Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 12 B 199/00
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 4.000,- DM festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Die vom Senat zugelassene Beschwerde, mit der der Antragsteller sinngemäß seinen erstinstanzlichen Antrag,
3die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm eine Reduzierung seiner Arbeitszeit auf drei Viertel der regelmäßigen Wochenarbeitszeit zu bewilligen, bis über seine Klage auf Reduzierung seiner Arbeitszeit rechtskräftig entschieden worden ist,
4hilfsweise,
5die Antragsgegnerin im Verfahren der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, seinen Antrag auf Reduzierung seiner Arbeitszeit auf drei Viertel der regelmäßigen Wochenarbeitszeit vorläufig neu zu bescheiden, d.h. befristet bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über seine Klage auf Reduzierung seiner Arbeitszeit,
6weiterverfolgt, ist nicht begründet.
7Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.
8Der Antragsteller hat den nach § 123 Abs. 1 und 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO erforderlichen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
9Nach der im vorliegenden Verfahren allein gebotenen summarischen Prüfung ist es nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsteller bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens 15 K 8213/99 (Verwaltungsgericht Köln) einen Anspruch auf Reduzierung seiner Arbeitszeit auf drei Viertel der regelmäßigen Wochenarbeitszeit oder zumindest auf Neubescheidung seines Begehrens hat.
10Nach der einschlägigen Bestimmung des § 72 a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 lit. a Bundesbeamtengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. März 1999 (BGBl. I, 675, BBG) ist einem Beamten mit Dienstbezügen auf Antrag Teilzeitbeschäftigung bis zur Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit zu bewilligen, wenn er mindestens ein Kind unter 18 Jahren tatsächlich betreut, sofern nicht zwingende dienstliche Belange entgegenstehen. Die Regelung entspricht dem am 1. September 1994 in Kraft getretenen § 79 a BBG in der Fassung des Art. 2 Nr. 1 des zweiten Gleichberechtigungsgesetzes vom 24. Juni 1994 (BGBl. I S. 1406). Dadurch wurde die nach § 79 a BBG a.F. in das Ermessen des Dienstherrn gestellte Entscheidung über die Bewilligung der "familienpolitischen" Arbeitszeitermäßigung durch eine Entscheidung über einen strikten, nur durch entgegenstehende zwingende dienstliche Belange beschränkten Rechtsanspruch des Beamten/der Beamtin ersetzt. Hierzu stellt § 10 Abs. 2 des Gesetzes zur Förderung von Frauen und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Bundesverwaltung und den Gerichten des Bundes vom 24. Juni 1994 (BGBl. I S. 1406) in der Fassung des Gesetzes vom 24. Februar 1997 (BGBl. I S. 322/341) - FFG - klar, dass die Regelung in gleicher Weise für Stellen mit Vorgesetzten- und Leitungsaufgaben gilt.
11Zwingende dienstliche Belange stehen einem Antrag nach § 72 a Abs. 4 Satz 1 lit. a BBG nur dann entgegen, wenn bei Zulassung der Arbeitszeitreduzierung gravierende Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit der Verwaltung zu befürchten sind.
12Vgl. in diesem Zusammenhang: Fürst u.a., GKÖD Band 1 (Stand: Januar 1999), K § 72 a, Rz. 26 f..
13Maßgeblich für die dahingehende Bewertung ist der Bezugsrahmen der Dienststelle; dies resultiert aus § 10 Abs. 1 FFG, der die Pflicht zur Schaffung eines Angebots an Teilzeitstellen jeweils konkret der einzelnen Dienststelle zuordnet. Danach muß sich auch die Prüfung, ob zwingende dienstliche Belange im Sinne des Gesetzes im Einzelfall entgegenstehen, weil die Funktionsfähigkeit der Verwaltung gravierend beeinträchtigt würde, an den Aufgaben und organisatorischen Möglichkeiten innerhalb der Dienststelle ausrichten. Ist die ordnungsgemäße Erfüllung der dort zu erledigenden öffentlichen Aufgaben bei Zulassung der Teilzeitbeschäftigung nicht gewährleistet, liegt mithin ein Versagungsgrund vor.
14Davon ausgehend sind dienstliche Belange hier jedenfalls dann zwingend im Sinne des Gesetzes, wenn die dem Dienstposten des Beamten zugeordneten Aufgaben innerhalb der reduzierten Arbeitszeit nicht vollständig erledigt, aber auch für die voraussichtliche Dauer der Reduzierung nicht zurückgestellt werden können und weder eine Ersatzkraft für den teilweise freiwerdenden Dienstposten beschafft noch durch Verlagerung der Aufgaben auf andere Dienstposten oder durch eine zumutbare Umsetzung eine ordnungsgemäße Aufgabenerledigung innerhalb der Dienststelle sichergestellt werden kann. Nach den vorliegenden Akten und dem Vorbringen der Beteiligten ist es überwiegend wahrscheinlich, dass zwingende dienstliche Belange hier dem Begehren des Antragstellers entgegenstehen.
15Das Vorliegen zwingender dienstlicher Belange kann nicht schon deshalb verneint werden, weil die dem Dienstposten des Antragstellers ZA 1 zugeordneten Aufgaben - wie er sinngemäß geltend macht - vollständig innerhalb der reduzierten Arbeitszeit erledigt werden könnten. Die Antragsgegnerin hat den Dienstposten im Rahmen der nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbaren Organisationsgewalt,
16vgl. dazu OVG Lüneburg, Beschluss vom 21. November 1995 - 5 M 6322/95 -, NVwZ-RR 1996, 677,
17einer vollzeitigen A-15-Planstelle zugeordnet. Das ist im Rahmen dieses Verfahrens nicht zu beanstanden. Gegen die Ansicht des Antragstellers, die Stelle könne von einer ¾-Kraft bewältigt werden, spricht bereits der Umstand, dass er den Dienstposten seit Oktober 1997 vollzeitig besetzt. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass er dabei nur zu drei Vierteln der Arbeitszeit beschäftigt gewesen ist oder sich zu einem wesentlichen Anteil lediglich mit solchen Aufgaben befasst hat, die auf unabsehbare Zeit hätten hinausgeschoben werden können. Dementsprechend hat der Antragsteller nicht substantiiert konkrete Aufgaben unter Angabe der sie betreffenden Arbeitszeit benannt und dargelegt, dass diese für den bislang zeitlich nicht eingeschränkten Zeitraum der geplanten Arbeitszeitreduzierung aufgeschoben werden könnten. Auch sonst hat der Senat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass wesentliche Teile der Aufgaben, die nach der Aufgabenbeschreibung dem Dienstposten ZA 1 zugeordnet sind, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens unbearbeitet bleiben könnten.
18Ist danach zu befürchten, dass Aufgaben des Referats unbearbeitet bleiben, können dadurch bedingte gravierende Beeinträchtigungen des Dienstbetriebes nicht durch Einstellung einer Ersatzkraft vermieden werden. Die Antragsgegnerin hat hierzu - unwidersprochen - vorgetragen, dass eine Ersatzkraft für ein Viertel der Arbeitszeit auf einem mit A 15 bewerteten Dienstposten nicht gewonnen werden kann.
19Gravierende Beeinträchtigungen der Funktion der Dienststelle können ferner nicht durch Aufgabenverlagerungen aus dem Dienstposten Referatsleiter ZA 1 auf andere Dienstposten innerhalb des Bundessprachenamtes verhindert werden. Zwar dürfte die Antragsgegnerin die Möglichkeit der Aufgabenverlagerung nicht schon mit Blick auf das ihr zustehende Organisationsermessen außer Betracht lassen. Bestünde die Option, Aufgaben anderen, nicht voll ausgelasteten Dienstposten zuzuordnen, wäre das Organisationsermessen durch § 72 a Abs. 4 Satz 1 lit. a BBG i.V.m. § 2 Satz 5 FFG - danach ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen und Männer zu fördern - dahin auszuüben, dass ein entsprechender Handlungsspielraum genutzt werden müsste. Eine Aufgabenverlagerung im Sinne der Vorstellungen des Antragstellers kann hier indes mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht stattfinden. Eine Verlagerung von Verantwortlichkeiten auf Mitarbeiter des gehobenen Dienstes scheidet nach den überzeugenden Ausführungen der Antragsgegnerin angesichts der Art der dem Dienstposten ZA 1 zugeordneten Aufgaben in Verbindung mit der Personalstruktur im Bundessprachenamt aus. Die Schaffung einer neuen Stelle eines Referenten (A 14 höherer Dienst) ist auf absehbare Zeit nicht ersichtlich.
20Schließlich läßt sich ein Entgegenstehen zwingender dienstlicher Belange nicht mit Blick auf eine Umsetzung des Antragstellers innerhalb der Dienststelle verneinen. Insoweit käme nach dem Vortrag des Antragstellers die Übertragung des Dienstpostens ZA 2 in Betracht, dies böte aus seiner Sicht den Vorteil, dass für die Aufgaben des Referatsleiters ZA 2 ein Vertreter aus dem Bereich des höheren Dienstes - Referent, dotiert nach A 14 - mit juristischer Ausbildung im Referat vorhanden wäre. Zwar spricht einiges dafür, dass eine Umsetzung nach der Intention des Gesetzes vom Dienstherrn in Betracht gezogen werden muss, wenn der Beamte dies beantragt, die Maßnahme im Rahmen des Organisationsermessens durchführbar ist und dem Antragsbegehren unter gleichzeitiger Wahrung der dienstlichen Belange Rechnung trägt. Es ist indes nicht überwiegend wahrscheinlich, dass ein Viertel der dem Dienstposten des Leiters des Referates ZA 2 zugewiesenen Tätigkeiten auf Dauer unbearbeitet bleiben oder von dem dort vorhandenen Vertreter (Referent auf dem mit A 14 bewerteten Dienstposten) wahrgenommen werden könnte. Die Antragsgegnerin hat dargelegt, Vertretungsaufgaben könne der Referent nicht auf Dauer wahrnehmen. Dem ist der Antragsteller nicht substantiiert entgegengetreten.
21Bei dieser Sachlage rechtfertigt auch die grundsätzliche Regelung des Bundesministeriums der Verteidigung über die Teilzeitfähigkeit von Dienstposten auf Referatsleiterebene keine andere Beurteilung. Sie schließt eine die Arbeitszeitreduzierung ablehnende Einzelfallentscheidung nach § 72 a Abs. 4 Satz 1 BBG nicht aus.
22Danach hat auch der Hilfsantrag keinen Erfolg. § 72 a Abs. 4 Satz 1 BBG enthält für die Fallkonstellation der Arbeitszeitreduzierung wegen Kinderbetreuung eine abschließende Regelung im Sinne einer gebundenen Entscheidung. Daneben ist für eine Ermessensbetätigung des Dienstherrn kein Raum. Dementsprechend besteht kein sicherungsfähiger Anspruch auf ermessensfehlerfreie Bescheidung.
23Nach den vorstehenden Ausführungen bedarf es keiner weiteren Klärung, ob nicht auch ein Anordnungsgrund fehlt und dem Begehren des Antragstellers das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegengehalten werden könnte.
24Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
25Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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