Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 5 A 2256/94
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 12.000,-- DM festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e :
2I.
3Der Kläger wird seit September 1989 von der Verfassungsschutzbehörde des Beklagten mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet. Ebenfalls seit 1989 wird der Kläger in den jährlich erscheinenden Verfassungsschutzberichten des Landes Nordrhein-Westfalen im Abschnitt "Rechtsextremismus" erwähnt.
4Nachdem der Beklagte den Antrag des Klägers abgelehnt hatte, ihn, den Kläger, nicht mehr im Verfassungsschutzbericht zu erwähnen, und auch der Aufforderung des Klägers nicht nachkam, die Beobachtung einzustellen, suchte der Kläger Ende 1992 um einstweiligen Rechtsschutz nach. Die gegen den ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 29. April 1993 - 1 L 5758/92 - eingelegte Beschwerde des Klägers wies der beschließende Senat mit Beschluss vom 13. Januar 1994 - 5 B 1236/93 -, NWVBl. 1994, 167, zurück. Zur Begründung führte der Senat unter anderem aus, das Verfassungsschutzgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen stelle eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für die Beobachtung des Klägers dar. Die danach maßgebenden Voraussetzungen für eine Beobachtung des Klägers seien erfüllt. Es bestehe der begründete Verdacht, dass von dem Kläger Bestrebungen ausgingen, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet seien. Den vom Beklagten eingereichten Unterlagen sei zu entnehmen, dass tragende Konstruktionsprinzipien des Grundgesetzes, wie die Achtung der Menschenwürde und das Verbot der Diskriminierung wegen der Rasse, des Glaubens oder der Nationalität vom Kläger - insbesondere von dessen Untergliederungen - fortlaufend missachtet würden. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Gründe zu II. des genannten Beschlusses Bezug genommen.
5Bereits am 14. Mai 1993 hatte der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass das Verfassungsschutzgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen als Ermächtigungsgrundlage für die Veröffentlichung eines Verfassungsschutzberichtes nicht ausreichend sei. Auch sei die Beobachtung mit nachrichtendienstlichen Mitteln rechtswidrig. Ausweislich des Parteiprogramms stehe er auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Soweit einzelne Mitglieder rechtsextremistische Verhaltensweisen gezeigt hätten, seien diese aus der Partei entfernt worden und würden auch künftig entfernt, da er, der Kläger, sich von allen extremistischen Personen abgrenze.
6Der Kläger hat beantragt,
71. dem Beklagten zu untersagen, die auf S. 28 - 30 des Verfassungsschutzberichtes des Beklagten 1991 ihn, den Kläger, betreffenden Absätze öffentlich zu verbreiten,
8hilfsweise,
9festzustellen, dass die Verbreitung der Angaben über ihn, den Kläger, im Verfassungsschutzbericht des Beklagten 1991 (S. 28 - 30) rechtswidrig war,
102. dem Beklagten zu untersagen, ihn, den Kläger, mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu beobachten.
11Der Beklagte hat beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Er hat die Auffassung vertreten, zur Veröffentlichung des Verfassungsberichtes berechtigt gewesen zu sein. Angesichts der aus Äußerungen von Parteimitgliedern und dem gesammelten Propagandamaterial gewonnenen Erkenntnisse gehe er, der Beklagte, davon aus, dass die Voraussetzungen für eine Beobachtung gegeben seien; ob in einem solchen Fall auch nachrichtendienstliche Mittel anzuwenden seien, liege allein in seinem Ermessen.
14Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.
15Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, zu deren Begründung er ausführt: Für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gebe es keine Anhaltspunkte. Die von dem Beklagten angeführten Angriffe gegen die "Altparteien" und die Art und Weise der Darstellung der mit der Zuwanderung von Ausländern verbundenen wirtschaftlichen und sozialen Probleme seien angesichts der aufgezeigten Fehlentwicklungen und Missstände gerechtfertigt. Im Übrigen sei tagespolitisch motivierte Polemik im politischen Geschäft üblich und komme auch bei etablierten Politikern anderer demokratischer Parteien vor. Von der Parteilinie abweichende Äußerungen einzelner Mitglieder könnten im Rahmen einer Gesamtschau die Annahme verfassungsfeindlicher Aktivitäten der Partei nicht tragen, zumal die Partei auf extremistische Äußerungen Einzelner in letzter Zeit konsequent mit Parteiausschlussverfahren reagiert habe. Sofern Rechtsextremisten sich der Partei anbiederten, handele es sich bei diesen im Zweifelsfall um von der Beklagtenseite eingesetzte "agents provocateurs". Mit rechtsextremistischen Gruppen oder Parteien, insbesondere der DVU, arbeite die Partei der Republikaner nicht zusammen. Die Beobachtung der Partei mit nachrichtendienstlichen Mitteln sei nicht erforderlich und widerspreche damit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. So reiche für den Nachweis von angeblichen Kontakten zu Rechtsextremisten bereits deren Beobachtung völlig aus. Auch seien die Veranstaltungen der Partei öffentlich, sodass es auch insoweit nicht des Einsatzes von V-Leuten bedürfe.
16Der Kläger beantragt - sinngemäß -,
17das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
18Der Beklagte beantragt,
19die Berufung zurückzuweisen.
20Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Es lägen weiterhin ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen seitens der Partei des Klägers vor. Es gebe zahlreiche Äußerungen von Funktionären und Mitgliedern und von Veröffentlichungen der Partei, die u. a. als Agitation gegen Ausländer und damit als Missachtung der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte zu qualifizieren seien. Darüber hinaus gebe es gerade in letzter Zeit verstärkt Anhaltspunkte für eine Bündnispolitik und ein Zusammenwirken der Partei des Klägers mit anderen rechtsextremistischen Gruppierungen. Beziehe man diese Umstände in die Bewertung mit ein, werde die Diskrepanz zwischen dem offiziellen - in verfassungsrechtlicher Hinsicht kaum zu beanstandenden - Parteiprogramm einerseits und der hiervon abweichenden politischen Praxis andererseits deutlich. Gerade dies erfordere die weitere Beobachtung der Partei, um nicht zuletzt vor dem Hintergrund von Flügelkämpfen in der Partei Aufschluss über deren weiteren Entwicklung zu erlangen. Die Beobachtung müsse auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln geführt werden. Während das Parteiprogramm allgemein zugänglich sei, könnten Informationen über die Vielzahl von Äußerungen mit Parteimitgliedern und -funktionären und damit über die tatsächlichen Bestrebungen der Partei nur durch die Inanspruchnahme von Vertrauensleuten und sonstigen geheimen Informanten und Gewährspersonen sowie durch verdeckte Ermittlungen und Befragungen gewonnen werden.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und die Akten der Verfahren 5 B 1236/93 und 25 A 2431/94 Bezug genommen.
22II.
23Der Senat kann gemäß § 130 a Satz 1 VwGO über die Berufung durch Beschluss entscheiden, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält; die Beteiligten sind hierzu gemäß § 130 a Satz 2, § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO angehört worden.
24Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
25Die Klage mit dem Hauptantrag zu 1. ist unbegründet. Die Entscheidung des Beklagten, die öffentliche Verbreitung des den Kläger betreffenden Teils des Verfassungsschutzberichtes 1991 fortzusetzen, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
26Der Kläger wird durch die ihn betreffenden Passagen im Verfassungsschutzbericht 1991 nicht in seinen Rechten aus Art. 21 Abs. 1 GG verletzt. Sowohl die von ihm beanstandeten Formulierungen (Verdacht rechtsextremistischer Bestrebungen, nationalistische und betont feindselige Haltung gegenüber Ausländern) als auch die Aufnahme der Partei der Republikaner unter die Rubrik "Rechtsextremismus" sind Werturteile, die der Beklagte in Erfüllung seiner verfassungsrechtlichen Pflicht, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu schützen, und im Rahmen seiner daraus fließenden Zuständigkeit für die Beobachtung verfassungsfeindlicher Gruppen und Aktivitäten (vgl. auch §§ 1 bis 3 des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen [Verfassungsschutzgesetz Nordrhein- Westfalen - VSG NRW - vom 21. Juli 1981, GV. NRW. S. 406]) abgegeben hat. An diese Werturteile sind keine rechtlichen Wirkungen geknüpft. Soweit daraus für eine Partei faktische Nachteile entstehen, ist sie dagegen nicht durch Art. 21 GG geschützt.
27Vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 1975 - 2 BvE 1/75 -, BVerfGE 40, 287 ff. (293).
28Dies bedeutet indes nicht, dass der Befugnis der Staatsorgane, negative Werturteile über Ziele und Betätigung nicht verbotener politischer Parteien kundzutun, keine verfassungsrechtlichen Schranken gesetzt wären. Das Recht solcher politischer Parteien auf Chancengleichheit als ein wesentlicher Bestandteil der demokratischen Grundordnung verbietet vielmehr jede staatliche Maßnahme, die den Anspruch der Parteien auf die Gleichheit ihrer Wettbewerbschancen willkürlich beeinträchtigt. Danach wäre es der Regierung untersagt, eine nicht verbotene politische Partei in der Öffentlichkeit nachhaltig verfassungswidriger Zielsetzung und Betätigung zu verdächtigen, wenn diese Maßnahme bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich wäre und sich daher der Schluss aufdrängte, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhte.
29Vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 1975, a.a.O.
30Dies ist hier indes nicht der Fall. Vielmehr erschöpfen sich die vom Beklagten abgegebenen Werturteile in sachlich gehaltenen Meinungsäußerungen, die durch das im gerichtlichen Verfahren von dem Beklagten eingereichte Propagandamaterial und der vom Beklagten referierten Äußerungen von Parteimitgliedern des Klägers nachvollziehbar belegt werden.
31Die vom Beklagten im Verfassungsschutzbericht erwähnte "nationalistische und betont feindselige Haltung gegenüber Ausländern" und die Einordnung der Partei des Klägers unter "Rechtsextremismus" wird bestätigt durch die pauschalen ausländerfeindlichen Diffamierungen und Hetzparolen, die im Beschluss des Senats vom 13. Januar 1994 - 5 B 1236/93 -, a.a.O., S. 168 f., rechtlich gewürdigt worden sind. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die genannten Ausführungen Bezug genommen. An der damaligen Bewertung hält der Senat auch nach nochmaliger Prüfung fest.
32Über den Hilfsantrag zu 1. ist danach nicht mehr zu befinden, da der Hilfsantrag nach dem Gesamtkontext nur für den Fall der Unzulässigkeit des Hauptantrages zu 1. gestellt worden ist.
33Die Klage mit dem Hauptantrag zu 2. ist ebenfalls unbegründet.
34Die Weigerung des Beklagten, die weitere Beobachtung des Klägers mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu unterlassen, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
35Rechtsgrundlage für die Beobachtung des Klägers mit nachrichtendienstlichen Mitteln ist § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen (Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen - VSG NRW -) vom 20. Dezember 1994, GV. NRW. S. 28. Hiernach darf die Verfassungsschutzbehörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben Informationen, insbesondere personenbezogene Daten, mit den Mitteln des § 5 Abs. 2 VSG NRW 1994 erheben, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass auf diese Weise Erkenntnisse über Bestrebungen nach § 3 Abs. 1 VSG NRW 1994 oder die zur Erlangung solcher Erkenntnisse erforderlichen Quellen gewonnen werden können.
36Bestrebungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 VSG NRW 1994 sind unter anderem Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Gemäß § 3 Abs. 3 Buchstabe c VSG NRW 1994 sind Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in § 3 Abs. 4 VSG NRW 1994 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Nach § 3 Abs. 4 Buchstabe g VSG NRW 1994 zählen zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte.
37Wenn für die Erfüllung der Aufgabe verschiedene Maßnahmen geeignet sind, hat die Verfassungsschutzbehörde nach § 5 Abs. 3 Satz 1 VSG NRW 1994 diejenige auszuwählen, die die Betroffenen, insbesondere in ihren Grundrechten, voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 VSG NRW 1994 ist eine Maßnahme unverzüglich zu beenden, wenn ihr Zweck erreicht ist oder sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass er nicht oder nicht auf diese Weise erreicht werden kann. Gemäß § 5 Abs. 3 Satz 3 VSG 1994 hat eine Maßnahme zu unterbleiben, wenn sie einen Nachteil herbeiführt, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht.
38Die genannten Bestimmungen sind mit höherrangigem Recht vereinbar. Sie stehen insbesondere mit dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsgebot (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland - GG -) in Einklang. Die Normierung der Voraussetzungen, der Art und Weise und der Grenzen der Beobachtung mit nachrichtendienstlichen Mitteln genügt dem Gebot der Normenklarheit,
39vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 1990 - 1 C 42.83 -, NJW 1990, 2761 m.w.N.,
40und den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts.
41Vgl. BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209 u.a./83 -, BVerfGE 65, 1 (44).
42Die nach den genannten Bestimmungen zulässige Beobachtung politischer Parteien verstößt auch nicht gegen Art. 21 GG. Die Informationsbeschaffung kann sich auf Einzelpersonen und auf Personenzusammenschlüsse beziehen (§ 3 Abs. 3 VSG NRW 1994). Zu letzteren gehören auch politische Parteien und deren Untergliederung, wie der Kläger.
43Politische Parteien sind gegenüber einer Beobachtung durch die Behörden des Verfassungsschutzes NRW grundsätzlich nicht privilegiert.
44Die auf den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen gestützte Beobachtung einer politischen Partei durch ein Amt für Verfassungsschutz stellt keine Maßnahme dar, die mit Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG unvereinbar ist.
45Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 1999 - 1 C 30.97 -, DVBl. 2000, 279.
46Art. 21 GG gebietet in Bezug auf politische Parteien keine Beschränkungen der Aufgabenzuweisung in § 3 Abs. 1 VSG NRW 1994 auf Bestrebungen, die auf die Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder sich in aktiv kämpferischer, aggressiver Weise gegen einen der in § 3 Abs. 4 VSG NRW 1994 genannten Verfassungsgrundsätze richten.
47Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 1999, a.a.O., S. 281.
48Die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 VSG NRW 1994, wie schon bei der Vorgängerregelung § 3 Abs. 1 Nr. 1 VSG NRW 1981, normierte Anknüpfung der Aufgabenzuweisung an "Bestrebungen" im Sinne einer über Meinungen hinausgehenden Zielstrebigkeit, die sich in einem aktiven, zweckgerichteten, jedoch nicht notwendig kämpferischen und aggressiven Vorgehen äußert,
49vgl. OVG NRW, Urteil vom 12. Dezember 1991 - 20 A 2280/89 -, S. 11 u. a.; Beschluss vom 13. Januar 1994, a.a.O., S. 168,
50begegnet daher keinen Bedenken.
51Der verfassungsrechtlich gebotene und über den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu bewirkende Ausgleich zwischen dem Selbstbestimmungsrecht der Parteien einerseits und der Grundentscheidung des Grundgesetzes für eine streitbare Demokratie andererseits,
52vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 1999, a.a.O., S. 280,
53wird durch das Verfassungsschutzgesetz NRW 1994 gewährleistet. Es enthält in den §§ 3, 5 und 7 VSG NRW 1994 neben der Bestimmung der zulässigen nachrichtendienstlichen Mittel (§ 5 Abs. 2 VSG NRW 1994) eine Reihe von besonderen Voraussetzungen für den Einsatz dieser Mittel als Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Darüber hinaus sind der Informationsbeschaffung mit derartigen Mitteln in § 5 Abs. 3 VSG NRW 1994 allgemeine Grenzen gesetzt, die den (bundes-)verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausformen und nicht hinter ihm zurück bleiben. Die Bestimmungen gebieten in ihrer Gesamtheit, die schutzwürdigen Belange des Betroffenen in die Abwägung mit dem Zweck der Beobachtung einzustellen und angemessen zu würdigen. Das Selbstbestimmungsrecht einer politischen Partei ist in diesem rechtlichen Zusammenhang zu berücksichtigen.
54Auf der Grundlage der hiernach in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstandenden Bestimmung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 5 Abs. 2 VSG NRW 1994 ist die Beobachtung des Klägers mit nachrichtendienstlichen Mitteln (weiterhin) zulässig. Es bestehen i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 VSG NRW 1994 aktuelle tatsächliche Anhaltspunkte,
55vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 1999, a.a.O., S. 282,
56für den Verdacht von Bestrebungen des Klägers gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung. Die Feststellung tatsächlicher Anhaltspunkte ist dabei nicht auf die Auswertung offizieller Programme oder Satzungen beschränkt, sondern erfasst auch Worte und Taten der jeweiligen Führer, Funktionäre und Anhänger sowie Schulungs- und Propagandamaterial der gesamten Partei einschließlich sämtlicher Landes-, Kreis- und Ortsverbände.
57Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Januar 1994, a.a.O., S. 168.
58Auf Grund der umfassenden Auswertung aller vorliegenden Unterlagen und der vom Beklagten beigebrachten sonstigen Tatsachen ergeben sich tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen daraus, dass in der Partei der Republikaner Ausländerfragen teilweise in einer gegen die Menschenwürde verstoßenden Weise behandelt werden. Das Gebot der Achtung der Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG ist Mittelpunkt des Wertesystems der Verfassung.
59Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Oktober 1971 - 1 BvR 387/65 -, BVerfGE 32, 98 (108); Beschluss vom 17. Januar 1979 - 1 BvR 241/77 -, BVerfGE 50, 166 (175); OVG NRW, Beschluss vom 13. Januar 1994, a.a.O., S. 168.
60Es wird verletzt, wenn der Mensch einer Behandlung ausgesetzt wird, die Ausdruck der Verachtung des Wertes ist, der dem Menschen kraft seines Personseins zukommt.
61Vgl. BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1970 - 2 BvF 1/69, 2 BvR 629/68 und 308/69 -, BVerfGE 30, 1 (26).
62Das ist hier der Fall. Der jedem Menschen gleichermaßen zukommende Wert wird missachtet, wenn Ausländer pauschal als Kriminelle, Nichtstuer, Schmarotzer und Sozialbetrüger diffamiert werden. Eine derartige Vorgehensweise ist bei Teilen der Republikaner kontinuierlich und bis in die jüngste Vergangenheit festzustellen, wie die vom Beklagten angeführten und über die bereits im Beschluss des Senats vom 13. Januar 1994, a.a.O., verwerteten Veröffentlichungen hinausgehenden, breit gestreuten Beispielsfälle aus dem Zeitraum 1993 bis 2000 (Schriftsatz vom 24. März 1994, Bl. 125; Schriftsatz vom 6. Mai 1996, Bl. 254 bis Bl. 259, 3. Abs. GA, Bl. 263 letzter Absatz bis Bl. 265, 1. Abs. GA; Schriftsatz vom 6. August 1998, Bl. 487 bis 516, 1. Abs. GA; Schriftsatz vom 17. Mai 2000, Bl. 685 bis 687 vorletzter Abs. GA) nachdrücklich belegen und auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt.
63Die Einschätzung, dass die Agitation der Partei Die Republikaner die Menschenwürde von Ausländern verletzt, wird in neuerer Zeit etwa geteilt von: OVG Rhl.-Pf., Urteil vom 10. September 1999 - 2 A 11774/98.OVG -, DÖV 2000, 258 (nur LS), Revisionsnichtzulassungsbeschwerde hiergegen verworfen durch BVerwG, Beschluss vom 3. März 2000 - 1 B 13.00 -; Nds.OVG, Urteil vom 19. Oktober 2000 - 11 L 87/00 -. Zu entsprechenden Einschätzungen für die Vergangenheit vgl.: Bay.VGH, Beschluss vom 7. Oktober 1993 - 5 CE 93.2327 -, BayVBl. 1994, 116; OVG NRW, Urteil vom 8. Dezember 1995 - 25 A 2431/94 -, NVwZ 1996, 913 ff., Revision hiergegen zurückgewiesen durch BVerwG, Urteil vom 12. Februar 1998 - 3 C 55.96 -, NJW 1998, 2545 ff.; OVG Rhl.-Pf., Urteil vom 13. Februar 1998 - 2 A 10161/97 -, NVwZ 1998, 874.
64Aus den in Bezug genommenen Quellen ergibt sich das Bild einer nicht nur bei einem einzelnen Ortsverband vorhandenen, sondern weite Kreise der Partei kennzeichnenden fremdenfeindlichen Ausrichtung und Haltung, die pauschal und diffamierend Ausländer etwa für den Verlust der deutschen Identität, für Arbeitslosigkeit, Kriminalität, Wohnungsnot und steigende Sozialkosten verantwortlich macht. Diese gegen die Grundwerte der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtete Bestrebung wird bestätigt durch die angesichts der Stimmenverluste und des Mitgliederschwundes in neuerer Zeit intensivierten - innerparteilich allerdings umstrittenen - Kontakte von Teilen der Partei mit rechtsradikalen Personen, Gruppierungen und Parteien im In- und Ausland, die ihrerseits zum Teil eine ausgeprägte fremdenfeindliche Hetze pflegen. Zur Begründung im Einzelnen nimmt der Senat Bezug auf die Darstellung des Beklagten in seinem Schriftsatz vom 6. August 1998, Bl. 539 - 549 GA, und die Darstellung im Schriftsatz vom 17. Mai 2000, Bl. 680 - 684 4. Abs. GA.
65Die hiergegen erhobenen Einwände des Klägers rechtfertigen keine andere Bewertung. Sie sind nicht geeignet, den begründeten Verdacht von gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichteten Bestrebungen auszuräumen. Soweit geltend gemacht wird, als "agents provocateurs" tätige Verfassungsschutzbeamte seien die eigentlichen Extremisten, entbehrt dies jeglicher Grundlage. Entsprechendes gilt für die geltend gemachte Ungleichbehandlung gegenüber anderen Verfassungsfeinden. Der Einwand, die Republikaner würden nicht alle Probleme auf Ausländer zurückführen, wird durch das von dem Beklagten beigebrachte Tatsachenmaterial widerlegt. Das Argument, den Ausländern solle nichts vorenthalten werden, was ihnen von Rechts wegen zustehe, ist ein formaler Vorbehalt und vernachlässigt zudem, dass politisches Ziel eine grundlegende Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen für den Aufenthalt von Ausländern ist.
66Die Rüge, das Material sei willkürlich ausgewählt und bei einem zwiespältigen Bild müsse das Gericht umfassend ermitteln, ansonsten verstoße es gegen den Amtsermittlungsgrundsatz, geht fehl. Im vorliegenden Fall geht es nicht um die endgültige Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei; vielmehr knüpft die Zulässigkeit der Beobachtung mit nachrichtendienstlichen Mitteln allein an den begründeten Verdacht entsprechender Bestrebungen an, der, wie hier, auch schon dann gegeben sein kann, wenn aussagekräftiges Tatsachenmaterial lediglich einen Teilbereich der politischen Aktivitäten der zu beobachtenden Partei widerspiegelt.
67Der Hinweis, die Partei habe ihr Erscheinungsbild geändert und Extremisten aus ihren Reihen entfernt, bleibt ohne Erfolg. Zwar sind Bemühungen zu erkennen, sich von extremen Protagonisten zu trennen, jedoch sind diese Maßnahmen angesichts der Fülle der nachgewiesenen Beispielsfälle und der breiten Streuung der Urheber nicht geeignet, die für die nachrichtendienstliche Beobachtung Ausschlag gebenden konkreten Anhaltspunkte für eine fremdenfeindliche Diffamierung und Agitation zusammen mit einer Annäherung an andere rechtsextreme Parteien und Gruppierungen zu entkräften. Dass die innerparteilichen Flügelkämpfe und die Verflechtung von Teilen der Partei mit der rechtsradikalen Szene durch die Parteiausschlussverfahren endgültig beendet worden sind, behauptet der Kläger selbst nicht.
68Der Hinweis, Politiker anderer Parteien verträten dieselben Positionen, lässt die Rechtmäßigkeit der weiteren Beobachtung der Partei des Klägers nicht entfallen. Die ins Feld geführten Beispiele beziehen sich lediglich auf vereinzelte Äußerungen von Politikern, während die Vielzahl der von dem Beklagten dokumentierten Äußerungen bei den Republikanern den Verdacht einer die Richtung der Partei maßgeblich bestimmenden Strömung begründet.
69Die weitere Beobachtung ist auch verhältnismäßig. Eine andere i.S.d. § 5 Abs. 3 Satz 1 VSG 1994 geeignete Form der Beobachtung besteht nicht. Anders als durch die nachrichtendienstliche Beobachtung mit den in § 5 Abs. 2 VSG NRW 1994 genannten Mitteln lässt sich die Divergenz zwischen offiziellen Aussagen zur Ausländerpolitik bzw. zur Bündnispolitik mit Rechtsextremisten und parteiinternen Äußerungen bzw. dem tatsächlichen Kontakt mit Rechtsextremisten nicht feststellen. Entsprechendes gilt für die Ermittlung interner Flügelkämpfe. Auch lässt sich nur durch die nachrichtendienstliche Beobachtung ein regelmäßiger und zeitnaher Bezug von allgemein zugänglichem Material sicherstellen.
70§ 5 Abs. 3 Satz 2 VSG NRW 1994 greift nicht ein. Hiernach ist eine Maßnahme unverzüglich zu beenden, wenn ihr Zweck erreicht ist oder sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass er nicht oder nicht auf diese Weise erreicht werden kann.
71Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Der Zweck der Beobachtung ist noch nicht erreicht. Insbesondere werden nachrichtendienstliche Mittel nicht eingesetzt, um die Erkenntnisse in Details zu perfektionieren, obwohl dies für die zweckgerichtete Information der Regierung und der Öffentlichkeit nicht erforderlich ist.
72Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 1999, a.a.O., S. 283.
73Gerade die Flügelkämpfe und die innere Zerrissenheit der Partei sowie die Annäherung an rechtsextremistische Gruppierungen oder Parteien erfordern die Fortsetzung der nachrichtendienstlichen Beobachtung um festzustellen, in welche Richtung sich die Partei letztlich bewegt und um die Landesregierung, den Landtag und die Öffentlichkeit über den Fortgang der weiteren, noch nicht abgeschlossenen Entwicklung der Partei sachkundig und angemessen unterrichten zu können.
74Anhaltspunkte dafür, dass der Zweck der Beobachtung nicht oder nicht auf diese Weise erreicht werden kann, liegen nicht vor. Vielmehr spricht das auf diesem Weg erlangte Erkenntnismaterial dafür, dass die nachrichtendienstliche Beobachtung (weiterhin) geeignet ist, Informationsmaterial über Bestrebungen i.S.d. § 3 Abs. 1 VSG 1994 zum Zwecke der Unterrichtung der Regierung, des Landtags und der Öffentlichkeit (§ 15 VSG NRW 1994) zu beschaffen und das zurzeit ambivalente Verhältnis der Partei zu verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen offen zu legen.
75Die weitere Beobachtung des Klägers führt i.S.d. § 5 Abs. 3 Satz 3 VSG NRW 1994 auch nicht zu einem Nachteil für den Kläger, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. Zu berücksichtigen ist, dass die Beobachtung einer Partei unter Inanspruchnahme von Vertrauensleuten, sonstigen geheimen Informanten und Gewährspersonen einen schwerwiegenden Eingriff in die durch Art. 21 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GG geschützte Freiheitssphäre der Partei darstellt. Namentlich der Einsatz von Vertrauensleuten ist geeignet, den parteiinternen Meinungsaustausch zu verunsichern sowie die Willensbildung nachteilig zu beeinflussen und auf diese Weise auch mittelbar auf die Betätigung und die Erfolgschancen der Partei nach außen einzuwirken. Demgemäß setzt die Anordnung der heimlichen Informationsbeschaffung eine besondere Abwägung voraus, die dem Selbstbestimmungsrecht der Partei Rechnung trägt.
76Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 1999, a.a.O., S. 281.
77Diese Abwägung fällt zu Lasten des Klägers aus. Wie dargelegt, bestehen gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte für den konkreten Verdacht, dass innerhalb der Partei des Klägers gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen unternommen und mit anderen rechtsextremen Gruppierungen im In- und Ausland zusammengewirkt oder Kontakte unterhalten werden. Angesichts dessen gewährleistet nur die weitere Beobachtung des Klägers mit nachrichtendienstlichen Mitteln ein frühzeitiges Erkennen der Gefahren für die verfassungsgemäße Ordnung, ein rechtzeitiges Reagieren der zuständigen Behörden und damit einen ausreichenden Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Das Selbstbestimmungsrecht des Klägers hat demgegenüber zurückzustehen.
78Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
79Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 73 Abs. 1 GKG.
80Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
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