Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 18 B 2078/02
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 1.000,- EUR festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist gemäß § 166 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung im Beschwerdeverfahren aus den nachstehenden Gründen keine Aussicht auf Erfolg bietet.
3Die Beschwerde ist nicht begründet. Aus den von der Antragstellerin dargelegten, gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO vom Senat nur zu prüfenden Gründen ergibt sich nicht, dass die Ablehnung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht zu Unrecht erfolgt ist.
4Dem Beschwerdevorbringen ist nicht zu entnehmen, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Abschiebungsschutz im Wege der Erteilung einer Duldung an die Antragstellerin zum Zwecke der Regelung und Ausübung des Umgangsrechts mit ihrem bei dem deutschen Vater in I. lebenden minderjährigen Sohn G. T. vorliegen.
5Die Antragstellerin verkennt insoweit, dass für die Beantwortung der Frage, ob eine - hier in Rede stehende - Mutter-Kind-Beziehung in Form einer aufenthaltsrechtlich schützenswerten Lebensgemeinschaft vorliegt, nicht das abstrakte Bestehen des Sorge- bzw. Umgangsrechts als solches - oder gar, wie hier, der bloße Wunsch nach einer entsprechenden Regelung -, sondern allein der tatsächliche Umfang der Ausübung dieses Rechts im Einzelfall entscheidend ist. Dies erfordert eine Bewertung der Beziehungen zwischen dem Elternteil und seinem Kind, bei der sich allerdings jede schematische Einordnung und Qualifizierung als entweder aufenthaltsrechtlich grundsätzlich schutzwürdige Lebens- und Erziehungsgemeinschaft oder Beistandsgemeinschaft ober aber als bloße Begegnungsgemeinschaft ohne aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen verbietet. Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern. Es ist unter Betrachtung des Einzelfalls zu würdigen, ob eine dem Schutzzweck des Art. 6 GG entsprechende Eltern-Kind-Gemeinschaft vorliegt.
6Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. Januar 2002 - 2 BvR 231/00 -, InfAuslR 2002, 171; Senatsbeschlüsse vom 9. Juli 2002 - 1241/02 - und vom 9. September 2002 - 18 B 1371/02 -.
7Wenn - wie hier - keine häusliche Gemeinschaft besteht, können entsprechende Anhaltspunkte für die erforderliche Erziehungsgemeinschaft zwischen einer Mutter und ihrem Kind etwa in intensiven Kontakten, gemeinsam verbrachten Ferien, der Übernahme eines nicht unerheblichen Anteils an der Betreuung und der Erziehung des Kindes oder in sonstigen vergleichbaren Beistandsleistungen liegen, die geeignet sind, das Fehlen eines gemeinsamen Lebensmittelpunktes weitgehend auszugleichen. Dem gegenüber kann die Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen jedenfalls dann unbedenklich sein, wenn keine Lebensverhältnisse bestehen, die einen über die Aufrechterhaltung einer Begegnungsgemeinschaft hinausgehenden familienrechtlichen Schutz angezeigt erscheinen lassen.
8Vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 20. März 1997 - 2 BvR 260/97 -, vom 31. August 1999 - 2 BvR 1523/99 -, NVwZ 2000, 59 = InfAuslR 2000, 67 und vom 30. Januar 2002 - 2 BvR 231/00 -, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 1997 - 1 C 16.96 -, InfAuslR 1998, 272; Senatsbeschlüsse vom 10. Dezember 1999 - 18 B 766/99 -, vom 15. Mai 2001 - 18 B 1309/00 -, vom 9. Juli 2002, a.a.O. und vom 9. September 2002, a.a.O.
9Die Antragstellerin hat nicht in Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts substantiiert dargelegt, dass zwischen ihr und ihrem minderjährigen Sohn eine Erziehungsgemeinschaft im vorbezeichneten Sinne besteht.
10Vielmehr hat sie, die im Jahr nach der Geburt ihres Sohnes nach H. ausgereist ist, in ihrer Anhörung vor dem Amtsgericht O. am 12. August 2002 angegeben, sie habe ihren Sohn nach ihrer Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland erst dreimal gesehen und er kenne sie überhaupt nicht. Gegen eine familienrechtlich schützenswerte geistige und emotionale Nähe zu ihrem in I. lebenden Kind spricht auch, dass sie, als sie nach etwa einjährigem illegalem Aufenthalt in W. bei der Ausübung der Prostitution angetroffen und festgenommen wurde, lediglich drei in H. lebende Kinder erwähnt hat. Erst bei ihrer Anhörung vor dem Amtsgericht N. am 15. Mai 2002 zum Erlass des Abschiebungshaftbefehls hat sie erklärt, sie wolle - künftig - ihr Kind sehen, zu dem sie bis dahin offenbar noch keinen Kontakt aufgenommen hatte. Dementsprechend macht sie zur Beschwerdebegründung auch nur geltend, ihr Sohn habe "Interesse an einer Kontaktaufnahme und Klärung der Beziehung".
11Soweit die Antragstellerin einen stationären Aufenthalt im Justizvollzugskrankenhaus in G. erwähnt hat, ist dem die Glaubhaftmachung einer im gegenwärtigen Zeitpunkt bestehenden Reiseunfähigkeit als Abschiebungshindernis nicht zu entnehmen, zumal eine in Aussicht gestellte ärztliche Bescheinigung über den Gesundheitszustand der Antragstellerin bisher nicht vorgelegt wurde. Abgesehen davon könnte eine erstmals als eigenständiger Duldungsgrund im Beschwerdeverfahren angeführte Reiseunfähigkeit vom Senat nicht berücksichtigt werden.
12Vgl. Senatsbeschluss vom 12. April 2002 - 18 B 590/02 -.
13Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3, 14 Abs. 1 GKG.
14Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG unanfechtbar.
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