Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 B 1124/03
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
Der Streitwert wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertentscheidung für das Verfahren erster Instanz und für das Beschwerdeverfahren jeweils auf die Wertstufe von 6.000 EUR bis 7.000 EUR festgesetzt.
1
G r ü n d e Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
2Aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung ist im Rahmen der Interessenabwägung auf der Grundlage des § 80 Abs. 5 VwGO davon auszugehen, dass die in Streit stehende Entlassungsverfügung der Leiterin der Justizvollzugsanstalt E. vom 08. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Präsidenten des Landesjustizvollzugsamtes vom 07. März 2003 offensichtlich rechtmäßig ist und damit kein Anlass besteht, die aufschiebende Wirkung der gegen die Entlassungsverfügung erhobenen Klage ganz oder - mit Blick auf den Hilfsantrag - teilweise anzuordnen.
3Die dagegen von dem Antragsteller im Beschwerdeverfahren erhobenen Einwände, auf deren Prüfung sich der beschließende Senat auf der Grundlage des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt, greifen nicht durch.
4Den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist aus den von dem Verwaltungsgericht genannten Gründen entsprochen worden. Das Begründungserfordernis ist formeller Art, und die gegebene Begründung ist nicht daraufhin zu prüfen, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung allein aus den dort herangezogenen Gründen auch materiell gerechtfertigt ist. Dem Antragsteller ist insoweit zwar zuzugeben, dass sich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung einer Entlassungsverfügung wegen der allgemeinen Fürsorgepflicht des Dienstherrn nicht allein mit dem fiskalischen Gesichtspunkt begründen lassen dürfte, es bestünde die Gefahr, dass die Rückforderung der gegebenenfalls überzahlten Bezüge möglicherweise nicht mehr zu realisieren sei. Anders als in der von dem Antragsteller dazu herangezogenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts,
5vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 1989 - 2 BvR 1574/89 -, NVwZ 1990, 853,
6ist vorliegend jedoch davon auszugehen, dass die angefochtene Verfügung offensichtlich rechtmäßig ist. Sie wird aller Voraussicht nach auch in dem Hauptsacheverfahren Bestand haben, sodass etwa fortgezahlte Bezüge nicht nur möglicherweise, sondern sicher zurückzufordern wären.
7Der Einwand des Antragstellers, die angefochtene Verfügung sei formell rechtswidrig, weil der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden sei, greift nicht. Der Personalrat hat der beabsichtigten Maßnahme aufgrund seiner Sitzung vom 13. August 2002 in Kenntnis des Umstandes zugestimmt, dass dem Antragsteller Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 16. September 2002 eingeräumt war. Darauf ist der Personalrat mit Schreiben vom 09. August 2002 ausdrücklich hingewiesen worden.
8Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Entlassung auf § 34 Abs. 1 Nr. 2 LBG NRW und nicht auf § 34 Abs. 1 Nr. 1 LBG NRW gestützt ist, letzteres etwa wegen des Verstoßes gegen auch außerhalb des Dienstes zu beachtende Verhaltenspflichten. Die beiden Entlassungstatbestände des § 34 Abs. 1 Nr. 1 LBG NRW (Dienstvergehen) und des § 34 Abs. 1 Nr. 2 LBG NRW (mangelnde Bewährung in der Probezeit) stehen rechtlich selbstständig nebeneinander mit der Folge, dass der Dienstherr, sofern die tatsächlichen Voraussetzungen beider Vorschriften gegeben sind, die Entlassung entweder auf den einen oder den anderen Tatbestand stützen kann.
9Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 1983 - 2 C 89.81 -, ZBR 1984, 10.
10Auf der Grundlage der nach Aktenlage erkennbaren Umstände liegt in der Person des Antragstellers der Entlassungsgrund der mangelnden Bewährung i.S.d. § 34 Abs. 1 Nr. 2 LBG NRW vor. Durchgreifende rechtliche oder tatsächliche Bedenken gegen die entsprechenden Feststellungen des Antragsgegners zur mangelnden Bewährung des Antragstellers ergeben sich aus der Beschwerdebegründung nicht.
11Auf den von ihm wiederholt vorgetragenen Umstand, dass der frühere Angestellte D. bei der dem Antragsteller unter anderem vorgeworfenen Schlägerei nicht oder nicht nennenswert verletzt worden sei und auf die Frage, ob der Angestellte D. seinerseits gewalttätig sei, kommt es nicht an. Insbesondere ist auch nicht erkennbar, dass der Antragsteller richtigerweise als Opfer des Vorfalls anzusehen wäre und dass dem Antragsgegner darüber hinaus vorzuwerfen sein könnte, den massiven und mehrtägigen, zumindest wiederholt übermäßigen Alkoholkonsum des Antragstellers gefördert oder zumindest nicht verhindert zu haben. Der Antragsteller verkennt, dass der angenommene Mangel seiner charakterlichen Eignung unter anderem mit dem nachvollziehbaren und überzeugenden Argument begründet worden ist, dass er - der Antragsteller - in erheblich alkoholisiertem Zustand eine Schlägerei provoziert hat und dass ihn selbst die dabei erlittenen Verletzungen, die eine Krankenhausbehandlung erforderlich machten, auch in den Folgetagen nicht davon abhielten, sich erneut erheblich zu alkoholisieren und sich auffällig zu verhalten. Ihm wird ein Mangel an Selbstbeherrschung und Steuerungsfähigkeit vorgeworfen, der in dem erheblichen mehrtägigen Alkoholkonsum und der Schlägerei nur sinnfällig zum Ausdruck kommt. Die damit erkennbar gewordene Gefahr unkontrollierter und aggressiver Verhaltensweisen, die möglicherweise auch auf alkoholbedingte Enthemmung zurückzuführen sein mag, betrifft den Kernbereich der einem Justizvollzugsbeamten obliegenden Pflichten und Dienstaufgaben. Dies steht einem entsprechenden Einsatz als Justizvollzugsbeamter entscheidend entgegen.
12Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 4 Satz 1 lit. b) GKG. Die Streitwertberechnung berücksichtigt das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 7 (= 2.081,46 EUR) und die ruhegehaltfähige Stellenzulage nach Nr. 27 Abs. 1 lit. a) aa) (= 15,68 EUR) der Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B. Die Multiplikation dieser Beträge mit dem Faktor 3,25 ergibt den Bezugspunkt für die festgesetzte Wertstufe. Die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung war entsprechend zu ändern, § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG.
13Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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