Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 16 B 1555/99
Tenor
1
G r ü n d e :
2I.
3Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe entsprechend § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3 VwGO iVm § 146 Abs. 4 VwGO nicht hinreichend dargelegt sind bzw. nicht vorliegen.
4Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nicht. Anders als von der genannten Vorschrift vorausgesetzt, ruft das Vorbringen des Antragstellers nicht Bedenken von solchem Gewicht gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung hervor, daß deren Ergebnis ernsthaft in Frage gestellt ist und bei summarischer Prüfung die Annahme gerechtfertigt erscheint, der Erfolg des zuzulassenden Rechsmittels sei wahrscheinlicher als dessen Mißerfolg.
5Das Verwaltungsgericht hat die angefochtene Entscheidung im wesentlichen darauf gestützt, der Antragsteller habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, weil nicht von der örtlichen Zuständigkeit der Antragsgegnerin ausgegangen werden könne. Da sich nicht zweifelsfrei feststellen lasse, wo der Antragsteller vor Beginn des Strafvollzuges am 13. November 1998 im Sinne des § 86 a Abs. 2 bzw. 3 SGB VIII seinen gewöhnlichen bzw. tatsächlichen Aufenthalt gehabt habe, bestimme sich die Zuständigkeit des örtlichen Jugendhilfeträgers gemäß § 86 d SGB VIII danach, wo der Antragsteller unmittelbar vor Beginn der Aufnahme in die Jugendwohngemeinschaft des M. e.V. seinen tatsächlichen Aufenthalt gehabt habe. Danach scheide eine Zuständigkeit der Antragsgegnerin zum vorläufigen Tätigwerden aus; denn unmittelbar vor seiner Aufnahme in das Jugendwohnheim des M. e.V. am 2. Februar 1999 habe sich der Antragsteller in der Zeit vom 26. Januar bis zum 2. Februar 1999 in der JVA S. aufgehalten.
6Die innerhalb der Antragsfrist des § 146 Abs. 5 Satz 1 VwGO erfolgten Darlegungen wecken keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Begründung und der getroffenen Entscheidung. Der Antragsteller macht geltend, das Verwaltungsgericht hätte seiner Würdigung den Inhalt der eidesstattlichen Versicherung vom 12. Juli 1999 zugrundelegen müssen, wonach er sich vor seiner Inhaftierung, wenn auch obdachlos und an wechselnden Plätzen, im Gebiet der Stadt B. aufgehalten habe. Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht einen Widerspruch zwischen seiner eidesstattlichen Versicherung vom 12. Juli 1999 und den Angaben in seinem handschriftlichen Lebenslauf vom 14. Januar 1999 gesehen. Tatsächlich stelle die eidesstattliche Versicherung lediglich eine Konkretisierung des handschriftlichen Lebenslaufes dar.
7Auch nach Auffasssung des Senats kann indes die eidesstattlichen Versicherung des Antragstellers vom 12. Juli 1999 nicht als bloße Konkretisierung des handschriftlichen Lebenslaufes verstanden werden. In ihm heißt es nämlich, nach dem Verlust der eigenen Wohnung im Sommer 1998 habe der Antragsteller bei Freunden gewohnt und sei straffällig geworden und am 13. November 1998 inhaftiert worden. Mit dieser Angabe läßt sich bei der im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Prüfung der Inhalt der eidesstattlichen Versicherung nicht in Einklang bringen, wonach er in der Zeit vom 30. August 1998 bis zu seiner Inhaftierung an wechselnden öffentlichen Plätzen bzw. in Straßen- und U-Bahnen im Stadtgebiet B. geschlafen und lediglich "einmal ... bei einem H. F. in der M. Straße" übernachtet habe, wobei die Formulierung "bei einem H. F. " nahelegt, daß es sich insoweit gerade nicht um einen Freund, sondern um einen Bekannten gehandelt hat. Soweit in der eidesstattlichen Versicherung überhaupt mit örtlichem Bezug von Freunden die Rede ist, heißt es, der Antragsteller habe "Freunde in St. A. und in S. besucht". Nimmt man hinzu, daß die Sachbearbeiterin N. vom Jugendamt der Antragsgegnerin ausweislich eines internen Schreibens vom 3. Mai 1999 und der zu den Gerichtsakten gereichten Stellungnahme vom 21. Juli 1999 auf Grund eines mit dem Antragsteller am 9. Februar 1999, über längere Zeit auch unter vier Augen geführten Gesprächs den Eindruck gewonnen hatte, der Antragsteller habe sich vor seiner Inhaftierung an verschiedenen Orten im R. -S. - Kreis aufgehalten, kann nicht mit der für die begehrte Entscheidung erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, der Antragsteller habe vor seiner Inhaftierung seinen gewöhnlichen oder tatsächlichen Aufenthalt im Sinne von § 86 a Abs. 1 bis 3 SGB VIII im Stadtgebiet B. gehabt, mag sich dies im Falle einer eventuellen späteren Beweisaufnahme auch als zutreffend herausstellen. Die Tatorte der dem Urteil des Amtsgerichts S. vom 2. Februar 1999 - 28 Ls 76/98 - zugrundeliegenden Straftaten ergeben insoweit ebenfalls kein eindeutiges Bild: Zwar trifft es zu, daß die vom Antragsteller benannten Delikte im Bereich der Stadt B. verübt worden sind; andere Taten sind hingegen im R. - S. -Kreis begangen worden. Ausweislich des Urteils des Amtsgerichts S. vom 2. Februar 1999 hat der Antragsteller etwa am 9. Oktober 1998 gegen 17.19 Uhr den Bus der Linie 535 von S. A. -N. nach S. ohne Fahrausweis benutzt.
8Steht nach alllem die örtliche Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers nach § 86 a Abs. 1 bis 3 SGB VIII nicht fest, so hat das Verwaltungsgericht zu Recht die § 43 Abs. 1 SGB I verdrängende (vgl. § 37 Satz 1 SGB I)
9- so auch Hauck, SGB VIII, § 86 d Rdnr. 2 -
10und einen Schutz der Einrichtungsorte entsprechend § 86 a Abs. 2 SGB VIII nicht enthaltende Regelung des § 86 d SGB VIII über die Verpflichtung zum vorläufigen Tätigwerden als einschlägig angesehen.
11Aus dem Vorstehenden ergibt sich zugleich, daß der Antragsteller sich auch auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache) nicht berufen kann, unabhängig davon, ob man diesen Zulassungsgrund dahin versteht, daß er überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich übersteigende Schwierigkeiten erfassen will, oder ob er dann anzunehmen ist, wenn wegen der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten der Sache im Zulassungsverfahren eine Prognose über den Ausgang des Rechtsstreits nicht möglich ist.
12Vgl. Seibert, Das Verfahren auf Zulassung der Berufung - Erfahrungen mit der 6. VwGO-Novelle, NVwZ 1999, 113 (116).
13Zwar ist es im Hinblick auf die Handhabung der Zuständigkeitsregelungen des § 86 a Abs. 1 bis 3 SGB VIII möglicherweise schwierig zu klären, wo der Antragsteller sich vor seiner Inhaftierung im November 1998 tatsächlich aufgehalten hat. Da das Gesetz mit der Vorschrift des § 86 d SGB VIII über die Verpflichtung zum vorläufigen Tätigwerden jedoch eine Bestimmung enthält, die diesen Schwierigkeiten Rechnung trägt, sind die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 2 iVm § 146 Abs. 4 VwGO im vorliegenden Eilverfahren nicht erfüllt.
14Auch grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 iVm § 146 Abs. 4 VwGO kommt der Rechtssache nicht zu, weil von Seiten des Antragstellers anders als erforderlich eine klärungsbedürftige Rechtsfrage nicht benannt worden ist.
15II.
16Da dem Antrag auf Zulassung der Beschwerde nicht stattgegeben werden kann, ist die vom Antragsteller vorsorglich bereits eingelegte Beschwerde nach § 146 Abs. 4 VwGO nicht statthaft.
17Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO.
18Der Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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