Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 13 A 2005/98
Tenor
Die Berufung wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist Jagdausübungsberechtigter in seinen Eigenjagdbezirken in den Gemeinden R. und M. im R. -S. -Kreis. Nach der Entscheidung des zuständigen Ministeriums über die Durchführung einer - weiteren - Tollwut- Schluckimpfaktion für Füchse im Sommer 1994 u. a. im rechtsrheinischen Teil des genannten Kreises teilte der Beklagte den Jagdausübungsberechtigten im Kreis, so auch dem Kläger, mit Schreiben vom 25. Juli und 10. August 1994 mit, daß sie die behördlicherseits bereitgestellten Köder am 19. August 1994 abholen und am Folgetage in ihren Revieren im Impfgebiet mit einer Dichte von 25 Ködern pro 100 ha per Hand gegen eine Entschädigung von 0,50 DM pro Köder auslegen sollten. Der Kläger machte daraufhin seine Mitwirkung bei der Impfaktion vom Ersatz der ihm tatsächlich entstehenden Kosten abhängig, die er pauschal auf 5,80 DM je Köder/10 ha berechnete. Hierauf gab der Beklagte dem Kläger durch Ordnungs-/Tierseuchenverfügung vom 5. September 1994 unter Androhung eines Zwangsgeldes auf, die für seine o. a. Eigenjagdbezirke vorrätig gehaltenen Köder nebst Gerät beim Veterinäramt abzuholen bzw. abholen zu lassen und sie in den Bezirken flächendeckend auf allen Wald-, Feld- und Grünlandflächen bis in Siedlungsnähe mit etwa 25 Ködern auf 100 ha auszubringen bzw. ausbringen zu lassen. Zur Begründung war angeführt: Im rechtsrheinischen Teil des R. -S. - Kreises sei die Tollwut seit 1992 amtlich festgestellt. Aus der jagdrechtlichen Hegeverpflichtung folge auch die Verpflichtung, das Wild vor Tierseuchen zu schützen. Im Einzelfall könnten neben tierseuchenrechtlichen Regelungen auch Anordnungen der zuständigen Jagdbehörde zur Verhinderung u. a. der Ausbreitung von Wildseuchen treten. Hierzu gehöre die Anordnung an den Jagdausübungsberechtigten, der mit der Durchführung einer großflächigen Immunisierungsaktion betrauten Behörde Hilfe zu leisten. Gesicherten Anhaltspunkten nach werde die Tollwut durch den Fuchs verbreitet. Um die am 20./21. August 1994 durch die Jägerschaft des gesamten rechtsrheinischen Teils des R. -S. -Kreises durchgeführte Aktion nicht zu gefährden, sei auch die Beköderung der klägerischen Jagdbezirke erforderlich. Obgleich ein Entschädigungsanspruch aus Jagdrecht oder Seuchenrecht nicht bestehe, werde pro Köder eine Entschädigung von 0,50 DM gezahlt.
3Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, kam der Verfügung aber anschließend nach. Sodann begründete er den Widerspruch wie folgt: Es bestehe keine Ermächtigungsgrundlage für eine entschädigungslose Inanspruchnahme. Die orale Immunisierung der Füchse sei im Umkehrschluß aus § 12 Tollwut-Verordnung (TollwutVO) ausschließlich Aufgabe der Behörde. Nach allgemeinem Polizeirecht könne nur der Störer in Anspruch genommen werden, der er jedoch nicht sei. Eine Zustandshaftung scheide aus, weil Füchse herrenlose Sachen seien. Jagdrechtliche Vorschriften böten keine Eingriffsermächtigung oder verwiesen auf die allgemeinen polizeirechtlichen Vorschriften, von denen allenfalls der eine Entschädigungspflicht auslösende § 19 Ordnungsbehördengesetz (OBG) in Betracht komme. Zugleich machte er Erstattung seiner nach Abzug von gezahlten 410 DM Aufwendungsersatz verbliebenen Selbstkosten von 2.728,80 DM geltend.
4Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 1995 wies die Bezirksregierung K. den Widerspruch mit der Begründung zurück: Die Anordnung der oralen Tollwut-Immunisierung der Füchse sei wegen des hohen Infektionsdruckes und der zahlreichen Tollwutfälle rechtmäßig gewesen. Aufgrund der starken Belaubung und der sommerlichen Temperaturen sei eine Handauslage der Köder durch die besonders ortskundigen Jagdausübungsberechtigten angezeigt gewesen. Ihnen obliege der Schutz des Wildes vor Wildseuchen und sie nähmen die Vorteile des Wildbestandes war, so daß sie auch die mit der Hegeverpflichtung verbundenen Nachteile tragen müßten. § 39 OBG sei nicht anwendbar. Die die Köder auslegenden Personen seien keine Hilfskräfte nach § 25 Nr. 3 des Ausführungsgesetzes zum Tierseuchengesetz.
5Mit seiner am 20. März 1995 erhobenen Klage hat der Kläger seine Widerspruchsgründe vertieft und ergänzt: § 19 OBG greife nicht durch. Es sei nicht erklärbar, warum der Beklagte die orale Immunisierung nicht selbst habe vornehmen können. § 24 Tierseuchengesetz (TierSG) begründe eine Mitwirkungspflicht nur bei der Tötung von Tieren und sei eine nicht analogiefähige Ausnahmevorschrift. Im übrigen sei die Eignung der gewählten Bekämpfungsaktion zweifelhaft, weil ein Großteil der Köder von anderen Wildtieren aufgenommen werde und der Fuchs nur den Köder verzehre, die Impfkapsel aber ausspeie. Wegen der lediglich zwangsweisen Befolgung der ihm auferlegten Verfügung und fehlender Entschädigungsregelung sei Hauptsachenerledigung nicht eingetreten. Es bestehe Wiederholungsgefahr.
6Der Kläger hat beantragt,
7festzustellen, daß die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 5. September 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Mai 1995 rechtswidrig gewesen ist.
8Der Beklagte hat beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Er hat vorgetragen: Die gezielte Beköderung in der Nähe von Fuchsbauten durch ortskundige Jagdinhaber verhindere die Köderaufnahme durch andere Tiere. Der Fuchs nehme zumindest die erste Köderkapsel auf.
11Das Verwaltungsgericht Köln hat durch das angefochtene Urteil vom 15. Januar 1998 die Klage abgewiesen. Der Senat hat durch dem Kläger am 21. September 1998 zugestellten Beschluß die Berufung zugelassen, die der Kläger am 8. Oktober 1998 begründet hat.
12Der Kläger trägt vor: Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht in Analogie zu § 24 TierSG eine Ermächtigung des Beklagten zur Inpflichtnahme des Jagdausübungsberechtigten bei der Köderauslegung angenommen. Es habe sich damit von den allgemeinen Grundsätzen der Analogiebildung entfernt. Aus dem Recht zur Jagd (§ 1 Bundesjagdgesetz - BJagdG -) könne keine Pflicht zur Immunisierung der Füchse durch den Jagdberechtigten abgeleitet werden. Sie folge auch weder aus dem Hegebegriff noch aus dem Jagdschutz des VI. Abschnitts des Bundesjagdgesetzes. Letzterer begründe bezüglich Wildseuchen nur eine Anzeigepflicht an die zuständige Behörde, die im Einvernehmen mit dem beamteten Tierarzt die erforderlichen Anweisungen erläßt (§ 24). § 25 Abs. 7 Landesjagdgesetz Nordrhein-Westfalen (LJG-NRW) befasse sich zwar mit der Ermächtigung der Unteren Jagdbehörde zu Anordnungen im Wildseuchenfalle, nicht aber mit Pflichten des Jagdausübungsberechtigten. Die vom Verwaltungsgericht angenommene Regelungslücke bestehe nicht. Für die - hier angeordnete - Schutzmaßregel der Impfung der Füchse sehe das Tierseuchengesetz (§ 23) eine Mitwirkung des Jagdausübungsberechtigten gerade nicht vor. Jene abschließende Vorschrift schließe die Anwendung des § 24 TierSG aus. Auch die Tollwut-Verordnung, die in § 12 Abs. 1 eine Bekämpfung der Tollwut durch verstärkte Bejagung oder Immunisierung vorsehe, lege den Jagdausübungsberechtigten bei der Immunisierung keine Mitwirkungspflicht auf. Letztere obliege allein dem Staat. Die hieraus erkennbare eindeutige gesetzliche Aufgabenzuweisung an die Behörde, die eine Lücke nicht offen lasse, stehe der vom Verwaltungsgericht gezogenen Analogie entgegen. Im übrigen obliege die allgemeine Gefahrenabwehr, hier der von herrenlosen Tieren ausgehenden Gefährdung, und die entsprechende Kostentragungspflicht dem Staat und könne nicht dem einzelnen als Sonderopfer auferlegt werden, es sei denn, es läge - wie bei der Mitwirkung zur Tötung - eine entsprechende gesetzliche Anordnung vor, woran es hier fehle. Wenn selbst dem Tierhalter bei Tötung eines seuchenverdächtigen Tieres Entschädigung für das Tier und für die Verwertungsaufwendungen nach §§ 69, 67 Abs. 4 TierSG zustehe, könne der in Pflicht genommene Jagdausübungsberechtigte nicht schlechter stehen hinsichtlich eines Aufwendungsersatzes für Maßnahmen gegen nicht in seinem Eigentum stehende Wildtiere und verbiete sich erst recht die vom Verwaltungsgericht gezogene Analogie. Nach den allgemeinen Regeln des Ordnungsrechts könne nur der für eine Sache Verantwortliche in Anspruch genommen werden. Das sei bei herrenlosen Tieren nach § 18 Abs. 3 OBG der frühere Eigentümer. Der Jagdausübungsberechtigte habe aber kein Eigentum an Wildtieren und dies erst recht nicht aufgegeben. Von der Nichtverantwortlichkeit des Jagdausübungsberechtigten für Wildtiere gebe es nur die einzige - gesetzliche - Ausnahme der Mitwirkung bei der Tötung, weil dadurch sein Jagdrecht berührt sei. Die gesetzliche Entscheidung, dem Jagdausübungsberechtigten bei der Immunisierung von Wildtieren eine Mitwirkungspflicht nicht aufzuerlegen, könne nicht durch die Analogie des Verwaltungsgerichts unterlaufen werden. Nach bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsprechung sei eine Analogie in der Eingriffsverwaltung wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip und den Vorbehalt des Gesetzes unzulässig. Wohl käme als Ermächtigungsgrundlage für eine Mitwirkungspflicht des Klägers § 19 OBG in Betracht, der aber zu einem Entschädigungsanspruch aus § 39 OBG führe. Bestätigt werde dies durch § 25 Ausführungsgesetz zum Tierseuchengesetz (AGTierSG-NRW), wonach die zuständige Ordnungsbehörde auf ihre Kosten die Hilfskräfte stelle, die erforderlich sind, um die angeordnete Impfung von Tieren auszuführen.
13Der Kläger beantragt,
14das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
15Der Beklagte beantragt,
16die Berufung zurückzuweisen.
17Wegen des übrigen Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge (Beiakte Heft 1) Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe:
19Die zulässige Berufung ist unbegründet.
20Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
21Zutreffend hat es die Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) nach Erledigung der Verfügung des Beklagten vom 5. September 1994 als zulässig, insbesondere ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Klägers als gegeben erachtet. Der Beklagte hat vor dem Verwaltungsgericht nämlich angegeben, den Kläger in Zukunft bei Bedarf in der gleichen Weise wie im vorliegenden Falle zur Mitwirkung bei der Fuchsbeköderung zu verpflichten.
22Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Verfügung des Beklagten vom 5. September 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Mai 1995 war rechtmäßig.
23Der Beklagte ist auf der Grundlage tierseuchenrechtlicher und jagdrechtlicher Vorschriften gegen den Kläger tätig geworden. Nach § 1 Abs. 5 AGTierSG-NRW i.V.m. § 1 ZuständigkeitsVO vom 6. Februar 1992 ist die Kreisordnungsbehörde, hier der Beklagte, zuständige Behörde i.S.d. Tierseuchengesetzes und der auf diesem beruhenden Tollwut-Verordnung. Zugleich ist der Beklagte nach § 46 Abs. 3 LJG-NRW auch Untere Jagdbehörde und als solche zuständig für jagdrechtliche Anordnungen nach § 25 Abs. 7 LJG-NRW.
24Der Beklagte war zum Erlaß der Verfügung vom 5. September 1994 gesetzlich ermächtigt. Er hat sich insoweit bezogen auf § 12 Abs. 1 Tollwut-VO, §§ 1 Abs. 1, 24 Halbs. 1 u. 2 BJagdG und § 25 Abs. 6 (richtig Abs. 7) LJG-NRW.
25Nach § 12 Abs. 1 Tollwut-VO kann die zuständige Behörde - bei gesicherten Anhaltspunkten für eine Verbreitung der Seuche durch den Fuchs - anordnen, daß die Tollwut durch verstärkte Bejagung der Füchse und durch orale Immunisierung der Füchse bekämpft wird. Nach § 24 Halbs. 2 BJagdG erläßt im Falle eines Wildseucheneintritts die zuständige Behörde im Einvernehmen mit dem beamteten Tierarzt die zur Bekämpfung der Seuche erforderlichen Anweisungen. Nach § 25 Abs. 7 Satz 1 LJG-NRW kann die Untere Jagdbehörde im Einzelfall im Einvernehmen mit dem Amtstierarzt die erforderlichen Anordnungen treffen, um das Auftreten oder die Ausbreitung von Wildseuchen zu verhindern.
26Die Tollwut ist zweifellos eine Seuche, was schon dadurch bestätigt wird, daß die zu ihrer Bekämpfung erlassene Tollwut- Verordnung auf der Grundlage des Tierseuchengesetzes beruht. Sie befällt auch oder sogar vorwiegend Wildtiere.
27vgl. hierzu: Schandrau/Drees, Das Jagdrecht in Nordrhein-Westfalen, § 24 BJG Anm. I.
28Gleichwohl findet im vorliegenden Fall § 24 Halbsatz 2 BJagdG als Ermächtigungsgrundlage keine Anwendung, weil der Beklagte selbst nicht von dem Eintritt im Sinne eines Ausbruchs einer Wildseuche ausging, sondern dem gerade vorbeugen wollte.
29Der Senat kann die Frage offen lassen, ob § 12 Abs. 1 Satz 1 Tollwut-VO als lex spezialis der allgemeinen Regelung des § 25 Abs. 7 Satz 1 LJG-NRW vorgeht. Denn es liegen die Voraussetzungen beider Regelungen als jeweils selbständig tragende Ermächtigungsgrundlagen für die streitbefangene Verfügung des Beklagten vor. Insbesondere findet erstere Rechtsgrundlage auch bereits im Vorfeld eines flächendeckenden Ausbruchs der Tollwut Anwendung, wie sich der dort vorgesehenen Bekämpfungsmaßnahme der oralen Immunisierung entnehmen läßt. Die Immunisierung ist gerade dann sinnvoll, wenn von einer umfassenden Infektion eines Tierbestandes noch nicht ausgegangen werden kann und diese wegen der verstärkten Infektionsgefährdung in einer Region gerade verhindert werden soll.
30Unter einer Anordnung im Sinne der zuvor angegebenen Vorschriften ist unter Berücksichtigung des gesetzlichen Anliegens ein an einen einzelnen Adressaten oder einen bestimmbaren Kreis von Adressaten gerichtetes verbindliches Handlungs- oder Duldungsgebot zu verstehen. Wenn auch der Wortlaut des § 12 Abs. 1 Satz 1 Tollwut-VO nicht wie § 25 Abs. 7 Satz 1 LJG-NRW ausdrücklich eine Anordnung im Einzelfall vorsieht, folgt daraus nicht eine Ermächtigung nur zu generellen Regelungen der Tollwutbekämpfung im Wege verstärkter Bejagung oder Immunisierung des Fuchses. Der Wortlaut läßt auch die unmittelbare Inpflichtnahme des individuellen Jagdausübungsberechtigten zu. Sie ist sogar geboten, wenn die verstärkte Bejagung des Fuchses das Mittel der Wahl ist, weil dies dem Jagdausübungsberechtigten vorbehalten ist.
31Ebenfalls offen bleiben kann die Frage, ob die Schreiben des Beklagten vom 25. Juli und 10. August 1994 an die Jagdberechtigten in mehreren Gemeinden bereits Anordnungen in diesem Sinne oder nur informelle Schreiben über eine geplante Beköderungsaktion ohne regelnden Ausspruch waren. Jedenfalls begründete die streitbefangene Verfügung des Beklagten vom 5. September 1994 dem Kläger gegenüber eine Handlungspflicht, nachdem der Kläger die Teilnahme an der gemeinschaftlichen Beköderungsaktion, die nur als Gemeinschaftsaktion sinnvoll war, verweigert hatte. Das zeichnet die Verfügung als verbindliche Anordnung bezogen auf den Einzelfall aus.
32Auch die weiteren Voraussetzungen der Rechtsgrundlagen des § 12 Abs. 1 Tollwut-VO und des § 25 Abs. 7 Satz 1 LJG-NRW lagen vor.
33Aufgrund allgemeiner Erfahrung in Fachkreisen, die dem Senat aus früheren Verfahren bekannt ist, ist unter wildlebenden Tieren vornehmlich der Fuchs Überträger der Tollwut.
34vgl. hierzu: Schandrau/Drees, a.a.O.; Runderlaß des Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft vom 21. Februar 1992 - IIC2-2121 -, MBl NRW 92, 508, Nr. 2 zu § 12.
35Diese Erkenntnis lag auch den früheren gleichartigen Bekämpfungsaktionen zugrunde und ist von den Jagdausübungsberechtigten, soweit ersichtlich, nicht angezweifelt worden. Auch der Kläger hat insoweit Zweifel nicht geäußert. Ebenso wie für andere rechtsrheinische Regionen besteht auch für den rechtsrheinischen Teil des Kreises des Beklagten eine besondere Infektionsgefahr u. a. durch von Mitteleuropa nachrückende Tiere. Der Senat geht daher von gesicherten Anhaltspunkten für eine Verbreitung der Seuche durch den Fuchs (§ 12 Abs. 1 Tollwut-VO) auch in den rechtsrheinisch gelegenen Jagdrevieren des Klägers im R. - S. -Kreis aus. Die beabsichtigte Immunisierung der Füchse durch Beköderung diente der Verhinderung und ggf. Ausbreitung der Seuche Tollwut (§ 25 Abs. 7 Satz 1 LJG-NRW). Daß trotz dieses erkennbaren und allseits gebilligten Ziels das Einvernehmen des Amtstierarztes, dessen Dienststelle mit der Durchführung der hier zu betrachtenden Aktion betraut war, nicht bestanden habe, liegt fern.
36An der Gefahr einer wieder verstärkt aufgetretenen Tollwut beim Fuchs und der Notwendigkeit einer weiteren Impfaktion zur Sommerzeit sowie einer solchen in der Form der Beköderung durch Handauslegung hat der Senat keine Zweifel.
37Er geht auch von einer generellen Eignung der verwendeten Köder zur Immunisierung des Fuchses aus. So der Amtstierarzt des Beklagten in der erstinstanzlichen Verhandlung überzeugend dargelegt, daß die Rückläufigkeit der Tollwutfälle auf die letzten Immunisierungsaktionen unter Verwendung gleicher Köder zurückzuführen sei. Auch ergibt sich aus der in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen Behördenkorrespondenz im Vorfeld der Aktionen zur Immunisierung des Fuchses, daß insoweit die Verwendung von Ködern allgemein als geeignetes Mittel angesehen wird. Dafür, daß die früheren Fuchsbeköderungsaktionen wegen Verwendung eines untauglichen Mittels erfolglos verlaufen seien, liegen Anhaltspunkte nicht vor. Der Kläger hat seine im erstinstanzlichen Klageverfahren aufgestellte Behauptung, daß die Köder von Füchsen nicht aufgenommen oder die in ihnen enthaltenen Kapseln von ihnen ausgespiehen würden, nicht mehr aufrechterhalten oder gar im Hinblick auf die zuvor genannten Erkenntnisse substantiiert.
38Der Senat hat auch keine Zweifel an der Notwendigkeit der Inanspruchnahme der Jagdausübungsberechtigten. Der Wortlaut des § 25 Abs. 7 Satz 1 LJG-NRW steht dem nicht entgegen und die Einbindung der Jagdausübungsberechtigten in die Immunisierungsmaßnahme war sachlich gerechtfertigt, weil wegen der sommerlichen Belaubung der Bäume das Ausbringen der Köder per Flugzeug ausschied, eine vornehmlich dem Fuchs zugängliche, flächendeckende Beköderung nur durch die revierkundigen Jagdausübungsberechtigten bzw. ihre Helfer erwartet werden konnte und dem Beklagten für eine Selbstdurchführung der Gemeinschaftsaktion das erforderliche Personal fehlte.
39Weder § 12 Abs. 1 Satz 2 Tollwut-VO noch § 23 TierSG stehen einer Anordnung der Mitwirkungspflicht des Jagdausübungsberechtigten im Rahmen einer Beköderungsaktion zum Zwecke der Immunisierung des Fuchses entgegen. § 12 Abs. 1 Satz 2 Tollwut-VO stellt lediglich klar, daß die Tötung als Seuchenbekämpfungsmaßnahme dem Jagdausübungsberechtigten vorbehalten ist. Dazu, wer die Immunisierung durchzuführen oder zumindest an ihr mitzuwirken hat, besagt § 12 Abs. 1 Tollwut-VO nicht. Die Handlungszuordnung bezüglich der Tötung in Satz 2 und das Fehlen einer Zuordnung bezüglich der Immunisierung ist auch kein Indiz für die Vorstellung des Verordnungsgebers, daß die Immunisierung als Bekämpfungsmaßnahme jedenfalls nicht vom Jagdausübungsberechtigten durchzuführen sei oder er nicht zur Mitwirkung in die Pflicht genommen werden könnte. Der Wortlaut ist insofern vielmehr offen. Ob durch jagdrechtliche Anordnung oder tollwutrechtliche Anordnung dem Jagdausübungsberechtigten oder sogar einem zum seuchenkranken oder seuchenverdächtigen Tier in keinerlei Beziehung stehenden Dritten Pflichten - beispielsweise letzterem gegenüber in Form des Verbotes, Haustiere frei laufen zu lassen oder bestimmte Quarantänebereiche zu betreten - auferlegt werden können, beantwortet sich allein nach allgemein-verwaltungsrechtlichen Grundsätzen.
40§§ 19 - 30 TierSG enthalten lediglich eine Aufzählung der Schutzmaßregeln gegen besondere Seuchengefahr, die von der zuständigen Behörde gem. § 18 angeordnet werden können. In welcher konkreten Form der Durchführung - etwa durch die Behörde oder den Tierhalter oder den Jagdausübungsberechtigten allein oder im Zusammenwirken oder durch einen Dritten - diese festzusetzen sind, lassen die Vorschriften, insbesondere der die Impfung betreffende § 23 TierSG offen. Der dem Jagdausübungsberechtigten eine Meldepflicht bei Seucheneintritt auferlegende § 24 BJagdG besagt ebenfalls nicht, daß der Jagdausübungsberechtigte bei der Durchführung einer Seuchenbekämpfungsmaßnahme nicht herangezogen werden könnte. Aus den Entschädigungsregelungen des Tierseuchengesetzes kann der Kläger mangels vergleichbarer Interessenlage für sein Klagebegehren nichts herleiten. Die Entschädigung nach dem Tierseuchengesetz soll den Tierhalter zur Mitwirkung bei der Seuchenbekämpfung anhalten; ihm wird auch kein voller Schadensersatz geleistet und zudem sind die der Tierseuchenkasse zur Verfügung stehenden Mittel u. a. aus Eigenleistungen der Tierhalter aufgebracht.
41Auch die Grundsätze der § 17 und 18 Ordnungsbehördengesetz (OBG), nach welchen eine ordnungsrechtliche Verfügung grundsätzlich gegen den für die Störung Verantwortlichen (Störer) und nur im Ausnahmefall gegen den Nichtstörer (§ 19 OBG) zu richten ist, stehen einer Heranziehung des Jagdausübungsberechtigten bei der Immunisierung der Füchse durch Beköderung des Jagdreviers nicht entgegen. Denn die jagdrechtlichen und tollwutrechtlichen Regelungen sind gegenüber §§ 17 ff. OBG spezieller und schließen deren Anwendung aus.
42Entgegen der Ansicht des Klägers kann in der Heranziehung eines Jagdausübungsberechtigten bei der Immunisierung von in seinem Jagdrevier lebenden Füchsen auch kein mit den Grundsätzen des Art. 14 GG unvereinbares Sonderopfer gesehen werden.
43Zwar wird das durch Verwendung von Einkommen und Vermögen erworbene und/oder in seiner Substanz erhaltene Jagdrecht (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BJagdG) als eigentumsähnliches Recht angesehen werden können, doch unterliegt es als solches, wie § 1 Abs. 6 BJagdG ausdrücklich feststellt, Beschränkungen durch die jagdrechtlichen Normen. Das Jagdrecht beinhaltet drei Elemente, und zwar jeweils die Befugnis zur Hege, zur Jagdausübung und zur Aneignung. § 1 Abs. 1 Satz 2 BJagdG verbindet mit dem Jagdrecht unlösbar die Pflicht zur Hege, was im weitesten Sinne bereits als eine gesetzliche Beschränkung des umfassenden Jagdrechts angesehen werden kann. Die Hege umfaßt u. a. die Sicherung der Lebensgrundlagen und der Weiterexistenz des Wildes, wozu im Rahmen dessen, was vom Jagdausübungsberechtigten bewältigt werden kann, auch die Abwehr von Wildseuchen zählt (vgl. auch § 23 BJagdG). Behördliche Anordnungen zur Verhinderung von Wildseuchen greifen mithin in das Hegerecht und ggf. das Bejagungsrecht des Jagdausübungsberechtigten ein, indem bei gegebenen Voraussetzungen das "Ob" und "Wie" der Hegemaßnahmen der Entscheidung des Jagdausübungsberechtigten entzogen und durch die Behörde vorgegeben wird. Insoweit kommt § 12 Abs. 1 Tollwut-VO und § 25 Abs. 7 LJG-NRW lediglich die Bedeutung einer Rechtsgrundlage zur Bestimmung von Inhalt und Schranken des Jagdrechts im weitesten Sinne zu.
44Wird ein Jagdausübungsberechtigter im Einzelfall durch Anordnung der Unteren Jagdbehörde nach vorgenannter Vorschrift zur Mitwirkung an einer Seuchenabwehrmaßnahme herangezogen, stellt das lediglich eine Konkretisierung der vom Gesetz vorgesehenen Beschränkung des Jagdrechts - in Form der Inhaltsbestimmung der Hegepflicht des Jagdrechtsinhabers - durch die Behörde dar. Insoweit ist die Problematik vergleichbar mit derjenigen der Verwirklichung der Sozialpflichtigkeit des Eigentums etwa durch Heranziehung des Sacheigentümers bei der Abwehr einer von seinem Eigentum ausgehenden Gefahr für die Allgemeinheit. Eine zur Entschädigung verpflichtende Enteignung (Art 14 Abs. 3 GG) scheidet daher von vornherein aus.
45Aber auch eine - wie auch immer verfassungsrechtlich abgeleitete - Entschädigungspflicht auslösende Überschreitung der Zumutbarkeitsgrenze (Opfergrenze) der Inhaltsbestimmung des Eigentums
46Vgl. hierzu v. Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, 4. Aufl., Art. 14 Rdn. 52, 65 u. 101,
47vermag der Senat in der Heranziehung des Jagdausübungsberechtigten zur Mitwirkung bei der - hier präventiven - Abwehr von Seuchen, die seinem Jagdrecht unterliegenden Wildtieren drohen, im vorliegenden Verfahren nicht zu erkennen. Zum einen ist dem Kläger für seine Aufwendungen eine Teilentschädigung zugebilligt und auch gewährt worden und zum anderen ist die Beköderungsaktion nicht allein zum Vorteil der Allgemeinheit durchgeführt worden, sondern auch der Kläger profitiert als Jagdrechtinhaber von der zu erwartenden Tollwutimmunität der Füchse seiner Reviere. Der beim Kläger verbleibende Kostenanteil, den er auf 2.728,80 DM beziffert und der im wesentlichen aus der Größe seiner Jagdreviere resultiert, steht - soweit im vorliegenden Verfahren erkennbar - nicht außer Verhältnis zu dem ihm zufallenden, geschilderten Vorteil. Schließlich ist der Kläger unter Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes wie alle übrigen Jagdausübungsberechtigten in tollwutgefährdeten Gebieten zu lediglich einer zusätzlichen, punktuellen Beköderungsaktion neben den von den Behörden allein durchgeführten Aktionen herangezogen worden. Vor diesem Hintergrund ist eine Überschreitung der Zumutbarkeitsgrenze nicht erkennbar. Soweit in der Begründung der Verfügung des Beklagten vom 5. September 1994, Bl. 4, angeführt ist, daß die Bestimmungen weder des Jagdrechts noch des Seuchenrechts Anspruch auf Entschädigung begründeten, ist das zutreffend und rechtens.
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