede stehenden Größenordnungen der Verkehrszunahme auf der D. S. nicht deutlich verschärfen könnte. Ob der nach den Bebauungsplanfestsetzungen grundsätzlich möglichen Verkehrszunahme auf der M. S. durch Maßnahmen etwa der Verkehrsberuhigung begegnet werden kann, ist keine Frage des die Antragsbefugnis eröffnenden Nachteils, sondern eine Frage der Begründetheit des Normenkontrollantrags, also der Frage, ob den abwägungserheblichen Belangen in den Anforderungen des Abwägungsgebots genügender Weise Rechnung getragen worden ist.
33Der Antrag ist auch begründet.
34Der Bebauungsplan leidet jedenfalls an materiellen Mängeln, die nicht im Sinne des § 215a BauGB durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden können, so daß der Bebauungsplan für nichtig zu erklären war.
35Die Festsetzung der Sondergebiete für großflächige Einzelhandelsbetriebe und großflächige Handelsbetriebe ist mit dem Abwägungsgebot nicht vereinbar. Ob die Festsetzung der Sondergebiete für großflächige (Einzel-)Handelsbetriebe am nicht integrierten Standort darüber hinaus mit § 24 Abs. 3 des Gesetzes zur Landesentwicklung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Oktober 1989, GV NW 485 (LEPro) unvereinbar ist,
36vgl. zur Bedeutung des § 24 Abs. 3 LEPro für die Ausweisung von Sondergebieten für großflächige Einzelhandelsbetriebe: OVG NW, Urteil vom 22. Juni 1998 - 7a D 108/96.NE -, NVwZ 1999, 79,
37bedarf daher keiner Entscheidung.
38Das Gebot, die öffentlichen und privaten Belange untereinander und gegeneinander gerecht abzuwägen, wird zunächst dann verletzt, wenn eine sachgerechte Abwägung überhaupt nicht stattfindet. Es ist ferner dann verletzt, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muß. Schließlich liegt eine Verletzung auch dann vor, wenn die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens ist dem Abwägungsgebot jedoch genügt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in Widerstreit verschiedener Belange für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung des anderen Belangs entscheidet.
39Diesen Anforderungen wird die von der Antragsgegnerin bestimmte Festsetzung von Sondergebieten für großflächige (Einzel-)Handelsbetriebe nicht gerecht. Die Antragsgegnerin ist hinsichtlich der abwägungsrelevanten städtebaulichen Auswirkungen dieser Ausweisung von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen und hat die Bedeutung der maßgebenden betroffenen Belange verkannt.
40Richtschnur der planerischen Abwägung bei der Ausweisung eines Sondergebiets für großflächigen (Einzel-)Handel ist, daß der Plangeber sich hinreichende Gewißheit über die etwaigen negativen städtebaulichen Auswirkungen bei Realisierung der von ihm vorgesehenen Festsetzungen verschaffen muß. Dies gebietet § 11 Abs. 3 BauNVO. Wenn nach dieser Vorschrift großflächige Einzelhandelsbetriebe, die sich auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können, außer in Kerngebieten nur in hierfür festgesetzten Sondergebieten zulässig sind, muß der Plangeber bei einer entsprechenden Sondergebietsausweisung selbstverständlich die entsprechenden Auswirkungen sachgerecht abschätzen und zum Gegenstand seiner Abwägung machen. Diese hat insbesondere die in § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO genannten Aspekte in den Blick zu nehmen und in bewußter Kenntnis der insoweit erkennbaren negativen Betroffenheiten abwägend darüber zu befinden, ob die mit der Planung verfolgten (positiven) Zielsetzungen es im konkreten Fall rechtfertigen, die etwaigen negativen Auswirkungen in den vom Gesetzgeber ausdrücklich genannten städtebaulich relevanten Problemfällen hinzunehmen. Dabei waren hier insbesondere die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in K. und in F. von Bedeutung. Insoweit präzisiert und konkretisiert § 11 Abs. 3 BauNVO das, was mit dem in § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 8 BauGB genannten (städtebaulich relevanten) "Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung" ohnehin generell Gegenstand des Abwägungsprogramms nach § 1 Abs. 6 BauGB ist.
41Vgl. OVG NW, Urteil vom 22. Juni 1998 - 7a D 108/96.NE -, a.a.O.
42Zur Abwägung der hiernach in den Blick zu nehmenden Folgewirkungen der Festsetzung von Sondergebieten für großflächige (Einzel-)Handelsbetriebe hatte die Antragsgegnerin umsomehr Veranlassung, als der Regierungspräsident K. im Planaufstellungsverfahren Bedenken vorgetragen hat, die Gegenstand einer Besprechung im Ministerium für Stadtentwicklung und Verkehr am 3. Dezember 1990 gewesen sind. Mit der Begründung einer erheblichen "Schwächung des bereits entwickelten Stadtkerns" hatte sich auch die Stadt F. gegen die geplante Sondergebietsfestsetzung gewandt. Die Vertreter des Ministeriums empfahlen dem Regierungspräsidenten, die Sondergebietsfestsetzungen dann nicht zu beanstanden, wenn die Stadt im Bauleitplanverfahren den Nachweis erbringe, daß keine negativen Auswirkungen auf das Stadtzentrum, Nebenzentren und Nachbargemeinden zu besorgen seien. Einen derartigen Nachweis hat die Antragsgegnerin auch im Ansatz nicht erbracht. Vielmehr stellte das Amt 15.1 mit beim Stadtplanungsamt am 24. Juni 1991 eingegangenem Schreiben fest, daß bei dem in den Sondergebieten vorgesehenen Maß baulicher Nutzbarkeiten - deren Entwurfsplanung den Festsetzungen entsprechen, die später Gegenstand des angefochtenen Bebauungsplans geworden sind - zusätzlich zu den im Bebauungsplangebiet einschließlich konkret geplanter Erweiterungen vorhandenen 70.000 qm Verkaufsfläche weitere 100.000 qm Verkaufsfläche erstellt werden könnten. Dies entspreche mit rund 170.000 qm Verkaufsfläche fast der Hälfte der Verkaufsfläche der K. City; ein derartiges Verkaufsvolumen "hätte mit Sicherheit nachteilige Auswirkungen auf die gesamte K. Zentrenstruktur". Erwägungen zu Auswirkungen der nach den Bebauungsplanfestsetzungen möglichen großflächigen (Einzel-)Handelsbetriebe auf die Nachbargemeinde F. finden sich in den Akten über die Aufstellung des Bebauungsplanes nicht.
43Die durch die Sondergebietsfestsetzung ausgelösten möglichen zentrumschädlichen Folgen hat die Antragsgegnerin nach alledem zwar in Ansatz erkannt, jedoch nicht in einer ihrem Gewicht entsprechenden Weise abgewogen. Zwar ist unter Abwägungsgesichtspunkten - und der in diesem Zusammenhang unterstellten Annahme, die Antragsgegnerin habe die allerdings nicht konkret bestimmten negativen Auswirkungen auf das Stadtzentrum und Nachbargemeinden als geringer gewichtig hinnehmen wollen - nicht zu beanstanden, daß die Antragsgegnerin im Hinblick auf ihre finanziellen Möglichkeiten sowie die wahrscheinlichen Interessen der bereits vorhandenen großflächigen (Einzel-)Handelsbetriebe von einer Überplanung der faktischen Sondergebiete mit Gebietsfestsetzungen abgesehen hat, die derartige Betriebsformen überhaupt ausschließen. Auch waren die Erwägungen des Rats der Antragsgegnerin nach Maßgabe der im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses geltenden Rechtslage dem Grunde nach unter Abwägungsgesichtspunkten insoweit nicht zu beanstanden, als er Sondergebietsfestsetzungen für geboten erachtete, um dem Bestandsschutz vorhandener Betriebe zu genügen. Ob dieser Gesichtspunkt das tatsächlich festgesetzte Nutzungsmaß hinreichend rechtfertigte, ist allerdings bereits schon deshalb fraglich, weil der Bebauungsplan viergeschossige Bebauung auch in Bereichen zuläßt, die ausweislich des in der Bebauungsplanurkunde wiedergegebenen Baubestands durch überwiegend eingeschossige, vereinzelt auch zweigeschossige Bebauung geprägt waren. Keinesfalls aber rechtfertigte er, großflächigen (Einzel-)Handel ohne konkrete Abwägung der im Bebauungsplanverfahren aufgeworfenen Frage zuzulassen, ob die Beschränkung der Zulässigkeit dieser Handelsbetriebe nicht anhand ihrer Verkaufsfläche oder jedenfalls anhand ihres Sortiments zur Abwehr zentrenschädlicher Auswirkungen in Betracht zu ziehen war. Eine Sortimentsbeschränkung,
44vgl. zur Festsetzung eines Sondergebiets für Möbeleinzelhandel: BVerwG, Beschluß vom 25. Juli 1986 - 4 B 144.86 -, BRS 46 Nr. 21,
45wäre durch eine Bebauungsplanfestsetzung ebenso möglich gewesen wie Regelungen über die höchstzulässige Verkaufsfläche.
46Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 1990 - 4 C 36.87 -, BRS 50 Nr. 68.
47Einer Sortimentsbeschränkung oder einer Verkaufsflächenbeschränkung hätte der von der Antragsgegnerin ausweislich der Bebauungsplanbegründung hervorgehobene Bestandsschutz vorhandener Betriebe (auch nach Maßgabe der früheren Rechtsprechung zur Reichweite von aus dem Bestandsschutz hergeleiteten Baugenehmigungsansprüchen) nicht entgegengestanden. Bestandsschutz konnte den im Bebauungsplangebiet vorhandenen großflächigen (Einzel-)Handelsbetrieben nur nach Maßgabe der genehmigten oder jedenfalls materiell legal ausgeübten Nutzung erwachsen. Eine Sortimentsänderung, die die der genehmigten bzw. materiell legalen Nutzungsart eigene, tatsächliche Variationsbreite überschreitet, ist aber eine baugenehmigungspflichtige Nutzungsänderung.
48Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Mai 1990 - 4 C 49.89 -, BRS 50 Nr. 166; OVG NW, Beschluß vom 29. März 1999 - 10 B 417/99 -.
49Denn das Warensortiment ist für die Bestimmung genehmigter Nutzung bei großflächigen (Einzel-)Handelsbetrieben von wesentlicher Bedeutung, wie gerade die Regelung in § 11 Abs. 3 BauNVO zeigt.
50Die in den Planaufstellungsakten zum Ausdruck gekommene Annahme, daß differenzierende Festsetzungen für die einzelnen Sondergebiete aus städtebaulichen Gründen nicht zu rechtfertigen gewesen wäre, geht fehl, da sich eine Bebauungsplanung für ein Sondergebiet nur auf wenige Grundstücke oder gar ein einzelnes Grundstück etwa dann beschränken kann, wenn die Gemeinde mit der Bebauungsplanung bezweckt, die künftig vom Eigentümer gewollte Nutzung zu verhindern. Auch in einem solchen Fall kann die Bebauungsplanung ein im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB "erforderliches" Sicherungsinstrument sein, das eine positive planerische Aussage insofern enthält, als einer sich abzeichnenden Fehlentwicklung entgegengesteuert werden soll.
51Vgl. BVerwG, Beschluß vom 23. Juni 1992 - 4 B 55.92 -, NVwZ- RR 1993, 456.
52Der Bebauungsplan leidet an einem weiteren, ebenfalls zu seiner Gesamtnichtigkeit führenden Abwägungsmangel. Es fehlt hinsichtlich des in die Abwägung einzustellenden Belangs der Anforderungen, die der Verkehr stellt (Vgl. § 1 Abs. 5 Nr. 8 BauGB), an einer hinreichenden Ermittlung des Abwägungsmaterials. Wie oben zur Zulässigkeit des Antrags bereits ausgeführt, ist nicht fernliegend, daß die M. S. infolge der Bebauungsplanfestsetzungen spürbar stärker mit Verkehr belastet werden kann, als dies namentlich ohne den durch den Bebauungsplan ermöglichten Ausbau des Knotenpunkts M. S. /D. S. der Fall wäre. (vgl. auch das Verkehrsgutachten für den Gewerbepark K. -M. des Ingenieurbüros S. aus September 1992, S. 32 u. 41, wonach ab der H. S. stadteinwärts eine weitere Spur nicht mehr erforderlich und auch nicht erwünscht sei, da sie zusätzlichen Verkehr in die Wohngebiete K. -J. und K. -L. ziehen würde.) Über die Folgen für das Verkehrsaufkommen und die damit verbundenen Auswirkungen für die Anwohner der M. S. hat sich die Antragsgegnerin keine hinreichende Klarheit verschafft.
53Allerdings ist ein Bebauungsplan, der Vorhaben mit hohem Verkehrsaufkommen zuläßt, nicht abwägungsfehlerhaft, wenn er zugleich Festsetzungen trifft, die straßenbauliche und verkehrslenkende Maßnahmen zur Vermeidung von unzumutbarem Verkehrslärm für die Umgebung ermöglichen, auch wenn die Durchführung der Maßnahmen künftigem Verwaltungshandeln überlassen wird. Zwar hat grundsätzlich jeder Bebauungsplan die von ihm geschaffenen oder ihm sonst zurechenbaren Konflikte zu lösen. Die Planung darf nicht dazu führen, daß Konflikte, die durch sie hervorgerufen werden, zu Lasten Betroffener letztlich ungelöst bleiben. Dies schließt eine Verlagerung von Problemlösungen aus dem Bauleitplanverfahren auf nachfolgendes Verwaltungshandeln indes nicht zwingend aus. Von einer abschließenden Konfliktbewältigung im Bebauungsplan darf die Gemeinde Abstand nehmen, wenn die Durchführung der als notwendig erkannten Konfliktlösungsmaßnahmen außerhalb des Planungsverfahrens auf der Stufe der Verwirklichung der Planung sichergestellt ist. Die Grenzen zulässiger Konfliktverlagerung sind indes überschritten, wenn bereits im Planungsstadium absehbar ist, daß sich der offengelassene Interessenkonflikt auch in einem nachfolgenden Verfahren nicht sachgerecht lösen lassen wird. Ob eine Konfliktbewältigung durch späteres Verwaltungshandeln gesichert oder wenigstens wahrscheinlich ist, hat die Gemeinde, da es um den Eintritt zukünftiger Ereignisse geht, prognostisch zu beurteilen.
54Vgl. BVerwG, Beschluß vom 14. Juli 1994 - 4 NB 25.94 -, BRS 56 Nr. 6.
55An einer verläßlichen Prognose, ob der zu erwartende Verkehrskonflikt durch späteres Verwaltungshandeln wahrscheinlich bewältigt werden kann, fehlt es. Eine Prognose ist im Hinblick darauf zu überprüfen, ob ihr eine geeignete fachspezifische Methode zugrundeliegt, der Sachverhalt zutreffend ermittelt wurde und das Ergebnis einleuchtend begründet wurde.
56Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Juli 1998 - 11 A 53.97 -, DVBl. 1998, 1188.
57Bereits an der zutreffenden Ermittlung des Sachverhalts fehlt es hier. Verkehrsberuhigungsmaßnahmen in J. waren Gegenstand eines in Auftrag gegebenen Gutachtens (S. 6 der Bebauungsplanbegründung), dessen Ergebnis dem Rat der Antragsgegnerin bei Satzungsbeschluß jedoch nicht vorlag, so daß ihm schon die Einschätzung nicht möglich war, ob (wirksame) Verkehrsberuhigungsmaßnahmen umgesetzt werden konnten und würden. Ob der Rat der Antragsgegnerin erwogen hat, die Ampelanlage M. S. /D. S. mit der Funktion einer sog. Pförtnerampel zu betreiben und den Verkehrsfluß auf diese Weise zu steuern, ist aus den Akten über das Bebauungsplanverfahren nicht ersichtlich. Jedenfalls fehlt es auch insoweit an einem hinreichend aufgeklärten Sachverhalt, der sich hinsichtlich der verkehrssteuernden Wirkung einer Pförtnerampel auf die Frage zu erstrecken hatte, ob der über die M. S. fließende Verkehr mittels einer solchen Ampel im erforderlichen Umfang gesteuert werden kann. Die mögliche Steuerungsfunktion der Ampel ist begrenzt durch die Aufnahmekapazität der von der D. S. zur M. S. abzweigenden Linksabbiegespur; ist diese erschöpft, würde eine längere Rotphase der Pförtnerampel zu Rückstaus in die stadteinwärts führende Geradeausspur der D. S. führen und damit deren vom Plangeber vorausgesetzte Leistungsfähigkeit beeinträchtigen.
58Die Erwägung des Rats der Antragsgegnerin, daß "der Bedarf von abbiegenden Fahrzeugen" - gemeint ist wohl der Bedarf am Bau von Abbiegespuren für abbiegende Fahrzeuge - allein schon aus J. selbst gegeben sei, mag den Ausbau des Knotens M. S. /D. S. etwa aus Gründen der Verkehrssicherheit nahelegen. Mit der verkehrstechnisch begründeten Notwendigkeit, Abbiegespuren zu bauen, sind jedoch die Konsequenzen des Ausbaus für den Verlauf der Verkehrsströme nicht erfaßt. Es war ungeprüft, ob auch der Ausbau dazu beitragen würde, daß der im Bebauungsplangebiet entstehende Mehrverkehr seinen Weg über die M. S. sucht. Der Rat der Antragsgegnerin stellte sich daher nicht der Frage, ob diese, über die M. S. führende Verkehrsalternative unterbunden werden sollte. Ebensowenig ist die in der Bebauungsplanbegründung genannte Alternative zum Bau von Abbiegespuren, nämlich den Durchgangsverkehr zu unterbinden, weiterführend, da auch nach Auffassung der Antragsgegnerin die Unterbindung des Durchgangsverkehrs nicht die einzige Planungsalternative gewesen ist, verweist sie in der Bebauungsplanbegründung doch auf ein im Stadium der Erarbeitung befindliches Gutachten zur Verkehrsberuhigung. Ergebnisse des Gutachtens lagen dem Rat der Antragsgegnerin jedoch nicht vor und konnten daher auch nicht abgewogen werden.
59Die Mängel im Abwägungsvorgang zur Frage der zentrenrelevanten Auswirkungen in den Sondergebieten zulässiger (Einzel-)Handelsbetriebe sowie zur Frage zumutbarer Verkehrsbelastung der M. S. durch über die D. S. abgeleitetes, im Bebauungsplangebiet verursachtes Verkehrsaufkommen sind gemäß § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB beachtlich.
60Der Mangel ist im Sinne der genannten Vorschrift offensichtlich, weil konkrete Umstände - wie dargelegt - positiv und klar auf den Mangel hindeuten.
61Vgl. BVerwG, Beschluß vom 20. Januar 1995 - 4 NB 43.93 -, BRS 57 Nr. 22.
62Er ist auch auf das Abwägungsergebnis von Einfluß gewesen, weil sich anhand der Planunterlagen oder sonst erkennbarer oder naheliegender Umstände die Möglichkeit eines solchen Einflusses abzeichnet.
63Vgl. BVerwG, Beschluß vom 20. Januar 1995 - 4 NB 43.93 -, a.a.O.
64Insoweit liegt auf der Hand, daß eine sachgerechte Aufbereitung des Abwägungsmaterials der Antragsgegnerin hätte Anlaß geben müssen, die konkreten Planfestsetzungen für die Sondergebiete inhaltlich zu überdenken, um zentrenschädliche Auswirkungen der Sondergebietsausweisung zu vermeiden. Auch ist nicht auszuschließen, daß die Ermittlung zu erwartender Verkehrsströme durch entsprechende Begutachtung zu dem Ergebnis führt, daß Folgewirkungen für die Anwohner der M. S. in J. konkreter abwägend zu bewältigen sind. So könnten in die Abwägung etwaige Straßenbaualternativen (wie beispielsweise der vom Antragsteller angeregte vierspurige Ausbau der D. S. bis zum M. ring), die Folgewirkungen konkret bestimmter Verkehrsberuhigungsmaßnahmen oder die Frage einzustellen sein, welche Verkehrsbelastung die Anwohner der M. S. hinzunehmen haben.
65Die vorstehend beschriebenen Mängel des Bebauungsplans können nicht in einem ergänzenden Verfahren im Sinne des § 215a BauGB behoben werden und führen daher nicht zur Unwirksamkeit, sondern zur Nichtigkeit des Bebauungsplans. Ein in einem ergänzenden Verfahren behebbarer Mangel eines Bebauungsplans liegt nicht vor, wenn der festgestellte Mangel so schwer wiegt, daß er den Kern der Abwägungsentscheidung betrifft.
66Vgl. BVerwG, Beschluß vom 8. Oktober 1998 - 4 CN 7.97 -, DVBl. 1999, 243; Beschluß vom 10. November 1998 - 4 BN 45.98 -, ZfBR 1999, 106.
67Jedenfalls die Festsetzung von Sondergebieten ist wesentliches Element der die Bebauungsplanung tragenden städtebaulichen Zielsetzung.
68Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
69Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
70Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.
71
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.