Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 9 B 2480/02
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird unter Änderung der erstinstanzlichen Festsetzung für beide Instanzen auf je 48.286,90 EUR festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde, die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur im Hinblick auf die gegen die Richtigkeit des angegriffenen Beschlusses vorgetragenen und dargelegten Gründe zu prüfen ist, bleibt ohne Erfolg.
3Der vom Antragsgegner zunächst erhobene Einwand greift nicht durch, die Antragstellerin habe entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts deshalb keinen Anspruch nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 7 Abs. 2 Satz 1 der Zusatzabgabenverordnung (ZAV) auf Ausstellung der begehrten Bescheinigung, weil sie und der Beigeladene unter offensichtlichem Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 42 AO sowie unter Umgehung der Vorschriften der besagten Verordnung versucht hätten, Milchreferenzmengen von der Antragstellerin auf den Beigeladenen zu übertragen. Dieser Einwand und die insofern angestellten Überlegungen zu einem aus Sicht des Antragsgegners anzunehmenden unzulässigen Transfer von preiswerten Referenzmengen der neuen Bundesländer in die alten Bundesländer" übersehen, dass vorliegend nicht die Erteilung einer Bescheinigung über den Übergang einer - ursprünglich aus den neuen Bundesländern stammenden - Referenzmenge der Antragstellerin auf den Beigeladenen begehrt wird. Infolgedessen kommt es schon von daher auf die vom Antragsgegner problematisierte Frage der Zulässigkeit einer in Nordrhein-Westfalen stattfindenden Ausnutzung der zunächst aus Sachsen-Anhalt stammenden Referenzmenge der Antragstellerin im Stall des Beigeladenen" nicht an. Vielmehr geht es der Antragstellerin vorliegend gerade umgekehrt darum, bescheinigt zu bekommen, dass die bislang dem Beigeladenen zugewiesene, von Anfang an in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung stehende Referenzmenge auf sie übergegangen ist, nachdem sie ihren Firmensitz nach Nordrhein-Westfalen verlagert und den Betrieb des Beigeladenen zum Zwecke der hiesigen Fortführung ihrer eigenen Milcherzeugung angepachtet hat. Die Beurteilung dieser, hier allein streitigen Frage eines Referenzmengenüberganges von dem Beigeladenen auf die Antragstellerin hängt bei summarischer Prüfung wesentlich davon ab, ob mit dem zwischen der Antragstellerin und dem Beigeladenen geschlossenen Betriebspachtvertrag vom 16. September 2002 und den darin getroffenen Vereinbarungen die tatbestandlichen Übergangsvoraussetzungen des § 7 Abs. 2 ZAV vorliegen.
4Dass dies entgegen der vom Verwaltungsgericht geäußerten Ansicht nicht der Fall sein könnte, zeigt die Beschwerde nicht auf. Der Beigeladene hat der Antragstellerin nach § 1 des Betriebspachtvertrages vom 16. September 2002 seinen gesamten der Milcherzeugung dienenden Landwirtschaftsbetrieb mit allen dazu gehörigen Flächen, Einrichtungen, Anlagen und Tierbestand (Milchkühe) verpachtet, wobei die Beteiligten vereinbart haben, dass die dem Beigeladenen für seinen Betrieb zugewiesene Referenzmenge auf die Antragstellerin übertragen werden soll. Damit sind die Übergangsvoraussetzungen gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 ZAV erfüllt. Soweit der Antragsgegner einwendet, es fehle gleichwohl an der Übernahme eines gesamten Betriebes im Sinne der genannten Vorschrift, weil der Beigeladene der Antragstellerin bereits vor Abschluss des besagten Pachtvertrages einen Großteil seines Hofes verpachtet hätte, ist dies nicht zutreffend. Der Beigeladene hatte zwar der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin, nämlich der Milcherzeugung T. OHG, mit Pachtvertrag vom 1. April 2002, der wiederum einen früheren Pachtvertrag mit der T. Hof GbR ersetzte, Teile seines Betriebes verpachtet. Ungeachtet der Frage, welche Auswirkungen die durch Eintragung in das Handelsregister am 22. April 2002 abgeschlossenen Rechtformumwandlung der OHG in eine GmbH, die Antragstellerin, auf diesen früheren Pachtvertrag entfaltet hat, ist der Pachtvertrag vom 1. April 2002 aber jedenfalls spätestens durch Abschluss des neuen Pachtvertrages vom 16. September 2002 hinfällig geworden. Denn hiermit haben die Beteiligten auch ohne ausdrückliche Verlautbarung ihren erkennbaren Willen zum Ausdruck gebracht, dass die vormals mit der OHG, der nunmehrigen GmbH, getroffene Vereinbarung über die Verpachtung (nur) eines Teils des Betriebes nicht mehr gelten und an deren Stelle die am 16. September 2002 getroffene Abrede über die Anpachtung des gesamten Betriebes zu den in diesem Vertrag vollständig neu festgelegten Konditionen treten sollte. Angesichts dessen sind mit dem letztgenannten Vertrag einerseits frühere Teilpachtvereinbarungen gegenstandslos geworden und ist andererseits zugleich eine - nicht durch noch bestehende anderweitige Pachtverträge gehinderte - pachtvertragliche Übernahme des gesamten Betriebes des Beigeladenen durch die Antragstellerin erfolgt.
5Ebenso wenig verfangen die weiteren Einwände des Antragsgegners, die Gesamtbetriebsregelung des § 7 Abs. 2 Satz 1 ZAV sei hier von der Antragstellerin und dem Beigeladenen rechtsmissbräuchlich bemüht worden, indem der Betrieb, auf dem letztlich die gesamte Referenzmenge ermolken werden solle, zwecks Umgehung ansonsten gegebener Beschränkungen als übernommener Betrieb definiert" worden sei, und dies lasse eine analoge Anwendung der zweijährigen Bindungsfrist des § 7 Abs. 2 Satz 2 ZAV auf den übernehmenden Betrieb, die Antragstellerin, angezeigt erscheinen. Diese Betrachtungsweise geht schon von einem unzutreffenden Ansatz aus. Der Betrieb des Beigeladenen ist nicht lediglich als übernommener Betrieb definiert" worden, sondern in rechtlicher Hinsicht nach dem Inhalt des Pachtvertrages vom 16. September 2002 in seiner Gesamtheit von der Antragstellerin gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 ZAV übernommen worden. Dafür, dass es sich bei diesem Pachtvertrag um einen bloßen Scheinvertrag in dem Sinne handeln würde, dass entgegen den Anforderungen des § 7 Abs. 5 ZAV nicht die Antragstellerin (sondern weiterhin der Beigeladene) als Milcherzeuger an der zuvor vom Beigeladenen in eigenem Namen bewirtschafteten Hofstelle tätig wird, trägt der Antragsgegner nichts vor. Eine solche Bewertung ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass der Beigeladene Inhaber sämtlicher Geschäftsanteile der Antragstellerin und damit deren wirtschaftlicher Eigentümer ist. Dies ändert nichts daran, dass es sich bei der Antragstellerin gleichwohl um eine eigenständige juristische Person handelt. Das hat zur Folge, dass die zwischen ihr und dem Beigeladenen abgeschlossenen Verträge keineswegs - wie der Antragsgegner meint - als (unzulässige) In-Sich-Geschäfte" anzusehen wären, und führt ferner dazu, dass die im angepachteten Gesamtbetrieb ermolkene Milch in rechtlicher Hinsicht von der Antragstellerin erzeugt wird. Ähnliches hat im Übrigen auch der Antragsgegner selbst in seinem Bescheid vom 27. Mai 2002 festgestellt, in dem er ausgeführt hat, trotz der Abtretung der Geschäftsanteile an der Antragstellerin an den Beigeladenen sei die Antragstellerin Erzeuger der in den von ihr zum damaligen Zeitpunkt angepachteten Betriebsteilen des Beigeladenen ermolkenen Milch und ein zu bescheinigender Übergang der ihr zugewiesenen, aus Sachsen-Anhalt stammenden Referenzmenge auf den Beigeladenen liege nicht vor. Vor diesem Hintergrund ist bei summarischer Prüfung schon nicht erkennbar, dass die vorliegend gewählte, die zulässigen gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten ausnutzende Vertragsgestaltung eine rechtsmissbräuchliche und deshalb einen wie auch immer gearteten Analogiebedarf auslösende Inanspruchnahme der Gesamtsbetriebsregelung des § 7 Abs. 2 Satz 1 ZAV darstellen würde.
6Auch wegen der sonstigen vom Antragsgegner vorgetragenen Erwägungen kommt bei summarischer Prüfung eine analoge Anwendung des § 7 Abs. 2 Satz 2 ZAV in dem von ihm vertretenen Sinne, dass der Pächter eines Gesamtbetriebes bereits vor Abschluss des Pachtvertrages seinen Betriebssitz seit mindestens zwei vollen Milchquotenjahren im regionalen Zuständigkeitsbereich des angepachteten Betriebes gehabt haben muss, nicht in Betracht. Der vom Antragsgegner allein noch weiter gerügte Umstand, dass in dem insgesamt angepachteten Betrieb die vom Pächter mitgebrachte Referenzmenge und die vom Verpächter übernommene Referenzmenge sofort ohne Trennung ermolken werden könnten, gibt für die Annahme eines Analogiebedarfs im zuvor ausgeführten Sinne nichts her. Soweit sich der Antragsgegner auch unter diesem Aspekt in erster Linie gegen den seiner Ansicht nach unzulässigen Transfer" der aus Sachsen-Anhalt stammenden, von der Antragstellerin mitgebrachten" Referenzmenge nach Nordrhein-Westfalen wenden will, gilt das hierzu bereits oben Gesagte entsprechend. Die Zulässigkeit eines derartigen Transfers" steht anlässlich des vorliegenden Verfahrens auf Erteilung einer Bescheinigung über den Referenzmengenübergang vom Beigeladenen auf die Antragstellerin nicht zur Prüfung. Die kritisierte Möglichkeit als solche, als Erzeuger an einem Betriebsstandort auf zwei verschiedene Referenzmengen Milch zu produzieren, findet seine Ursache letztlich darin, dass der Pächter seinen Betriebssitz am bisherigen Standort aufgeben und an den Betriebssitz des Verpächters verlegen kann. Dass eine solche Betriebsverlagerung für sich genommen - auch wenn sie, wie hier, von einem Bundesland in ein anderes Bundesland erfolgt - nach der grundsätzlichen Konzeption der Zusatzabgabenverordnung unzulässig sein sollte und dem wegen des Vorliegens einer unbewussten Regelungslücke mit Hilfe einer entsprechenden Anwendung des § 7 Abs. 2 Satz 2 ZAV in dem vom Antragsgegner vorgeschlagenen Sinne begegnet werden müsste, zeigt das Beschwerdevorbringen nicht auf.
7Das Vorstehende gilt um so mehr, als bei summarischer Prüfung gewichtige Gründe dafür sprechen, dass die Wirksamkeit des neuen Übertragungssystems (über die Verkaufsstellen) im Hinblick auf die ausnahmsweise Durchbrechung dieses Systems in den Fällen des § 7 Abs. 2 Satz 1 ZAV (ausschließlich) dadurch sichergestellt werden soll, dass die Verfügungsmöglichkeiten betriebsgebunden übergegangener Referenzmengen nach § 7 Abs. 2 Satz 2 ZAV für einen zweijährigen Bindungszeitraum eingeschränkt werden.
8Vgl. Begründung zu § 7 Abs. 2 ZAV, BR-Drucks. 577/99, S. 27
9Diese Beschränkung wird aber auch dann erreicht, wenn der Pächter eines Gesamtbetriebes seinen Betriebssitz unter Mitnahme seiner Referenzmenge an den Standort des angepachteten Betriebes verlagert und dort auf beide Referenzmengen Milch erzeugt. Denn auch in diesem Fall ist er vor Ablauf des Zweijahreszeitraumes nach der Übernahme gehindert, über die Referenzmenge des angepachteten Betriebes weiter zu verfügen.
10Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
11Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG und berücksichtigt, dass der Antragstellerin mit der begehrten Bescheinigung nur vorläufig die Möglichkeit eröffnet wird, Milchanlieferungen in Höhe der bescheinigten Referenzmenge vornehmen zu können. Danach ist das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin mit ½ des Wertes der Hauptsache zu bemessen, der nach ständiger Rechtsprechung des Senats mit 0,10 EUR /kg Referenzmenge angesetzt wird.
12Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
13
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.