Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 12 A 2889/99
Tenor
Die Berufung wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger steht als Beamter im feuerwehrtechnischen Dienst der Beklagten. Unter dem 26. Juni 1997 beantragte er u.a. für eine prothetische Zahnbehandlung des Oberkiefers seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau die Kostenübernahme und fügte einen Heil- und Kostenplan des behandelnden Zahnarztes Dr. L. bei. Nach einer amtsärztlichen Prüfung des Planes teilte die Beklagte der Ehefrau des Klägers mit Schreiben vom 21. August 1997 mit, daß die vorgesehene Behandlung einschließlich des Zahnarzthonorars medizinisch notwendig und somit beihilfefähig sei. Eine Überschreitung des in § 5 Abs. 2 der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) festgelegten 2,3fachen Gebührensatzes sei jedoch durch den Zahnarzt schriftlich zu begründen.
3Am 13. Oktober 1997 beantragte der Kläger die Gewährung einer Beihilfe für Aufwendungen in Höhe von insgesamt 17.493,31 DM für die Zahnbehandlung seiner Ehefrau, die Dr. L. unter dem 22. Juli 1997 in Rechnung gestellt hatte. Der Rechnung beigefügt war eine schriftliche Begründung des 3,5fachen Abrechnungssatzes bei den Positionen 221 und 222 GOZ. In der Begründung heißt es:
4"- erhöhter Zeitaufwand wegen speziel- ler Präparation für Keramikkro- ne/Teilkrone - verlängerte Einsetzzeit, da Säure- Ätztechnik und Sealer (= spezieller Verbindungskunststoff) nötig - erhöhter Zeitaufwand wegen diffe- renzierter Farbnahme nötig - erhöhter Zeitaufwand wegen starkem Speichelfluß und spezieller Trok- kenlegung"
5Mit Bescheid vom 29. Oktober 1997 erkannte die Beklagte von den geltend gemachten Aufwendungen einen Betrag in Höhe von 12.048,09 DM als beihilfefähig an und gewährte hierauf eine Beihilfe in Höhe von 8.433,66 DM. Zur Begründung führte sie aus: Die berechneten Materialkosten seien nicht beihilfefähig. Die Überschreitung des 2,3fachen Schwellenwertes bei den Gebührenziffern 221 und 222 GOZ sei nicht ausreichend begründet, weil die in der Regel einzuhaltende Spanne zwischen dem einfachen und dem 2,3fachen Gebührensatz nicht nur für einfache oder höchstens durchschnittlich schwierige und aufwendige Behandlungsfälle, sondern auch für die Mehrzahl der aufwendigen und schwierigen Behandlungsfälle gelte.
6Mit seinem Widerspruch vom 5. November 1997 trug der Kläger vor, daß seines Erachtens die zahnärztliche Begründung für die Überschreitung des 2,3fachen Schwellenwertes bei den Positionen 221 und 222 ausreiche.
7Nach Einholung einer Stellungnahme der Jugendzahnärztin Dr. B. des Oberkreisdirektors des Kreises M. wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18. De- zember 1997 zurück und führte aus: Die durch Dr. L. gegebene Begründung mache nicht nachvollziehbar ersichtlich, daß aufgrund patientenbezogener Umstände atypische und erheblich überdurchschnittliche Leistungen erbracht worden seien. Eine besondere Technik, in der eine Leistung erbracht werde, stelle keine Besonderheit im Sinne der GOZ dar. Der 2,3fache Gebührensatz gelte auch für die Mehrzahl der schwierigen und aufwendigen Behandlungsfälle. Die spezielle Präparation einer Teilkrone werde mit der Gebührenposition 222 abgegolten. Auch die mehr oder weniger mühsame Farbanpassung der Krone sei in dieser Gebührenstelle enthalten.
8Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht: Die Überschreitung des 2,3fachen Gebührensatzes sei vor allem vor dem Hintergrund eines erhöhten Zeitaufwandes für die Behandlung gerechtfertigt. Die Auffassung der Beklagten, nur sog. patientenbezogene Umstände rechtfertigten die Überschreitung des 2,3fachen Gebührensatzes, sei unzutreffend. Hierfür biete der Wortlaut des § 5 Abs. 2 GOZ keinen Anhalt. Der 2,3fache Satz stelle lediglich einen arithmetischen Mittelwert zwischen dem niedrigsten einfachen und dem äußerstenfalls zulässigen 3,5fachen Satz dar. Es sei zudem ermessensmißbräuchlich, die gleiche Behandlung für den Unterkiefer in vollem Umfange als beihilfefähig anzuerkennen, für den Oberkiefer aber abzulehnen. Außerdem liege ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor, weil sog. "Empress- Restaurationen" - wie sie bei seiner Ehefrau vorgenommen worden seien - bei Post-, Bahn- und Ministerialbeamten als beihilfefähig anerkannt würden. Die Anfertigung und Eingliederung von Empress-Kronen sei zudem generell mit einem erheblichen zeitlichen Mehraufwand verbunden. Auch deren verlängerte Einsetzzeit liege in der Natur der Sache. Die Farbanpassung dieser Kronen sei besonders schwierig, da sie durchscheinend (transluzent) seien. Der Speichelfluß seiner Ehefrau sei zudem mindestens doppelt so stark wie bei anderen Patienten.
9Der Kläger hat beantragt,
10die Beklagte unter Aufhebung des Beihilfefestsetzungsbescheides vom 29. Oktober 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde ohne Datum zu verpflichten, ihm zu der Rechnung des Zahnarztes Dr. L. vom 22. Juli 1997 eine weitere Beihilfe in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
11Die Beklagte hat beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie hat zur Begründung vorgetragen: Die Begründungen des Zahnarztes ließen nicht erkennen, in welchem Umfang durch die benannten Schwierigkeiten ein tatsächlicher Mehraufwand an Arbeit entstanden sei. Dies gelte auch für die pauschale Behauptung erhöhten Zeitaufwandes wegen starken Speichelflusses und spezieller Trockenlegung. Es entspreche der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten, die auch in einem Runderlaß des Finanzministers vom 4. Januar 1988 Ausdruck gefunden habe, nur sog. patientenbezogene Umstände für das Überschreiten des Schwellenwertes ausreichen zu lassen.
14Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch das angefochtene Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, abgewiesen.
15Mit seiner Berufung macht der Kläger ergänzend geltend: Spätestens im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens sei eine ausreichende Begründung für die Überschreitung des Schwellenwertes vorgelegt worden. Im übrigen seien die Gebührenordnungen für Ärzte und Zahnärzte nicht miteinander vergleichbar, so daß etwa in der Rechtsprechung für die ärztliche Gebührenordnung aufgestellte Grundsätze nicht auf die zahnärztliche Gebührenordnung übertragbar seien. Auch im Hinblick auf die Kassensätze bestünden zwischen beiden Gebührenordnungen erhebliche Unterschiede.
16Der Kläger beantragt - sinngemäß -,
17das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29. Oktober 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 1997 zu verpflichten, ihm eine weitere Beihilfe in Höhe von 1.626,24 DM zu gewähren.
18Die Beklagte beantragt - sinngemäß -,
19die Berufung zurückzuweisen.
20Sie tritt dem angefochtenen Urteil bei und führt ergänzend aus: Auf eine Verletzung des Gleichheitssatzes könne sich der Kläger nicht berufen, weil ihm Beihilfe zu seinen notwendigen Aufwendungen im angemessenen Umfange gewährt worden sei und ein weitergehender Anspruch nicht bestehe. Im übrigen sei auch bei der Behandlung des Unterkiefers der Ehefrau des Klägers bei den hier in Rede stehenden Gebührenpositionen lediglich der 2,3fache Satz als beihilfefähiger Aufwand anerkannt worden.
21Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
22Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus der Gerichtsakte und dem beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten; hierauf wird Bezug genommen.
23Entscheidungsgründe:
24Die zulässige Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
25Das Klagebegehren bedarf zunächst der Auslegung (§§ 125 Abs. 1 Satz 1, 88 VwGO). Zwar hat der Kläger schriftsätzlich einen Antrag dahingehend angekündigt, die Beklagte unter Aufhebung des hier in Rede stehenden Beihilfefestsetzungsbescheides zu verpflichten, ihm eine weitere Beihilfe in gesetzlicher Höhe zu bewilligen. Aus den im Rahmen des Klageverfahrens und auch des Berufungsverfahrens abgegebenen Begründungen folgt jedoch ebenso wie schon aus der Widerspruchsbegründung, daß er sich lediglich gegen die von der Beklagten vorgenommenen Streichungen bei den Gebührenpositionen 221 und 222 der Rechnung des Zahnarztes Dr. L. vom 22. Juli 1997 wendet. Den weiteren Streichungen in Höhe von insgesamt 22,60 DM bei den Gebührenziffern 009, 204 und 208 betreffend angefallene Materialkosten tritt er nicht entgegen. Deshalb ist von einem bezifferten Klageantrag des Klägers dahin auszugehen, ihm zu der Rechnung des Zahnarztes Dr. L. eine weitere Beihilfe in Höhe von 1.626,24 DM zu gewähren.
26Der Beihilfefestsetzungsbescheid der Beklagten vom 29. Oktober 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 1997 ist in dem hier streitbefangenen Umfang rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dieser hat keinen Anspruch auf Gewährung einer weiteren Beihilfe in der geltend gemachten Höhe (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
27Beihilfefähig sind die notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfange in Krankheitsfällen zur Wiedererlangung der Gesundheit (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung für die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfe-verordnung - BVO -) vom 27. März 1975, GV NRW S. 332, in der im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen - hier der Behandlung durch den Zahnarzt am 22. Juli 1997 - maßgeblichen (vgl. § 3 Abs. 5 Satz 2 iVm § 12 Abs. 1) Fassung der Verordnung vom 25. Juni 1997, GV NRW S. 197. Daß die Behandlungsschritte, um die es im vorliegenden Fall geht, notwendig waren, ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten. Der Erfolg des vom Kläger verfolgten Begehrens scheitert jedoch daran, daß in dem hier streitigen Umfang keine angemessenen Aufwendungen in Rechnung gestellt worden sind.
28Die Angemessenheit dieser Aufwendungen beurteilt sich grundsätzlich nach dem Gebührenrahmen der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) vom 22. Oktober 1987, BGBl. I S. 2316, weil zahnärztliche Hilfe in aller Regel nur nach Maßgabe dieser Gebührenordnung zu erlangen ist. Deshalb setzt die Beihilfefähigkeit zunächst voraus, daß der Zahnarzt die Rechnungsbeträge bei zutreffender Auslegung der Gebührenordnung zu Recht in Rechnung gestellt hat. Nur dann handelt es sich grundsätzlich um im Sinne des § 3 Abs. 1 BVO notwendige Aufwendungen im angemessenen Umfange. Daraus folgt, daß der Begriff der "notwendigen Aufwendungen im angemessenen Umfange" verwaltungsgerichtlich voll überprüfbar ist.
29Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 30. Mai 1996 - 2 C 10.95 -, ZBR 1996, 314, 315.
30Die Angemessenheit der vorliegend geltend gemachten Aufwendungen beurteilt sich maßgeblich nach § 5 GOZ. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Bestimmung bemißt sich die Höhe der einzelnen Gebühr nach dem einfachen bis 3,5fachen des Gebührensatzes. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 GOZ sind innerhalb des Gebührenrahmens die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistungen sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen. Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ darf in der Regel eine Gebühr nur zwischen dem einfachen und 2,3fachen des Gebührensatzes bemessen werden; ein Überschreiten des 2,3fachen Gebührensatzes ist nur zulässig, wenn Besonderheiten der in Satz 1 genannten Bemessungskriterien dies rechtfertigen. Bereits der Wortlaut des Satzes 4 zeigt demach, daß die Rechtsauffassung des Klägers fehlgeht, der 2,3fache Satz stelle lediglich einen "arithmetischen" Mittelwert zwischen dem einfachen und 3,5fachen Satz dar. Vielmehr kommt dem 2,3fachen Gebührensatz die Funktion eines Schwellenwertes zu, dessen Überschreiten nur bei Vorliegen eng umschriebener Besonderheiten zulässig ist.
31Das Vorliegen dieser Besonderheiten ist gerichtlich voll nachprüfbar. Der für die Überschreitung des Schwellenwertes erforderliche Ausnahmecharakter setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, daß die Besonderheiten gerade bei der Behandlung des betreffenden Patienten, abweichend von der Mehrzahl der Behandlungsfälle, aufgetreten sind. Vom Arzt allgemein oder häufig, jedenfalls nicht nur bei einzelnen Patienten wegen in ihrer Person liegender Schwierigkeiten angewandte Behandlungen stellen keine derartige Behandlung dar. Diese muß sich vielmehr von der Mehrzahl der Fälle deutlich unterscheiden.
32Vgl. BVerwG, Urteile vom 30. Mai 1996, a.a.O., und vom 17. Februar 1994 - 2 C 10.92 -, BVerwGE 95, 117, 122.
33Die weitergehende Auffassung des VGH Baden-Württemberg,
34vgl. Urteil vom 17. September 1992 -4 S 2084/91 -, VBlBW Rechtsprechungsreport 9.14,
35wonach auch Besonderheiten des angewandten Verfahrens, soweit diese nicht in der Leistungsbeschreibung berücksichtigt worden sind, den Ansatz eines den Schwellenwert übersteigenden Faktors rechtfertigen können, ist abzulehnen. In diesem Fall könnte nämlich schon eine bestimmte, vom Einzelfall unabhängige und durchaus häufiger, wenn nicht sogar in der Mehrzahl der Fälle angewandte Art der Ausführung der im Gebührenverzeichnis beschriebenen Leistung - beispielsweise eine spezielle Technik - das Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigen. Dies widerspräche indes dem Wortlaut des § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ, wonach "in der Regel" - also in der Mehrzahl der Behandlungsfälle - lediglich eine Gebühr zwischen dem einfachen und 2,3fachen Satz bemessen werden darf.
36Vgl. hierzu auch: BVerwG, Urteil vom 17. Februar 1994 - 2 C 10.92 -, a.a.O.
37In Übereinstimmung hiermit ist durch den Runderlaß des Ministers NRW vom 4. Januar 1988 (B 3100 - 3.1.6.2 - IV A 4, SMBl. NRW 203204) festgelegt, daß das Überschreiten des Schwellenwertes nur solche Besonderheiten rechtfertigen, die in der Person des Patienten liegen (sog. patientenbezogene Bemessungskriterien). Mit der Veröffentlichung dieser Verwaltungsvorschrift hat der Dienstherr seine Auffassung zu dieser für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens maßgeblichen Rechtsfrage auch in allgemein zugänglicher Form deutlich gemacht, so daß etwaige Unklarheiten der Gebührenordnung hiermit ausgeräumt sind und es im vorliegenden Fall nicht auf eine etwa nur vertretbare Auslegung der Gebührenordnung ankommt.
38Vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 30. Mai 1996, a.a.O..
39Sofern die berechnete Gebühr nach § 10 Abs. 2 Nr. 2 GOZ das 2,3fache des Gebührensatzes überschreitet, muß der Zahnarzt eine schriftliche Begründung nach § 10 Abs. 3 Satz 1 GOZ vorlegen. Auf Verlangen ist die Begründung näher zu erläutern (§ 10 Abs. 3 Satz 2 GOZ). Nach dem Zweck der Pflicht zur schriftlichen Begründung, dem Patienten eine (lediglich) grobe Handhabe zur Einschätzung der Rechtfertigung des geltend gemachten Gebührenanspruchs an die Hand zu geben, sind zwar grundsätzlich keine ins einzelne gehenden Anforderungen zu stellen, um von einer formell ausreichenden Begründung ausgehen zu können.
40Vgl. hierzu: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 7. Juni 1994 - 4 S 1666/91 - , IÖD 1994, 208, 209.
41Auf der anderen Seite muß die vom Zahnarzt gegebene Begründung aber jedenfalls geeignet sein, das Vorliegen solcher Umstände nachvollziehbar zu machen, welche nach dem materiellen Gebührenrecht eine Überschreitung des Schwellenwertes und insbesondere den Ansatz des Höchstwertes rechtfertigen können.
42Vgl. OVG NRW, Urteil vom 11. Januar 1996 - 6 A 1743/95 -.
43Daran fehlt es hier. Dies gilt zunächst hinsichtlich des von Dr. L. bezüglich verschiedener, den Gebührenziffern 221 und 222 unterfallender Behandlungselemente geltend gemachten "erhöhten Zeitaufwandes". Der Zeitaufwand rechnet zwar grundsätzlich zu den Bemessungskriterien des § 5 Abs. 2 Satz 1 GOZ. Die im vorliegenden Fall gegebene Begründung macht indes nicht deutlich, welcher Zeitaufwand entfaltet wurde, der die erbrachte Leistung gegenüber dem Durchschnittsfall - zugunsten des Klägers unterstellt, dieser sei angemessen mit dem 2,3fachen Gebührensatz vergütet - qualifiziert. Sie bleibt allgemein gehalten und enthält lediglich eine wertende ("erhöht") Schlußfolgerung, aber keinen nachvollziehbaren Tatsachenkern. Gleiches gilt hinsichtlich der ins Feld geführten "verlängerten Einsetzzeit", bei der gleichfalls nicht deutlich wird, in welchem Umfange und aus welchen Gründen sie von einer durchschnittlichen Einsetzzeit in der Mehrzahl der Behandlungsfälle abweicht.
44Soweit die Anwendung des Höchstsatzes mit der Anwendung der Säure-Ätztechnik und von Sealer (spezieller Verbindungskunststoff) begründet wird, reicht dies ebenfalls nicht aus. So ist schon nicht dargelegt, daß die Säure- Ätztechnik gerade bei der Behandlung der Ehefrau des Klägers abweichend von der großen Mehrzahl der Behandlungsfälle angewandt worden ist. Gleiches gilt im Hinblick auf den im vorliegenden Fall verwendeten Verbindungskunststoff (Sealer). Vor allem legt die Begründung des Dr. L. ebensowenig wie deren im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erfolgte Ergänzung, die sich schwerpunktmäßig auf eine inhaltliche Beschreibung der angewandten Technik beschränkt, dar, daß der Einsatz der zuvor beschriebenen Techniken und Werkstoffe im vorliegenden Fall auf besondere, in der Person der Ehefrau des Klägers liegende (patientenbezogene) Umstände zurückzuführen ist.
45Auch hinsichtlich der weiterhin geltend gemachten differenzierten Farbnahme der Krone ist nichts dafür ersichtlich, daß es sich um einen in der Person der Ehefrau des Klägers liegenden Umstand handelt. Die individuelle Farbanpassung der Krone ist bei jeder Zahnüberkronung erforderlich und wird grundsätzlich vom einfachen bis 2,3fachen Regelsatz bei der Gebührenposition 221 erfaßt.
46Vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 28. September 1993 - 3 B 92.1572 -.
47Daß im Fall der Ehefrau des Klägers gerade keine die Überschreitung des 2,3fachen Gebührensatzes rechtfertigenden besonderen Umstände vorlagen, folgt zudem aus der im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens abgegebenen Begründung, die Anfertigung und Eingliederung von Empress- Kronen sei "generell" mit einem erheblichen zeitlichen Mehraufwand verbunden.
48Soweit die Begründung schließlich den starken Speichelfluß der Ehefrau des Klägers als Ursache für einen erhöhten Zeitaufwand anführt, geht aus dieser pauschalen Darlegung nicht hervor, daß diesem Umstand im Vergleich zu der Mehrzahl der Behandlungsfälle überdurchschnittliche Bedeutung beizumessen ist. Dies gilt gerade vor dem hier vorliegenden Hintergrund, daß die geltend gemachte besondere Aufwendigkeit der Trockenlegung - wie im Schriftsatz des Prozeßbevollmächtigten des Klägers vom 29. November 1999 näher beschrieben - wesentlich auch auf die angewandte Technik zurückzuführen ist.
49Die Anerkennung der hier in Rede stehenden Aufwendungen als beihilfefähig kommt auch nicht im Hinblick auf den von dem Kläger gerügten Verstoß gegen den Gleichheitssatz bzw. den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung in Betracht. Ein solcher ist nicht erkennbar. Dies gilt zum einen hinsichtlich der Beihilfefähigkeit sog. "Empress-Restaurationen". Daß die Beklagte vom Vorliegen einer solchen Restauration ausgegangen ist und nicht schon aus diesem Grunde die Gewährung der beantragten Beihilfe verweigert hat, folgt bereits aus der von ihr nach Vorlage des Heil- und Kostenplanes eingeholten Stellungnahme des Landratsamtes B. -H. vom 18. August 1997, wonach Restaurationen dieser Art den beihilfefähigen Keramiken zugeordnet werden. Zum anderen ist eine unterschiedliche Behandlung - ungeachtet der Frage, ob dies überhaupt die vom Kläger erstrebte Rechtsfolge nach sich ziehen könnte - auch nicht im Hinblick auf Beihilfeleistungen im Zusammenhang mit der Behandlung des Unterkiefers der Ehefrau des Klägers ersichtlich. Aus den von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen folgt, daß auch die den Unterkiefer betreffende Rechnung des Dr. L. bei den Gebührenpositionen 221 und 222 lediglich in Höhe des 2,3fachen Gebührensatzes als beihilfefähig anerkannt worden ist.
50Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts - etwa im Wege der Einholung eines Sachverständigengutachtens - kommt aus Rechtsgründen nicht in Betracht. Der Kläger hatte im Verwaltungsverfahren Gelegenheit, eine den Anforderungen genügende Begründung seines Zahnarztes für die Inrechnungstellung des Höchstgebührensatzes nachzureichen. Eine Verpflichtung der Beihilfestelle, in Fällen der vorliegenden Art den Sachverhalt weiter aufzuklären, stünde im Widerspruch zu den Bedürfnissen einer auf Verwaltungsvereinfachung angewiesenen Massenverwaltung. Demgemäß ist auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine Beweisaufnahme dazu nicht vorzunehmen.
51Vgl. OVG NRW, Urteil vom 11. Januar 1996 - 6 A 1743/95 -, m.w.N.
52Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
53Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen der §§ 132 Abs. 2 VwGO, 127 BRRG hierfür nicht gegeben sind.
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