Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 20 A 760/96
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.
Insoweit ist das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 8. Januar 1996 wirkungslos.
Im Übrigen wird das angefochtene Urteil geändert. Der Beklagte wird unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an die Klägerin Zinsen für die Zeit vom 24. Januar 1995 bis zum 23. Juni 2000 in Höhe von 0,5 % pro Monat auf den Betrag von 33.400,-- DM zu zahlen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Klägerin betreibt in N. bach eine Boden- und Bauschuttdeponie. Der Beklagte bestätigte ihr gemäß § 10 Abs. 3 des Landesabfallgesetzes (LAbfG) die Lizenz für den Betrieb der Anlage. Außerdem zog er die Klägerin mit zwei auf § 11 LAbfG gestützten Bescheiden vom 19. September 1994 für die Jahre 1992 und 1993 zu Lizenzentgelten in Höhe von insgesamt 33.483,75 DM heran. Die hiergegen gerichteten Widersprüche wies der Beklagte mit Bescheiden vom 15. Dezember 1994 zurück.
3Am 24. Januar 1995 hat die Klägerin Klage erhoben mit dem Antrag,
4die Lizenzentgeltbescheide des Beklagten jeweils vom 19. September 1994 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide jeweils vom 15. Dezember 1994 aufzuheben.
5Der Beklagte hat beantragt,
6die Klage abzuweisen.
7Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch das angefochtene Urteil, auf das Bezug genommen wird, stattgegeben.
8Der Beklagte hat am 9. Februar 1996 Berufung eingelegt. Die Klägerin hat mit am 2. April 1996 eingegangenem Schriftsatz zusätzlich beantragt, den Beklagten zur Erstattung der von ihr gezahlten Lizenzentgelte nebst 8 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.
9Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 29. März 2000 - 2 BvL 3/96 - § 10 LAbfG in der Fassung vom 21. Juni 1988, GVBl. S. 250, wegen Unvereinbarkeit mit Bundesrecht für nichtig erklärt. Daraufhin hat der Beklagte die angefochtenen Lizenzentgeltbescheide aufgehoben und der Klägerin die entrichteten Beträge am 20. Juli 2000 erstattet. Insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt erklärt.
10Gegen den von der Klägerin weiterverfolgten Zinsanspruch trägt der Beklagte vor, die Bestimmungen der Abgabenordnung (AO) über die Verzinsung von Erstattungsbeträgen seien nicht anwendbar. Die Verweisungsvorschrift des § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f LAbfG sei wegen Nichtigkeit des § 10 LAbfG ebenfalls nichtig. Die §§ 12 bis 14 LAbfG enthielten Detailregelungen, die eine untrennbare Einheit mit den Bestimmungen über die Erteilung der Lizenz und die Erhebung von Lizenzentgelten bildeten. Die Klägerin könne daher lediglich Prozesszinsen in entsprechender Anwendung des § 291 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in Höhe von 4 % ab Rechtshängigkeit des Erstattungsbegehrens beanspruchen.
11Der Beklagte beantragt,
12das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit eine Verzinsung in Höhe von mehr als 4 % jährlich ab dem 2. April 1996 beansprucht wird.
13Die Klägerin beantragt - sinngemäß -,
14den Beklagten zu verurteilen, an sie 6 % Zinsen von 33.400,-- DM vom 24. Januar 1995 bis zum 31. März 1996 und 8 % Zinsen von 33.483,75 DM vom 1. April 1996 bis zum 20. Juli 2000 zu zahlen.
15Sie trägt vor, die von ihr gezahlten Beträge seien ab Klageerhebung mit 6 % zu verzinsen; die Vorschriften der Abgabenordnung seien entsprechend anzuwenden. Zur Nichtigkeit des § 14 LAbfG vertrete der Beklagte widersprüchliche Meinungen. Seit dem 4. März 1996 habe sich der Beklagte aufgrund einer Zahlungsaufforderung im Verzug mit der Erstattung der Lizenzentgelte befunden. Daher bestehe ab April 1996 Anspruch auf Verzinsung mit 8 %.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe
18Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung, weil die Beteiligten ihr Einverständnis hiermit erklärt haben (§ 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).
19Das Verfahren ist, soweit es die Lizenzentgeltbescheide des Beklagten vom 19. September 1994 und die Erstattung der Lizenzentgelte betrifft, aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen erledigt und deshalb einzustellen (§ 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO in entsprechender Anwendung). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist insoweit für wirkungslos zu erklären (§ 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozessordnung - ZPO).
20In Bezug auf den Zinsanspruch, den die Klägerin nach Abschluss des Verfahrens erster Instanz im Wege der Klageerweiterung in ihr Klagebegehren einbezogen hat, und der nunmehr alleiniger Gegenstand des Rechtsstreits ist, hat die Klage überwiegend Erfolg.
21Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig. Soweit die Klägerin die Zinsforderung aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 LAbfG in Verbindung mit Vorschriften der Abgabenordnung ableitet, ist die Geltendmachung des Zahlungsbegehrens nicht durch eine vorangehende Festsetzung der Zinsen durch Verwaltungsakt gemäß §§ 239 Abs. 1 Satz 1, 155 Abs. 1 Satz 1 AO bedingt. § 14 Abs. 1 Nr. 1 LAbfG sieht ein Zinsfestsetzungsverfahren nach diesen Vorschriften nicht vor; die §§ 239 Abs. 1 Satz 1, 155 Abs. 1 Satz 1 AO sind nicht für entsprechend anwendbar erklärt.
22Die Auffassung des Beklagten, die Klägerin könne (nur) Zinsen in Höhe von 4 % jährlich ab dem 2. April 1996 beanspruchen, und die hieran angepasste Fassung des Klageabweisungsantrages lassen das berechtigte Interesse der Klägerin an der Rechtsverfolgung auch insoweit nicht entfallen. Die Klägerin hat den Zinsanspruch in das Verfahren einbezogen, bevor der Beklagte seine Sichtweise zu dem Anspruch geäußert hatte; selbst der Bescheid vom 11. Juli 2000 über die Aufhebung der Lizenzentgeltbescheide enthält keine - geschweige denn rechtsverbindliche - Aussage zu einer Verzinsung. Weiterhin hat der Beklagte den Anspruch der Klägerin in dem von ihm für zutreffend gehaltenen Umfang nicht erfüllt. Er hat den Anspruch ferner nicht teilweise förmlich anerkannt, so dass die Klägerin nicht veranlasst war, ihren vor der Verdeutlichung des Rechtsstandpunkts des Beklagten schriftsätzlich formulierten Klageantrag dahingehend abzuändern, dass sie nunmehr im Umfang des vom Beklagten als gegeben angesehenen Zinsanspruchs anstelle einer streitigen Verurteilung des Beklagten den Erlass eines Anerkenntnisurteils (§ 173 VwGO, § 307 ZPO) begehrt. Der Beklagte bestreitet seine Leistungspflicht lediglich teilweise nicht.
23Die Klage ist überwiegend begründet. Die von der Klägerin aufgrund der Bescheide vom 19. September 1994 gezahlten Lizenzentgelte sind nach näherer Maßgabe der §§ 236 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, 238 AO mit 0,5 % pro Monat, mithin 6 % jährlich, zu verzinsen. Diese Vorschriften finden aufgrund § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f LAbfG beim Vollzug der §§ 10 ff. LAbfG entsprechende Anwendung. § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f LAbfG ist entgegen der Ansicht des Beklagten nicht nichtig.
24Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 29. März 2000 - 2 BvL 3/96 - § 14 Abs. 1 LAbfG nicht für nichtig erklärt. Die Entscheidung verhält sich über die Unvereinbarkeit der Lizenzpflicht nach § 10 LAbfG in der ursprünglichen Fassung vom 21. Juni 1988 mit Bundesrecht. Sie entfaltet diesbezüglich, also hinsichtlich der Nichtigkeit des § 10 LAbfG, Bindungswirkung (§ 31 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes - BVerfGG -). Auf § 14 Abs. 1 Nr. 1 LAbfG erstreckt sich der Ausspruch des Bundesverfassungsgerichts nicht. In dem Normenkontrollverfahren, in dem der Beschluss vom 29. März 2000 nach einer Vorlage durch den Senat ergangen ist, war das Bundesverfassungsgericht nicht von vornherein auf die Prüfung und Entscheidung der im Vorlagebeschluss genannten und auf § 10 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Sätze 1 und 2 LAbfG bezogenen Rechtsfragen eingeengt. Vielmehr kann das Bundesverfassungsgericht in einem Normenkontrollverfahren nach § 100 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 13 Nr. 11 BVerfGG über die zur Prüfung vorgelegte und mit dem Grundgesetz oder dem sonstigen Bundesrecht unvereinbare Rechtsvorschrift - vorbehaltlich sonstiger vom Bundesverfassungsgericht entwickelter Tenorierungen - hinaus weitere Bestimmungen des gleichen Gesetzes, die aus denselben Gründen mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar sind, gleichfalls für nichtig erklären (§§ 82 Abs. 1, 78 Satz 2 BVerfGG). Von dieser Befugnis hat das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf § 14 Abs. 1 Nr. 1 LAbfG keinen Gebrauch gemacht. Es hat § 14 Abs. 1 Nr. 1 LAbfG auch nicht in Anwendung der Kriterien für die Teil- bzw. Gesamtnichtigkeit von Gesetzen als nichtig erachtet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat die Nichtigkeit einzelner Vorschriften grundsätzlich nicht die Nichtigkeit auch der übrigen Bestimmungen des Gesetzes zur Folge. Aus der Nichtigkeit einzelner Vorschriften folgt die Nichtigkeit des ganzen Gesetzes nur, wenn sich aus dem objektiven Sinn des Gesetzes ergibt, dass die übrigen - aus sich heraus mit der Verfassung zu vereinbarenden - Bestimmungen keine selbständige Bedeutung haben.
25Vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1990 - 2 BvL 12/88 u.a. -, BVerfGE 82, 159 (189).
26Weiterhin ist eine Gesamtregelung, die eine nichtige Vorschrift umfasst, insgesamt nichtig, wenn sie eine untrennbare Einheit bildet, die nicht in ihre Bestandteile zerlegt werden kann.
27Vgl. BVerfG, Urteil vom 13. April 1978 - 2 BvF 1/77 u.a. -, BVerfGE 48, 127 (177); Leibholz/Rinck/ Hesselberger, GG, Stand Juli 2000, Einf. Rdnr. 79.
28Es kann dahingestellt bleiben, ob die vom Beklagten angenommene Nichtigkeit des § 14 Abs. 1 Nr. 1 LAbfG angesichts dessen und des Umstandes, dass dem Senat eine Verwerfungskompetenz nicht zukommt, ohne erneute Vorlage an das Bundesverfassungsgericht zur Folge haben könnte, § 14 Abs. 1 Nr. 1 LAbfG nicht auf das Klagebegehren der Klägerin anzuwenden. Jedenfalls sind die Voraussetzungen nicht erfüllt, unter denen § 14 Abs. 1 Nr. 1 LAbfG nichtig sein könnte.
29Nichtigkeitsgründe, die den Regelungsgehalt speziell des § 14 Abs. 1 Nr. 1 LAbfG betreffen, sind weder dargetan worden noch sonst ersichtlich. Die Bezugnahme auf die im Einzelnen genannten Regelungen der Abgabenordnung dient der Ausgestaltung des Verfahrensrechts für die Umsetzung der Lizenzentgeltpflicht gemäß § 11 LAbfG. Festgelegt werden behördliche Instrumente zur Verwirklichung dieser Pflicht. Bei dem Lizenzentgelt handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Geldleistung, die unabhängig von ihrer Qualifizierung als Gebühr
30- so die Begründung des Gesetzentwurfs zu §§ 10 ff. LAbfG LT- Drucks. 10/2613 S. 42 f. -
31oder als Abgabe sonstiger Art
32- so Senatsbeschluss vom 21. März 1996 - 20 B 3010/95 -; Schink, Lizenzpflicht und Lizenzentgeltpflicht nach §§ 10 bis 15 LAbfG NW, Städte- und Gemeinderat 1992, 365 (367 ff.) -
33Ähnlichkeiten aufweist mit Steuern, für die die Abgabenordnung unmittelbar gilt (§§ 1, 3 AO). Die Bezugnahme auf genau bezeichnete Vorschriften der Abgabenordnung, um diesen Ähnlichkeiten bei der Realisierung der Lizenzentgelte Rechnung zu tragen,
34vgl. LT-Drucks. 10/2613 S. 44 zu § 14 LAbfG,
35begegnet im Hinblick auf höherrangiges Recht keinen Bedenken; sie entspricht im Ansatz der ebenfalls verfassungsrechtlich unproblematischen Ausführungsregelung in Bezug auf die Erhebung von Kommunalabgaben (§ 12 des Kommunalabgabengesetzes).
36§ 14 Abs. 1 Nr. 1 LAbfG hat selbständige Bedeutung neben § 10 LAbfG. Die Verweisung auf Vorschriften der Abgabenordnung für den "Vollzug des Vierten Teils" des Landesabfallgesetzes - die §§ 10 bis 15 LAbfG - zielt auf die Festlegung der Einzelheiten für die Erhebung des Lizenzentgelts nach § 11 LAbfG. Die Lizenz und das Lizenzentgelt bilden zusammen das Lizenzmodell; beide Bestandteile des Modells sind dadurch miteinander verknüpft, dass das Lizenzentgelt für die Nutzung der Lizenz erhoben wird. Für die Erteilung bzw. Bestätigung der Lizenz gibt es aufgrund der Nichtigkeit des § 10 LAbfG zwar keine wirksame Rechtsgrundlage, so dass Lizenzentgelte zukünftig nicht mehr erhoben werden können und es irgendwelcher Ausführungsvorschriften in Gestalt etwa des § 14 Abs. 1 Nr. 1 LAbfG i.V.m. abgabenrechtlichen Bestimmungen für die Erhebung von Lizenzentgelten nicht (mehr) bedarf. Das schmälert jedoch nicht die Bedeutung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 LAbfG im Hinblick auf die Abwicklung bislang - vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 29. März 2000 - erhobener Lizenzentgelte. Ausschließlich die Wirksamkeit des § 14 Abs. 1 Nr. 1 LAbfG für die Rückgängigmachung der Folgen schon stattgefundener - vornehmlich noch nicht unanfechtbar abgeschlossener - Erhebungen von Lizenzentgelten steht noch in Rede. Der Beklagte vertritt, wie die Aufhebung u. a. der an die Klägerin gerichteten Lizenzentgeltbescheide zeigt, selbst die Auffassung, dass ergangene Lizenzentgeltbescheide rechtswidrig und, soweit sie nicht unanfechtbar sind, aufzuheben sind; er geht hierbei allerdings von einer Nichtigkeit des § 11 LAbfG aus. Für die Rückabwicklung derartiger in der Vergangenheit durch Lizenzentgeltbescheide begründeter Rechtsverhältnisse hat § 14 Abs. 1 Nr. 1 LAbfG jedenfalls Bedeutung, soweit diese Rechtsverhältnisse noch nicht unanfechtbar geregelt sind. Ins Gewicht fällt hierbei, dass die §§ 10 ff. LAbfG über mehrere Jahre hinweg in einer Vielzahl von Fällen durch Erteilung bzw. Bestätigung von Lizenzen und Erhebung von Lizenzentgelten vollzogen worden sind. Die Rechtsverhältnisse sind durch Umsetzung der §§ 10 ff. LAbfG in ihrer Gesamtheit einschließlich der in Bezug genommenen Vorschriften der Abgabenordnung begründet und ausgeformt worden. Die Nichtigkeit des § 14 Abs. 1 Nr. 1 LAbfG ließe Regelungslücken entstehen, die nicht ohne weiteres durch einen Rückgriff auf andere Vorschriften geschlossen werden könnten. Das Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW), dessen Geltung in Verwaltungsverfahren zur Abwicklung der Erhebung von Lizenzentgelten allein die Anwendbarkeit von Rechtsvorschriften der Abgabenordnung entgegenstehen kann (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW), enthält zu dem Fragenkomplex, der von § 14 Abs. 1 Nr. 1 LAbfG sowie den in Bezug genommenen Vorschriften der Abgabenordnung erfasst wird, lediglich teilweise Regelungen. Demnach bliebe hinsichtlich der Rückabwicklung der Rechtsverhältnisse nur die ergänzende Heranziehung allgemeiner Rechtsgrundsätze und/oder die entsprechende Anwendung von Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches. Ungeachtet dessen, ob die anstehenden Fragen mit derartigen Regelungen sachgerecht unter Berücksichtigung der spezifischen Merkmale des Lizenzentgelts bewältigt werden könnten, hat § 14 Abs. 1 Nr. 1 LAbfG demzufolge trotz - und wegen - der Nichtigkeit des § 10 LAbfG selbständige Bedeutung im Zusammenhang mit der Erhebung von Lizenzentgelten.
37Eine untrennbare Einheit mit § 10 LAbfG bildet § 14 Abs. 1 Nr. 1 LAbfG ebenfalls nicht. Die Annahme eines derart engen Regelungszusammenhangs unter dem Blickwinkel gerade der Verfassungswidrigkeit würde, weil der Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 Nr. 1 LAbfG an § 11 LAbfG anschließt, zunächst eine solche Verbindung zwischen § 10 LAbfG einerseits und § 11 LAbfG andererseits voraussetzen. Bereits das Bestehen dieser Verbindung ist deswegen durchgreifend zweifelhaft, weil mit der Nichtigkeit des § 10 LAbfG auf einfachgesetzlicher Ebene die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 LAbfG für die Erhebung von Lizenzentgelten entfallen, eine Nichtigkeitserstreckung folglich entbehrlich ist. Das Lizenzentgelt ist abhängig von der Nutzung der Lizenz. Eine solche Nutzung ist aufgrund der Nichtigkeit des § 10 LAbfG nicht zu bejahen. Für die Zukunft kann eine Lizenz nicht erteilt und schon deshalb nicht genutzt werden. Noch nicht bestandskräftige Lizenzbescheide unterliegen der Aufhebung, so dass auch in derartigen Fällen eine Nutzung der Lizenz nicht stattfinden kann bzw. stattgefunden haben kann. Soweit Lizenzbescheide bestandskräftig sind, besagt das nicht, dass die von der Lizenz erfasste Behandlung oder Ablagerung von Abfällen in "Nutzung" der Lizenz erfolgt bzw. in der Vergangenheit erfolgt ist. Die Nichtigkeit des § 10 LAbfG bedeutet, weil das Bundesverfassungsgericht in zeitlicher Hinsicht keine Übergangsregelung getroffen hat, dass diese Vorschrift rückwirkend mit Gesetzeskraft ungültig und unbeachtlich ist. Bislang ergangene Lizenzbescheide entbehren mit Rückwirkung der Rechtsgrundlage. Nach §§ 82 Abs. 1, 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG bleiben nicht mehr anfechtbare Lizenzbescheide hiervon unberührt; jedoch ist eine Vollstreckung ausgeschlossen (§§ 82 Abs. 1, 79 Abs. 2 Sätze 2 und 3 BVerfGG). Noch anfechtbare Erhebungen von Lizenzentgelten können deswegen allenfalls dann Bestand haben, wenn gleichwohl aus dem bloßen Umstand, dass eine Lizenz erteilt worden ist, auf deren Nutzung geschlossen wird. Ein solcher Schluss beinhaltet der Sache nach, dass über den durch § 79 Abs. 2 BVerfGG angeordneten Fortbestand von Lizenzbescheiden für die Vergangenheit hinaus aus diesen Bescheiden Rechtsfolgen für die Zukunft abgeleitet werden. Das steht nicht im Einklang mit dem Rechtsgedanken, auf dem § 79 Abs. 2 BVerfGG beruht.
38Hält man gleichwohl aus verfassungsrechtlicher Sicht eine untrennbare Einheit zwischen §§ 10, 11 LAbfG für gegeben, gilt das jedenfalls nicht auch für §§ 10, 14 Abs. 1 Nr. 1 LAbfG. Der Regelungsgehalt dieser Vorschrift kann nach dem Vorstehenden, betrachtet man ihn für sich, selbständig Bestand haben.
39Schließlich ist § 14 Abs. 1 Nr. 1 LAbfG auch nicht "aus denselben Gründen" mit Bundesrecht unvereinbar, wie sie das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf § 10 LAbfG erkannt hat. Die bundesrechtlichen Regelungen für die Planung und Zulassung von Anlagen für die Behandlung oder Ablagerung von Abfällen sind im Verhältnis zu den entscheidungserheblichen landesrechtlichen Regelungen für die Abwicklung in der Vergangenheit erhobener Lizenzentgelte nicht abschließend.
40Die Pflicht zur Verzinsung der der Klägerin zu erstattenden Beträge ist ausgelöst worden durch die Aufhebung der Lizenzentgeltbescheide, die der Zahlung der Beträge an den Beklagten zugrunde liegen, und die dadurch insoweit eingetretene Erledigung des Rechtsstreits (§ 236 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 AO). Zeitlich setzt die Pflicht zur Verzinsung mit der Rechtshängigkeit der Anfechtungsklage gegen die Lizenzentgeltbescheide, also mit dem Tag der Klageerhebung am 24. Januar 1995, ein; dass die Lizenzentgelte nicht zuvor entrichtet worden sind, ist nicht zu erkennen. Sowohl nach dem Wortlaut des § 236 Abs. 1 AO als auch nach seinem Sinn und Zweck bezieht sich das Erfordernis der "Rechtshängigkeit" auf die Klage auf Herabsetzung bzw. Aufhebung der Steuer, hier der Lizenzentgelte. Die zusätzlich und gleichzeitig mögliche klageweise Geltendmachung des Erstattungsanspruchs (§ 113 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 VwGO) ist weder notwendig, um den Zinsanspruch dem Grunde nach entstehen zu lassen, noch wird der Zinslauf in zeitlicher Hinsicht hiervon beeinflusst. Die Rechtsprechung zum Zinsanspruch nach § 291 BGB in entsprechender Anwendung, die für die Pflicht zur Verzinsung eine Klage auf Zahlung voraussetzt,
41vgl. BVerwG, Urteil vom 24. März 1999 - 8 C 27.97 -, Buchholz 451.171 § 21 AtG Nr. 1,
42kann auf den Anspruch nach § 236 Abs. 1 AO nicht übertragen werden; § 291 BGB verlangt die Rechtshängigkeit der Geldschuld.
43Die zu erstattenden Lizenzentgelte sind bis zum Auszahlungstag, dem 20. Juli 2000, zu verzinsen. Wird bei der Ermittlung der Dauer des Zinslaufs der sich hiernach ergebende angefangene Monat nach dem 23. Juni 2000 außer Ansatz gelassen (§ 238 Abs. 1 Satz 2 AO) und wird außerdem der zu erstattende Betrag auf volle hundert Deutsche Mark nach unten abgerundet (§ 238 Abs. 2 AO), hat die Klägerin Anspruch auf Zinsen in Höhe von 0,5 % monatlich (§ 238 Abs. 1 Satz 1 AO) von 33.400,-- DM für die Zeit vom 24. Januar 1995 bis zum 23. Juni 2000.
44Eine Rechtsgrundlage für den weitergehenden Anspruch der Klägerin gibt es nicht. Die Regelung über Verzugszinsen (§ 288 BGB) ist zum einen neben §§ 236, 238 AO nicht anwendbar. Nach dem in § 233 Satz 1 AO zum Ausdruck gelangenden Grundsatz werden öffentlich-rechtliche Geldforderungen gegen den Staat nur verzinst, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist.
45Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 1989 - 7 C 42.87 -, NVwZ 1989, 876 (878).
46Anlass, von diesem Grundsatz im gegebenen Zusammenhang eine Ausnahme zu machen, besteht nicht. Zum anderen war der Beklagte mit der Erstattung der von der Klägerin gezahlten Lizenzentgelte bis zur Rückzahlung nicht im Verzug. Das erstinstanzliche Urteil konnte wegen der rechtzeitig eingelegten Berufung des Beklagten trotz der Zahlungsaufforderung seitens der Klägerin nicht zur Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs führen; die Lizenzentgeltbescheide und damit der Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Lizenzentgelte waren noch nicht beseitigt. Nach § 167 Abs. 2 VwGO können Urteile auf Anfechtungsklagen nur hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden. Die anders lautende Formulierung im Tenor des angefochtenen Urteils ist in Anbetracht der zur Begründung genannten Vorschriften der §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO als offenbares Versehen zu betrachten, aus dem nicht abgeleitet werden kann, dass das Verwaltungsgericht § 167 Abs. 2 VwGO außer Acht gelassen hat; die Formulierung ist dahin zu verstehen, dass das Urteil nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt worden ist.
47Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 1 Satz 3, 161 Abs. 2 VwGO. Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, hat der Beklagte die Kosten zu tragen, weil er die Lizenzentgeltbescheide als rechtswidrig aufgehoben und die Lizenzentgelte erstattet hat, wodurch er die Erledigung herbeigeführt hat. Soweit über den Zinsanspruch streitig entschieden wird, unterliegt der Beklagte überwiegend. Sein Obsiegen hinsichtlich eines Teils der Zinsforderung ist kostenmäßig als gering zu bewerten.
48Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
49Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen der §§ 132 Abs. 2, 137 Abs. 1 VwGO nicht vorliegen.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.