Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 19 A 1731/98
Tenor
Das angefochtene Urteil wird teilweise geändert.
Die Klage wird auch hinsichtlich des Antrags auf Neubescheidung abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der am 1940 in der Türkei geborene Kläger ist seit September 1996 deutscher Staatsangehöriger.
3Seine Schulausbildung in der Türkei begann nach seinen eigenen Angaben 1948. Nach dem erfolgreichen Besuch der "Dicle Ilkögretmen Okulu" ist ihm am 25. Juni 1960 das "Ilk Ögretmen Okulu Diplomasi" verliehen worden. Hierbei handelt es sich nach einer deutschen Übersetzung um das "Diplom für Volksschullehrer". Anschließend besuchte er das "Gazianteb Liseleri", das er im Herbst 1962 mit dem "Devlet Lise Diplomasi", Fachrichtung Literatur, abschloss.
4Während seiner vom 25. August 1960 bis 9. Oktober 1973 an verschiedenen Schulen in der Türkei ausgeübten Tätigkeit als Lehrer begann der Kläger am 9. November 1967 ein Studium an der Universität Ankara. Dort studierte er das Hauptfach russische Sprache und Literatur, das Nebenfach römische und griechische Literatur, das Nebenfach neue türkische Literatur sowie die Fächer Pädagogik und Geschichte der türkischen Republik. Nach einer Bescheinigung der Universität Ankara vom 11. April 1979 beträgt die Regelstudienzeit in dem Hauptfach vier Jahre (8 Semester) sowie in den Nebenfächern und dem Fach Pädagogik jeweils zwei Jahre (4 Semester). Am 30. Juni 1973 ist dem Kläger von der Universität Ankara das Lisans Diplomasi verliehen worden, das nach einer deutschen Übersetzung die staatlich anerkannte Berechtigung beinhaltet, in dem Hauptfach und den Nebenfächern zu unterrichten.
5Seit dem 1. Februar 1976 ist der Kläger im Schuldienst des Landes Nordrhein- Westfalen und seit dem 3. August 1979 an der M -Gesamtschule in B. tätig und auf der Grundlage des Runderlasses des Kultusministeriums Nordrhein-Westfalen vom 20. November 1981 - ZG 1/2-23/06-752/81 - in die Vergütungsgruppe IV a des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) eingruppiert. Er unterrichtet an der M -Gesamtschule das Wahlfach Türkisch als Fremdsprache und das Fach Türkisch als muttersprachlichen Ergänzungsunterricht. Überwiegend wird er in den Klassen 7 bis 10 eingesetzt. Nach einem Schreiben der Beklagten an den Leiter der Gesamtschule vom 19. April 1988 kann der Kläger nur für den Notfall auf begrenzte Zeit in der Oberstufe, nicht aber in der Jahrgangsstufe 13 und dem Abitur eingesetzt werden.
6Im Mai 1995 hat der Kläger gegen das Land Nordrhein-Westfalen Klage vor dem Arbeitsgericht B. - 1 Ca 1441/95 - erhoben mit dem Antrag festzustellen, dass das Land verpflichtet sei, ihn mit Wirkung vom 1. November 1993, hilfsweise ab 1. Dezember 1994 nach der Vergütungsgruppe III BAT zu vergüten. Das arbeitsgerichtliche Verfahren ist durch Beschluss vom 22. August 1996 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die vorliegende Klage ausgesetzt worden.
7In dem arbeitsgerichtlichen Verfahren beantragte der Kläger mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 17. November 1995 die "Überprüfung der Gleichwertigkeit" seines in der Türkei erworbenen Hochschuldiploms.
8Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 8. Dezember 1995 ab und führte aus: Die Hochschulausbildung des Klägers könne weder ganz noch teilweise als Lehrbefähigung anerkannt werden, weil seine Ausbildung einer Ausbildung zu einem Stufenlehramt im Land Nordrhein-Westfalen nicht gleichwertig sei. Er habe in der Türkei lediglich eine Schulausbildung von 11 Jahren durchlaufen, während nach nordrhein-westfälischem Recht das Lehramtsstudium erst nach einer Schulausbildung von mindestens 13 Jahren aufgenommen werden könne. Der Kläger habe auch das für ein Stufenlehramt in Nordrhein- Westfalen erforderliche zweite Hauptunterrichtsfach sowie ein in Nordrhein-Westfalen vorgeschriebenes pädagogisches Begleitstudium nicht nachgewiesen und lediglich ein Studium mit einer Mindeststudienzeit von 8 Semestern einschließlich der Prüfungszeiten absolviert. Das Lehramtsstudium in Deutschland umfasse demgegenüber eine Mindeststudienzeit von 8 Semestern ohne Prüfungszeiten. Schließlich sei in der Türkei ein der deutschen zweiten Staatsprüfung vergleichbares Examen nicht vorgeschrieben.
9Der Kläger erhob gegen den Bescheid Widerspruch und machte geltend: Der Lehrstoff, der ihm während seiner 11-jährigen Schulausbildung vermittelt worden sei, sei den Lehrstoffen vergleichbar, die in Nordrhein-Westfalen in 13 Schuljahren vermittelt würden. Er habe zwar nur ein Hauptunterrichtsfach studiert, seine Lehrbefugnis beziehe sich aber auch uneingeschränkt auf die zwei von ihm studierten Nebenfächer. Außerdem habe er nachgewiesen, dass er Pädagogik studiert und die in diesem Studienfach erforderlichen Prüfungen abgelegt habe. Die türkische Mindeststudienzeit von vier Jahren einschließlich Prüfungszeiten entspreche der in Nordrhein-Westfalen vorgesehenen Ausbildung von 8 Semestern ohne Prüfungszeiten, weil in der Türkei in jedem Studienjahr Prüfungen abzulegen seien, die in der Regel einen Zeitraum von einem Monat in Anspruch nähmen und während der Ferienzeit absolviert würden. Ein zweites Staatsexamen sei zwar in der Türkei nicht vorgeschrieben. Er habe aber 13 Jahre als Grundschullehrer gearbeitet und damit seine Eignung als Lehrer nachgewiesen. Das türkische Generalkonsulat habe unter dem 15. September 1995 "bestätigt", dass er berechtigt sei, sowohl in der Türkei als auch in Deutschland das Fach Türkisch in der Sekundarstufe I und II zu unterrichten.
10In einer von der Beklagten zu dem Widerspruch des Klägers eingeholten Stellungnahme der Zentralstelle für Ausländisches Bildungswesen (ZAB) vom 2. Februar 1996 heißt es: Der Kläger habe in der Türkei ein Fachstudium absolviert. Eine Lehramtsausbildung habe er weder in dem Fach Türkisch noch in einem anderen Fach erhalten. Eine Ausbildung zum Grundschullehrer habe er ebenfalls nicht absolviert und zudem ein pädagogisches Begleitstudium nicht nachgewiesen. Die deutsche Hochschulausbildung sei länger als die türkische, weil die Prüfungszeit in die Mindeststudienzeit an deutschen Hochschulen nicht einbezogen und zudem die tatsächliche Studiendauer in der Bundesrepublik Deutschland in der Regel etwas länger sei als die vorgesehene Mindeststudienzeit. Soweit er die Befugnis zur Unterrichtung im Fach Türkisch habe, könne er gegebenenfalls als Lehrkraft für Klassen mit überwiegend türkischen Anteil für die muttersprachlichen Unterricht eingesetzt werden.
11Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 1996 aus den von der ZAB dargelegten Gründen zurück und führte ergänzend aus: Das türkische Generalkonsulat in M. habe lediglich beglaubigt, dass die vom Kläger vorgelegte Übersetzung inhaltlich mit dem Original übereinstimme. In Nordrhein-Westfalen könne ein Unterrichtsfach nicht als Nebenfach studiert werden. Die Unterrichtsfächer müssten vielmehr im Verhältnis eins zu eins studiert werden.
12Der Kläger hat am 18. März 1996 Klage erhoben und weiter vorgetragen: Nach einer Examensbescheinigung der Universität Ankara vom 19. August 1974 sei er berechtigt, in den von ihm studierten Fächern und damit auch im Fach Türkisch sowohl in der Türkei als auch in Deutschland in den Sekundarstufen I und II zu unterrichten. Die vergleichbare Ausbildung türkischer Kollegen sei von anderen Bezirksregierungen in Nordrhein-Westfalen problemlos als gleichwertige Lehramtsausbildung anerkannt worden. Die Kollegen würden entweder nach BAT II oder BAT III bezahlt. Nach einem Schreiben der Bezirksregierung M. vom 5. März 1987 an den Leiter einer Gesamtschule in G. sei das Lisans Diplomasi von der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder der Bundesrepublik Deutschland als vergleichbar mit einer Ausbildung in der Bundesrepublik Deutschland anerkannt worden. Das Präsidium der Abteilung für russische Sprache und Literatur als Hauptfach an der Universität Ankara habe mit Schreiben vom 16. Oktober 1997 bestätigt, dass Absolventen dieser Abteilung zu der Zeit, als er studiert habe, als Lehrer am Militärgymnasien oder an militärischen Sprachschulen hätten eingestellt werden können und neben dem Hauptfach russische Sprache und Literatur zwei Nebenfächer und das Fach Pädagogik studiert hätten, um eine Anstellung an anderen türkischen Schulen erhalten zu können. Denn das Fach Russisch sei damals nicht an den staatlichen Mittelschulen und Gymnasien unterrichtet worden.
13Der Kläger hat beantragt,
14die Beklagte zu verpflichten, die von ihm in der Türkei absolvierte Ausbildung gemäß § 19 LABG als Erste Staatsprüfung für ein Lehramt für die Sekundarstufe II anzuerkennen, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, die von ihm in der Türkei absolvierte Hochschulausbildung als gleichwertig im Sinne der Protokollnotiz Nr. 1 zu Teil I der Anlage 1 a BAT anzuerkennen.
15Die Beklagte hat beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Sie hat auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden verwiesen und ergänzend vorgetragen: Die vom Kläger geltend gemachte Ungleichbehandlung gegenüber türkischen Kollegen betreffe allein die Eingruppierung nach dem BAT und sei deshalb für das vorliegende Verfahren ohne Belang. Die Ausführungen der Bezirksregierung M. in ihrem Schreiben vom 5. März 1987 an den Leiter einer Gesamtschule in G. seien unzutreffend. Die ZAB habe in einer weiteren Stellungnahme vom 17. April 1997 bestätigt, dass die Ausbildung des Klägers einer Lehramtsausbildung nach nordrhein- westfälischem Recht nicht vergleichbar sei.
18Das Verwaltungsgericht hat im Wege der Beweisaufnahme eine Auskunft des türkischen Generalkonsulats in M. vom 9. Juni 1997 und eine für das Auswärtige Amt in der Bundesrepublik Deutschland beantwortete Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Ankara vom 24. November 1997 eingeholt. Auf den Inhalt der Auskünfte (Bl. 115 bis 124 und Bl. 126 bis 128 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen. Mit Urteil vom 11. Februar 1998 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, über den Antrag des Klägers, die von ihm in der Türkei an der Universität Ankara abgelegte Prüfung gemäß § 19 LABG als Erste Staatsprüfung für ein Lehramt für die Sekundarstufe II anzuerkennen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe verkannt, dass die Anerkennung der Ausbildung des Klägers mit Auflagen und Einschränkungen möglich sei. Für die Anerkennung der Hochschulausbildung des Klägers sei der Nachweis eines erziehungswissenschaftlichen Studiums nicht erforderlich.
19Der Senat hat die Berufung auf Antrag der Beklagten mit Beschluss vom 15. Juni 1999 wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zugelassen. Mit Beschluss vom 26. Mai 2000 hat der Senat das Verfahren hinsichtlich des vom Kläger erstinstanzlich gestellten Hilfsantrages abgetrennt und das abgetrennte Verfahren - 19 A 2692/00 - mit Beschluss vom 5. Juni 2000 an das Arbeitsgericht B. verwiesen.
20Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte vor: Sie sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgericht nicht befugt, eine Ermessensentscheidung zu treffen, weil bereits die Tatbestandsvoraussetzungen für die Anerkennung der Ausbildung des Klägers nicht erfüllt seien.
21Die Beklagte beantragt,
22das angefochtene Urteil teilweise zu ändern und die Klage auch hinsichtlich des Antrages auf Neubescheidung abzuweisen.
23Der Kläger beantragt,
24die Berufung zurückzuweisen.
25Er verweist auf das angefochtene Urteil und trägt weiter vor: Eine im Ausland erworbene Lehramtsbefähigung könne nur dann nicht als Lehramtsbefähigung nach nordrhein-westfälischem Recht anerkannt werden, wenn die ausländische Ausbildung "apriori" der nordrhein- westfälischen Ausbildung nicht gleichwertig sei. In allen anderen Fällen komme eine Anerkennung unter Einschränkungen und Auflagen in Betracht, weil die Anerkennung keine vollständige Gleichwertigkeit voraussetze. Dem entsprechend sei seine türkische Lehramtsausbildung anzuerkennen, weil sie der nordrhein-westfälischen Lehramtsausbildung vergleichbar sei. In Nordrhein-Westfalen könne bereits nach 11 Jahren Schulausbildung das Lehramtsstudium aufgenommen werden. Darüber hinaus werde in Nordrhein-Westfalen eine Verkürzung der Schulausbildung auf 12 Jahre und auch eine Verkürzung der Regelstudienzeit von 8 auf 7 Semester diskutiert. Soweit ihm entgegengehalten werde, dass für das Lisans Diplomasi keine eigenständige wissenschaftliche Abschlussarbeit anzufertigen gewesen sei, stehe dies der Anerkennung seiner türkischen Ausbildung nicht entgegen. Im Übrigen sei der Beklagte daran gebunden, dass die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder der Bundesrepublik Deutschland das Lisans Diplomasi als vergleichbar mit einer Ausbildung in der Bundesrepublik Deutschland anerkannt habe.
26Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
27Entscheidungsgründe:
28Die zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil ist zu ändern und die Klage auch hinsichtlich des Antrags auf Neubescheidung abzuweisen, weil das Verwaltungsgericht die Beklagte zu Unrecht gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO verpflichtet hat, über den Antrag des Klägers auf Anerkennung seiner türkischen Hochschulausbildung als Erste Staatsprüfung für das Lehramt der Sekundarstufe II erneut zu entscheiden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den von ihm gestellten Antrag, weil die Tatbestandsvoraussetzungen der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen nicht erfüllt sind.
29Der Senat lässt wie in seinem Beschluss vom 15. Juni 1999 über den Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung offen, ob sich das Begehren des Klägers nach §§ 19 Abs. 1 LABG in Verbindung mit § 60 Abs. 1 und Abs. 2 LPO beurteilt oder ob entsprechend der Auffassung der Beklagten als Anspruchsgrundlage allein § 19 Abs. 2 LABG iVm § 60 Abs. 1 bis Abs. 3 LPO in Betracht kommt. Die Tatbestandsvoraussetzungen beider Anspruchsgrundlagen liegen nicht vor mit der Folge, dass die Beklagte gehindert ist, das ihr nach den genannten Vorschriften obliegende Ermessen auszuüben.
30Nach § 19 Abs. 1 LABG iVm § 60 Abs. 1 LPO kann eine außerhalb des Landes Nordrhein-Westfalen abgelegte Lehramtsprüfung als Erste Staatsprüfung für ein entsprechendes Lehramt im Sinne des nordrhein- westfälischen Lehrerausbildungsgesetzes anerkannt werden.
31Es spricht zwar einiges dafür, dass der Kläger im Sinne dieser Vorschriften eine Lehramtsprüfung außerhalb des Landes Nordrhein- Westfalen abgelegt hat. Denn nach seinem Vortrag und den von ihm vorgelegten Bescheinigungen und Urkunden erforderte der Erwerb des ihm verliehenen Lisans Diplomasi die erfolgreiche Ablegung von - nicht näher bezeichneten - Prüfungen und berechtigt das Lisans Diplomasi nach Auskünften des Außenministeriums der Türkischen Republik vom 27. Oktober 1997 und des Dekanats der Fakultät für Sprache, Geschichte und Geografie an der Universität Ankara vom 16. Oktober 1997 unter anderem zum Unterricht in dem Fach Türkisch und dem Fach türkische Sprache und Literatur an türkischen Gymnasien und anderen dem türkischen Erziehungsministerium unterstellten Schulen.
32Die Anerkennung gemäß § 19 Abs. 1 LABG iVm § 60 Abs. 1 LPO setzt jedoch weiter voraus, dass das an der Universität Ankara erworbene Lisans Diplomasi einer Ersten Staatsprüfung für das Lehramt der Sekundarstufe II nach nordrhein-westfälischem Recht entspricht. Das ist nicht der Fall.
33Das gerichtlich voll überprüfbare Tatbestandsmerkmal "entsprechendes Lehramt" in § 19 Abs. 1 und § 19 Abs. 4 LABG ist nur dann erfüllt, wenn sich die Anforderungen an die außerhalb des Landes Nordrhein-Westfalen abgelegte Lehramtsprüfung und die Anforderungen an die Lehramtsprüfung nach nordrhein-westfälischem Recht inhaltlich im Wesentlichen entsprechen. Die Anerkennung erfordert demnach nicht, dass die Ausbildungsgänge und Prüfungen, die zum Erwerb der Lehramtsbefähigung geführt haben, in jeder Hinsicht identisch sind. Sie müssen der Ersten Staatsprüfung in Nordrhein-Westfalen auch nicht vollständig gleichwertig sein.
34Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Januar 1996 - 19 A 3537/92 -.
35Ausreichend aber auch erforderlich ist vielmehr ein wesentliches Maß an Übereinstimmung.
36Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. November 1996 - 19 A 6861/95 -, m.w.N.
37Fehlt es daran, so kann die Anerkennung nicht gemäß § 60 Abs. 2 Satz 2 LPO mit Einschränkungen ausgesprochen oder mit Auflagen verbunden werden. Einschränkungen und Auflagen dienen nämlich nicht dazu, fehlende Kenntnisse und Fähigkeiten, die der Gleichwertigkeit einer außerhalb des Landes Nordrhein-Westfalen erworbenen Lehramtsbefähigung entgegenstehen, auszugleichen. In diesem Fall verbleibt allein die Möglichkeit, die im Ausland erbrachten Studienleistungen bei der Zulassung zur Ersten Staatsprüfung anzurechnen (§ 18 Abs. 2 LABG iVm § 60 Abs. 1 Satz 1 LPO).
38Nach Maßgabe dieser Grundsätze entspricht die vom Kläger in der Türkei absolvierte Hochschulausbildung nicht der für die Zuerkennung einer Ersten Staatsprüfung für ein Lehramt im Sinne des nordrhein- westfälischen Lehrerausbildungsgesetzes vergleichbaren Ausbildung. Dabei kann dahinstehen, ob die türkische Schulausbildung des Klägers von Dauer und Inhalt der nordrhein-westfälischen Schulausbildung wesentlich abweicht und ob er ein hinreichendes erziehungswissenschaftliches Studium nachgewiesen hat oder - sollte der Nachweis nicht geführt sein - der fehlende Nachweis eines (ausreichenden) erziehungswissenschaftliches Studiums entsprechend der Auffassung des Verwaltungsgerichts mit Blick auf § 19 Abs. 2 Satz 1 LABG, § 60 Abs. 1 Satz 2 LPO der begehrten Anerkennung des türkischen Hochschulabschlusses nicht entgegensteht. Die für die vom Kläger erworbenen Abschlüsse in der Türkei vorgesehene Hochschulausbildung ist schon deshalb einer Ersten Staatsprüfung für das Lehramt der Sekundarstufe II nicht vergleichbar, weil nicht ersichtlich ist, dass die vom Kläger abgelegten Prüfungen nach Umfang und Inhalt einer Ersten Staatsprüfung in Nordrhein-Westfalen im Wesentlichen gleichwertig sind.
39Nach § 16 Abs. 1 LABG, § 3 Abs. 2 LPO dient die Erste Staatsprüfung dem Nachweis der erziehungswissenschaftlichen, fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Kenntnisse und Fähigkeiten, die für die Ausübung des Lehrerberufs erforderlich sind. Die vor einem Staatlichen Prüfungsamt abzulegende (§ 9 Abs. 1 LPO) Prüfung besteht aus einer schriftlichen Hausarbeit in einem Fach (§ 16 Abs. 3 Satz 2 LABG, § 4 Abs. 1 Nr. 1 LPO), in der ein auf das Lehramtsstudium bezogenes Thema selbständig wissenschaftlich zu bearbeiten ist (§ 17 Abs. 1 LPO), sowie aus schriftlichen Arbeiten unter Aufsicht und mündlichen Prüfungen in Erziehungswissenschaft und in den - mindestens zwei - Fächern (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 LPO). Sämtliche Prüfungsleistungen sollen von Studierenden, die das Lehramt der Sekundarstufe II vor dem Wintersemester 1994/95 begonnen haben, innerhalb von 12 Monaten nach dem Ende der Regelstudiendauer erbracht werden (§ 4 Abs. 3 Satz 1 LPO). Studierende, die das Studium des Lehramtes der Sekundarstufe II im Wintersemester 1994/95 oder danach begonnen haben, sollen die schriftliche Hausarbeit spätestens im achten Semester anfertigen und die übrigen Prüfungsleistungen innerhalb eines Semesters nach dem Ende der Regelstudiendauer erbringen (§ 4 Abs. 3 Sätze 1 bis 3 LPO in der für Studierende, die ab dem Wintersemester 1994/95 das Studium begonnen haben, geltenden Neufassung). Anders als in semesterabschließenden Prüfungen, bei denen nur ein begrenzter Lehrstoff präsent sein muss und der jeweilige Prüfungsstoff für das weitere Studium abgeschichtet werden kann, muss der Prüfling demnach im Ersten Staatsexamen über wesentlich umfangreichere erziehungswissenschaftliche, fachwissenschaftliche und fachdidaktische Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.
40Dass der Kläger eine vergleichbare Prüfung abgelegt hat, ist nicht erkennbar. In der Türkei ist zwar in der Regel am Ende des Semesters eine Prüfung abzulegen und wird darüber hinaus das Studium am Ende des letzten Semesters mit einer Prüfung abgeschlossen. Nach Auskunft der ZAB sind diese Prüfungen jedoch mit einer Studienabschlussprüfung nach deutschem Verständnis in Umfang und Wissenschaftlichkeit nicht vergleichbar. Für das Lisans Diplomasi ist insbesondere eine der schriftlichen Hausarbeit (§ 16 Abs. 3 Satz 2 LABG, § 4 Abs. 1 Nr. 1 LPO) vergleichbare eigenständige wissenschaftliche Abschlussarbeit nicht,
41vgl. ZAB, Ausländische Hochschulsysteme - Darstellung und Vergleichsempfehlungen -, Bd. III, Stichwort Türkei, Nr. 2.1, S. 2,
42bzw. in der Regel nicht,
43ZAB, a.a.O., Nr. 4.1, S. 2,
44gefordert. Erst bei einem weiterführenden Studium, das mit dem Erwerb des Yüksek Lisans abschließt, ist von höheren wissenschaftlichen Anforderungen auszugehen als in den grundständigen Studiengängen, die mit dem Lisans Diplomasi abgeschlossen werden.
45ZAB, a.a.O, Nr. 2.1, S. 2
46Dementsprechend kann auch nicht schon mit dem Erwerb des Lisans Diplomasi, sondern regelmäßig erst nach dem Erwerb des Yüksek Lisans ein Promotionsstudium in der Türkei aufgenommen werden,
47ZAB, a.a.O., Nr. 3, S. 1, und Nr. 4.1, S. 2,
48während das nach einer Regelstudienzeit von 8 Semestern abzulegende Erste Staatsexamen für das Lehramt der Sekundarstufe II bereits zur Promotion berechtigt (§ 97 Abs. 2 a des Gesetzes über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen).
49Auch aus dem Vortrag des Klägers und den von ihm vorgelegten Unterlagen ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die von ihm abgelegten Prüfungen nicht etwa nur den Charakter studienbegleitender Leistungskontrollen haben, sondern weitergehend den im Rahmen der Ersten Staatsprüfung für das Lehramt der Sekundarstufe II abzulegenden Prüfungen vergleichbar wären. Nähere Angaben zu Art und Inhalt der abgelegten Prüfungen an der Universität Ankara lassen sich weder dem Vortrag des Klägers noch den von ihm vorgelegten Unterlagen entnehmen.
50In dem Text des Lisans Diplomasi heißt es lediglich, der Kläger habe "die Prüfungen mit Erfolg bestanden". Der Vermerk der Universität Ankara vom 19. August 1974 auf der Rückseite des Lisans Diplomasi ist ebenfalls nicht aussagekräftig. Dort heißt es lediglich, "der Besitzer dieses Diploms hat Pädagogik studiert und die entsprechenden Prüfungen bestanden", bzw. nach einer anderen Übersetzung, "der Besitzer dieses Diploms hatte die pädagogische Urkunde bekommen". Aus den Bescheinigungen des Dekanats der Fakultät für Sprache, Geschichte und Geografie an der Universität Ankara vom 11. April 1979 und 16. Oktober 1997 geht zwar hervor, dass dem Kläger während seines Studiums Zensuren erteilt worden sind. Welche Leistungsanforderungen hierfür zu erbringen waren, lässt sich demgegenüber den Bescheinigungen nicht entnehmen. Soweit es in den Bescheinigungen vom 11. April 1979 und 16. Oktober 1997 sowie der weiteren Bescheinigung des Dekanats für Sprache, Geschichte und Geografie vom 4. Juli 1973 heißt, der Kläger habe das "Staatsexamen" bzw. das "Abschlussexamen" mit Erfolg bestanden, fehlen ebenfalls nähere Angaben dazu, ob und gegebenenfalls welche Prüfungsleistungen der Kläger zu erbringen hatte.
51Der türkische Hochschulabschluss des Klägers ist darüber hinaus deshalb einer Ersten Staatsprüfung für das Lehramt der Sekundarstufe II nicht gleichwertig, weil er in den von ihm studierten Nebenfächern und damit auch in dem von ihm an der M -Gesamtschule unterrichteten Fach Türkisch lediglich ein viersemestriges (zweijähriges) Studium absolviert hat. In Nordrhein-Westfalen erfordert das Lehramtsstudium demgegenüber neben dem Studium der Erziehungswissenschaft, das ein Fünftel des Studiums für das Lehramt der Sekundarstufe II ausmacht (§ 41 Abs. 2 Satz 1 LPO), grundsätzlich das gleichgewichtige Studium von - mindestens - zwei Fächern. Werden beim Studium des Lehramtes für die Sekundarstufen I und II zwei Unterrichtsfächer (§§ 37 Abs. 1, 43 Abs. 2 LPO) oder im Rahmen des Studiums des Lehramtes für die Sekundarstufe II ein Unterrichtsfach und eine sonderpädagogische Fachrichtung (§ 41 Abs. 2 Satz 2 LPO) gewählt, sind diese Fächer jeweils im Verhältnis eins zu eins zu studieren (§§ 36 Abs. 2 Satz 2, 41 Abs. 2 Satz 2 LPO). Lediglich beim Studium des Lehramtes für die Sekundarstufe II in zwei beruflichen Fachrichtungen sowie bei der ebenfalls nur im Rahmen des Studiums für die Sekundarstufe II möglichen Kombination einer beruflichen Fachrichtung entweder mit einem Unterrichtsfach oder einer sonderpädagogischen Fachrichtung sind die Fächer im Verhältnis von zwei zu eins bzw. vier zu drei zu studieren (§ 41 Abs. 2 Sätze 3 und 4 LPO). Der Kläger hat jedoch kein Fach studiert, das einer beruflichen Fachrichtung (§ 43 Abs. 2 LPO) oder einer sonderpädagogischen Fachrichtung (§ 43 Abs. 5 LPO) vergleichbar wäre.
52Fehlt es damit auch an dem gleichgewichtigen Studium von - mindestens - zwei Unterrichtsfächern, so kommt auch die in § 60 Abs. 2 Satz 2 LPO vorgesehene Anerkennung mit Einschränkungen oder der Auflage, weitere Studienleistungen oder Prüfungsleistungen zu erbringen, nicht in Betracht. Aus der vom Kläger und vom Verwaltungsgericht angeführten Entscheidung des Senats,
53OVG NRW, Urteil vom 19. Januar 1996 - 19 A 3537/92 -, bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 26. November 1997 - 6 B 28.96 -,
54lässt sich nichts anderes herleiten. Der Senat hat in dieser Entscheidung vielmehr das Fehlen eines zweiten Unterrichtsfaches - unter anderem - als rechtfertigenden Grund für die Versagung der Anerkennung des französischen Studienabschlusses der Klägerin angesehen und zur Begründung ausgeführt, dass die Ausbildung in - mindestens - zwei Fächern nicht nur Grundlage des Lehramtsstudiums und der Ersten Staatsprüfung, sondern auch des sich anschließenden Vorbereitungsdienstes und des Zweiten Staatsexamens ist.
55OVG NRW, Urteil vom 19. Januar 1996 - 19 A 3537/92 -, Urteilsabdruck S. 14 f.
56Ob die Prüfungen des Klägers in den von ihm studierten Nebenfächern als Prüfungsteile im Rahmen einer Ersten Staatsprüfung für das Lehramt der Sekundarstufe II anerkannt werden können (§ 60 Abs. 1 Satz 1 LPO),
57vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Januar 1996 - 19 A 3537/92 -,
58bedarf keiner näheren Erörterung, weil der Kläger einen dahingehenden Antrag nicht gestellt hat.
59Der Kläger beruft sich ohne Erfolg darauf, dass nach dem Schreiben der Bezirksregierung M. vom 5. März 1987 an den Leiter einer Gesamtschule in G. das Lisans Diplomasi von der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder der Bundesrepublik Deutschland als vergleichbar mit einer Ausbildung in der Bundesrepublik Deutschland anerkannt sei und dass die Beklagte an diese Anerkennung gebunden sei. Abgesehen davon, dass in dem Schreiben der Bezirksregierung M. ein konkreter Beschluss der Ständigen Konferenz der Kultusminister nicht genannt wird und auch sonst aus den dem Senat zugänglichen Quellen nichts dafür ersichtlich ist, dass ein solcher Beschluss gefasst worden wäre, ist jedenfalls der Senat bei der Anwendung der §§ 19 LAB, 60 LPO nicht an Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder der Bundesrepublik Deutschland gebunden.
60Die Berufstätigkeit des Klägers als Lehrer an deutschen und türkischen Schulen rechtfertigt keine Anerkennung seiner Hochschulausbildung als Erste Staatsprüfung für das Lehramt der Sekundarstufe II. Die Berufsausübung ist grundsätzlich nicht geeignet, die Ausbildung zu einem Beruf und den Befähigungsnachweis zu ersetzen,
61vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. November 1996 - 19 A 6861/95 -, m.w.N.,
62und die Beklagte ist nach §§ 19 Abs. 1 und Abs. 2 LABG, 60 Abs. 1 LPO nur zur Anerkennung von außerhalb des Landes Nordrhein-Westfalen abgelegten Prüfungen, nicht aber zur Anerkennung von beruflichen Tätigkeiten und Erfahrungen ermächtigt.
63Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Januar 1996 - 19 A 3537/92 -.
64Soweit der Kläger geltend macht, dass andere Bezirksregierungen in Nordrhein-Westfalen vergleichbare türkische Hochschulausbildungen von türkischen Lehrern als gleichwertig anerkannt hätten, kann dahinstehen, ob die Hochschulausbildung der vom Kläger benannten Lehrerinnen und Lehrer tatsächlich mit seiner Hochschulausbildung vergleichbar ist. Sollte dies der Fall sein, so hätte die Hochschulausbildung der vom Kläger benannten Lehrerinnen und Lehrer entsprechend den vorhergehenden Ausführungen nicht als gleichwertig mit einer Ersten Staatsprüfung für das Lehramt der Sekundarstufe II anerkannt werden dürfen. Aus einer fehlerhaften Anerkennung kann der Kläger aber keine Rechte herleiten, weil der Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht gibt.
65Sollte es sich bei der Hochschulausbildung des Klägers entsprechend der Auffassung des Beklagten und den Einschätzungen der ZAB und der Deutschen Botschaft in Ankara nicht um eine Lehramtsausbildung, sondern um eine fachwissenschaftliche Ausbildung handeln, liegen die Tatbestandsvoraussetzungen der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 19 Abs. 2 LABG ebenfalls nicht vor. Danach können lediglich für ein Lehramt "geeignete Prüfungen" anerkannt werden. Daran fehlt es, wenn die außerhalb des Landes Nordrhein-Westfalen abgelegte Prüfung der Ersten Staatsprüfung für ein Lehramt nach nordrhein-westfälischem Recht inhaltlich nicht gleichwertig ist. Das ist - wie ausgeführt - in Bezug auf die Hochschulausbildung des Klägers der Fall.
66Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
67Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht erfüllt sind.
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