Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 B 1537/06
Tenor
Die Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des angefochtenen Beschlusses zur Klarstellung und Präzisierung im Hauptausspruch der Ziffer 1. wie folgt neu gefasst wird:
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller im Rahmen der im Bundesamt für den Zivildienst praktizierten Arbeitsform alternierender Telearbeit bezogen auf den Bewilligungszeitraum vom 1. März 2006 bis zum 29. Februar 2008 vorläufig einen häuslichen Telearbeitsplatz zuzuweisen, solange nicht über den Antrag des Antragstellers vom 19. Oktober 2005 auf Teilnahme an der vorgenannten Arbeitsform unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist oder eine in der Hauptsache ergangene Entscheidung Rechtskraft erlangt hat.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
1
G r ü n d e
2Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
3Die von der Antragsgegnerin dargelegten Beschwerdegründe rechtfertigen es nicht, den angefochtenen Beschluss zu ändern und den vorläufigen Rechtsschutzantrag des Antragstellers abzulehnen. Soweit der Senat den Beschlusstenor erster Instanz neu gefasst hat, ist dies - in Übereinstimmung mit der Rechtslage (Umfang des Rechtsschutzinteresses) - allein aus Gründen der Klarstellung und Präzisierung erfolgt. Nimmt man die Gründe der Entscheidung des Verwaltungsgerichts hinzu, so ist bereits der ursprüngliche Tenor in diesem Sinne auszulegen und gewährt dem Antragsteller nicht zwangsläufig vorläufigen Rechtsschutz bis zu einer rechtskräftigen Hauptsacheentscheidung. Solches hatte der Antragsteller im Übrigen auch nicht ausdrücklich beantragt.
4Das Verwaltungsgericht hat dem vom Antragsteller gestellten (Haupt-) Antrag auf vorläufige Zuweisung eines Telearbeitsplatzes im Wege der einstweiligen Anordnung aus folgenden Gründen stattgegeben: Entscheide sich eine Behörde - wir hier - dafür, Telearbeitsplätze anzubieten, so habe sie die Auswahl unter den in Betracht kommenden Bewerbern nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Die in Rede stehende, zu Lasten des Antragstellers ausgegangene Auswahlentscheidung sei hingegen ermessenswidrig gewesen. Darüber hinaus habe sich der grundsätzlich gegebene Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung im Falle des Antragstellers zu einem Rechtsanspruch verdichtet, weil sein Antrag auf Teilnahme an der angebotenen Telearbeit nicht unberücksichtigt hätte bleiben dürfen; das Ermessen der Antragsgegnerin sei insoweit auf Null" reduziert (gewesen). Die Ablehnungsentscheidung sei bereits formell rechtswidrig. Das hier tätig gewordene Begleitgremium Telearbeit hätte nämlich nicht nach außen als Entscheidungsträger auftreten dürfen. Vielmehr müsse die Entscheidung in personellen Angelegenheiten der Beamten unter Berücksichtigung von BVerfGE 9, 268 (279 ff.) aus Verfassungsgründen beim Dienstherrn, vertreten durch den Dienstvorgesetzten, verbleiben. Eine Mehrheit der Personalverwaltung sei in dem Gremium nicht gewährleistet. Entscheidend für den Erlass der ausgesprochenen einstweiligen Anordnung sei aber letztlich der Umstand, dass die Ermessensausübung auch materiell-rechtlich fehlerhaft gewesen sei und der Antragsteller bei rechtmäßiger Ermessensausübung in die berücksichtigten Bewerber hätte einbezogen werden müssen. Die von der Antragsgegnerin praktizierte Beschränkung der Anerkennung einer eigenen Behinderung (als Grundlage für das an Bonuspunkte geknüpfte Ranking" der Bewerber) auf Fälle einer erheblichen körperlichen Bewegungseinschränkung" unter Ausklammerung von Mobilitätseinschränkungen, wie sie etwa beim Antragsteller vorlägen, stelle keine Differenzierung dar, welche vor Art. 3 Abs. 1 GG Bestand haben könne. Sie berücksichtige zudem nicht hinreichend die - gleichrangig neben den Zielen des Bundesgleichstellungsgesetzes stehende - Zielsetzung des SGB XI wie auch nicht die allgemeine Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Der namentlich an einer schweren Colitis ulcerosa (chronischer Dauerschaden am Dickdarm) leidende Antragsteller habe insbesondere durch mehrere ärztliche Atteste glaubhaft gemacht, dass die Zubilligung eines Telearbeitsplatzes bei ihm zu einer wesentlichen Verringerung der behinderungsbedingten Leiden führe. Die mit der Erkrankung einhergehende Durchfallneigung mit imperativem, plötzlichem sowie häufigem (bis zu 15 mal täglich) Stuhldrang mache es notwendig, innerhalb kürzester Zeit eine Toilette aufzusuchen. Dies verursache auch besondere Probleme bei der Bewältigung des Weges zwischen Wohnung (F. ) und Arbeitsstätte (L. ). Diese in Rede stehende Behinderung hätte deshalb vergleichbar der erheblichen körperlichen Bewegungseinschränkung ebenfalls Berücksichtigung als Auswahlkriterium finden müssen. Der im Rahmen des bestehenden Bewertungsrasters nur ganz knapp gescheiterte Antragsteller (Platz 26 bei 25 vergebenen Plätzen) wäre hierbei einer genügenden Zahl von Mitbewerbern vorgegangen und - jedenfalls ausgehend von dem (im Übrigen) bislang praktizierten Bewertungsraster - somit auch auszuwählen gewesen. Das Verwaltungsgericht hat allerdings in diesem Zusammenhang sinngemäß klargestellt, dass völlig neue Organisationsentscheidungen der Antragsgegnerin, wie etwa eine Einziehung" der bereits sämtlich vergebenen Telearbeitsplätze (welche auch die nachfolgende Neuvergabe nach völlig anderen bzw. neu gewichteten Bewertungsgrundsätzen umfassen dürfte), die Bindungswirkung seiner Entscheidung entfallen ließe. Den neben dem Anordnungsanspruch nötigen Anordnungsgrund hat das Verwaltungsgericht unbeschadet einer zumindest partiellen Vorwegnahme der Hauptsache ebenfalls bejaht: Dem Antragsteller drohten sonst schwere, unzumutbare Nachteile. Zum einen sei schon fraglich, ob eine rechtskräftige Entscheidung in der Hauptsache überhaupt noch innerhalb des in Rede stehenden Bewilligungszeitraums für die Telearbeitsplätze erfolgen werde. Zum anderen komme - entscheidend - hinzu, dass dem Antragsteller, der vor dem streitbefangenen Bewilligungszeitraum bereits einen Telearbeitsplatz innegehabt habe, nach Auffassung seines Arztes bei erneuten Belastungen schwere gesundheitliche Gefahren (etwa durch wiederauftretende Entzündungsschübe) drohten.
5Was das (fristgerechte) Beschwerdevorbringen dem entgegensetzt, vermag jedenfalls im Ergebnis eine Unrichtigkeit und Abänderungsbedürftigkeit des erstinstanzlichen Beschlusses - von den klarstellenden Maßgaben im Beschlusstenor einmal abgesehen - nicht zu begründen.
6Soweit sich die Antragsgegnerin zunächst mit beachtenswerten Argumenten gegen die vom Verwaltungsgericht geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Entscheidungskompetenz des Begleitgremiums Telearbeit wendet, kommt es hierauf für die Frage, ob das Beschwerdeverfahren Erfolg haben kann, nicht an. Die vom Verwaltungsgericht erlassene einstweilige Anordnung beruht nämlich nicht tragend auf dem besagten, zusätzlich angenommenen formellen Fehler. Sie geht vielmehr, wie die schriftlich niedergelegten Gründe des Beschlusses verdeutlichen, entscheidend auf die materiell-rechtliche Beurteilung der Ablehnungsentscheidung und dabei namentlich auf die von dem Gericht angenommene Reduzierung des behördlichen (Auswahl-)Ermessens in Richtung auf einen Rechtsanspruch des Antragstellers auf Teilnahme an der Telearbeit zurück.
7Die auf das materielle Recht bezogenen Angriffe der Beschwerde greifen indes nicht durch. Vielmehr hat die Antragsgegnerin das ihr bei der Festlegung einheitlicher Auswahlkriterien für die Vergabe der Telearbeitsplätze grundsätzlich zukommende Ermessen in Anwendung dieser Kriterien zu Lasten des Antragstellers fehlerhaft ausgeübt. Das gilt jedenfalls in Bezug auf die im Zentrum des Streits stehende nähere Ausformung des Bonuskriteriums der eigenen Behinderung des an Telearbeit interessierten Beamten, auf das sich hier die rechtliche Beurteilung - wie schon in der Entscheidung erster Instanz - beschränken kann. Bereits der diesbezüglich festzustellende Ermessensfehler einer gemessen an dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu engen und einseitigen Beschränkung auf eine bestimmte Fallgruppe von Behinderungen führt nämlich nach Maßgabe der nachfolgenden Ausführungen dazu, dass der Antragsteller bei der Vermeidung bzw. der gebotenen Beseitigung dieses Mangels jedenfalls mit ganz hoher Wahrscheinlichkeit für einen der beim Bundesamt für den Zivildienst zu vergebenden Telearbeitsplätze auszuwählen (gewesen) wäre. Schon dies rechtfertigt es unter den vorliegenden Umständen sowie bei Einbeziehung der Grundsätze einer allgemeinen Interessen- und Folgenabwägung, die dem Ausspruch dieses Beschlusses zu entnehmende vorläufige Regelung zu erlassen.
8Die Argumente, mit denen die Antragsgegnerin vorliegend der Annahme eines Ermessensfehlers entgegentritt, erweisen sich letztlich nicht als stichhaltig. Zwar hat eine Behörde, die ein bestimmtes Kontingent von Telearbeitsplätzen anbietet, im Ausgangspunkt ein relativ weites Ermessen, diejenigen Kriterien näher festzulegen, nach denen in den nicht seltenen Fällen, in denen die Nachfrage nach derartigen Plätzen das vorgehaltene Angebot übersteigt, die Auswahl unter den bezogen auf ihren Arbeitsplatz grundsätzlich geeigneten Bewerbern erfolgen soll. Prinzipiell dient dabei die Aufstellung derartiger einheitlicher Kriterien der Gleichbehandlung der potenziell Betroffenen sowie der Schaffung von Transparenz. Auch schließt dieses Vorgehen ein gewisses Maß an Typisierung und Pauschalierung, etwa durch Fallgruppenbildung, notwendig ein. Hierdurch hervorgerufene Härten und Friktionen sind von den unberücksichtigt gebliebenen Interessenten jedenfalls bis zu einem gewissen Ausprägungsgrad hinzunehmen. Auf der anderen Seite ist das hier in Rede stehende Ermessen aber - wie jedes Ermessen - rechtlich nicht unbegrenzt. Zum einen hat es sich an vorhandenen gesetzlichen Determinanten und Zielsetzungen zu orientieren, welche für die Arbeitsform der Telearbeit - und sei es auch nur in Gestalt von Programmsätzen" - thematisch einschlägig sind. In diesem Zusammenhang hat das Verwaltungsgericht zutreffend auf die Zielsetzung der §§ 12, 13 Abs. 1 Satz 2 BGleiG, die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit (u.a. durch das Angebot von Telearbeitsplätzen) zu fördern, daneben aber auch auf das Ziel des SGB IX, die Eingliederung von Behinderten in das Berufsleben zu erleichtern, sowie auf die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht des Dienstherrn hingewiesen. Zum anderen muss der Dienstherr bei der Ausübung seines (Auswahl-)Ermessens gerade im Zusammenhang mit (getroffenen oder fehlenden) Differenzierungen das aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitende allgemeine Willkürverbot beachten. Das bedeutet, dass die Vergabe bzw. Nicht-Vergabe beispielsweise von Bonuspunkten" für bestimmte Haupt- und Untermerkmale, wie sie die Antragsgegnerin als Grundlage des Auswahlverfahrens praktiziert, im Rahmen des zur Anwendung kommenden Systems an sachlich einleuchtenden Gründen ausgerichtet sein muss. Schließlich hat sich die Antragsgegnerin vorliegend durch den Abschluss der Rahmendienstvereinbarung Telearbeit", solange diese Vereinbarung mit ihrem derzeitigen Inhalt weiter wirksam ist, selbst dahin gebunden, dass auch die dort niedergelegten (allgemeinen) Grundsätze bei der näheren Ausgestaltung des Auswahlmodells Beachtung finden müssen.
9Soweit die Antragsgegnerin bzw. das bei dem Bundesamt für den Zivildienst gebildete Begleitgremium Telearbeit, dessen Handeln sich die Antragsgegnerin wie eigenes Handeln zurechnen lassen muss, die Vergabe von für das Ranking" unter den Bewerbern um einen Telearbeitsplatz maßgeblichen Bonuspunkten" innerhalb der Hauptkategorie eigene Behinderung" auf die Fallgruppe des Vorliegens einer erheblichen körperlichen Behinderung" beschränkt hat, wird dies den vorgenannten rechtlichen Anforderungen nicht gerecht. Dies gilt jedenfalls bezogen auf eine (den Fall des Antragstellers ausklammernde) enge" Auslegung, mit welcher das fragliche Untermerkmal in der Praxis der Antragsgegnerin deren Angaben zufolge gehandhabt wird. In Bezug auf die eigene Behinderung des Bewerbers als eines der drei Hauptmerkmale des im Bundesamt für den Zivildienst praktizierten Bewertungsmodells, zu dessen Berücksichtigung als solcher sich die Antragsgegnerin ermessensfehlerfrei entschieden hat, muss sich die Auswahl- bzw. Vergabeentscheidung daran orientieren, ob und ggf. in welchem Umfang die Bewilligung eines häuslichen bzw. - hier - alternierenden Telearbeitsplatzes geeignet ist, die sich auf die Ausübung der beruflichen Tätigkeit auswirkenden Folgen der Art der konkret vorliegenden Behinderung zu erleichtern. Hiervon ist auch das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgegangen. Es hat unter entsprechender Auswertung fachärztlicher Stellungnahmen überdies die für den Senat nachvollziehbare Bewertung vorgenommen, dass mit Blick auf die konkrete Behinderung des Antragstellers - namentlich bezogen auf den durch dessen chronische Darmerkrankung verursachten plötzlich und häufig auftretenden Stuhldrang - die Zubilligung eines Telearbeitsplatzes zu einer wesentlichen Verringerung der behinderungsbedingten Leiden führen würde. Hierzu steht es in einem krassen, wohl bereits gemessen an den Zielvorgaben des SGB IX und/oder der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht nicht mehr als ermessensgerechte Entscheidung hinnehmbaren Gegensatz, wenn für einen solchen Sachverhalt - wie geschehen - nicht ein einziger Bonuspunkt" vergeben, sondern die greifbar vorliegende Erleichterung, auf einem Telearbeitsplatz das betreffende Leiden mit der beruflichen Tätigkeit vereinbaren zu können, durch die völlige Ausklammerung von Behinderungen der fraglichen Art aus dem Bewertungsschema gewissermaßen ignoriert wird. Ein solcher Ermessensfehler besteht aber erst recht, wenn diese Ausklammerung an dem hier bestehenden Bewertungssystem gemessen wird. Dieses gesteht nach der tatsächlichen Praxis der Antragsgegnerin (allein) der Gruppe der erheblich Gehbehinderten fünfzig Bonuspunkte zu, eine Punktzahl die fast schon für sich ausreichen würde, einen der begehrten Telearbeitsplätze zu erlangen. Jedenfalls eine solch krasse unterschiedliche Gewichtung bzw. Berücksichtigung von Lebenssachverhalten, die bezogen auf die positiven Auswirkungen der Bewilligung von Telearbeit zumindest stark angenähert, wenn nicht wesentlich gleich sind, kann vor Art. 3 Abs. 1 GG keinen Bestand haben. Es fehlt nämlich an sachlich gerechtfertigten Gründen jedenfalls für den hier vorliegenden Grad der Ungleichbehandlung. Solche Gründe zeigt auch das Beschwerdevorbringen nicht schlüssig auf. Zwar mag es ggf. vertretbar erscheinen, bezogen auf die hier in Rede stehenden Behinderungsarten einerseits einer wesentlichen körperlichen Bewegungseinschränkung und andererseits einer durch ein körperliches Leiden hervorgerufenen (bloßen) wesentlichen Mobilitätseinschränkung die durch die Telearbeit hergestellte Erleichterungswirkung für die betroffenen Fallgruppen geringfügig anders zu gewichten und dies in den dafür jeweils zu vergebenden Punktwerten auch zum Ausdruck zu bringen (z.B. in Form einer Binnendifferenzierung unter den Behinderungsarten). Darum geht es aber hier nicht. Vorliegend ist vielmehr eine nach den Zielsetzungen der Einrichtung von Telearbeitsplätzen im Einklang mit den - die eigene Behinderung" grundsätzlich als Maßstab anerkennenden - Kernvorgaben des Bewertungssystems mit in den Blick zu nehmende Fallgruppe in einem Maße - nämlich durch ihre völlige Ausklammerung aus dem Punkteschema - fehlgewichtet worden, dass dies sachlich nicht mehr plausibel erscheint und dabei auch nicht allein unter dem Gesichtspunkt grundsätzlich statthafter Typisierung gerechtfertigt werden kann. Dass das Untermerkmal der erheblichen körperlichen Bewegungseinschränkung" jedenfalls seinem Wortlaut nach auch nicht, wie die Antragsgegnerin geltend macht, zu klaren Abgrenzungen" führt, hat das Antragstellervorbringen hinreichend aufgezeigt.
10Der nach dem Vorstehenden verletzte Anspruch des Antragstellers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Bewilligung eines Telearbeitsplatzes hat sich hier zugleich in einem Maße zu einem Rechtsanspruch auf Zuweisung eines solchen Platzes verdichtet, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht daran scheitert, dass dem Rechtsschutzsuchenden im Eilverfahren mehr gegeben würde, als er im Hauptsacheverfahren erlangen könnte. Dem Verwaltungsgericht ist vielmehr - jedenfalls grundsätzlich - auch darin zu folgen, dass sich das Auswahlermessen der Antragsgegnerin in Richtung auf die Verpflichtung zur Einbeziehung des Antragstellers in den Kreis der ausgewählten Bewerber, also auf Null" reduziert hat. Die diesbezüglichen Angriffe der Beschwerde greifen im Ergebnis nicht durch.
11Die Antragsgegnerin wendet in diesem Zusammenhang im Wesentlichen ein, in welcher Weise der vom Verwaltungsgericht festgestellte Ermessensfehler beseitigt werde, liege in ihrem Ermessen. Dabei könne das bisherige Bewertungssystem ggf. grundlegend geändert, beispielsweise auf eine Berücksichtigung des Hauptmerkmals der eigenen Behinderung auch ganz verzichtet werden. Jedenfalls könne nicht die Feststellung getroffen werden, es sei von vornherein kein im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 GG stehendes Bewertungssystem denkbar, bei dem der Antrag des Antragstellers auf Zuweisung eines Telearbeitsplatzes rechtmäßigerweise abgelehnt werden könne. Mit diesem Vorbringen macht die Antragsgegnerin sinngemäß geltend, ihr stehe es frei, unbeschadet des bereits laufenden Bewilligungszeitraums und der bereits erfolgten Umsetzung der Entscheidungen des seinerzeitigen Auswahlverfahrens, d.h. der tatsächlichen Einrichtung der 25 Telearbeitsplätze bei den ausgewählten Beamten, praktisch sämtliche Verfahren erfolgter Bewilligungen wieder aufzugreifen und das gesamte Auswahl- und Vergabeverfahren zu wiederholen. Hierzu müsste es nämlich kommen, wenn statt der bisher praktizierten nunmehr für den Antragsteller völlig andere oder grundlegend neu gewichtete Auswahlkriterien maßgeblich sein sollten. Isoliert" könnte dann über den Zuweisungsantrag des Antragstellers nicht nach den etwaigen neuen Kriterien ermessensfehlerfrei entschieden werden.
12Es mag offen bleiben, ob mit Blick auf ggf. schutzwürdige Vertrauenspositionen der bisher begünstigten Beamten rechtmäßigerweise überhaupt so verfahren werden kann. Jedenfalls hat sich die Antragsgegnerin in die Richtung, ob sie tatsächlich den Aufwand einer kompletten Neudurchführung des Auswahl- und Vergabeverfahrens nicht scheuen würde, eher vage geäußert. Sollte aber wirklich konkret ein grundlegender Systemwechsel noch für den laufenden Bewilligungszeitraum beabsichtigt sein, würde der Antragsgegnerin die vom Senat in den Tenor eingefügte (klarstellende) Maßgabe, dass die einstweilige Anordnung - abgesehen vom Eintritt der Rechtskraft in der Hauptsache - nur bis zu einer neuen (ermessensfehlerfreien) Bescheidung des Antrags des Antragstellers gilt, hinreichenden Schutz bieten. Bis dahin erscheint es dagegen gerechtfertigt, den Antragsteller mit Ausnahme der - gewissermaßen unter (bloßer) Erweiterung des Kriterienkatalogs in einem Unterpunkt - gebotenen Berücksichtigung der speziellen Art seiner Behinderung im Kern so zu behandeln wie seine Mitbewerber. Das bedeutet aber zugleich, dass sich die Prognose seiner Aussichten, bei rechtsfehlerfreiem Verhalten der Antragsgegnerin in den Kreis der erfolgreichen Bewerber einbezogen zu werden, jedenfalls im Kern nach den bislang praktizierten Grundsätzen richten muss. Da der Antragsteller innerhalb des Ranking" die für die Zubilligung eines Telearbeitsplatzes erforderliche Platzziffer (25) bei Punktgleichheit mit dem auf Platz 25 rangierenden Bewerber (jeweils 55 Punkte) nur äußerst knapp verfehlt hat, würde schon die Zuerkennung nur eines weiteren Punktes dazu führen, dass ihm einer der zur Verfügung stehenden Plätze hätte zugeteilt werden müssen. Darauf, ob auch die beim Antragsteller bestehende Behinderung (wie die erhebliche Gehbeeinträchtigung) mit 50 Bonuspunkten bewertet werden muss oder ob sie ggf. - unter Betätigung neuen differenzierenden Ermessens - auch geringer bewertet werden kann, ist somit an dieser Stelle bedeutungslos.
13Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass selbst unter der Voraussetzung, dass Telearbeitsplätze nur noch unter der Zielsetzung einer Förderung der Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und familiären Betreuungspflichten vergeben würden, der Antragssteller aller Wahrscheinlichkeit in den Kreis der erfolgreichen Bewerber einzubeziehen wäre. Er würde nämlich - bei gleich bleibendem Bewerberkreis - an dem Bewerber auf Platzziffer 24 vorbeiziehen und (jedenfalls) auf Platz 25 vorrücken.
14Schließlich stellt die Beschwerde auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - hier unter den erschwerenden Voraussetzungen einer teilweisen Vorwegnahme der Hauptsache - nicht substanziiert in Frage. Dass für den Antragsteller Rechtschutz in der Hauptsache höchstwahrscheinlich wegen drohenden Zeitablaufs zu spät kommen wird und deshalb nicht mehr effektiv sein kann, liegt hier zumindest nahe. Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht konkret darauf abgehoben, dass dem Antragsteller ohne den begehrten vorläufigen Rechtsschutz schwere, unzumutbare Nachteile in gesundheitlicher Hinsicht drohten. Unter Bezugnahme auf ein ärztliches Attest hat es auf das vielschichtige und komplizierte Krankheitsbild des Antragstellers hingewiesen, bei dem unter erneuter Belastung mit wiederauftretenden, therapeutisch schwer zu beeinflussenden Entzündungsschüben zu rechnen sei. Dem ist die Antragsgegnerin mit der Beschwerde nicht substanziiert entgegengetreten. Sie hat vielmehr lediglich ganz allgemein darauf hingewiesen, dass dem Antragsteller nach ihrer Bewertung keine schwerwiegenden Nachteile durch die Ausübung des Dienstes in der Dienststelle entstünden und Einschränkungen oder Beeinträchtigungen in den letzten Monaten auch nicht bekannt geworden seien. Betreffend das vom Antragsteller im Zuge des Verfahrens mehrfach sehr lebensnah geschilderten Problem der Suche nach einer freien Toilette" hat die Antragsgegnerin die Darstellung des Antragstellers nicht entkräften können, sondern im Beschwerderechtszug nur auf ihr bisheriges Vorbringen verwiesen. Die nachvollziehbaren Probleme des Antragstellers auf dem Weg zur und von der Arbeitsstätte sind im Übrigen gar nicht mehr angesprochen worden. Soweit die Antragsgegnerin auf die Kosten des Austauschs bzw. der Neueinrichtung eines Telearbeitsplatzes eingeht, fehlt es zum einen an einer näheren Spezifizierung dieser Kosten, welche sich im Übrigen, da beim Antragssteller in der vorangegangenen Bewilligungsperiode bereits zu Hause ein Telearbeitsplatz eingerichtet worden war, in der (Wieder-)Zurverfügungstellung der benötigten Geräte erschöpfen dürften. Zum anderen haben derartige rein finanzielle Erwägungen in aller Regel hinter einer konkreten gesundheitlichen Gefahr, wie sie das Verwaltungsgericht hier angenommen hat, zurückzustehen.
15Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2, 47 Abs. 1 GKG.
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