Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 4 A 4277/99
Tenor
Der Antrag wird auf Kosten der Klägerin abgelehnt.
Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 24.000,-- DM festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Der auf § 124 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 VwGO gestützte Antrag, mit dem die Klägerin die Zulassung der Berufung insoweit begehrt, als die Klage sich gegen die Bescheide des Bundesministeriums für Post und Telekommunikation vom 26. Mai 1995, 6. Juni 1995 und 13. November 1995 richtet, hat keinen Erfolg.
31. Die Darlegungen der Klägerin geben nichts dafür her, dass die Rechtssache besondere rechtliche Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist.
4Nach Auffassung der Klägerin bestehen solche Schwierigkeiten, weil die für den Rechtsstreit maßgebliche Norm - der mit Ablauf des Jahres 1998 außer Kraft getretene § 57 a Abs. 1 Nr. 2 Haushaltsgrundsätzegesetz (vgl. BGBl. 1993 I, S. 1928 und BGBl. 1998 I, S. 2512 ff., 2519, 2520) -, die den "öffentlichen Auftraggeber" definiere, verschiedene Begriffe enthalte, die auf Grund ihrer gemeinschaftsrechtlichen Herkunft nicht in der deutschen Rechtsterminologie verankert seien und zu deren rechtlicher Bedeutung bisher weder eine Rechtsprechung deutscher Gerichte vorliege noch eine einheitliche Meinung im Schrifttum bestehe. Es sei unsicher, welche inhaltliche Bedeutung den Begriffen "besonderer Gründungszweck", "Allgemeininteresse" und "Nichtgewerblichkeit" zukomme und wie sie einander zuzuordnen seien. Deshalb habe bis heute keine allgemein anerkannte abschließende Bestimmung des Kreises von juristischen Personen vorgenommen werden können, die durch diese Definition erfasst würden. Die durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes erfolgte einzelfallbezogene Konkretisierung habe nicht ausgereicht, die Fülle der mit den Begriffen verbundenen offenen Fragen in allgemein gültiger und damit auch für den Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits verwertbarer Weise zu klären. Die Schwierigkeiten zeigten sich darin, dass das Verwaltungsgericht den Sachverhalt nicht unter sämtliche Tatbestandsmerkmale der Norm subsumiert, sondern die personelle und finanzielle Beherrschung als Beleg für das Vorliegen des weiteren eigenständigen Merkmals der Nichtgewerblichkeit gewertet habe. Das Verwaltungsgericht habe keine klar abgrenzbaren Kriterien geschaffen, auf deren Grundlage es möglich wäre, eine eindeutige vergaberechtliche Zuordnung der Deutschen Post oder einer anderen juristischen Person vorzunehmen. Im Übrigen werde die besondere rechtliche Schwierigkeit der Rechtssache durch die Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens und die ausführliche rechtliche Aufarbeitung in den erstinstanzlich gewechselten Schriftsätzen dokumentiert.
5Diese Ausführungen genügen nicht den Darlegungsanforderungen des § 124 a Abs. 1 Satz 4 VwGO.
6Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist es für die Darlegung des Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO erforderlich, dass deutlich wird, welche Fragen sich stellen und aus welchen Gründen ihre Beantwortung besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist.
7Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 13. Mai 1997 - 11 B 799/97 -, NVwZ 1997, 1224.
8Dies macht es notwendig, dass der Antragsteller seinen Vortrag entsprechend substantiiert. Deutet schon der Begründungsaufwand des erstinstanzlichen Urteils auf besondere Schwierigkeiten hin, so kann er es regelmäßig bei erläuternden Hinweisen auf die einschlägigen Passagen des Urteils belassen. Nur soweit er die Schwierigkeiten des Falles darin erblickt, dass das Gericht auf bestimmte tatsächliche Aspekte nicht eingegangen ist oder notwendige Rechtsfragen nicht oder unzutreffend beantwortet hat, hat er diese Gesichtspunkte in nachvollziehbarer Weise darzustellen und ihren Schwierigkeitsgrad plausibel zu machen.
9Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458 = NdSVBl. 2000, 10.
10Die letztgenannten "qualifizierten" Darlegungsanforderungen braucht die Klägerin zwar nicht zu erfüllen; denn sie macht nicht geltend, dass das Verwaltungsgericht entscheidungserhebliche Rechtsfragen übergangen oder falsch beantwortet hat. Ihrer Darlegungslast genügt sie aber dennoch nicht.
11Die Ausführungen im Zulassungsantrag sind über weite Passagen derart allgemein gehalten und ohne Bezug zu der vom Verwaltungsgericht getroffenen Einzelfallentscheidung, dass nicht erkennbar wird, welche konkreten Fragen sich nach Meinung der Klägerin in diesem Streitverfahren überhaupt stellen sollen. Der pauschale Vortrag, bestimmte Begriffe gemeinschaftsrechtlicher Herkunft bedürften der Klärung durch ein deutsches Gericht, macht nicht deutlich, was genau in einem Berufungsverfahren geklärt werden soll. Auch dem Hinweis der Klägerin auf die "Fülle der mit den Begriffen verbundenen offenen Fragen" lässt sich nichts Konkretes für das vorliegende Streitverfahren entnehmen. Den notwendigen konkreten Bezug zum angefochtenen Urteil stellt die Klägerin lediglich insoweit her, als sie ausführt, das Verwaltungsgericht habe zwei Tatbestandsmerkmale miteinander vermengt, indem es von der personellen und finanziellen Beherrschung auf die Nichtgewerblichkeit der Aufgaben geschlossen habe.
12Der Senat geht deshalb davon aus, dass die Frage gestellt werden soll, ob bei der Auslegung des Begriffs der Nichtgewerblichkeit auf das Merkmal "personelle und finanzielle Beherrschung" zurückgegriffen werden kann. Nach dem eingangs Ausgeführten wäre es nunmehr Sache der Klägerin gewesen zu erläutern, weshalb die Beantwortung dieser Frage im vorliegenden Rechtsstreit - und nur um diesen geht es - rechtlich besonders schwierig sein soll. Denn diese Schwierigkeiten liegen keineswegs auf der Hand. Nach den Ausführungen im angefochtenen Urteil, die die Klägerin mit dem Zulassungsantrag nicht angegriffen hat, orientiert sich die Auslegung des Merkmals der Nichtgewerblichkeit an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes. Ist die aufgeworfene Frage aber nach Auffassung des Verwaltungsgerichts durch den Europäischen Gerichtshof geklärt, so bedarf es näherer Erläuterung seitens der Klägerin, weshalb ihre Beantwortung gleichwohl besonders schwierig sein soll. Daran fehlt es vorliegend. Der allgemeine Hinweis auf die Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens und den dortigen Vortrag reicht dafür nicht aus.
132. Soweit die Klägerin sich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) beruft, genügt ihr Vorbringen ebenfalls nicht den Darlegungsanforderungen des § 124 a Abs. 1 Satz 4 VwGO.
14Dargelegt ist die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache nur dann, wenn in dem Zulassungsantrag eine konkrete Frage aufgeworfen wird und ein Hinweis auf den Grund enthalten ist, der das Vorliegen einer allgemeinen, über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung rechtfertigen soll.
15Vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 -, NJW 1997, 3328.
16In dem Zulassungsantrag vom 4. Oktober 1999 wird eine konkrete Frage jedoch nicht aufgeworfen. Die Klägerin beschränkt sich vielmehr auf den - insoweit nicht ausreichenden - allgemeinen Hinweis, die Bedeutung der Begriffe "besonderer Gründungszweck", "Allgemeininteresse" und "Nichtgewerblichkeit" bedürfe obergerichtlicher Klärung.
17Konkrete Fragen wirft die Klägerin allerdings in ihrem Schriftsatz vom 13. Dezember 1999 auf. Sie möchte, anknüpfend an die Ausführungen auf Seite 11 des verwaltungsgerichtlichen Urteils geklärt wissen, ob bei der Frage der Gewerblichkeit bzw. Nichtgewerblichkeit der Aufgabenerfüllung auf den jeweils erreichten Entwicklungsstand oder auf das Entwicklungsziel abzustellen ist. Außerdem möchte sie geklärt wissen, ob man von einer Gründung zum Zwecke der Erfüllung von im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben allein deshalb sprechen kann, weil der Bund die Klägerin im Anschluss an ihre Gründung zur Erfüllung seines Gewährleistungsauftrags aus Art. 87 f GG heranzieht.
18Damit kann die Zulassung der Berufung jedoch nicht erreicht werden. Denn die genannten Fragen hat die Klägerin erst nach Ablauf der Antragsfrist (4. Oktober 1999) gestellt. Die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, müssen jedoch bis zum Ablauf der Antragsfrist dargelegt werden (vgl. § 124 a Abs. 1 Satz 4 VwGO).
193. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG; sie trägt dem Umstand Rechnung, dass die Klägerin ihren Zulassungsantrag auf einen Teil des ursprünglichen Streitgegenstandes beschränkt hat.
20Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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