Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 8 B 527/99
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 17. Februar 1999 wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 8.000,-- DM festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 17. Februar 1999 hat keinen Erfolg.
3Der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses (§ 124 Abs. 2 Nr. 1, § 146 Abs. 4 VwGO) greift nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO zu Recht abgelehnt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird gemäß § 122 Abs. 2 S. 3 VwGO auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses vom 17. Februar 1999 Bezug genommen.
4Die hiergegen erhobenen Einwendungen des Antragstellers rechtfertigen keine andere Beurteilung. Sie lassen bei der hier gebotenen summarischen Prüfung nicht die Schlußfolgerung zu, daß sein Rechtsbehelf in der Hauptsache erfolgreich sein wird. Den Angaben seiner geschiedenen Ehefrau und seinen eigenen im Scheidungsverfahren vor dem Amtsgericht - Familiengericht - O. am 24. Mai 1994 (AG O. 45 F 208/93) kommt entgegen der Ansicht des Antragstellers erhebliche Bedeutung zu. Bei der Anhörung im Scheidungsverfahren (§ 613 ZPO) unterliegen die Parteien - wie allgemein in zivilprozessualen Verfahren (§ 138 ZPO) - der Wahrheitspflicht. Im Scheidungsverfahren kommt den Erklärungen der Eheleute zum Bestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft insbesondere deshalb erhebliche Bedeutung zu, weil eine Mindestdauer der Trennungszeit regelmäßig Voraussetzung des Scheidungsausspruches ist (vgl. §§ 1565, 1566 BGB). Im Hinblick auf den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz der Ehe aus Art. 6 Abs. 1 GG, der den Gesetzgeber zu einer auf Aufrechterhaltung der Ehe zielenden Ausgestaltung des Eherechts verpflichtet,
5vgl. BVerfG, Urteil vom 28. Februar 1980 - 1 BvL 136/78 u.a. -, BVerfGE 53, 224 (245 ff.); Beschluß vom 21. Oktober 1980 - 1 BvR 1284/79 -, BVerfGE 55, 134 (141 f.),
6kann die Ehe nämlich weder durch bloßes Einvernehmen der Ehegatten noch durch einseitige Lösung eines Ehegatten beendet werden, sondern es bedarf der richterlichen Entscheidung durch Urteil (§ 1564 BGB). Dementsprechend sind die Scheidungsvoraussetzungen im Verfahren von Amts wegen zu ermitteln (vgl. §§ 613, 616 ZPO). Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß die seinerzeitige Ehefrau des Antragstellers oder dieser selbst im Scheidungsverfahren entgegen der ihnen obliegenden Wahrheitspflicht falsche Angaben über die Trennungszeit gemacht haben. Eine dahingehende Annahme würde beiden Parteien des Ehescheidungsverfahrens rechtswidriges Verhalten unterstellen, ohne daß hierfür ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte gegeben wären, so daß dem Vortrag des Antragstellers, im Scheidungsverfahren werde der Parteivortrag allzu oft den gesetzlichen Voraussetzungen angepaßt, nicht gefolgt werden kann. Der Antragsteller hat auch Tatsachen, die die Vermutung der Richtigkeit seiner Angaben und derjenigen seiner damaligen Ehefrau im Scheidungsverfahren vor dem Amtsgericht O. (45 F 298/93) erschüttern könnten, nicht glaubhaft gemacht, obgleich er hierzu durch Verfügung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 6. Januar 1999 (GA Bl. 7 Rückseite) aufgefordert worden ist. Die bloße Behauptung, tatsächlich habe er die Beziehung zu seiner Ehefrau erst im Scheidungstermin am 24. Mai 1994 aufgegeben, reicht insoweit nicht aus, zumal neben der Aussage der damaligen Ehefrau im Scheidungsverfahren weitere Indizien gegen die Richtigkeit dieses Vortrages sprechen: Die Scheidungsklage vor dem Amtsgericht O. - Familiengericht - wurde am 26. November 1993, also vor Wirksamwerden der Einbürgerung (Aushändigung der Einbürgerungsurkunde am 3. Februar 1994 (BA 1, viertletzte Seite), erhoben, was den Willen des Antragstellers, zum damaligen Zeitpunkt die eheliche Lebensgemeinschaft nicht aufrechterhalten zu wollen, schon dokumentiert. Der Antragsteller hat nämlich gemeinsam mit seiner damaligen Ehefrau den Scheidungsantrag gestellt. Das Rubrum der Antragsschrift weist für beide Parteien eine unterschiedliche Adresse als ladungsfähige Anschrift aus (vgl. GA Bl. 1 des Verfahrens 45 F 298/93). Die damalige Ehefrau des Antragstellers hat sich während des Scheidungsverfahrens in persönlichen Schreiben an das Gericht gewandt und den vom gemeinsamen Prozeßbevollmächtigten angegebenen Wohnort D. als Anschrift bezeichnet (vgl. GA Bl. 7 und 54 des Verfahrens 45 F 298/93). Das Urteil im Scheidungsverfahren vom 24. Mai 1994 ist der damaligen Ehefrau schließlich auch unter dieser Anschrift förmlich zugestellt worden (vgl. GA Bl. 66 des Verfahrens 45 F 298/93), so daß die Behauptung des Antragstellers, seine damalige Ehefrau sei bis zur Scheidung in "derselben Wohnung verblieben" (vgl. GA Bl. 36) bzw. habe nach seiner Erinnerung "sogar noch bis kurz vor dem Scheidungstermin in der gemeinsamen Wohnung in O. " gelebt (vgl. GA Bl. 13), widerlegt ist. Der hierzu in Kopie vorgelegte Mietvertrag vom 29. Juni 1993 (GA Bl. 15 ff.), der ein Mietverrhältnis über die Wohnung Wörthstraße 17 in O. ab 1. Juli 1993 für beide damaligen Eheleute ausweist, sagt über das tatsächliche Bestehen einer häuslichen Lebensgemeinschaft zwischen den Parteien nichts aus, zumal nach den gesetzlichen Regelungen im Ehescheidungsrecht sogar ein Getrenntleben innerhalb der Wohung vorliegen kann (vgl. § 1567 Abs. 1 Satz 2 BGB).
7Insgesamt spricht demnach Überwiegendes dafür, daß die Voraussetzungen für die Rücknahme der Einbürgerung, wie vom Verwaltungsgericht angenommen, zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides gegeben waren, ohne daß es darauf ankäme, ob der Antragsteller tatsächlich seit 1994 - wofür Indizien bestehen - schon mit seiner jetzigen indischen Ehefrau verheiratet war und daher zeitweise in Doppelehe gelebt hat oder ob - wie der Antragsgegner im angefochtenen Bescheid ausgeführt hat - allein der Umstand, daß der Antragsteller während seiner ersten Ehe mit einer deutschen Ehefrau (Scheidung durch Urteil vom 18. Dezember 1986, vgl. BA 1 Bl. 39 f.) in Indien zwei Kinder (geboren am 1. Dezember 1985 und 25. Oktober 1986) sowie während seiner zweiten Ehe am 14. Juni 1991 ein drittes Kind mit seiner jetzigen indischen Ehefrau gezeugt hat, seine fehlende Integration in die deutschen Lebensverhältnisse ausreichend belegt.
8Auch ein Ermessensfehler des Antragsgegners ist nicht erkennbar. Daß der Antragsgegner im Bescheid vom 12. August 1997 und im Widerspruchsbescheid vom 17. September 1997 als Grund für die Annahme der Rechtswidrigkeit nicht die Aufgabe der ehelichen Lebensgemeinschaft mit seiner damaligen deutschen Ehefrau, sondern den Umstand angesehen hat, daß der Antragsteller während seiner beiden Ehen mit zwei deutschen Frauen insgesamt drei Kinder mit seiner indischen Ehefrau gezeugt hat, hat auf die Ermessensausübung, die am öffentlichen Interesse an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände im Bereich des Staatsangehörigkeitsrechtes ausgerichtet ist, keinen Einfluß. Auch die weitere, für die Rücknahmeentscheidung maßgebliche Erwägung des Antragsgegners, daß der Antragsteller die Rechtswidrigkeit seiner Einbürgerung durch Verschweigen wesentlicher Angaben zu seiner Person erwirkt hat, trifft auf den Rechtswidrigkeitsgrund der endgültig aufgegebenen ehelichen Lebensgemeinschaft mit der deutschen Staatsangehörigen vor Aushändigung der Einbürgerungsurkunde in gleicher Weise zu wie auf die vom Antragsgegner angenommenen Gründe.
9Vgl. hierzu: OVG NW, Urteil vom 2. Sep-tember 1996 - 25 A 2106/94 -, UA S. 26.
10Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 124a Abs. 2 Satz 2, § 146 Abs. 6 Satz 2, 1. Halbsatz VwGO abgesehen.
11Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
12Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 13 Abs. 1, § 20 Abs. 3 GKG und dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (DVBl. 1996, 605, II., 41.1). Danach ist in dem auf Einbürgerung gerichteten Hauptsacheverfahren der doppelte Auffangstreitwert anzusetzen, welcher auch für ein entsprechendes Rücknahmeverfahren als angemessen erachtet wird (vgl. OVG NW, Urteil vom 2. September 1996 - 25 A 2106/96 -, UA S. 29). Dieser Wert ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.
13Dieser Beschluß ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG unanfechtbar.
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