Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 18 B 1088/06
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,-- EUR festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
3Eine Aufhebung oder Abänderung der angefochtenen Entscheidung kommt nach der ständigen Senatsrechtsprechung
4- vgl. nur die Senatsbeschlüsse vom 12. Dezember 2002 - 18 B 2274/02 - mit weiteren Nachweisen sowie vom 19. Oktober 2005 – 18 B 1706/05 -
5dann nicht in Betracht, wenn das Verwaltungsgericht die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Ergebnis zu Recht versagt hat. So ist es hier. Der sinngemäß letztlich auf die Entlassung aus der Abschiebungshaft gerichtete Antrag der Antragstellerin,
6den Antragsgegner zu verpflichten, sie aus der Abschiebehaft zu entlassen bzw. den Antrag auf Verhängung von Abschiebehaft zurückzunehmen,
7ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats und des weiter mit ausländerrechtlichen Streitigkeiten befassten 17. Senats des beschließenden Gerichts nicht mit einem gegen die Ausländerbehörde gerichteten Antrag auf dem Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten zu verfolgen.
8Vgl. Senatsbeschlüsse vom 12. Februar 1993 18 B 8/93 , vom 28. Januar 2000 18 B 129/00 –, vom 15. Oktober 2001 –17 B 1082/01 -, vom 4. April 2002 – 17 B 445/02 - und vom 9. April 2003 – 18 B 266/03 .
9Es handelt sich zwar um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, doch ist diese im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch §§ 3, 12 FEVG der ordentlichen Gerichtsbarkeit, nämlich dem Amtsgericht, zugewiesen (vgl. auch § 106 Abs. 2 AufenthG).
10So auch BVerwG, Urteil vom 23. Juni 1981 - 1 C 93.76 -, BVerwGE 62, 317; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. Juni 1988 – 11 B 346/87 -, NVwZ-RR 1989, 441, unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung; Hailbronner, AuslR, April 2006, § 62 AufenthG Rn. 108; Melchior, Abschiebungshaft, 01/2001, Anlage: Rechtsprechungsübersicht - Haftgründe, Abgrenzungsfragen, www.abschiebungs-haft.de.
11Die gegenteilige Auffassung
12- vgl. OVG Saarland, Beschluss vom 11. Januar 2001 – 9 V 52/00, 9 W 1/01 -, InfAuslR 2001, 172; VG Aachen, Beschluss vom 8. März 2000 – 8 L 101/00 -, InfAuslR 2000, 227; VG Berlin, Beschluss vom 4. November 1998 – VG 35 F 69/98 -, InfAuslR 1999, 80; Zeitler, HTK-AuslR / § 62 AufenthG, Anm.1; Renner, Ausländerrecht, 8. Auflage 2005, § 62 AufenthG Rn. 30, -
13vermag nicht zu überzeugen, weil damit eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Überschneidung der Rechtswege verbunden ist. Die eingeschränkte Prüfungszuständigkeit des Haftrichters in Bezug auf die Abschiebungsvoraussetzungen rechtfertigt es selbst mit Blick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG nicht, partiell eine parallele Rechtswegzuweisung an die Verwaltungsgerichtsbarkeit anzuerkennen. Maßgeblich ist insoweit, dass der Haftantrag der Ausländerbehörde, seine Rücknahme und die Beantragung der Aufhebung der Freiheitsentziehung unselbständige Bestandteile eines einheitlichen Freiheitsentziehungsverfahrens sind, das durch das Gesetz über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen (FEVG) vom 29. Juni 1956 (BGBl. I, S. 599) den Amtsgerichten zugewiesen worden ist (§§ 3 S. 1, 9, 10 Abs. 2, 12 FEVG). Zwar vermittelt der für die Abschiebungshaft einschlägige § 62 Abs. 2 AufenthG dem Haftrichter grundsätzlich nur eine eingeschränkte Prüfungsmöglichkeit. Ihm steht keine Entscheidungskompetenz zu, soweit sie den Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichten von Gesetzes wegen zugewiesen worden ist. Eine Rechtsschutzlücke entsteht dadurch jedoch nicht. Insoweit wird der gebotene Rechtsschutz durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit gewährleistet. Außerdem ist der Haftrichter in jedem Stadium des Verfahrens von Amts wegen (vgl. § 10 Abs. 1 FEVG) zur Prüfung verpflichtet ist, ob die Voraussetzungen für eine Anordnung oder Aufrechterhaltung der Abschiebungshaft (noch) vorliegen, insbesondere ob die Erforderlichkeit der Haft als Mittel der Sicherung der Abschiebung als "vorangestelltes Tatbestandsmerkmal"
14- vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 1994 – 2 BvL 12, 93, 45/93, DVBl. 1994, 1404 -
15noch gegeben ist. Die Effektivität des Rechtsschutzes wird ferner dadurch gesichert, dass der Haftrichter den Ausländer gegebenenfalls über die Möglichkeit zur Erlangung verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes aufzuklären hat (vgl. §§ 5 Abs. 1, 12 FEVG) und durch eine entsprechende zeitliche Gestaltung des Verfahrens, bis hin zur vorübergehenden Aussetzung der Entscheidung über den Haftantrag, den (Grund-)Rechten des Betroffenen Geltung verschaffen kann.
16Vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2000 – 2 BvR 347/00 -, InfAuslR 2001, 116; BGH, Beschluss vom 25. September 1980 – VII ZB 5/80 -, NJW 1981, 527; KG Berlin, Beschluss vom 5. September 1996 – 25 W 5316/96 -, NVwZ 1997, 516; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11. Juli 1997 – 11 Wx 44/97 -, NVwZ 1998, 214; OLG Köln, Beschluss vom 16. März 2001 – 16 Wx 39/01 -, NVwZ-Beilage I 10/2001, 112 ; Hailbronner, AuslR, April 2006, § 62 AufenthG Rn. 108; Beichel-Benedetti/Gutmann, Die Abschiebungshaft in der gerichtlichen Praxis, NJW 2004, 3015.
17Zudem hat der inhaftierte Ausländer jederzeit die Möglichkeit, nach § 10 Abs. 2 FEVG das Amtsgericht zur Aufhebung der Freiheitsentziehung anzurufen.
18Die Regelung in § 8 Abs. 1 Satz 3 FEVG, nach der die eine Freiheitsentziehung anordnende Entscheidung von der zuständigen Verwaltungsbehörde vollzogen wird, führt zu keinem anderen Ergebnis. Selbst wenn in ihr auch die Verpflichtung der Ausländerbehörde zu sehen ist, ungeachtet ihrer diesbezüglichen Handlungspflichten gegenüber dem zuständigen Amtsgericht, und ohne dass dieses die Haftanordnung zuvor aufgehoben hat, eigenverantwortlich darüber zu befinden, ob, wann und wie lange eine Freiheitsentziehung innerhalb der vom Gericht angeordneten Geltungsdauer vollstreckt werden soll,
19- vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Mai 1995 – 3 Wx 149/95 -, NVwZ-Beilage 1996, 8; Melchior, Abschiebungshaft, 01/2001, Nr. 402, www.abschiebungshaft.de -
20führt die Norm jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art nicht auf die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs. Sie betrifft den Vollzug einer amtsgerichtlichen Haftanordnung und nicht die hier in Rede stehende Entlassung aus der Abschiebungshaft, wie auch die Regelung in § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthG verdeutlicht. Insoweit bestimmt die Herkunft des Vollstreckungstitels die Rechtswegzuständigkeit.
21Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. Januar 1993 – 25 A 89/90 -, NWVBl. 1993, 358.
22Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
23Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2,53 Abs. 3 GKG. Für das auf die Entlassung aus der Abschiebungshaft gerichtete Rechtsschutzbegehren ist mangels anderweitiger Anhaltspunkte und wegen der Vorläufigkeit des Verfahrens die Hälfte des sog. Auffangstreitwerts in Ansatz zu bringen
24Vgl. Senatsbeschluss vom 5. September 2000 – 18 E 538/00 -.
25Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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Referenzen
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