Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 A 1294/03.PVL
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
1
G r ü n d e
2I.
3Seit Januar 2000 waren für die zwei im Vorzimmer des Beteiligten mit Sekretariatsaufgaben betrauten Beschäftigten Frau E. L. und Frau S. Q. Überstunden angefallen, die nicht mehr im Rahmen der flexiblen Arbeitszeit durch Freizeitausgleich abgegolten werden konnten. Daraufhin bat der Beteiligte den Antragsteller, gemäß § 72 Abs. 4 Nr. 2 LPVG NRW der monatlichen Leistung von jeweils 28 bezahlten Überstunden durch die genannten Beschäftigten zuzustimmen. Der Antragsteller erteilte die erbetene Zustimmung für einen Zeitraum bis zum 31. Dezember 2000. Auf Bitten des Beteiligten verlängerte er diese bis zum 30. Juni 2001.
4Mit Vorlage vom 12. November 2001 bat der Beteiligte den Antragsteller, für Frau E. L. und Frau S. Q. die bisherige Genehmigung zur Leistung von monatlich jeweils bis zu 28 bezahlten Mehrarbeitsstunden zu verlängern, und zwar zunächst bezogen auf den Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis zum 31. Dezember 2002. Durch einen hohen - oft termingebundenen - Arbeitsanfall sei eine ordnungsgemäße und pünktliche Abwicklung der vielfältigen Aufgaben im Sekretariat nur durch Leistung von Überstunden zu gewährleisten, die allerdings nicht kontinuierlich anfielen, sondern zeitlich flexibel geleistet werden müssten. Vor diesem Hintergrund sei der Einsatz einer dritten Mitarbeiterin im Sekretariat nicht praktikabel. Die betroffenen Beschäftigten seien nach wie vor mit der Leistung der Mehrarbeitsstunden einverstanden.
5Nach mehreren Erörterungen lehnte der Antragsteller die beantragte Zustimmung unter dem 12. Februar 2002 endgültig ab. Daraufhin teilte der Beteiligte dem Antragsteller mit Schreiben vom 6. März 2002 mit, die streitigen Anordnungen von Überstunden für die Beschäftigten in seinem Vorzimmer seien nicht nach § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LPVG NRW mitbestimmungspflichtig. Denn sie seien Einzelfallregelungen ohne kollektive Wirkung. Im Übrigen sei die Ableistung der Überstunden zur Aufrechterhaltung eines geregelten Dienstbetriebes unumgänglich notwendig. Er habe deshalb die Überstundenanordnungen bis auf weiteres erteilt.
6Der Antragsteller hat am 9. September 2002 das vorliegende Beschlussverfahren eingeleitet.
7Durch den angefochtenen Beschluss hat die Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen des Verwaltungsgerichts den zuletzt gestellten Antrag des Antragstellers,
8festzustellen, dass die Anordnung von Überstunden für die Beschäftigen des Vorzimmers des Oberbürgermeisters der Stadt E1. mitbestimmungspflichtig ist, soweit die Überstunden vorhersehbar und nicht durch Erfordernisse des Betriebsablaufs bedingt sind,
9mit im Wesentlichen folgender Begründung abgelehnt: Der Antrag sei zulässig. Zwar habe sich die ursprünglich streitige Maßnahme durch Zeitablauf erledigt. Es bestehe aber nach wie vor ein Rechtsschutzinteresse an der Durchführung des Verfahrens, weil Situationen wie die, die der Antragsteller zum Gegenstand seines Antrags gemacht habe, mit einem ausreichenden Grad von Wahrscheinlichkeit erneut eintreten könnten. Der Antrag sei unbegründet. Streitgegenstand sei eine Maßnahme des Beteiligten, wie sie in seiner Vorlage vom 12. November 2001 beschrieben worden sei. Eine solche Maßnahme unterliege nicht der Mitbestimmung des Antragstellers aus § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LPVG NRW. Diese Vorschrift erfasse nach ihrem Sinngehalt nur generelle Regelungen, die für die Beschäftigten einer Dienststelle insgesamt oder für eine Gruppe von Beschäftigten gälten. Dabei sei, möglicherweise anders als im kollektiven Arbeitsrecht, eine quantitative Betrachtung geboten, so dass bei sehr geringen Zahlen betroffener Beschäftigter eine Mitbestimmungspflicht ausscheide. Vorliegend betreffe die Maßnahme lediglich zwei Bedienstete. Das reiche zur Begründung einer Mitbestimmungspflicht nicht aus. Auch aus sonstigen Gründen lasse sich kein kollektiver Bezug ableiten. Die Anordnung habe einen speziellen Arbeitsbereich zum Gegenstand, der aus vielerlei auf der Hand liegenden Gründen, nicht zuletzt wegen des weit über die Abwicklung der laufenden Verwaltungsgeschäfte hinaus gehenden Arbeitsbereichs des Beteiligten, eine Sonderstellung innehabe. Die Anordnung diene allein dazu, dieser Sondersituation in einem abgegrenzten und in der Verwaltung an anderer Stelle nicht vorkommenden Arbeitsbereich Rechnung zu tragen. Andere Beschäftigte würden nicht betroffen.
10Gegen den den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 14. Februar 2003 zugestellten Beschluss haben diese am 14. März 2003 Beschwerde eingelegt und diese am 11. April 2003 im Wesentlichen wie folgt begründet:
11Die streitige Anordnung von Überstunden sei eine kollektive Maßnahme. Entscheidend sei nicht die Zahl der von ihr betroffenen Beschäftigten, sondern der Inhalt der Maßnahme. Die Ausführungen der Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen zur Sonderstellung des Arbeitsbereichs des Beteiligten belegten den kollektiven Bezug der Maßnahme. Sie beträfe eine funktional abtrennbare Gruppe von Beschäftigten - alle Beschäftigten des Oberbürgermeister-Büros. Ein Mitbestimmungsrecht scheide nur aus, wenn es ausschließlich um die Berücksichtigung individueller Wünsche einzelner Arbeitnehmer gehe. Das treffe bei der Anordnung von Überstunden für die zwei im Sekretariat des Beteiligten Beschäftigten nicht zu.
12Der Antragsteller hat seinen erstinstanzlichen Antrag dahingehend neu gefasst, dass er beantragt,
13festzustellen, dass es seiner Mitbestimmung aus § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 - 1. Mitbestimmungstat- bestand - LPVG NRW unterliegt, wenn der Beteiligte für die beiden in seinem Vorzimmer (Sekretariat) Beschäftigten mit deren Einverständnis zeitlich befristet auf ein Jahr im Voraus anordnet, dass monatlich bis zu 28 (bezahlte) Überstunden bzw. Mehrarbeit zeitlich flexibel geleistet werden müssen, weil er mit der Möglichkeit rechnet, dass eine ordnungsgemäße und pünktliche Abwicklung der vielfältigen Aufgaben seines Sekretariats wegen des hohen - termingebundenen - Arbeitsanfalls von den beiden Beschäftigten nicht innerhalb der üblichen Arbeitszeit einschließlich der im Rahmen der flexiblen Arbeitszeit auszugleichenden Überstunden bewältigt werden kann.
14Der Antragsteller beantragt,
15den angefochtenen Beschluss zu ändern und seinem neu gefassten erstinstanzlichen Antrag zu entsprechen.
16Der Beteiligte beantragt,
17die Beschwerde zurückzuweisen.
18Er hält den Antrag des Antragstellers bereits für unzulässig. Alle in Frage stehenden Überstunden seien bereits abgeleistet worden, so dass der mit der Mitbestimmung gemäß § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LPVG NRW verfolgte Schutzzweck, die betroffenen Beschäftigten vor einer unnötigen Einschränkung ihrer Freizeit und vor Überbelastungen zu schützen, nicht mehr erreicht werden könne. Der Antrag sei zudem unbegründet. Denn die streitige Maßnahme weise - wie in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt sei - keine kollektiven Bezüge auf. Insbesondere seien nicht sämtliche Beschäftigten seines Büros betroffen, sondern nur die zwei mit Sekretariatsaufgaben betrauten Beschäftigten. Im Übrigen werde auf das gesamte Vorbringen erster Instanz Bezug genommen. Mit diesem hatte der Beteiligte weitergehend u.a. geltend gemacht: Die Überstunden, die im Jahre 2002 im wesentlichen durch Aufgabenstellungen entstanden seien, die mit der Olympiabewerbung der Stadt E1. in Zusammenhang gestanden hätten, seien nicht vorhersehbar gewesen. Insbesondere habe man nicht absehen können, wann und in welchem Umfang auf Anfragen und Schriftstücke der anderen Mitbewerber sowie des NOK hätte reagiert werden müssen. Die damalige Anordnung der Überstunden sei außerdem durch Erfordernisse des Betriebsablaufs bedingt gewesen. Im Rahmen der Olympiabewerbung hätten plötzlich Aufgaben angestanden, die über den normalen Betriebsablauf hinausgegangen seien und die ohne die Anordnung von Überstunden nicht hätten bewältigt werden können.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
20II.
21Die zulässige, namentlich fristgerecht erhobene und rechtzeitig begründete Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
22Der Antrag ist zulässig.
23Die Neufassung des Antrags dient der Klarstellung. Nachdem sich die zwischen den Beteiligten ursprünglich in Streit gestandene Anordnung des Beteiligten, die bis zum 31. Dezember 2002 befristet war, durch Zeitablauf erledigt hat, kommt nur noch eine Feststellung zur Mitbestimmungspflichtigkeit einer vergleichbaren Anordnung nach § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 - 1. Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW in Betracht. Die neugewählte Antragsformulierung beschreibt die Besonderheiten des streitanlassgebenden Vorgangs hinreichend bestimmt in abstrakter Form und hat damit eine für die Zulässigkeit eines abstrakten Antrags erforderliche hinlängliche Anknüpfung an diesen.
24Vgl. zu den Zulässigkeitsanforderungen an einen abstrakten Antrag: u.a. BVerwG, Beschluss vom 2. Juni 1993 - 6 P 3/92 -, BVerwGE 92, 295 = PersR 1993, 450 = PersV 1994, 126 = NVwZ 1994, 1220; aus der Rechtsprechung des OVG NRW vgl. etwa den Beschluss vom 21. Juli 2004 - 1 A 4378/02.PVL -, juris.
25Dem trug die bisherige Antragsformulierung nicht in gleichem Maße Rechnung. Mit ihr war im Grunde schon kein bestimmter Sachverhalt - abstrakt - beschrieben, bei dessen Vorliegen das geltend gemachte Mitbestimmungsrecht aus § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 - 1. Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW greifen sollte. Vielmehr enthielt sie rechtliche (tatbestandliche) Begrifflichkeiten, deren Vorliegen - jedenfalls was die Frage der Vorhersehbarkeit und der Erfordernisse des Betriebsablaufs angeht - im Ausgangsfall zwischen den Beteiligten durchaus streitig waren. Die verwendete Formulierung "Anordnung von Überstunden" erfasste zudem eine Vielzahl von Sachverhaltsvarianten, die keinen Bezug zu dem ursprünglich streitigen Vorgang aufweisen. Insoweit vernachlässigte die ursprüngliche Antragsformulierung namentlich die Besonderheiten des Ausgangsfalls, dass die betroffenen Beschäftigten mit der Anordnung einverstanden waren und die Überstunden nach der getroffenen Anordnung (flexibel) zu leisten waren.
26Der neu gefasst Antrag ist auch im Übrigen zulässig. Er knüpft - wie bereits angeführt - hinreichend an den streitanlassgebenden Vorgang an, wie er sich aus der zuletzt von dem Beteiligten zur Mitbestimmung gestellten Vorlage vom 12. November 2001 erschließt. Zugleich besteht auch die für die Zulässigkeit einer abstrakten Antragstellung unerlässliche Wiederholungswahrscheinlichkeit. Wie die Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat, erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass auch in Zukunft periodisch im Sekretariat des Beteiligten Verhältnisse eintreten, wie in der Zeit ab 2000 bis Ende 2002, in denen also zu erwarten steht, dass der Arbeitsanfall von den planmäßig vorhandenen Beschäftigten nicht innerhalb der üblichen Arbeitszeit einschließlich der im Rahmen der flexiblen Arbeitszeit auszugleichenden Überstunden bewältigt werden kann. Weiter ist nicht auszuschließen, dass der Beteiligte darauf mit einer vergleichbaren Regelung reagiert und für die Beschäftigten seines Sekretariats anordnet, dass über einen bestimmten Zeitraum monatlich bis zu einer bestimmten Höchstzahl (bezahlte) Überstunden (flexibel) geleistet werden müssen. Weder nach dem Vortrag des Beteiligten noch sonst ergeben sich Anhaltspunkte für die Annahme, die Arbeitsspitzen, die sich in der Zeit ab Anfang 2000 ergeben hatten, seien allein auf Vorgänge mit singulären Besonderheiten zurückzuführen, die sich in keinem Fall wiederholen werden. Die von dem Beteiligten im vorliegenden Beschlussverfahren in den Vordergrund gestellten besonderen Arbeitsanforderungen im Zusammenhang mit der Olympiabewerbung der Stadt E1. erklären nach seinem eigenen Vortrag allein die Überstunden im Jahr 2002. Die Überstunden in den Vorjahren waren nicht vergleichbar durch spezielle Aufgaben veranlasst. Dies erhellt schon die Vorlage des Beteiligten vom 12. November 2001. Der Beteiligte hat darin zur Begründung der Notwendigkeit von Überstunden/Mehrarbeit gerade keine singulären Aufgabenstellungen angeführt, die keine Wiederholung erwarten lassen. Vielmehr hat er allgemein den hohen - oft termingebundenen - Arbeitsanfall und die Notwendigkeit der Abwicklung vielfältiger Aufgaben im Sekretariat herausgestellt und sich auf Besonderheiten seines Arbeitsfeldes bezogen, die regelmäßig wiederkehren.
27Der Antrag ist aber unbegründet. Dem Antragsteller steht das geltend gemachte Mitbestimmungsrecht aus § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 - 1. Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW nicht zu, wenn der Beteiligte in der im neu gefassten Antrag umschriebenen Weise für die in seinem Vorzimmer beschäftigten Sekretärinnen mit deren Einverständnis bestimmt, dass monatlich über die im Rahmen der flexiblen Arbeitszeitregelung durch Freizeitausgleich auszugleichenden Überstunden hinaus bis zu einer bestimmten Höchstzahl - im Ausgangsfall 28 - (bezahlte) Überstunden zu leisten sind.
28Die vorsorgliche Anordnung von bezahlten Überstunden in der beschriebenen Weise unterliegt nicht der Mitbestimmung des Antragstellers aus § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 - 1. Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW. Nach dieser Vorschrift hat der Personalrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, mitzubestimmen unter anderem über die Anordnung von Überstunden oder Mehrarbeit, soweit sie vorauszusehen oder nicht durch Erfordernisse des Betriebsablaufs oder der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bedingt sind.
29Ein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers scheitert hier nicht an dem im Einleitungsteil des § 72 Abs. 4 Satz 1 LPVG NRW enthaltenen Vorbehalt des Bestehens einer tariflichen Regelung (Tarifvorbehalt). Die von dem Beteiligten in diesem Zusammenhang angeführten Regelungen in § 17 BAT über u.a. Begriff, Anordnung und Ausgleich von Überstunden erfüllen diesen Vorbehalt nicht.
30Eine tarifliche Regelung schließt die Mitbestimmung des Personalrats nur aus, wenn darin ein Sachverhalt unmittelbar geregelt wird, es also zum Vollzug keines Ausführungsakts mehr bedarf. Enthält eine tarifliche Regelung demgegenüber - wie hier § 17 BAT in Bezug auf die Anordnung von Überstunden - nur allgemeine Grundsätze für den Erlass weiterer Regelungen durch den Dienststellenleiter, unterliegt dessen Entscheidung bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des Mitbestimmungstatbestandes der (Richtigkeits-)Kontrolle des Personalrats im Wege der Mitbestimmung.
31Vgl. allg. BVerwG, Beschlüsse vom 12. August 2002 - 6 P 17/01 -, ZfPR 2002, 298 = PersR 2002, 473 = ZTR 2003, 100 = Schütz/Maiwald, BeamtR ES/D IV 1 Nr. 141 = PersV 2003, 192, und vom 28. März 2001 - 6 P 4.00 -, PersR 2001, 343; vgl. ausdrücklich zu § 17 BAT und § 19 MTL II auch OVG NRW, Beschluss vom 4. November 1992 - CL 52/89 -, NWVBl. 1993, 143 = RiA 1993, 155; Cecior/ Vallendar/Lechtermann/Klein, Personalvertretungsrecht NRW, § 72 Rn. 284.
32Die weiteren Voraussetzungen des § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 - 1. Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW sind demgegenüber nicht erfüllt.
33Allerdings dürfte in der antragsgemäßen Verfügung des Beteiligten im Ansatz durchaus eine "Anordnung von Überstunden" im Sinne des § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 - 1. Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW liegen.
34Dabei mag dahinstehen, ob es sich bei ihr schon um eine solche Anordnung von Überstunden handelt, die nach den tarifrechtlichen Bestimmungen Voraussetzung für eine Überstundenvergütung ist. Geht man von der vorliegend einschlägigen tarifrechtlichen Regelung des § 17 BAT aus, ist eine Anordnung von Überstunden nur eine solche, die dem Grunde nach dazu führt, dass Beschäftigte über die dienstplanmäßig festgesetzten Arbeitsstunden hinaus weitere Arbeitsstunden zu leisten haben. Im Falle bestehender betrieblicher Vereinbarungen über die Einführung flexibler Arbeitszeiten mit entsprechenden Regelungen über die Leistung von Überstunden und deren Ausgleich durch Freizeit muss die Anordnung auf die Verpflichtung zielen, dass der Beschäftigte über die durch die Vereinbarung abgedeckten Arbeits- und Freizeitausgleichszeiten hinaus ohne Anspruch auf Freizeitausgleich Arbeitstunden zu leisten hat. Ob die in Streit befindliche Anordnung diese Voraussetzungen erfüllt, erscheint fraglich. Eine Anordnung der im Antrag vorausgesetzten Art zielt zwar wie auch im Ausgangsstreit darauf, den Beschäftigten einen entsprechenden Vergütungsanspruch zu vermitteln und soll zugleich ausschließen, dass die Beschäftigten in diesem Umfang Überstunden durch Freizeit ausgleichen. Allerdings wird mit der Verfügung nicht zugleich bestimmt, wie viele Überstunden tatsächlich zu leisten sein werden. Sie verhält sich auch nicht dazu, wann diese zu leisten sind. Es wird antragsgemäß - wie im Ausgangsfall - nur angeordnet, dass bei Konkretisierung des Überstunden-/Mehrarbeitsbedarf (bezahlte) Überstunden geleistet werden müssen. So gesehen geht es um vorsorglich angeordnete Überstunden, die noch weiter konkretisiert werden müssen. Dies könnte dazu führen, dass es zur Auslösung eines Vergütungsanspruchs aus § 17 Abs. 1, 4 Satz 2 und Abs. 5 Satz 4 i.V.m. 35 BAT einer weiteren Anordnung im Falle der Realisierung eines Überstunden-/Mehrarbeitsbedarfs bedarf.
35Dieser Frage braucht indes hier nicht weiter nachgegangen zu werden. Denn es bestehen keine Bedenken, die in der Verfügung jedenfalls liegende rein "vorsorgliche" Anordnung von Überstunden, für den Fall des konkreten Eintritts eines entsprechenden Bedarfs, ihrer "direkten" Anordnung gleichzustellen. Der Umstand, dass in § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 LPVG NRW auch alle sonstigen die Dienstdauer beeinflussenden Regelungen mitbestimmungspflichtig sind, gebietet eine weite Auslegung aller speziellen Tatbestände.
36Vgl. zum insoweit vergleichbaren § 86 Abs. 1 Abs. 1 Nr. 1 HmbPersVG und der Anordnung von Bereitschaftsdienst: BVerwG, Beschluss vom 28. März 2001 - 6 P 4/00 -, BVerwGE 114, 103 = ZfPR 2001 197 = PersR 2001, 343 = PersV 2001, 552.
37Das Mitbestimmungsrecht scheidet aber in der im Antrag umschriebenen Situation mit Blick auf den eingeschränkten - kollektiv ausgerichteten - Schutzzweck des Mitbestimmungstatbestandes des § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 - 1. Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW aus.
38Die Mitbestimmung bei der Anordnung von Überstunden zielt in erster Linie darauf, eine Überbeanspruchung sowie unzumutbare Freizeitverluste der betroffenen Beschäftigten als Folge der Maßnahme zu verhindern.
39Vgl. BVerwG Beschluss vom 6. Oktober 1992 - 6 P 25/90 -, PersR 1993, 77 = PersV 1993, 328 = ZfPR 1993, 46 zum inhaltsgleichen § 85 Abs. 1 Nr. 2 PersVG Bln.
40Ihre Einführung mit der Novelle des LPVG NRW im Jahre 1984 diente insoweit der Ergänzung der bereits vorher vorhanden gewesenen Vorschriften über die Mitbestimmungspflichtigkeit von Arbeitszeitregelungen insbesondere in § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 LPVG NRW.
41vgl. Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein, a.a.O., § 72 Rn. 360, m.w.N.
42Der Schutzzweck des genannten Mitbestimmungstatbestandes in § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 LPVG NRW ist seinerseits kollektiv ausgerichtet. Mit der in jener Vorschrift eingeräumten Mitbestimmung des Personalrats soll ein zusätzliche Überwachung erfolgen, dass die arbeitszeitrechtlichen Vorschriften beachtet und deren Einhaltung sichergestellt werden.
43Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Juli 2004 - 1 A 3554/02.PVL -, a.a.O.
44Ausgehend von den genannten Zweckbestimmungen und der kollektiv ausgerichteten Aufgabenstellung des Personalrats ist ein Anordnung von Überstunden (erst) dann nach § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 - 1. Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW mitbestimmungspflichtig, wenn sie eine allgemeine (generelle) Regelung enthält. Bei Individualmaßnahmen greift das Mitbestimmungsrecht demgegenüber nicht.
45Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 20. März 1997 - 1 A 3775/94.PVL - und vom 29. März 1990 - CL 15/87 -; Baden, PersR 1999, 293; Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein, a.a.O. § 72 Rn. 364 m.w.N.
46Nach der (Klarstellung in der) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht,
47vgl. Beschluss vom 12. August 2002 - 6 P 17/01 - a.a.O.,
48der sich der Fachsenat angeschlossen hat,
49vgl. Beschluss vom 21. Juli 2004 - 1 A 3554/02.PVL -, juris,
50liegt eine generelle Regelung nach dem Zweck der Mitbestimmung als Mittel kollektiven Schutzes (nur) dann vor, wenn die streitige Maßnahme einen kollektiven Tatbestand regelt. Sie muss also eine Regelung enthalten, die die - kollektiven - Interessen der Beschäftigten unabhängig von der Person und den individuellen Wünschen des einzelnen Betroffenen berührt.
51Vgl. hierzu auch die in dem genannten Beschluss des BVerwG in Bezug genommene Rechtsprechung des BAG: Beschlüsse 16. Juli 1991 - 1 ABR 69/90 -, BB 1991, 2156 = DB 1991, 2492 = NZA 1992, 70, vom 12. Januar 1988 - 1 ABR 54/86 -, BB 1988, 1331 = NZA 1988, 517, und vom 10. Juni 1986 - 1 ABR 61/84 -, BAGE 52, 160.
52Die Zahl der betroffenen Beschäftigten ist demgegenüber nicht erheblich, sondern kann allein ein Indiz sein.
53Anzusetzen ist dabei - wie bei Fragen des Regelungszusammenhangs in Bezug auf andere Mitbestimmungstatbestände auch - an den konkreten Auswirkungen, die die streitige Anordnung zeitigt. Danach ist ein kollektiver Tatbestand in jedem Fall dann geregelt, wenn nach den konkreten Umständen die Anordnung eine nach objektiven Gesichtspunkten allgemein und umfassend bestimmbare Gruppe betrifft. In diesen Fällen werden ohne weiteres die (kollektiven) Interessen der Beschäftigten dieser Gruppe unabhängig von der einzelnen von der Maßnahme betroffenen Person und deren Wünschen geregelt. Dabei ist unter Gruppe nicht schon jede beliebige Mehrzahl von Beschäftigten zu verstehen, sondern nur ein funktional abgrenzbarer Teil der Beschäftigten einer Dienststelle. Daran fehlt es insbesondere, wenn im Konkreten einzelne Beschäftigte aus besonderem Anlass auf deren erklärte Bereitschaft zur Ableistung von Überstunden ausgewählt werden. Die Überstundenregelung trifft in diesen Fällen regelmäßig nur den jeweils individuell betroffenen Beschäftigten und wäre damit keine allgemeine.
54Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Januar 1996 - 6 P 50.93 -, a.a.O.; OVG NRW, Beschlüsse vom 21. Juli 2004 - 1 A 3554/02.PVL -, a.a.O., und vom 29. September 2004 - 1 A 4194/02.PVB -, juris,
55In diesen Fällen ist allerdings ein kollektiver Bezug gleichwohl gegeben, wenn die Überstundenanordnung nicht nur die Beschäftigten betrifft, die im Konkreten zur Ableistung von Überstunden herangezogen werden, sondern konkrete Auswirkungen auf die Arbeitszeit anderer Beschäftigter hat. Dies entspricht den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in dem bereits herangezogenen Beschluss vom 12. August 2002 - 6 P 17.01 - (a.a.O.).
56Vgl. von Roetteken, Personalrat 2003, 331; OVG NRW, Beschlüsse vom 21. Juli 2004 - 1 A 3554/02.PVL -, a.a.O., und vom 29. September 2004 - 1 A 4194/02.PVB -, a.a.O.
57Dies zugrunde gelegt scheidet vorliegend die Feststellung eines Mitbestimmungsrechts aus, weil die begehrte abstrakte Feststellung Anordnungen wie den Ausgangsfall erfasst, für die sich weder die Betroffenheit einer Gruppe noch eines dritten Beschäftigten im vorstehenden Sinne feststellen lässt. Eine an den Ausgangsfall anknüpfende Anordnung träfe jeweils die einzelne Sekretärin im Vorzimmer des Beteiligten persönlich, die mit der Ableistung der Überstunden einverstanden ist. Im Ausgangsfall war die Anordnung an die jeweilige Person der Sekretärin gebunden. Die Anordnung richtete sich damit nicht an eine Gruppe von Beschäftigten im vorstehenden Sinne. Selbst bei einer gedanklichen Zusammenführung der Einzelanordnungen lassen sich die zwei Sekretärinnen nicht als ein funktional abgrenzbarer Teil der Beschäftigten der Dienststelle zusammenfassen. Insbesondere handelt es sich nicht etwa um die Gruppe der Sekretärinnen der Dienststelle (die mit Sekretariatsaufgaben beauftragten Beschäftigten), die funktional nach den übertragenen Aufgaben abgrenzbar wären. Die Zugehörigkeit zu demselben Arbeitsbereich - "Büro des Beteiligten" - begründet für sich keinen im vorstehenden Sinne kollektiven Tatbestand, zumal die betroffenen Sekretärinnen - wie vom Beteiligten unwidersprochen vorgetragen - nicht die einzigen Beschäftigten im Büro des Beteiligten sind.
58Hängt also die Frage der Mitbestimmungspflichtigkeit der streitigen Anordnungen letztlich davon ab, ob die Maßnahmen im einzelnen über die betroffenen Sekretärinnen hinaus konkrete Auswirkungen auf die Arbeitszeit anderer Beschäftigter haben, kann der Antrag des Antragstellers keinen Erfolg haben. Denn solche Auswirkungen standen schon im Ausgangsfall nicht in Rede und werden entsprechend auch von dem abstrakten Antrag nicht für jeden denkbaren Fall vorausgesetzt. Damit kann auch der begehrten Feststellung nicht entsprochen werden.
59Zu einem anderen Ergebnis müsste man nach Einschätzung des Fachsenats freilich gelangen, wenn man abweichend von der Rechtsprechung des Fachsenats und seinem Verständnis von der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für den kollektiven Bezug ausreichen ließe, dass die Maßnahme in einer Situation erfolgt, in der sich (abstrakt) Regelungsfragen stellen, die sich auf den Schutzzweck der Norm beziehen. Das wäre bei einem betrieblich veranlassten zusätzlichen Arbeitsbedarf - wie er hier in Rede steht - letztlich immer der Fall. Denn ein solcher Bezug ließe sich immer schon dann herstellen, wenn abstrakt zu klären wäre, ob die Anordnung zu einer Überarbeitung der Betroffenen führt, ob der Mehrarbeit durch eine andere Dienstplangestaltung oder durch die Leistung von Überstunden begegnet werden soll und - da zu dem Schutzzweck der Norm nach der Vorstellung des Gesetzgebers (wohl) auch die Einschränkung der Leistungen von Überstunden aus arbeitsmarktpolitischen Gründen zu zählen ist,
60vgl. Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein, a.a.O., § 72 Rn. 360; LT-Drucks. 9/3845, S. 68,
61schließlich immer auch dann, wenn die Frage zu regeln ist, ob die Neueinstellung eines Beschäftigten zweckmäßiger wäre.
62Nach diesen vom Bundesarbeitsgericht zu § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG entwickelten Kriterien
63vgl. Beschlüsse vom 16. Juli 1991 - 1 ABR 69/90 -, a.a.O., und vom 10. Juni 1996 - 1 ABR 61/94 -, a.a.O., wäre vorliegend eine hinreichende Anknüpfung für eine Mitbestimmung ohne weiteres gegeben. Denn mit Blick auf die Größenordnung des Überstundenbedarfs von bis zu 56 Stunden monatlich und der vorausgesetzten Dauer des Bedarfs von einem Jahr ist antragsgemäß eine Situation vorausgesetzt, in der die Fragestellung, nach einer (zweckmäßigeren) Einstellung einer weiteren Beschäftigten ggf. auf Teilzeitbasis jedenfalls nicht fern liegt. Wie die Vorlage zeigt, hatte der Beteiligte diese Frage im Ausgangsfall ebenfalls aufgeworfen. Zugleich würde sich abstrakt die Frage nach einer Überbeanspruchung stellen, und zwar unabhängig davon, dass die Sekretärinnen mit der Überstundenanordnung einverstanden sind und damit für sich die Frage selbst negativ beantwortet haben.
64Von einer Mitbestimmung über die Anordnung von Überstunden nach § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 - 1. Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW wären nach den Kriterien des Bundesarbeitsgerichts nur Situationen ausgenommen, in denen sich der Mehrarbeitsbedarf alleine aus der Person und den Wünschen des Betroffenen ergäbe, etwa bei der Anordnung von Überstunden, die dazu dienen, einem Beschäftigten - beim Fehlen einer Vereinbarung über flexible Arbeitszeiten - auf seinen Wunsch hin die Möglichkeit zu eröffnen, in einer Woche vorzuarbeiten, um in der darauffolgenden Woche Freizeitausgleich etwa zur Wahrnehmung eines Arztbesuches - zu erhalten. In allen anderen Fällen bliebe es selbst bei bloßer individueller Betroffenheit eines einzelnen Beschäftigten, der mit der Überstundenanordnung einverstandenen ist, bei der Mitbestimmung. Im Ergebnis würde damit der Unterschied zwischen einer mitbestimmungsfreien Individualmaßnahme und einer solchen mit kollektiven Bezug aufgehoben.
65Eine solche Aufhebung lässt sich nach Auffassung des Fachsenats und seinem Verständnis von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. August 2002 - 6 P 17.01 - (a.a.O.) für den Mitbestimmungstatbestand des § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 - 1. Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW nicht rechtfertigen. Mit Blick auf die kollektive Ausrichtung der Aufgabenstellung des Personalrats einerseits und anderseits auf das Direktionsrecht des Dienststellenleiters im Bereich der einschlägigen Fragen, wie auf betriebsbedingte Mehrarbeit reagiert werden soll, ob mit Einstellung, Dienstplanänderung, Überstundenanordnung gegen Bezahlung, Überstundenanordnung gegen Freizeitausgleich, ist an dem tradierten Verständnis des § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 - 1. Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW festzuhalten. Es ist weiterhin von einem kollektiv ausgerichteten Mitbestimmungsrecht auszugehen und der erforderliche kollektive Bezug - wie geschehen - (allein) danach zu beurteilen, ob die ergriffene Überstundenanordnung in ihrer konkreten Auswirkung kollektive Interessen von Beschäftigten berührt, d. h. eine Gruppe betrifft oder andernfalls unmittelbare Auswirkungen auf die Interessen anderer Beschäftigter mit Blick auf deren Arbeitszeit und -umfang hat.
66Eine Kostenentscheidung entfällt im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren.
67Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 LPVG NRW, § 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen, weil die Rechtssache mit Blick auf die zuvor aufgeworfene Frage nach den Kriterien für die Beurteilung der Frage, ob eine Anordnung von Überstunden den für ein Mitbestimmungsrecht aus § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 - 1. Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW erforderlichen kollektiven Bezug aufweist, grundsätzliche Bedeutung hat.
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