Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 23 A 875/97
Tenor
1
Tatbestand:
2Die Kläger verlangen von der Beklagten die Beseitigung einer Robinie (Robinia pseudoacacia - Scheinakazie), die in einem Abstand von ca. 2 m vor ihrem Grundstück - getrennt durch einen Gehweg - im Bereich eines Parkstreifens entlang der M. straße gepflanzt ist.
3Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks mit der Straßenbezeichnung M. straße 36 in H. , das mit einem zweigeschossigen Wohnhaus mit ausgebautem Dachgeschoß bebaut ist.
4Im Jahr 1986 wurden im Bereich der Parkstreifen entlang der M. straße auf Veranlassung der Beklagten in unregelmäßigen Abständen mehrere Robinien gepflanzt, unter anderem eine vor dem Haus der Kläger.
5Mit Schreiben vom 17. Oktober 1995 wandte sich der Kläger zu 2. erstmalig an die Beklagte und bat um einen Ortstermin unter Hinweis auf eine Beschädigung des Gehweges infolge der Baumwurzeln und eine drohende Gefahr für seine Grenzmauer. Ferner forderte er einen Rückschnitt der Baumkrone wegen der Lichtverhältnisse im Innern seines Wohnhauses und teilte im übrigen mit, daß Ver- und Entsorgungsleitungen im Bereich des Wurzelwerkes verliefen.
6Nach Durchführung einer Inaugenscheinnahme am 31. Oktober 1995 wurde ausweislich eines handschriftlichen Vermerks durch einen Bediensteten der Beklagten verfügt: "alle Akazien auslichten - max. 35 %".
7Mit weiterem Schriftsatz vom 21. November 1995 forderten der Kläger zu 2. die Beklagte zu einer Stellungnahme auf und gab an: Die Akazie entziehe seinem Grundstück und den Innenräumen des Hauses über Gebühr Licht. Das herabfallende Laub verschmutze übermäßig den Gehweg mit der Folge eines gesteigerten Reinigungsaufwandes. Gleiches gelte für den Vorgarten, wo Bepflanzungen nicht mehr sinnvoll seien, weil es zu feucht sei und Moosbefall eintrete. Das Wurzelwerk des Baumes habe die Platten des Gehweges angehoben, so daß eine Stolper- und damit eine Unfallgefahr bestehe. Einem in Aussicht gestellten Ausdünnen des Kronenbereichs könne nicht zugestimmt werden, vielmehr sei erforderlich, daß die Krone "kurz geschnitten" werde. Telefonisch sei erklärt worden, hinsichtlich des Wurzelwerkes werde die gleiche Zusage gegeben wie wegen der Baumkrone. Dies sei auch erforderlich, weil sich im Gehwegbereich die Anschlüsse des Hauses befänden und auch Schäden an der Grenzmauer zu besorgen seien.
8Unter dem 6. Dezember 1995 wiesen die Kläger unter Vorlage eines von einer Hautärztin und Allergologin für ihren Sohn ausgestellten Allergiepasses, in dem unter anderem eine Überempfindlichkeit gegen den Stoff "Akazie" vermerkt ist, darauf hin, daß ihr Sohn gegen Akazien allergisch sei und forderten die Beklagte zur Beseitigung des Baumes auf.
9Mit Schreiben vom 20. Dezember 1995 lehnte die Beklagte ein Fällen des Baumes mit der Begründung ab, für beschattete Vorgärten gebe es geeignete Bepflanzungen. Laubbäume führten zu einer Verbesserung des städtischen Kleinklimas. Der Lichtentzug werde für nicht so gravierend gehalten. Ein regelmäßiger Rückschritt sei bei dem gemeinsamen Ortstermin zugesagt worden. Die Kronen würden nicht "kurzgeschnitten". Die Verwaltung werde dafür sorgen, daß durch Wurzeln keine Unfallgefahren bei den Gehwegplatten hervorgerufen würden. Eine Fällung des Baumes wegen der Allergie des Sohnes der Kläger sei nicht ausreichend, da im Nahbereich noch weitere Bäume mit Pollenflug seien. Die ökologische Funktion des Baumes sei höher als die Beeinträchtigungen durch Laub, Blütenblätter oder ähnliches.
10Am 22. Februar 1996 haben die Kläger Klage erhoben. Zur Begründung haben die Kläger ihr bisheriges Vorbringen ergänzt und vertieft und ergänzend im wesentlichen geltend gemacht: Bei dem streitigen Baum handele es sich um einen schnell wachsenden, großkronigen Baum mit viel Laubfall. Er habe eine geschätzte Höhe von 8 m und einen Kronendurchmesser von ebenfalls geschätzten 8 m. Die Beklagte habe unter dem Druck des anhängigen Verfahrens zwar einen Rückschnitt der Äste bis etwa in Höhe der Grundstücksgrenze vorgenommen. Die bereits geschilderten Beeinträchtigungen seien unzumutbar und würden in Zukunft erheblich zunehmen. Ihr 14-jähriger Sohn reagiere äußerst allergisch auch auf Akazienpollen. Die Pollenbelastung durch den Baum sei mehrere Monate im Jahr ganz extrem hoch. Zur Sommerzeit könnten die Fenster im Haus nicht geöffnet werden. Ihr Sohn könne das Haus nicht durch die Vordertür verlassen. Der Baum stehe im Windschatten des Hauses, weshalb bei der vorherrschenden Westwindlage Pollen nicht weggeweht würden. Die in der Nachbarschaft in einer Entfernung von 20 m bzw. 27 m befindlichen Bäume seien für ihn zwar ebenfalls eine Belastung. Mit zunehmenden Abstand vermindere sich aber die Pollenkonzentration. Die Verschattung durch den Baum sei so stark, daß selbst tagsüber bei normalem Tageslicht die elektrische Beleuchtung eingeschaltet werden müsse. In wenigen Jahren würden die Zweige das Dach und das Dachgeschoß ihres Hauses erreicht haben, so daß eine völlige Verfinsterung eintreten werde.
11Die Kläger haben beantragt,
12die Beklagte zu verpflichten, die vor dem Grundstück M. straße 36 in H. im Bereich der öffentlichen Verkehrsfläche gepflanzte Akazie (Robinie) zu beseitigen.
13Die Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie hat insbesondere vorgetragen: Ein Fällen des Baumes sei rechtmäßig abgelehnt worden. in ca. 10 m bis 15 m ständen weitere Robinien. Durch die Luftzirkulation würden auch die Pollen dieser Bäume allergische Reaktionen auslösen. Der Abstand der Baumkrone zu den Fenstern des Dachgeschosses der Kläger betrage in der Horizontale ca. 3,5 m bis 4 m. Da die Krone nach oben schmaler werde, sei der tatsächliche Abstand noch größer. Bei vergleichbaren Fällen werde ein Rückschnitt vollzogen, der Überwuchs und weitere Beeinträchtigungen möglichst ausschalte. Den Klägern sei eine den Licht- und Standortverhältnissen angepaßte Vorgartenbepflanzung zuzumuten. Das Tiefbauamt werde Sorge tragen, daß im Gehwegbereich keine Unfallgefahren entstünden. Bei ordnungsgemäßer Fundamentierung der Grundstücksmauer seien keine Schäden durch Baumwurzeln zu erwarten. Bei einer Verlegung der Ver- und Entsorgungsanlagen entsprechend den DIN-Vorschriften könnten Wurzeln nicht eindringen.
16Das Verwaltungsgericht Köln hat mit Urteil vom 31. Oktober 1996, auf das Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.
17Gegen das ihnen am 2. Januar 1997 zugestellte Urteil haben die Kläger am 3. Februar 1997, einem Montag, Berufung eingelegt. Sie wiederholen ihr bisheriges Vorbringen und machen ergänzend insbesondere geltend: Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht eine wesentliche Beeinträchtigung in entsprechender Anwendung des § 906 BGB verneint. Gerade bei Pollenallergien sei auf das wandelbare Empfinden eines Durchschnittsmenschen abzustellen. Bei Allergien habe sich die Einstellung der Bürger gewandelt. Infolge der nicht gegebenen Möglichkeit, die Vorderseite des Hauses zu belüften, habe das Haus an Wohnwert verloren. Der Einbau einer Belüftungsanlage könne nicht verlangt werden. Im übrigen hätten sich die Gehwegplatten erneut angehoben.
18Die Kläger beantragen schriftsätzlich sinngemäß,
19das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, die vor dem Grundstück M. straße 36 in H. im Bereich der öffentlichen Verkehrsfläche gepflanzte Robinie zu beseitigen.
20Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt im wesentlichen vor: Pollen seien ortsübliche Immissionen, die hinzunehmen seien. Bei einer Allergie habe der Betroffene selbst Abhilfe zu schaffen. Da an der M. straße noch weitere Robinien ständen, würde das Fällen eines Baumes die Allergiebelastung nicht wesentlich senken. Die Allergie des Sohnes sei auch nicht der zunächst angeführte Grund für ein Beseitigungsverlangen gewesen, sie sei erst später nachgeschoben worden, weshalb sich der Verdacht aufdränge, die Krankheit werde nur vorgeschoben.
23Der Berichterstatter hat am 8. September 1999 einen Erörterungstermin mit anschließender Inaugenscheinnahme durchgeführt. Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom gleichen Tag und die aus diesem Anlaß gefertigten Lichtbilder verwiesen.
24Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten.
25Entscheidungsgründe:
26Der Senat kann im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter entscheiden (§§ 87a Abs. 2 und 3, 125 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 2 VwGO).
27Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Kläger haben gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die Beseitigung der streitigen Robinie.
281. Als Grundlage des klägerischen Begehrens kommt ein öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch in Betracht. Die dogmatische Ableitung dieses gesetzlich nicht normierten Anspruchs ist zwar noch weitgehend ungeklärt, er ist jedoch in der Rechtsprechung gewohnheitsrechtlich anerkannt. Ein Anspruch auf Folgenbeseitigung ist nach der höchstrichterlichen und der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts unter folgenden Voraussetzungen grundsätzlich gegeben: Es muß ein hoheitlicher Eingriff vorliegen, der ein subjektives Recht des Betroffenen verletzt. Für den Betroffenen muß dadurch ein rechtswidriger Zustand entstanden sein, der andauert.
29Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 26. Au-gust 1993 - 4 C 24/91 -, BVerwGE 94, 100 (103 f.); OVG NRW, Urteile vom 14. Januar 1994 - 7 A 2001/92 -, OVGE 44, 1 (3), und vom 24. November 1994 ‑ 23 A 212/94 -, S. 8 des Urteilsabdrucks.
30Dabei beschränkt sich der Folgenbeseitigungsanspruch nicht nur auf die Folgen der Vollziehung eines Verwaltungsakts, sondern erfaßt auch die Folgen schlicht hoheitlichen Handels. Er ist gerichtet auf die Wiederherstellung des Zustandes, wie er vor dem schädigenden Ereignis bestand.
31Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. August 1993 ‑ 4 C 24.91 -, a.a.O. (119); OVG NRW, Urteil vom 22. Mai 1995 ‑ 23 A 2987/94 -, S. 8 des Urteilsabdrucks m.w.N.
32Von diesen Grundsätzen ausgehend sind die Voraussetzungen eines Folgenbeseitigungsanspruchs hier nicht erfüllt. Die Kläger können die Beseitigung der streitigen Robinie nicht verlangen. Nach der Sach- und Rechtslage, die in dem für die Beurteilung der Begründetheit von allgemeinen Leistungsklagen maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des erkennenden Senats zugrunde zu legen ist
33- vgl. etwa Jörg Schmidt, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 10. Auflage (1998), § 113 RnRn. 45 ff. m.w.N. -,
34kann nicht festgestellt werden, daß subjektive Rechtspositionen der Kläger verletzt sind. Die Kläger sind vielmehr weiterhin zur Duldung dieses Baumes verpflichtet.
35a) Gemäß § 32 Abs. 1 des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen - StrWG NRW - i.d.F. der Bekanntmachung vom 23. September 1995 (GV. NRW. S. 1026; berichtigt GV. NRW. 1996 S. 81, 141, 216), bleiben die Bepflanzung des Straßenkörpers und der Nebenanlagen, ihre Pflege und Unterhaltung dem Träger der Straßenbaulast vorbehalten (Satz 1). Soweit im Zuge von Ortsdurchfahrten nicht die Gemeinde Träger der Straßenbaulast ist, soll die Bepflanzung im Benehmen mit der Gemeinde erfolgen (Satz 2). Dem Naturschutz und der Landschaftspflege ist Rechnung zu tragen (Satz 3).
36Ferner bestimmt Absatz 2 der vorgenannten Bestimmung, daß die Eigentümer und die Besitzer von Grundstücken an öffentlichen Straßen die Einwirkungen von Pflanzen im Bereich des Straßenkörpers und der Nebenanlagen und die Maßnahmen zu ihrer Erhaltung und Ergänzung zu dulden haben (Satz 1). Sie haben der Straßenbaubehörde rechtzeitig vorher anzuzeigen, wenn sie Wurzeln von Straßenbäumen abschneiden wollen (Satz 2).
37b) § 32 StrWG NRW geht zurück auf die Bestimmung des § 32 des Landesstraßengesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (Landes-straßengesetz - LStrG) vom 28. November 1961 (GV. NRW. S. 305). Auch hiernach war die Bepflanzung des Straßenkörpers ausschließlich dem Träger der Straßenbaulast vorbehalten. Die Straßenanlieger (§ 16 Abs. 1 LStrG 1961) hatten alle Maßnahmen zu dulden, die im Interesse der Erhaltung und Ergänzung der auf dem Straßenkörper befindlichen Pflanzungen erforderlich sind.
38Vgl. zur gesetzgeberischen Zielsetzung LT-Drucks. 4/10, S. 51.
39Mit der Novellierung des Landesstraßenrechts durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Landesstraßengesetzes (StrWG NRW i.d.F. der Bekanntmachung vom 1. August 1983, GV. NRW. S. 306) ist § 32 StrWG NW in zwei Absätze aufgeteilt worden. Die Ergänzung auf Nebenanlagen, die Benehmensherstellung mit der Gemeinde, die nicht Träger der Straßenbaulast ist, und die Verpflichtung zur Berücksichtigung des Naturschutzes und der Landschaftspflege wurden eingeführt. Die bis dahin schon vorgeschriebene Duldungspflicht der Anlieger in Bezug auf Bepflanzungen wurde redaktionell klargestellt und die Pflicht zur Benachrichtigung der Straßenbauverwaltung vor einem Abschneiden von Wurzeln eingefügt.
40Vgl. LT-Drucks. 9/860, S. 70 f.
41Bei der hier maßgeblichen Fassung des § 32 StrWG NRW wurde in dessen Absatz 1 Satz 1 ebenfalls nur klargestellt, daß zur Straßenbaulast nicht nur die Anlage von Pflanzungen im Bereich des Straßenkörpers und der Nebenanlagen, sondern auch deren Pflege und Unterhaltung zählt.
42Vgl. LT-Drucks. 11/7738, S. 37.
43c) Der Umfang der Duldungspflicht aus § 32 Abs. 2 Satz 1 StrWG NRW erstreckt sich nicht nur auf die ausdrücklich erwähnten Einwirkungen von Pflanzen, sondern erfaßt selbstverständlich auch - da logisch vorausgesetzt - die Pflanzen als solche.
44Der Begriff der "Bepflanzung" i.S.d. § 32 StrWG NRW schließt den gesamten Bewuchs des zur öffentlichen Straße gehörenden Bereichs ein (vgl. § 2 Abs. 2 und 3 StrWG NRW). Geschützt sind Pflanzen jedweder Art und Gestalt, wie etwa Bäume, Sträucher, Stauden, Hecken, Gräser und ähnliches. Gleichgültig ist, ob die Bepflanzung planmäßig angelegt wurde oder auf natürliche Weise, d. h. durch Sukzession, entstanden ist.
45Vgl. Fickert, Straßenrecht in Nordrhein-Westfalen, 3. Auflage (1989), § 32 Rn. 1; Wiget, in: Zeitler, Bayerisches Straßen- und Wegegesetz, Kommentar, Loseblatt-Ausgabe (Stand: Januar 1999), Art. 30 Rn. 7.
46d) Bedenken an der Wirksamkeit der Regelungen des § 32 StrWG NRW, soweit sie hier entscheidungserheblich sind, bestehen nicht. Insbesondere verstößt die den Eigentümern der Grundstücke an öffentlichen Straßen auferlegte Duldungspflicht in Absatz 2 dieser Bestimmung nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG.
47aa) Die in § 32 Abs. 2 Satz 2 StrWG NRW normierten Duldungspflichten bewirken eine Beschränkung der Eigentümerbefugnisse des Straßenanliegers. Hierbei handelt es sich indes nicht um eine Enteignung i.S.d. Art. 14 Abs. 3 GG, sondern um eine Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG.
48Ebenso: OLG Hamm, Urteil vom 18. De-zember 1980 ‑ 5 U 87/80 -, AgrarR 1981, 288 m. Anm. Bendel; Fickert, a.a.O., § 32 Rn. 13.
49Diese Beurteilung folgt aus der Erwägung, daß jedes Grundstück durch seine Lage und Beschaffenheit sowie die Einbettung in seines Umwelt geprägt wird. Straßenrechtliche Regelungen, die ‑ wie hier ‑ den Belangen des Straßenbaus, des Verkehrs und der Natur bzw. Landschaft dienen, tragen damit der Situationsgebundenheit eines Grundstücks aufgrund der räumlichen Beschränkungen der Eigentümerbefugnisse Rechnung. Bei deren Regelung ist die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers um so größer, je stärker der soziale Bezug des Eigentumsobjekts ist.
50Vgl. zum Straßenplanungsrecht: BVerwG, Urteile vom 23. Januar 1981 ‑ 4 C 4.78 -, BVerwGE 61, 295 (302 f.), und vom 11. März 1988 ‑ 4 C 78.84 -, NJW 1988, 2121 (2122); zum Naturschutzrecht: BVerwG, Urteil vom 24. Juni 1993 ‑ 7 C 26.92 -, BVerwGE 94, 1 (4 ff.).
51bb) Die Regelung des § 32 Abs. 2 StrWG NRW wird von vernünftigen Gemeinwohlgedanken getragen. Die Bepflanzung der Straße und ihrer Nebenanlagen kann vielfältigen straßenbautechnischen und verkehrlichen Interessen oder aber auch der Straßengestaltung dienen. Zwecke können sein etwa die Befestigung der Böschung, die optische Führung der Straße, der Blend- und Windschutz oder der Schutz des Verkehrsteilnehmers vor Ablenkung durch die Umgebung bzw. sonstige fahrpsychologische Vorteile. Daneben haben Anpflanzungen regelmäßig bestandssichernde und verkehrslenkende Aufgaben. Die Bepflanzung der Straße und der Nebenanlagen erfüllt nicht zuletzt auch landschaftsgestalterische und landschaftsästhetische Funktion.
52Vgl. Fickert, a.a.O., § 32 Rn. 2; Kodal, Kempfer und Bauer, in: Kodal/Krämer, Straßenrecht, 5. Auflage (1995), S. 190 f. (Rn. 12.5), S. 691 (Rn. 11), S. 1343 (Rn. 1.5); Wiget, a.a.O., Art. 32 Rn. 1; Bernadotte, Bäume an Verkehrsstraßen, Städtetag 1965, 17 ff.
53cc) Die Beschränkung der Eigentümerbefugnisse hat allerdings nicht zur Folge, daß der Eigentümer eines Grundstücks jegliche Beeinträchtigungen oder gar Schäden durch Bepflanzungen im öffentlichen Straßenraum zu dulden hätte und lediglich auf Entschädigungsansprüche gegen die öffentliche Hand zu verweisen ist.
54Vgl. zu Ausgleichsansprüchen wegen Schäden durch Straßenbäume BGH, Urteil vom 8. März 1990 ‑ III ZR 141/88 -, NJW 1990, 3195 (3196 f.).
55Denn die Duldungspflicht des Grundstückseigentümers liegt nur dann im Rahmen des Sozialbindung des Eigentums, wenn das öffentliche Interesse sie unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, insbesondere unter dem Aspekt der Zumutbarkeit, notwendig macht. Der Normgeber hat daher die privaten und sozialen Nutzen des Eigentumsgebrauchs in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Eine einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung steht mit den verfassungsrechtlichen Vorstellungen eines sozialgebundenen Privateigentums nicht im Einklang. Dem entspricht die Bindung des Gesetzgebers an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das Wohl der Allgemeinheit ist nicht nur Grund, sondern auch Grenze für die dem Eigentum aufzuerlegenden Beschränkungen. Um vor der Verfassung Bestand zu haben, müssen sie vom geregelten Sachbereich her geboten und auch in ihrer Ausgestaltung sachgerecht sein. Einschränkungen der Eigentumsbefugnisse dürfen nicht weiter gehen, als der Schutzzweck reicht, dem die Regelung dient. In jedem Fall erfordert die verfassungsrechtliche Gewährleistung die Erhaltung der Substanz des Eigentums und die Beachtung des Gleichbehandlungsgebots des Art. 3 Abs. 1 GG.
56Vgl. etwa BVerfG, Beschluß vom 30. No-vember 1988 ‑ 1 BvR 1301/84 -, BVerfGE 79, 174 (198).
57Diese Erfordernisse sind straßenrechtlich hinreichend berücksichtigt, jedenfalls aber berücksichtigungsfähig.
58Durch § 32 Abs. 2 Satz 2 StrWG NRW, wonach das Beschneiden der Wurzeln von Straßenbäumen vorher der Straßenbaubehörde angezeigt werden muß, ist klargestellt, daß die in einem zivilrechtlichen Rechtsverhältnis aus § 910 Abs. 1 BGB folgenden, und über die Art. 122 und 124 EGBGB einschränkbaren Eigentümerbefugnisse in Bezug auf eindringende und beeinträchtigende (§ 910 Abs. 2 BGB) Wurzeln auch in dem öffentlichen Verhältnis zwischen Anlieger und Straße nicht eingeschränkt werden. Der Straßenbauverwaltung soll nur Gelegenheit gegeben werden, sich auf die Situation einzustellen; eine Genehmigung oder Zustimmung dieser Behörde ist jedoch nicht erforderlich.
59Vgl. BGH, Urteil vom 7. März 1986 ‑ V ZR 92/85 -, BGHZ 97, 231 (235); OVG NW, Urteil vom 27. Juni 1986 ‑ 2 A 1153/85 -, DWW 1986, 326; siehe auch LT-Drucks. 9/860, a.a.O.
60Der Senat neigt ferner zu der Auffassung, daß dem Eigentümer bei einer am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten verfassungskonformen Auslegung des § 32 Abs. 2 Satz 2 StrWG NRW auch das weitere - im Privatrecht in § 910 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB normierte - Recht zustehen dürfte, überragende und die Grundstücksnutzung beeinträchtigende Äste nach vorheriger Fristsetzung selbst zu beseitigen.
61Ebenso: Grote, a.a.O., S. 1245 (Rn. 14) und S. 1261 (Rn. 26.55); Fickert, a.a.O., § 32 Rn. 13; wohl auch Walprecht/Cosson, Straßen- und Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 2. Auflage (1986), § 32 Anm. 2 (Rn. 282); anderer Ansicht: Bendel, Anmerkung zu OLG Hamm, Urteil vom 18. Dezember 1980 ‑ 5 U 87/80 -, AgrarR 1981, 289.
62Allerdings kann der Grundstückseigentümer auf der Grundlage des § 32 Abs. 2 StrWG NRW von der Straßenbaubehörde weder verlangen, daß diese die Wurzeln oder Äste selbst beschneidet, noch steht ihm nach öffentlichem Recht ein Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen für einen selbst durchgeführten Rückschnitt zu.
63In diesem Zusammenhang sei allerdings angemerkt, daß von der straßenrechtlichen Genehmigungsfreiheit eines Rückschnitts weitergehende naturschutzrechtliche Verbote, wie etwa nach dem kommunalen Baumschutzrecht, unberührt bleiben.
64Darüber hinaus spricht vieles für die Annahme, daß einem Grundstückseigentümer bei einer verfassungskonformen Auslegung des § 32 StrWG NRW auch das Recht einzuräumen ist, in besonderen Ausnahmesituationen auf der Grundlage eines Folgenbeseitigungsanspruchs die Beseitigung einer Bepflanzung von der Straßenbaubehörde zu fordern.
65Zum Ausschluß privatrechtlicher Beseitigungsansprüche vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Mai 1981 ‑ 4 C 19.78 -, NVwZ 1982, 112 (113); Zum zivilrechtlichen Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB: BGH, Urteil vom 23. Februar 1973 ‑ V ZR 109/71 -, BGHZ 60, 235 (241 f.).
66Es kann nicht angehen, daß die generelle normative Unterschutzstellung des Straßenbegleitgrüns absolut ist und auf Dauer Beachtung verlangt, der individuelle Fall und die wirtschaftlichen Lasten und Einschränkungen der Nutzbarkeit des Grundeigentums eines Straßenanliegers jedoch nie Beachtung finden. Jedenfalls zu einem späteren Zeitpunkt muß deshalb gewährleistet sein, daß die den privaten Eigentümer belastenden Aspekte hinreichend berücksichtigt werden.
67Vgl. zum kommunalen Baumschutzrecht etwa OVG NW, Urteil vom 8. Oktober 1993 ‑ 7 A 2021/92 -, NWVBl. 1994, 140 (143).
68Dies dürfte dann der Fall sein, wenn die Bepflanzung im Laufe der Zeit aufgrund natürlichen Wuchses einen Umfang erreicht hat, der entweder zu ernsthaften, nicht anderweitig behebbaren Schäden an privaten Nachbargrundstücken führt bzw. solche Schäden hinreichend konkret zu befürchten sind oder aber die Nutzung dieser Grundstücke in einem unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt mehr zumutbaren Maße beeinträchtigt wird.
69Anderer Ansicht - ohne jedoch zu differenzieren -: Grote, a.a.O., S. 1245 (Rn. 14); vgl. auch LG Aachen, Urteil vom 27. November 1985 ‑ 4 O 317/85 -, AgrarR 1986, 214 (125).
70Denn der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz kann durch Behinderungen der freien Sicht sowie der Licht- und Sonnenzufuhr tangiert sein. Art. 14 GG verbietet auch im nachbarlichen Verhältnis von öffentlicher Straße und Anliegergrundstück übermäßige ‑ unmittelbare und mittelbare ‑ Einwirkungen und verlangt eine angemessene Rücksichtnahme der Straße auf schutzwürdige Interessen des Anliegers.
71Vgl. zum baden-württembergischen Straßenrecht: BVerwG, Urteil vom 29. Mai 1981 ‑ 4 C 19.78 -, a.a.O. (112).
72e) Unter Zugrundelegung des vorstehend Ausgeführten steht den Klägern im Zeitpunkt dieser Entscheidung kein Anspruch auf Beseitigung der Robinie zu. Die Kläger sind vielmehr gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 StrWG NRW weiterhin verpflichtet, den Baum zu dulden.
73aa) Die Robinie ist integrierender Bestandteil (§ 94 Abs. 1 Satz 2 BGB) des Parkstreifens entlang der M. straße und damit als Bepflanzung gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 StrWG NRW Zubehör dieser Straße. Die fragliche Straße ist, was zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht, eine Gemeindestraßen i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 StrWG NRW. Die Straßenbaulast obliegt daher der Beklagten (§ 47 StrWG NRW). In Ausübung ihrer Funktion als Träger der Straßenbaulast hat die Beklagte die Bepflanzung der M. straße mit Straßenbäumen auch veranlaßt. Daß der Bepflanzung offensichtlich kein förmliches Verfahren vorausgegangen ist, ist unschädlich. Die Ausgestaltung von Gemeindestraßen, bei denen jedenfalls nicht die Belange des Verkehrs überwiegen, wie bei Hauptverkehrsstraßen, Zubringerstraßen u.a. (vgl. § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StrWG NRW), sondern bei denen allenfalls i.S.d. § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 StrWG NRW die Belange der Erschließung der anliegenden Grundstücke überwiegen (Anliegerstraßen, verkehrsberuhigte Bereiche, Fußgängerbereiche u.a.), bedarf ‑ wie aus den §§ 37 Abs. 1 und 5, 47, 51 Abs. 1 StrWG NRW folgt ‑ keiner Planfeststellung. Ein Straßenbau kann zwar auch durch einen Bebauungsplan geplant werden (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB). Eine rechtliche Verpflichtung der Gemeinde besteht hierzu aber nicht.
74bb) Die streitige Robinie kann im Ergebnis ‑ gemessen an den jeweils betroffenen Belangen ‑ weiterhin nicht beanstandet werden. Sie wird im Zusammenhang mit den anderen an der M. straße gepflanzten Bäumen in mehrfacher Hinsicht den Zwecken des Straßenbegleitgrüns gerecht. Die Bäume dienen der Auflockerung und zugleich der Gestaltung des Straßenbildes indem sie für die Verkehrsteilnehmer deutliche Signale setzen. Auch die Empfehlungen für die Anlage von Erschließungsstraßen, Ausgabe 1985 ‑ EAE 85 ‑ (nunmehr in ergänzter Fassung 1995 vorliegend), gehen davon aus, daß Bäume einen wichtigen Beitrag zur Gestaltung des Straßenraumes leisten können (vgl. die Nr. 5.2.1.15 und die Bilder 20 und 40 der EAE 85 bzw. 85/95).
75cc) Die Interessen der Kläger werden von der Robinie nicht in unzumutbarer Weise berührt.
76Allein wegen der natürlichen Auswirkungen bzw. Lebensäußerungen der Robinie, wie dem Laub-, Blüten- oder Früchtefall, kommt eine Beseitigung nicht in Betracht. Bei den hiermit einhergehenden Beeinträchtigungen handelt es sich um zu duldende ortsübliche Einwirkungen.
77Vgl. Grote, a.a.O., m.w.N. aus der Rspr.
78Ein möglicherweise erhöhter Reinigungsaufwand bei der Säuberung des Bürgersteiges oder der Pflege des Vorgartens ist angesichts der von Bäumen gerade im innerstädtischen Raum ausgehenden Wohlfahrtswirkungen nicht unzumutbar.
79Die Rüge der Kläger, die Robinie bewirke eine unzumutbare Verschattung ihrer Wohnräume, greift nicht. Abgesehen davon, daß im Laufe des Verfahrens die Krone des Baumes von der Beklagten zurückgeschnitten worden ist, konnte anläßlich der Inaugenscheinnahme durch den Berichterstatter des Senats keine unzumutbaren Verschattung festgestellt werden. Ein möglicherweise subjektiver Eindruck der Dunkelheit in den zur M. straße orientierten Erdgeschoßräumen des Hauses der Kläger mag allenfalls durch die dunkle Einrichtung und die Deckenbalken sowie die relativ kleinen Fenster bewirkt werden. Hinzu kommt, worauf bereits das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat und was die vorliegenden Lichtbilder belegen, daß die Thujen links und rechts der Erdgeschoßfenster je nach Sonnenstand zu einer Minderung des Lichteinfalls führen können. Eine unzumutbare Verschattung des Obergeschosses ist ebensowenig gegeben. Wie die anläßlich des Ortstermines aufgenommenen Lichtbilder augenfällig belegen, hat die Robinie eine lichtdurchlässige Krone und läßt, was insbesondere die Aufnahme Nr. 6 zeigt, eine Sonneneinstrahlung ungehindert zu. Eine etwaige Verschattung des Vorgartens der Kläger kann eine Beseitigung der Robinie schon gar nicht rechtfertigen. Es gibt genügend schatten- und halbschattenverträgliche Pflanzen, die auch ohne direkte Sonneneinstrahlung gedeihen.
80Die Befürchtungen der Kläger, das Wurzelwerk der Robinie könne Schäden an ihrer Grundstücksmauer und den zu ihrem Haus führenden Versorgungsleitungen bewirken, sind nicht substantiiert belegt worden. Schäden waren bei dem Ortstermin nicht zu erkennen. Im übrigen sind die Kläger auf ihr Recht aus § 32 Abs. 2 Satz 2 StrWG NRW zu verweisen.
81Soweit die Kläger geltend machen, die Robinie bewirke Verwerfungen der Platten des Bürgersteiges vor ihrem Haus - was allerdings auch auf Frostschäden zurückzuführen sein könnte -, sprechen sie Belange an, die im Zusammenhang mit der aus den §§ 9, 9 a StrWG NW folgenden Verkehrssicherungspflicht des Straßenbaulastträgers stehen. Die aus diesen Bestimmungen sich ergebenden Amtspflichten, die beim Bau und der Unterhaltung der öffentlichen Straßen und der Erhaltung deren Verkehrssicherheit zusammenhängenden Aufgaben in Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten zu bewältigen, vermitteln indes nach der ständigen Rechtsprechung des Senats privaten Dritten kein subjektiv-öffentliches (Leistungs‑)Recht.
82Vgl. etwa OVG NRW, Urteile vom 21. Juli 1994 ‑ 23 A 100/93 -, S. 8 f. des Urteilsabdrucks, und vom 10. Dezember 1994 ‑ 23 A 2097/93 -, NVwZ-RR 1995, 482 f. jeweils m.w.N.
83Was letztlich die von den Klägern ins Feld geführte Allergie ihres Sohnes gegen Robinienpollen anbelangt, gilt folgendes:
84Im Grundsatz mag eine nachgewiesene gesundheitliche Beeinträchtigung aufgrund einer Pollenallergie unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten wegen des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 GG (Schutz der körperlichen Unversehrtheit) im Einzelfall die Beseitigung eines durch § 32 StrWG NRW geschützten Baumes rechtfertigen.
85Vgl. zum kommunalen Baumschutzrecht etwa Günther, Rechtsfragen bei der Anwendung von Baumschutzvorschriften, NuR 1998, 637 (641 f.)
86Es mag auf sich beruhen, ob die Kläger überhaupt befugt sind, im eigenen Namen ein Beseitigungsrecht wegen dieser Baumallergie geltend zu machen. Denn eine abwägende Prüfung unter Berücksichtigung von Aspekten der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit ergibt, daß dem öffentlichen Interesse an einem weiteren Bestand des Baumes gegenüber dem privaten Interesse an dessen Beseitigung in größeres Gewicht zukommt.
87Ausweislich des Allergentestbogens der Hautärztin und Allergologin Dr. med. M. -P. vom 9. November 1995 sind bei dem Allergietest in Bezug auf das Allergen "Robinie (f. Akazie)" anders als bei den meisten anderen getesteten Allergenen nur zwei statt drei Kreuze vorhanden. Hinzu kommt, daß ausweislich der den Beteiligten anläßlich des Erörterungs- und Ortstermines überreichten und als Anlage zum Protokoll genommenen Fachliteratur Robinien nur in der Zeit Mai/Juni blühen, also während eines verhältnismäßig beschränkten Zeitraumes. Die Beseitigung der Robinie vor dem Haus der Kläger mag zwar für ihren Sohn eine gewisse Erleichterung bewirken können. Demgegenüber kann aber auch nicht - worauf bereits die Beklagte und das Verwaltungsgericht hingewiesen haben - außer Acht gelassen werden, daß entlang der M. straße weitere Robinien stehen, mit deren Pollen der Sohn der Kläger bei einem Verlassen des Hauses zwangsläufig ebenso in Kontakt kommt wie mit den weit verbreiterteren und häufiger anzutreffenden Allergenen der "Gräser/Getreide, Bäume (Frühblüher u. Mittelblüher), Kräuter, Gerste, Hafer, Roggen, Weizen, Hasel, Birke, Rotbuche, ..., Hausstaub/-milbe" (vgl. Schreiben der Hautärztin und Allergologin Dr. med. M. -P. vom 27. August 1999 nebst Anlage).
882. Ob neben einem öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch das geltend gemachte Beseitigungsbegehren zusätzlich eine Grundlage in den §§ 903, 1004 BGB finden könnte
89- bejahend: Bendel, a.a.O.; verneinend: BVerwG, Urteil vom 29. Mai 1981 ‑ 4 C 19.78 -, a.a.O. (113); Wiget, a.a.O., Art. 30 Rn. 13 -,
90bedarf hier keiner Entscheidung. Selbst wenn dem so wäre, könnten die Kläger hiermit nicht durchdringen.
91a) Es fehlt in Bezug auf diese Anspruchsgrundlage schon an dem Erfordernis einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit i.S.d. § 40 VwGO. Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtsweges in dieser Hinsicht ist jedoch durch den Senat gemäß § 17a Abs. 5 GVG nicht mehr zu prüfen, da über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache zu entscheiden ist. Hiervon ausgehend hat der Senat nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen.
92b) Nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung einer Beeinträchtigung verlangen, wenn das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird. Dieser Anspruch ist allerdings gemäß § 1004 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
93So liegt der Fall hier. Für den zivilrechtlich bedeutsamen Abstand, der bei Pflanzungen allgemein von der Grenze des Nachbargrundstücks einzuhalten ist, und für die Ausnahmen, die von den dieser allgemeinen Vorschrift zugunsten der Pflanzungen entlang öffentlicher Straßen bestehen, sind die landesrechtlichen Vorschriften maßgebend (Nachbarrechtsgesetze und Ausführungsgesetze zum BGB aufgrund Art. 122 und 124 EGBGB).
94Vgl. Grote, a.a.O., S. 1244 (Rn. 14).
95Welche Grenzabstände für Pflanzen einzuhalten sind, ist in den §§ 40 bis 44 des Nachbarrechtsgesetzes (NachbG NRW) vom 15. April 1969 (GV. NRW. S. 190), zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. März 1995 (GV. NRW. S. 193) des NachbG NRW geregelt. Eine Verletzung dieser Vorschriften kann nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches geltend gemacht werden (§ 50 NachbG NRW). Gemäß § 45 Abs. 1 b) NachbG NRW gelten die Vorschriften der §§ 40 bis 44 NachbG NRW indes nicht für Anpflanzungen auf öffentlich-rechtlichen Verkehrsflächen mit der Folge, daß Anpflanzungen schlechthin keine Grenzabstände einzuhalten haben.
96Vgl. Schäfer, Nachbarrechtsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 9. Auflage (1991), § 45 Anm. 2 ff.; Dröschel/Glaser, das Nachbarrecht in Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 5. Auflage (1984), § 45 Rn. 1 ff.
97Ob dieser Grundsatz mit Blick auf Art. 14 GG in besonderen Ausnahmefällen nicht doch Einschränkungen unterliegt, kann offenbleiben. Denn nach dem oben Dargelegten sind hier keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalles ersichtlich. Abgesehen davon, ist der hier nach § 41 Abs. 1 Nr. 1 b) NachbG NRW einzuhaltende Pflanzabstand von 2 m gewahrt und ein Beseitigungsanspruch in Bezug auf die 1986 gepflanzte Robinie wegen mangelnder Klageerhebung binnen sechs Jahren nach dem Anpflanzen gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 NachbG NRW ausgeschlossen.
98Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO.
99Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 713 ZPO.
100Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.
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