Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 10 B 223/01
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 10.000,- DM festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Der Antrag ist unbegründet. Die von den Antragstellerinnen geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
31. Aus dem Zulassungsvorbringen der Antragstellerinnen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses (Zulassungsgrund des § 146 Abs. 4 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
4Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass die angefochtene Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 30. November 2000, durch die der Antragsgegner den Antragstellerinnen aufgegeben hat, die Bauarbeiten im rückwärtigen Grundstücksbereich an der Grenze zum Grundstück I. straße 5 sofort einzustellen, rechtmäßig ist.
5Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass die untersagten Bauarbeiten formell illegal sind und dass allein dieser Umstand ausreicht, die Bauarbeiten zu untersagen. Die Antragstellerinnen ziehen mit ihrem Zulassungsvorbringen nicht in Zweifel, dass die stillgelegten Bauarbeiten an den Schuppen nicht von der Baugenehmigung vom 7. März 2000, die den Umbau des Wohnhauses betrifft, umfasst werden. Sie meinen aber, dass sie für die Durchführung der untersagten Bauarbeiten keiner Genehmigung bedürften, weil es sich lediglich um "Reparaturmaßnahmen" und damit um die Sicherung einer vorhandenen Bausubstanz handele. Das ist rechtlich unzutreffend.
6Gemäß § 63 Abs. 1 BauO NRW bedürfen u.a. Errichtung und Änderung baulicher Anlagen einer Baugenehmigung, soweit in den §§ 65 bis 67, 79 und 80 nichts anderes bestimmt ist. Genehmigungsfreie Vorhaben sind in § 65 BauO NRW geregelt. Keine der dort genannten Fallgestaltungen ist indessen einschlägig. Die Voraussetzungen des § 65 Abs. 2 Nr. 1 BauO NRW, wonach eine geringfügige, die Standsicherheit nicht berührende Änderung tragender oder aussteifender Bauteile "innerhalb" von Gebäuden keiner Baugenehmigung bedarf, liegt nicht vor. Denn die von den Antragstellerinnen durchgeführten Bauarbeiten betreffen nicht Bauteile innerhalb von Gebäuden, sondern tragende Außenwände und das Dach. Auch § 65 Abs. 2 Nr. 6 BauO NRW, wonach u.a. die Instandhaltung von baulichen Anlagen keiner Baugenehmigung bedarf, ist nicht erfüllt. Unter Instandhaltungsarbeiten in diesem Sinne sind regelmäßig wiederkehrende Arbeiten ohne erheblichen bautechnischen Aufwand zu verstehen. Es handelt sich dabei nicht um Reparaturarbeiten größeren Umfangs, die das statische Gefüge einer baulichen Anlage beeinflussen können.
7Vgl. Boeddinghaus/Hahn/Schulte, Die neue Bauordnung in Nordrhein-Westfalen, 2. Auflage, 2000, § 65 Rn. 80.
8Im vorliegenden Fall haben die Bauarbeiten Auswirkungen auf die Statik des Gebäudes. Die Antragstellerinnen haben die Dächer der beiden Schuppen vollständig entfernt. Darüber hinaus haben sie die Mauerkronen der tragenden Ziegelsteinmauern entfernt und diese sodann - unter Schaffung der erforderlichen Auflager für die Hauptträger der Überdachung - neu aufbetoniert. Es versteht sich von selbst, dass derartige bauliche Eingriffe, erst recht aber die Aufbringung eines neuen Dachs, von Einfluss auf die Standsicherheit des Gebäudes sind. Das gilt unabhängig davon, ob die gleiche Dachkonstruktion wie bisher (was von den Antragstellerinnen aber nicht einmal vorgetragen wird) gewählt wird.
92. Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen weicht der Beschluss des Verwaltungsgerichts auch nicht von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ab (Zulassungsgrund des § 146 Abs. 4 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO).
10Die Abweichung soll darin bestehen, dass das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Frage des Erlöschens des Bestandsschutzes andere Maßstäbe als das Bundesverwaltungsgericht in dessen Urteil vom 24. Oktober 1980 - 4 C 81.77 -, BRS 36 Nr. 99, angelegt habe. Es fehlt schon an einer hinreichenden Darlegung (§ 146 Abs. 5 Satz 3 VwGO) dieses Zulassungsgrundes, die voraussetzt, dass ein die Entscheidung des Verwaltungsgerichts tragender abstrakter Rechtssatz benannt wird, der zu einem ebensolchen Rechtssatz in der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Widerspruch steht. Abgesehen davon liegt die behauptete Abweichung auch nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dargelegt, die stillgelegten Bauarbeiten bezögen sich auf "ein neues genehmigungspflichtiges Bauvorhaben, das mangels Identität mit dem alten Brennstoffschuppen, dessen Bausubstanz bereits entscheidend beseitigt ist, keinen Bestandsschutz genießen kann."
11Das Verwaltungsgericht hat die Bedeutung des Bestandsschutzes nicht verkannt. Der Bestandsschutz eines Gebäudes erlischt, wenn der mit der Instandsetzung verbundene Eingriff in den vorhandenen Bestand seiner Qualität nach so intensiv ist, dass er die Standfestigkeit des gesamten Bauwerks berührt und eine statische Neuberechnung erfordert.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 1980 - 4 C 81.77 -, a.a.O., und Beschluss vom 27. Juli 1994 - 4 B 48.94 -, BRS 56 Nr. 85.
14Dies ist - wie oben bereits im Zusammenhang mit § 65 Abs. 2 Nr. 6 BauO NRW dargelegt - der Fall. Für die Wiederherstellung der Gebäude bedarf es daher - auch wenn sie in gleicher äußerer Gestalt und mit demselben Nutzungszweck errichtet werden sollen - einer erneuten Baugenehmigung.
15Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
16Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 20 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
17Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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