Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 3 B 2120/98
Tenor
1
G r ü n d e :
2Der Senat entscheidet über die Zulassung der Beschwerde und zugleich über die Beschwerde selbst; die Beteiligten sind vor- her auf diese Möglichkeit hingewiesen worden und hatten Gele- genheit zur (ergänzenden) Stellungnahme.
3I. Die Beschwerde ist wegen eines erstinstanzlichen Verfah- rensmangels zuzulassen, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 146 Abs. 4, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
4Dem Antragsteller war mit richterlicher Verfügung vom 11. August 1998 eine Frist von drei Wochen zur Gegenäußerung auf die Antragserwiderung des Antragsgegners eingeräumt worden. Indem das Verwaltungsgericht während der noch laufenden Äußerungsfrist mit dem angefochtenen Beschluß vom 25. August 1998 über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO entschieden hat, hat es gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs i.S.v. Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO verstoßen.
5Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. August 1991 - 4 C 11.90 -, NJW 1992, 327.
6Der Antragsteller hat im Zulassungsantrag auch (sinngemäß) dargelegt, was er vorgetragen hätte, wenn ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme auf die Antragserwiderung nicht wie gesche- hen abgeschnitten worden wäre. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß der Beschluß des Verwaltungsgericht in Kenntnis dieses Vortrags anders ausgefallen wäre; mithin beruht der Beschluß auf dem Gehörsverstoß.
7II. Die Beschwerde hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschie- benden Wirkung (der inzwischen erhobenen) Klage gegen die He- ranziehungsbescheide vom 18. März 1998 in Gestalt der Wider- spruchsbescheide vom 12. August 1998 im Ergebnis zu Recht ab- gelehnt.
8Im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist vordringlich nur den vom Rechtsschutzsuchenden selbst aufgeworfenen Fragen nachzugehen - abgesehen von (hier nicht vorliegenden) Fehlern, die sich bei summarischer Prüfung als offensichtlich aufdrängen. Dabei können allerdings mit Blick auf die Funktion und die begrenzten Erkenntnismöglichkeiten des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens weder schwierige Rechtsfragen vertieft oder abschließend geklärt noch komplizierte Tatsachenfeststellungen getroffen werden.
9Vgl. den Beschluß des Senats vom 25. August 1988 - 3 B 2564/85 -, OVGE 40, 160 = NWVBl. 1990, 16 = NVwZ-RR 1990, 54.
10Nach diesem Prüfungsmaßstab ist das Beschwerdevorbringen nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide oder eine unbillige Härte i.S.v. § 80 Abs. 5, Abs. 4 Satz 3 VwGO zu begründen.
111. Der Senat hegt keine ernstlichen Zweifel an der Annahme, daß es sich bei der abgerechneten Ausbaumaßnahme um die erstmalige endgültige Herstellung des Weges handelt. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß es vor Erteilung der Zustimmung der Bezirksregierung gemäß § 125 Abs. 2 BauGB vom 31. Januar 1997 an einer rechtmäßigen Herstellung und damit an einer Voraussetzung für die Entstehung einer endgültigen Beitragspflicht fehlte und der Antragsgegner insbesondere auch sein technisches Bauprogramm bis zu diesem Zeitpunkt ändern konnte. Die Zustimmung der Bezirksregierung war erforderlich, da angesichts der Freiflächen östlich der Ausbaustrecke deren Verlauf und Gestaltung nicht durch die Örtlichkeit vorgegeben war.
122. Die Grundstücke des Antragstellers dürften auch als "Bauland" i.S.v. § 133 Abs. 1 BauGB erschlossen sein. Entgegen den Ausführungen der Beschwerde, die sie dem Außenbereich zuordnen will, spricht nach derzeitigem Erkenntnisstand des Senats Überwiegendes für die Annahme, daß sie zu dem im Zusammenhang bebauten Ortsteil (§ 34 Abs. 1 BauGB) von gehören. Daß - wie die Beschwerde geltend macht - der Antragsgegner die Grundstücke in der Vergangenheit und möglicherweise nach (schwankender) Rechtsansicht einzelner Amtswalter auch noch in jüngerer Zeit dem Außenbereich zugerechnet hat, ist unerheblich. Mangels eines Bebauungsplans sind grundsätzlich die in der Örtlichkeit gegebenen Bebauungsverhältnisse maßgeblich. Die vom Antragsgegner vorgelegten Fotos und die in seinen Verwaltungsvorgängen befindlichen Pläne sprechen dafür, daß der erforderliche Bebauungszusammenhang gegeben ist. Denn die am weg, am weg und im Hintergelände dieser Straßen gelegene Reihenhausbebauung reicht entlang der gesamten südlichen Grundstücksgrenze unmittelbar an das Flurstück 250 bzw. an die ca. 4 Meter breite Parzelle 202 heran. Der Bebauungszusammenhang dürfte auch nicht durch den ca. 25-30 m großen Abstand zwischen den Gebäuden auf dem Flurstück 250 und den Reihenhäusern unterbrochen sein. Zudem dürfte der Beobachter vor Ort weder wegen der Größe der Grundstücke des Antragstellers noch wegen der auf ihnen verwirklichten baulichen Anlagen (Tennishalle mit Hotel) den Eindruck haben, es handele sich um Fremdkörper, die am Bebauungszusammenhang nicht mehr teilnähmen. Nach den vorgelegten Fotos und Plänen erscheinen diese Gebäude vielmehr als Abschluß der Bebauung vor der weiter nördlichen gelegenen Trasse der Autobahn A 4.
133. Hinsichtlich des geltend gemachten Aufwandes bestehen ebenfalls keine ernstlichen Zweifel i.S.v. § 80 Abs. 5, Abs. 4 Satz 3 VwGO.
14a) Die nur einseitige Anbaubarkeit des Großrotter Wegs (auf mehr als 2/3 der Abrechnungsstrecke) führt nicht zur Anwendung des in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten sog. Halbteilungsgrundsatzes.
15Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 31. Januar 1992 - 8 C 31.90 -, BVerwGE 89, 362 = DVBl. 1992, 1104; Driehaus, Er- schließungs- und Ausbaubeiträge, 5. Aufl. 1999, § 12 Rdnr. 40 ff. (44, 48).
16Denn es spricht Überwiegendes für die Annahme, daß der Antragsgegner sich mit dem Ausbau des Wegs als Mischverkehrsfläche in einer Breite von ca. 6 Metern auf den Umfang beschränkt hat, der für eine hinreichende Erschließung der angrenzenden bebaubaren Grundstücke unerläßlich ist. Dies gilt zum einen mit Blick auf die massive Wohnbebauung westlich der Ausbaustrecke bis zur Einmündung des weges. Es dürfte aber auch nicht zu beanstanden sein, daß dieser Ausbauumfang auf der weiteren Teilstrecke entlang der Grundstücke des Antragstellers fortgeführt wurde; diese Entscheidung dürfte innerhalb des weiten Beurteilungsspielraums einer Gemeinde bei der Bestimmung des für die Erschließung Unerläßlichen liegen,
17vgl. hierzu Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 5. Aufl. 1999, § 12 Rdnr. 50 ff.,
18zumal - wie der Antragsteller selbst vorträgt - diese Teilstrecke zum Abstellen von Kraftfahrzeugen genutzt wird.
19b) Auch hinsichtlich der Umlagefähigkeit der geltend gemachten Fremdkapitalkosten hegt der Senat nach derzeitigem Erkenntnisstand keine ernstlichen Zweifel. Insbesondere dürfte es vom Ansatz her nicht zu beanstanden sein, daß der Antragsgegner, da für die vor geraumer Zeit (1975) durchgeführten Kanalbauarbeiten keine Rechnungsunterlagen mehr vorhanden waren, insoweit auf gesicherte Erfahrungssätze (hier: in Gestalt des für das Jahr 1975 geltenden Einheitssatzes) zurückgegriffen
20- vgl. BVerwG, Urteile vom 16. August 1985 - 8 C 120-122.83 -, NJW 1986, 1122 (1124) und vom 15. November 1085 - 8 C 41.84 -, BRS 43 Nr. 96 (S. 246) = DÖV 1986, 391 (L) -
21und auf dieser Grundlage Fremdkapitalkosten ab dem Herstel- lungszeitpunkt der Teileinrichtung Straßenentwässerung (12. Juni 1975, dem Tag der Abnahme) berechnet hat. Etwaige weitere, ins Einzelne gehende Fragen der Berechnung der Fremdkapitalkosten müssen mit Blick auf den oben dargestellten gerichtlichen Kontrollmaßstab im Eilverfahren der Prüfung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
224. Eine Reduzierung der für sein Grundstück angesetzten Verteilungseinheiten kann der Antragsteller voraussichtlich ebenfalls nicht beanspruchen:
23a) Nach derzeitigem Erkenntnisstand dürfte der Antragsgegner das Flurstück 250 zu Recht bis zur Hinterkante der Bebauung bzw. seiner tatsächlichen erschließungsbeitragsrechtlich relevanten Nutzung in die Verteilung einbezogen haben. Soweit der Antragsteller geltend macht, daß eine Teilfläche der Parzelle innerhalb der Anbauverbotszone gemäß § 9 FStrG liege bzw. als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen und deshalb unbebaubar sei, ist dies insoweit unerheblich, als öffentlich-rechtliche Baubeschränkungen nur dann Einfluß auf dem Umfang der erschlossenen Grundstücksfläche haben, wenn das dadurch betroffenen Nutzungsmaß eine Komponente der satzungsmäßigen Verteilungsregelung ist.
24Vgl. BVerwG, Urteile vom 3. Februar 1989 - 8 C 66.87 -, BVerwGE 81, 251 (256 f.) = NVwZ 1989, 1076 und vom 10. Oktober 1995 - 8 C 12.94 -, NVwZ 1996, 800 (802) = KStZ 1997, 72; Drie- haus, § 17 Rdnr. 50.
25Letzteres ist hier indessen nicht der Fall; die vorliegend nach § 5 Abs. 3 Buchst. a) EBS 1988 bei Grundstücken im unbeplanten Innenbereich maßgebliche tatsächliche Geschoßfläche wird durch die erwähnten Baubeschränkungen nicht betroffen. Im übrigen liegen nach einem Vermerk des Amtes 63 des Antragsgegners vom 28. Oktober 1998 (Anlage 1 zum Schriftsatz des Antragsgegners vom 5. November 1998) sowohl die auf dem Grundstück des Antragstellers errichteten Gebäude als auch die Stellplätze außerhalb der 40-Meter- Anbauverbotszone nach § 9 FStrG; eine eventuell erforderliche weitergehende Klärung diesbezüglicher Fragen muß dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
26b) Die satzungsrechtliche Regelung über die Tiefenbegrenzung von 40 Metern (§ 5 Abs. 5 Satz 1 EBS 1988) kommt vorliegend ebenfalls nicht zur Anwendung, weil das Flurstück 250 über diese Grenze hinaus baulich und gewerblich genutzt wird (Satz 4 der Vorschrift). Der abweichenden Interpretation dieser Satzungsbestimmung durch den Antragsteller vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
27c) Schließlich bestehen auch keine ernstlichen Zweifel dagegen, daß dem Antragsteller, der zwischenzeitlich mit zwei weiteren Bescheiden vom 30. Juni 1999 auch zu (Teil- )Erschließungsbeiträgen für den an das Flurstück 250 angrenzenden weg herangezogen wurde, die Vergünstigung für Mehrfacherschließung (§ 7 Abs. 1 EBS 1988) nicht gewährt wurde, weil seine Grundstücke nicht "überwiegend Wohnzwecken dienen"; gegen die Wirksamkeit dieser satzungsmäßigen Voraussetzung hegt der Senat keine Bedenken.
28Vgl. hierzu Driehaus, a.a.O., § 18 Rdnr. 72 m.w.N.
295. Hinsichtlich des weiteren Einwands der Verwirkung der Beitragsforderung nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug.
306. Daß die vom Antragsteller geforderten Erschließungsbeiträge für den Weg und den weg in der Summe mehr als 510.000 DM betragen und somit, wie der Antragsteller einwendet, den nach seinen Angaben mit rund 810.000 DM anzusetzenden Wert seiner Grundstücke weitestgehend "aufzehren", was er als "kalte Enteignung" bezeichnet, führt ebenfalls nicht zu einem Erfolg des Aussetzungsantrages: Diese Umstände begründen keine Bedenken gegen die einschlägigen Bestimmungen der EBS, insbesondere mußte der Antragsgegner keine diese Folgen vermeidende Satzungsregelung vorsehen. Eventuelle Billigkeitsmaßnahmen gemäß § 135 Abs. 5 BauGB sind nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
31Vgl. hierzu Driehaus, a.a.O., § 26 Rdnr. 38 ff. m.w.N.
32Die Prüfung der diesbezüglichen Voraussetzungen durch den Antragsgegner konnte im übrigen nach dessen Angaben noch nicht erfolgen, weil der Antragsteller die hierfür erforderlichen Unterlagen bislang nicht vorgelegt hat.
33Eine unbillige Härte i.S.v. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO ist weder geltend noch glaubhaft gemacht.
34Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG.
35Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
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