Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 A 1727/98
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 30. Dezember 1996 und 24. April 1997 verpflichtet, - unter Berücksichtigung des § 6 VAHRG - die Versorgungsbezüge des Klägers gemäß § 5 Abs. 1 VAHRG nicht aufgrund des Versorgungsausgleichs zu kürzen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand
2Der im Jahre 19.. geborene Kläger stand bis zu seiner Zurruhesetzung mit Ablauf des 31. Dezember 1996 als Beamter im Dienste der Beklagten. Bereits seit Mai 1990 lebten der Kläger und seine (im Juli 1944 geborene) Ehefrau getrennt. Diese arbeitete seit Juni 1990 wieder in ihrem bis 1970 ausgeübten Beruf als Krankenschwester. Im Jahre 1992 wurde die Ehe geschieden. Gleichzeitig wurden zu Lasten der Pensionsanrechte des Klägers für seine Ehefrau bei der BfA Rentenanwartschaften begründet (sog. Versorgungsausgleich). Nach der Scheidung teilte der Kläger der Beklagten auf Anfrage mit, dass er seiner geschiedenen Ehefrau nicht unterhaltspflichtig sei. Deshalb erhielt er ab 1. Juli 1992 mit seinen Dienstbezügen lediglich einen Ortszuschlag der Stufe 1.
3Vor der Zurruhesetzung unterrichtete die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 26. September 1996 darüber, dass seine Versorgungsbezüge wegen des zugunsten seiner Ehefrau durchgeführten Versorgungsausgleichs gemäß § 57 BeamtVG um zur Zeit 969,96 DM monatlich zu kürzen seien. Diese Kürzung entfalle nach § 5 Abs. 1 VAHRG, solange die ausgleichsberechtigte Ehefrau aus dem Versorgungsausgleich keine Rente erhalten könne und gegen den ausgleichsverpflichteten Ehemann einen Anspruch auf Unterhalt habe.
4Daraufhin bat der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 22. November 1996, von einer Kürzung der Versorgungsbezüge abzusehen, weil seine geschiedene Ehefrau gegen ihn einen Anspruch auf Unterhalt habe und sie zur Zeit aus dem Versorgungsausgleich keine Rente erhalten könne. Dem Schreiben war ein von der Ehefrau mitunterzeichnetes Schreiben vom 21. November 1996 beigefügt, in dem diese angab, dass sie als geschiedene Ehefrau des Klägers gegen diesen aufgrund eines Vertrages Anspruch auf Zahlung eines Unterhalts habe. Ferner übersandte der Kläger der Beklagten im Dezember 1996 einen zwischen ihm und seiner früheren Ehefrau am 4. Dezember 1996 handschriftlich geschlossenen Vertrag, wonach der Kläger seiner Ehefrau "ab sofort einen Ehegattenunterhalt (Aufstockungsunterhalt) in Höhe von monatlich 360,-- DM" zahle.
5Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 30. Dezember 1996 ab, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Absehen von der Kürzung nicht vorlägen; der geschiedenen Ehefrau stehe kein gesetzlicher Unterhaltsanspruch gegen den Kläger zu. Den von diesem eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 24. April 1997 zurück.
6Der Kläger hat (rechtzeitig) Klage erhoben und beantragt,
7die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide der Beklagten vom 30. Dezember 1996 und vom 24. April 1997 zu verpflichten, gemäß § 5 Abs. 1 VAHRG seine Versorgungsbezüge nicht aufgrund des Versorgungsausgleichs zu kürzen.
8Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch das angefochtene Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, abgewiesen.
9Die (zugelassene) Berufung hiergegen hat der 12. Senat des erkennenden Gerichts mit Urteil vom 25. November 1999 zurückgewiesen. Das Gericht hat dabei entscheidend darauf abgestellt, dass der geschiedenen Ehefrau des Klägers kein Aufstockungsunterhalt zustehe, weil ihre Berufstätigkeit nicht bereits in der Ehe angelegt gewesen sei. Das Bundesverwaltungsgericht hat dieses Urteil auf die zugelassene Revision des Klägers mit Beschluss vom 20. Juli 2000 - 2 B 12.00 - aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das erkennende Gericht zurückverwiesen. Das Gericht habe seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts verletzt, indem es zugrunde gelegt habe, dass die geschiedene Ehefrau des Klägers ihre während der Ehe aufgenommene Berufstätigkeit ohne die Trennung der Ehegatten nicht aufgenommen hätte, ohne dem von dem Kläger hierzu substantiiert angebotenen Zeugenbeweis nachzugehen.
10Zur Berufungsbegründung führt der Kläger im Wesentlichen aus: Seine geschiedene Ehefrau habe in den Jahren 1965 bis 1970 als Krankenschwester gearbeitet. Zwischen den Eheleuten habe Einigkeit darüber bestanden, dass sie mit Beginn der häuslichen Unabhängigkeit der am ........ und am ......... geborenen Kinder O. und M. - etwa mit deren Auszug wegen des Studiums - wieder in das Berufsleben zurückkehren solle. Anfang März 1990 habe sie sich beim J. - Krankenhaus D. -R. , in dem sie früher tätig gewesen sei, beworben. Als zum 30. Mai 1990 in der Station, in der sie zuletzt als stellvertretende Stationsschwester gearbeitet habe, eine Stelle frei geworden sei, habe sie die Tätigkeit dort wieder aufnehmen können. Anläßlich der Scheidung habe er (der Kläger) sich mit seiner Ehefrau dahin geeinigt, dass er für den Sohn O. monatlich 900,-- DM und für die Tochter M. monatlich 750,-- DM Unterhalt zahle. 150,-- DM habe seine frühere Ehefrau M. gewährt. Ferner sei vereinbart worden, dass die Ehefrau im Hinblick darauf, dass er die höhere Unterhaltslast trage, ihrerseits keinen Unterhaltsanspruch gegen ihn geltend mache. Die Eheleute seien sich aber einig gewesen, dass der der Ehefrau grundsätzlich zustehende Aufstockungsunterhalt gezahlt werden solle, wobei anfänglich die Zahlung an die Ehefrau darin bestanden habe, dass er den vollen Unterhalt für O. beglichen habe. Nach Wegfall der Unterhaltslast für die Kinder habe der Ehegattenunterhalt unmittelbar an die geschiedene Ehefrau gezahlt werden sollen. Als O. am 30. September 1995 sein Studium beendet und keinen weiteren Unterhalt mehr erhalten habe, habe er, der Kläger, ab 1. Oktober 1995 an seine geschiedene Ehefrau Aufstockungsunterhalt in Höhe von 360,-- DM monatlich geleistet. Dieser Aufstockungsunterhalt habe der Ehefrau in Höhe von zunächst 665,01 DM und nach Wegfall des Unterhalts auch für M. in Höhe von 935,46 DM zugestanden, weil sie 1996 durchschnittliche monatliche Nettoeinkünfte von 2.713,38 DM, er indes solche von 5.015,07 DM gehabt habe. Von diesen beiden Beträgen sei auszugehen. Denn für die Höhe des Unterhaltsanspruchs sei das Familieneinkommen im Zeitpunkt der Scheidung (nicht im Zeitpunkt der Trennung) maßgebend. Deshalb sei auch das Einkommen der Ehefrau zu berücksichtigen. Ihr dadurch erhöhter Unterhaltsanspruch sei nach der sog. Differenztheorie zu berechnen, wie in der Rechtsprechung zum Unterhaltsrecht wiederholt entschieden worden sei. Auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13. Juni 2001 - XII ZR 343/99 - sei inzwischen die Berechnung des Aufstockungsunterhalts nicht mehr allein an Hand der während der Ehe erzielten Einnahmen zu berechnen, sondern auch die Haushaltsführung eines Ehegatten wertmäßig in Ansatz zu bringen. Es sei regelmäßig die Differenzmethode zur Berechnung heranzuziehen. Damit komme es für die Frage des Aufstockungsunterhalts nicht mehr darauf an, ob die Berufstätigkeit, die seine geschiedenen Ehefrau während der Trennung aufgenommen habe, bereits in der Ehe angelegt gewesen sei.
11Der Kläger beantragt,
12das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Berufung zurückzuweisen.
15Die Beklagte führt zur Begründung im Wesentlichen Folgendes aus: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach für die Bemessung des nachehelichen Unterhalts die ehelichen Lebensverhältnisse im Zeitpunkt der Scheidung maßgebend seien, gelte weiterhin, dass Einkünfte eines Ehegatten aus einer zwischen Trennung und Scheidung aufgenommenen Erwerbstätigkeit sich auf die Höhe des Unterhalts nur dann auswirkten, wenn die Erwerbstätigkeit auch ohne die Trennung der Ehegatten aufgenommen worden wäre. Wenn die Ehefrau nach der Trennung bis zur Scheidung eine berufliche Tätigkeit beginne, zu der es ohne die Trennung nicht gekommen wäre, so sei allein das Einkommen des Ehemannes das prägende Familieneinkommen. Im Fall des Klägers sei es so gewesen, dass die geschiedene Ehefrau die Erwerbstätigkeit allein wegen der Trennung aufgenommen habe und es zu der Erwerbstätigkeit nicht gekommen wäre, wenn sich die Eheleute nicht getrennt hätten. In seiner Entscheidung vom 13. Juni 2001 - XII ZR 343/99 - sei der Bundesgerichtshof von dieser Rechtsprechung nicht abgerückt; nur für die Fälle, in denen die Arbeitsaufnahme erst nach der Scheidung erfolgt oder erweitert worden sei, habe der Bundesgerichtshof seine bisherige Rechtsprechung geändert. Nur in diesen Fällen sei nunmehr die Anwendung der Differenzmethode für die Unterhaltsberechnung statt der Anrechnungsmethode vorgesehen. Der Entscheidung habe ein Fall der nachehezeitlich ausgeweiteten Erwerbstätigkeit zugrunde gelegen. Vorliegend stehe indes ein Fall einer nach der Trennung aber vor Scheidung aufgenommenen Erwerbstätigkeit zur Entscheidung. Die Fälle seien nicht vergleichbar. Für diesen Fall habe der Bundesgerichtshof seine bisher entwickelten Rechtsgrundsätze nicht geändert. Er habe sie vielmehr in der Entscheidung nochmals erwähnt.
16Der Kläger hat mit schriftsätzlicher Erklärung vom 23. August 2001, die Beklagte mit schriftsätzlicher Erklärung vom 27. August 2001 und der Beteiligte mit schriftsätzlicher Erklärung vom 26. Mai 1998 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
17Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (8 Hefte) Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe
19Der Senat entscheidet auf der Grundlage des § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung, nachdem die Beteiligten sich mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt und auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben.
20Die Berufung des Klägers hat Erfolg.
21Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere den Anforderungen des § 124 a Abs. 3 Sätze 1 und 4 VwGO genügend begründet worden. Sie ist auch begründet.
22Die zulässige Verpflichtungsklage
23vgl. zur Klageart auch: OVG NRW, Urteil vom 24. Juni 1998 - 12 A 7406/95 -, Schütz/Maiwald, BeamtR ES/C III 2 Nr. 35; BW VGH, Beschluss vom 10. Oktober 2000 - 4 S 2659/98 -, Schütz/Maiwald, BeamtR ES/C III 2 Nr. 40,
24ist begründet.
25Der Bescheid der Beklagten vom 30. Dezember 1996, mit dem diese den Antrag des Klägers, seine Versorgungsbezüge auf der Grundlage des § 5 Abs. 1 VAHRG nicht wegen des Versorgungsausgleichs gemäß § 57 BeamtVG zu kürzen, und ihr Widerspruchsbescheid vom 24. April 1997 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
26Der Kläger hat nach § 5 Abs. 1 VAHRG einen Anspruch darauf, dass die Beklagte auf seinen Antrag (§ 9 Abs. 1 VAHRG) von der nach § 57 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG aufgrund des Versorgungsausgleich vorzunehmenden Kürzung seiner Ruhegehaltsbezüge absieht.
27Nach § 5 Abs. 1 VAHRG wird die Versorgung des im Versorgungsausgleich Verpflichteten nicht auf Grund des Versorgungsausgleichs gekürzt, "solange der Berechtigte aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht keine Rente erhalten kann und er gegen den Verpflichteten einen Anspruch auf Unterhalt hat oder nur deshalb nicht hat, weil der Verpflichtete zur Unterhaltsleistung wegen der auf dem Versorgungsausgleich beruhenden Kürzung seiner Versorgung außerstande ist".
28Diese Voraussetzungen liegen für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum ab Zurruhesetzung des Klägers (Januar 1997) vor. Insbesondere hat und hatte die geschiedene Ehefrau des Klägers, die noch keine Rente bezieht, einen Anspruch auf Unterhalt i.S.d. § 5 Abs. 1 VAHRG gegen den Kläger. Ihr stand und steht ergänzend zu ihrem Arbeitseinkommen ein sog. Aufstockungsunterhalt nach 1573 Abs. 2 BGB zu.
29Aufstockungsunterhalt kann ein unterhaltsberechtigter, im Zeitpunkt der Scheidung ebenfalls erwerbstätiger Ehegatte beanspruchen, wenn seine eigenen Einkünfte zu dem ihm zustehenden vollen Unterhalt nicht ausreichen (§ 1573 Abs. 2 BGB). Maß und Umfang des ihm zustehenden vollen Unterhalts bestimmen sich dabei nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB) im Zeitpunkt der Scheidung. Diese waren nach früherer Ansicht der zivilgerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich allein durch die Einkommensverhältnisse im Zeitpunkt der Scheidung geprägt, und zwar auch in Fällen, in denen nur ein Ehegatte Einkommen erzielte. In der Konsequenz wurden Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit, die ein Ehegatte erst nach der Scheidung aufgenommen hatte, bei der Berechnung des Maßes und Umfangs des Unterhalts regelmäßig - weil die ehelichen Lebensverhältnisse nicht prägend - nicht berücksichtigt, sondern in vollem Umfang auf den Unterhaltsbetrag angerechnet, der sich allein an Hand des Einkommens des anderen Ehegatten berechnete (sog. Anrechnungsmethode). Wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte allerdings seine Tätigkeit schon während der Ehe aufgenommen hatte, floss sein daraus erzieltes Einkommen als die ehelichen Lebensverhältnisse prägend (und damit letztlich unterhaltserhöhend) in die Bedarfsbemessung nach § 1578 BGB ein. Die Berechnung konnte dann an Hand der sog. Differenzmethode nach einer Quote der Differenz der beiderseits erzielten (bereinigten) Einkommen bemessen werden. Für den Fall, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte erst nach der Trennung eine Erwerbstätigkeit aufnahm, galt es zu differenzieren. Erfolgte die Erwerbsaufnahme allein wegen der Trennung, wurden Einkünfte hieraus nicht als die ehelichen Lebensverhältnisse prägend bewertet und bei der Bedarfsbemessung nach § 1578 BGB vernachlässigt. Die sog. Anrechnungsmethode kam zur Anwendung. Nur wenn die Erwerbstätigkeit als in der Ehe angelegt galt, d.h. auch ohne die Trennung erfolgt wäre, wurde sie als die ehelichen Lebensverhältnisse nachhaltig (mit)prägend bewertet und in die Unterhaltsberechnung unter Anwendung der sog. Differenzmethode einbezogen.
30Vgl. die Rechtsprechungsübersicht in: BGH, Urteil vom 13. Juni 2001 - XIII ZR 343/99 -, NJW 2001, 2254 = FamRZ 2001, 986,; BGH, Urteil vom 23. November 1983 - IV b ZR 21/82 -.
31Daran ist nach der - überzeugenden - Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
32vgl. Urteil vom 13. Juni 2001 XIII ZR 343/99 -, a.a.O.,
33zum sog. Aufstockungsunterhalt nicht mehr festzuhalten.
34Der Bundesgerichtshof wendet sich in jener Entscheidung entscheidend von seinen früheren Überlegungen ab, wonach sich die prägenden ehelichen Lebensverhältnisse, die nach § 1578 Abs. 1 BGB das Maß und den Umfang des Unterhaltsanspruchs bestimmen, auch bei sog. Alleinverdienerehen, in denen nur ein Ehepartner berufstätig ist, nur nach den Einkommensverhältnissen bestimmten und die für die Lebensverhältnisse ebenfalls prägende Haushaltstätigkeit und Kinderbetreuung demgegenüber wertmäßig unberücksichtigt blieben. Ohne eine abschließende Entscheidung zur Frage der Notwendigkeit einer Monetarisierung der Haushaltstätigkeit zu treffen, gelangt das Gericht auf der Grundlage der dargestellten Kritik der Literatur an der bisherigen Rechtsprechung zu dem Ergebnis, dass jedenfalls in Fällen, in denen der unterhaltsberechtigte Ehegatte nach der Scheidung ein Einkommen erzielt oder erzielen kann, welches gleichsam als Surrogat des wirtschaftlichen Wertes seiner bisherigen Tätigkeit angesehen werden kann, dieses Einkommen in die Unterhaltsberechnung nach der sog. Differenzmethode einzubeziehen ist. Es wird behandelt wie nach der bisherigen Rechtsprechung Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit, die bereits vor der Trennung bzw. vor der Scheidung aufgenommen und als solche bereits in der Ehe angelegt war.
35Hierzu heißt es weiter in jener Entscheidung:
36"Das knüpft an die Überlegung an, dass die während der Ehe erbrachte Familienarbeit den ehelichen Lebensstandard geprägt und auch wirtschaftlich verbessert hat und als eine der Erwerbstätigkeit gleichwertige Leistung anzusehen ist, und trägt dem Grundsatz Rechnung, dass der in dieser Weise von beiden Ehegatten erreichte Lebensstandard ihnen auch nach der Scheidung zu gleichen Teilen zustehen soll.
37Nimmt der haushaltsführende Ehegatte nach der Scheidung eine Erwerbstätigkeit auf oder erweitert er sie über den bisherigen Umfang hinaus, so kann sie als Surrogat für seine bisherige Familienarbeit angesehen werden. Der Wert seiner Haushaltsleistungen spiegelt sich dann in dem daraus erzielten oder erzielbaren Einkommen wider, von Ausnahmen einer ungewöhnlichen, vom Normalverlauf erheblich abweichenden Karriereentwicklung abgesehen."
38Kann hiernach sogar eine erst nach der Ehescheidung aufgenommene Erwerbstätigkeit des unterhaltsberechtigten Ehegatten regelmäßig den Wert von - die ehelichen Lebensverhältnisse prägenden - Haushaltsleistungen widerspiegeln, ohne dass es auf die Frage ankommen würde, ob die Erwerbstätigkeit auch ohne die Scheidung aufgenommen worden wäre, muss dies erst recht auf eine Erwerbstätigkeit zutreffen, die nach der Trennung aufgenommen worden ist.
39Hier gelten die Überlegungen zur Bewertung der die ehelichen Lebensverhältnisse prägenden Haushaltsführung in gleichem Maße wie in Fällen, in denen die Erwerbstätigkeit erst nach der Scheidung aufgenommen wird. Die unterhaltsrechtlich zu berücksichtigende Interessenlage, in Fällen, in denen ein unterhaltsberechtigter Ehegatte erstmals wegen und aufgrund der Trennung eine Erwerbstätigkeit aufnimmt oder erweitert, entspricht der Interessenlage bei Aufnahme bzw. Erweiterung einer Erwerbstätigkeit nach der Scheidung. Denn die ehelichen Lebensverhältnisse als Anknüpfung für Maß und Umfang des Unterhalts gleichen sich in beiden Fällen; sie sind durch die Erwerbstätigkeit nur eines Ehegatten und die Haushaltsführung bzw. Kinderbetreuung durch den anderen Ehegatten gekennzeichnet. Diese Vorstellung einer entsprechenden Interessenlage lag auch der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Frage der Berücksichtigung von Einkommen aus einer erst nach Trennung und aufgrund der Trennung aber vor Scheidung aufgenommenen Erwerbstätigkeit zugrunde; es kam wie bei einer entsprechenden Arbeitsaufnahme nach der Ehescheidung allein die sog. Anrechnungsmethode zur Anwendung. Dass der Bundesgerichtshof von dieser Interessenbewertung abweichen wollte, und die Fälle, in denen es um eine nichteheprägende Erwerbstätigkeit nach der Trennung geht, einer anderen Bewertung zuführen wollte als die Fälle, in denen die Erwerbstätigkeit erst nach der Scheidung aufgenommen worden ist, fehlt jeglicher Anhalt. Eine solche Bewertung würde auch jeglicher Berechtigung entbehren.
40Danach kommt es für die vorliegend entscheidende Frage, ob die geschiedene Ehefrau des Klägers einen Anspruch auf Unterhalt i.S.d. § 5 Abs. 1 VAHRG gegen den Kläger hat, nicht mehr entscheidend darauf an, ob sie ihre Erwerbstätigkeit auch ohne die Trennung und Scheidung vom Kläger aufgenommen hätte. Einer Beweisaufnahme zu dieser Frage bedarf es nicht (mehr). Die Unterhaltsberechnung kann in jedem Fall nach der sog. Differenzmethode erfolgen.
41Der Senat sieht sich durch die Gründe, aus denen das Bundesverwaltungsgericht die in dieser Sache gefällte Entscheidung des 12. Senats des erkennenden Gerichts vom 25. November 1999 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen hat, nicht gehindert, sich der geänderten zivilgerichtlichen Auffassung zur Frage des Aufstockungsunterhalts in Fällen vorliegender Art anzuschließen und damit von der der aufgehobenen Entscheidung zugrunde gelegten Auffassung abzuweichen.
42Die Bindungswirkung des § 144 Abs. 6 VwGO erfasst nur die entscheidungstragende Rechtsauffassung des Revisionsgerichts. In diesem Sinne tragend ist bei einer erfolgreichen Verfahrensrüge, wie in vorliegendem Fall, grundsätzlich nur die Annahme, dass das Gericht, an das zurückverwiesen wird, die vermisste weitere Aufklärung vornehmen muss, wenn es weiterhin von der bisherigen Rechtsauffassung ausgeht und keine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eintritt. Eine Bindung an die in dem aufgehobenen Urteil vertretene seinerzeitige Auffassung selbst besteht grundsätzlich nicht.
43Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Juli 2000 - 8 B 154/00 -, NVwZ 2000, 1299 = DVBl. 2001, 308.
44Im Übrigen wäre eine eventuelle Bindung an die in dem Aufhebungsbeschluss zum Ausdruck gekommene Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts, dass nämlich der 12. Senat die weiter aufzuklärenden Frage, ob zwischen den Ehegatten bereits während der Ehe Einigkeit darüber bestand hat, dass die Ehefrau mit Beginn der häuslichen Unabhängigkeit oder dem Auszug der beiden 1969 und 1971 geborenen Kinder in das Berufsleben zurückkehren soll, zutreffend als entscheidungserheblich erachtet hat, in Ansehung der angeführten Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Frage eines Aufstockungsunterhalts in Fällen vorliegender Art entfallen. Denn jene Auffassung des Bundesverwaltungserichts beruhte wie die vom 12. Senat in seiner aufgehobenen Entscheidung vertretene - erkennbar - allein auf der diesbezüglichen bisherigen zivilgerichtlichen Rechtsprechung, die mit der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13. Juni 2001 ihre entscheidende Änderung erfahren hat.
45Die Anwendung der danach nunmehr auch in Fällen vorliegender Art zulässigen Differenzmethode führt ohne Weiteres zur Annahme eines Unterhaltsanspruchs der geschiedenen Ehefrau des Klägers, der zugleich einen Anspruch des Klägers nach § 5 Abs. 1 VAHRG auf Absehen von der Kürzung seiner Versorgungsbezüge nach § 57 BeamtVG begründet.
46Das Einkommen der geschiedenen Ehefrau des Klägers aus ihrer Erwerbstätigkeit als Krankenschwester stellt i.S.d. genannten neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in jedem Fall ein wertmäßiges Surrogat für die Haushaltsführung und Kinderbetreuung dar, die die geschiedene Ehefrau des Klägers bis zur Trennung eheprägend wahrgenommen hat. Anhaltspunkte, die eine andere Bewertung rechtfertigen würden, wie eine abweichende ungewöhnliche, vom Normalverlauf erheblich abweichende Karriereentwicklung, sind nicht festzustellen. Die Erwerbstätigkeit der geschiedenen Ehefrau geht nach Art und Umfang über diejenige nicht hinaus, die sie vor der Geburt der Kinder aufgegeben hatte.
47Es lässt sich auch für den gesamten streigegenständlichen Zeitraum ab 1997 zwischen dem Erwerbseinkommen des Klägers und dem der geschiedenen Ehefrau eine unterhaltsrechtlich auszugleichende Differenz feststellen. Das regelmäßige Nettoeinkommen des Klägers belief sich im Januar 1997 nach Abzug eines Betrages von den Bruttobezügen in Höhe von 969,95 DM wegen des Versorgungsausgleichs auf 3269,35 DM netto und beläuft sich seit Januar 2001 wegen des Versorgungsausgleichs nach Abzug eines Betrages von den Bruttobezügen in Höhe von 1044,49 DM auf 3402,09 DM.
48Vgl. zur Berücksichtigung der Einkommensentwicklung nach der Scheidung: Palandt, BGB, § 1578 Rn. 20 f.
49Das Einkommen der Ehefrau blieb dahinter zurück. Sie erzielte Ende 1996 monatliche Einkünfte in Höhe von ca. 2500,00 DM netto und die letzte vorliegende Vedienstbescheinigung von Dezember 2000 weist einen Nettoverdienst von etwa 2900,00 DM netto aus. Dass der Kläger zur Bereinigung seines Einkommens Beträge in einer Höhe in Abzug bringen könnte, oder die geschiedene Ehefrau weitergehende Einkünfte erzielt, mit der Folge, dass sich keine Einkommensdifferenz mehr ergeben würde, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
50Nach der sog. Differenzmethode kann die geschiedene Ehefrau des Kläger - wie im Falle einer sog. Doppelverdienerehe schon bisher üblich - von dem danach festzustellenden Unterschiedsbetrag einen Teil als Unterhalt beanspruchen.
51Vgl. hierzu u.a. Düsseldorfer Tabelle, Stand Juli 2001, FamRZ 2001, 806 ff.
52Weitergehender Feststellungen dazu, auf welche konkrete Höhe der Unterhaltsanspruch sich während des streitgegenständlichen Zeitraums ab 1997 jeweils belief, bedarf es nicht.
53Anknüpfungspunkt des § 5 Abs. 1 VAHRG ist der einen Unterhaltsanspruch begründende Sachverhalt. Auf die Höhe des Unterhaltsanspruchs selbst kommt es - anders als etwa im Zusammenhang mit der Frage der Unterhaltsverpflichtung eines Beamten bei der Einstufung in den Familienzuschlag nach § 40 Abs. 1 Nr. 3 BBesG -,
54vgl. OVG NRW, Urteil 2. August 2001 - 1 A 5008/99 -,
55nicht an. Insbesondere muss der Unterhaltsanspruch in seiner Höhe nicht den in Rede stehenden Kürzungsbetrag erreichen. Ebenso wenig kommt es darauf an, in welcher Höhe tatsächlich noch Unterhaltsleistungen erfolgen.
56Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. März 1994 - 2 C 4/92 -, ZBR 1994, 248 = DöV 1994, 699 = NJW-RR 1994, 1219 = Schütz/Maiwald, BeamtR ES/C III 2 Nr. 22.
57So ist es etwa unerheblich, ob bereits Erfüllung durch eine Abfindungsvereinbarung eingetreten ist.
58Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Juli 1999 - 2 C 25.98 -, BVerwGE 109, 231 = DÖV 1999, 1050 = DokBer. B 1999, 313 = ZBR 2000, 44 = NJW-RR 2000, 145 = IÖD 2000, 45 = DÖD 2000, 90 = Buchholz 239.2 § 55c SVG Nr. 1 = Schütz/Maiwald, BeamtR ES/C III 2 Nr. 36.
59Schließlich bleibt noch festzuhalten, dass die Beklagte im Hinblick auf die Gewährung der ungekürzten Versorgungsbezüge, soweit es um die Zahlung für vergangene Zeiträume geht, § 6 VAHRG zu berücksichtigen hat. Danach erfolgen Nachzahlungen in den Fällen des § 5 VAHRG - unbeschadet des Umstands, ob Unterhaltszahlungen erfolgt sind oder nicht - an den Verpflichteten und an den Berechtigten je zur Hälfte.
60Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Juli 1999 - 2 C 25.98 - a.a.O.
61Hierauf bezieht sich der ergänzende Zusatz im Urteilstenor.
62Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.
63Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür (§ 132 Abs. 2 VwGO, § 127 BRRG) nicht vorliegen.
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