Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 5 E 585/06
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 29. März 2006 aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.
Die Beschwerde gegen diesen Beschluss wird nicht zugelassen.
1
Gründe:
2Die nach § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG i.V.m. §§ 146, 147 VwGO zulässige Beschwerde ist begründet. Eine Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht ist nicht statthaft.
3Es bedarf keiner Entscheidung, ob das Verwaltungsgericht zu Recht das Schwergewicht der streitigen polizeilichen Tätigkeit – die Anordnung, sich nur nach Identitätsfeststellung mit erkennungsdienstlicher Behandlung von den Q. X. entfernen zu dürfen, die Ingewahrsamnahme der Klägerin, ihre Verbringung nach C. und das dortige Festhalten – nach ihrer objektiven Zweckrichtung auf dem Gebiet der Strafverfolgung und nicht auf dem Gebiet der präventiven Gefahrenabwehr gesehen hat.
4Zu einem "doppelfunktionalen" Tätigwerden der Polizei vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. März 2003 – 5 E 1086/02 – mit weiteren Nachweisen.
5Denn auch eine überwiegende Zuordnung der in Rede stehenden polizeilichen Maßnahmen zum Bereich repressiver Strafrechtspflege hat nicht ohne weiteres eine Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts Köln zur Folge. Vielmehr darf das zuerst angerufene Gericht nach §§ 17a Abs. 2 Satz 1, 17 Abs. 2 Satz 1 GVG den Rechtsstreit lediglich dann verweisen, wenn der Rechtsweg zu ihm schlechthin, d.h. mit allen für den Klageanspruch in Betracht kommenden Klagegründen, unzulässig ist. Ob für das Klagebegehren auch eine Rechtsgrundlage in Betracht kommt, die in dem beschrittenen Rechtsweg zu verfolgen ist, ist auf Grund des Klageantrags und des zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhalts zu prüfen. Die Berufung auf eine Rechtsgrundlage, für die der Rechtsweg zu dem angerufenen Gericht eröffnet ist, hindert die Verweisung allein dann nicht, wenn diese Rechtsgrundlage auf Grund des vorgetragenen Sachverhalts offensichtlich nicht gegeben ist und deshalb kein Bedürfnis besteht, die Klage insoweit mit Rechtskraftwirkung abzuweisen. Ist der Rechtsstreit nicht zu verweisen, prüft ihn das angerufene Gericht gemäß 17 Abs. 2 Satz 1 GVG unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten.
6Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Dezember 1992
7– 5 B 144/01 –, NVwZ 1993, S. 358 (359) und BGH, Urteil vom 5. Juli 1990 – III ZR 166/89 –, NVwZ 1990, S. 1103 (1104), jeweils mit weiteren Nachweisen.
8Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend eine Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Köln ausgeschlossen.
9Klageantrag und Klagevorbringen stellen auf ein präventiv-polizeiliches Vorgehen im Zusammenhang mit der Auflösung einer Versammlung ab. Bei der gerichtlichen Prüfung dieses Antrags und seiner Begründung scheiden Regelungen des Versammlungs- und des Polizeirechts nicht von vornherein als Ermächtigungsgrundlagen aus. Die Polizei konnte auch im Rahmen präventiver Gefahrenabwehr Teilnehmer der aufgelösten Versammlung einschließen und so vorübergehend gegebenenfalls durch Ingewahrsamnahme daran hindern, sich nach eigenem Belieben zu entfernen. Identitätsfeststellung und erkennungsdienstliche Behandlung konnten gleichfalls präventiv-polizeilichen Zwecken dienen. Damit ist eine den Verwaltungsrechtsweg eröffnende öffentlich-rechtliche Rechtsgrundlage für das Petitum der Klägerin nicht von vornherein offensichtlich ausgeschlossen.
10Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten fallen nicht an (Kostenverzeichnis Nr. 5502, Anl. 1 zum GKG). Die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 17a Abs. 4 Sätze 4 und 5 GKG).
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