Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 20 B 44/07
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfah¬ren auf 2.500 EUR festgesetzt.
1
G r ü n d e
2Die Beschwerde, mit welcher die Antragstellerin ihren Antrag weiterverfolgt,
3die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8. November 2006 wieder herzustellen,
4hat keinen Erfolg. Die von der Antragstellerin angeführten Gründe, auf deren Überprüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern und der Antragstellerin den begehrten vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren.
5Dabei gilt es im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen zunächst festzuhalten, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung den an sie zu stellenden formalen Anforderungen (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO) durchaus genügt. Denn die Antragsgegnerin hat ein besonderes Vollzugsinteresse schlüssig und einzelfallbezogen begründet, indem sie auf die besondere Gefahrenlage abhebt, wenn die Antragstellerin, obschon Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit bestehen, weiterhin Zugang zu den nicht allgemein zugänglichen Bereichen eines Flugplatzgeländes hätte. Die Argumentation enthält keinen zur Unschlüssigkeit führenden Wertungswiderspruch zu gesetzlichen Vorgaben. Das gilt unabhängig davon, dass die Antragsgegnerin nicht bereits die Einleitung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens oder die erstinstanzliche Verurteilung durch das Amtsgericht München im September 2005 zum Anlass genommen hat, die frühere positive Feststellung über die Zuverlässigkeit der Antragstellerin aufzuheben, und die zweitinstanzliche strafgerichtliche Verurteilung abgewartet hat. Dieser Umstand ändert an der Aussagekraft der vorliegenden, auf die Antragstellerin bezogenen Argumentation der Antragsgegnerin nichts. Darauf, ob zu einem früheren Zeitpunkt Anlass bestanden hätte, tätig zu werden, kommt es nicht an.
6Die in der Sache nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderliche Abwägung der widerstreitenden öffentlichen und privaten Interessen fällt auch unter Einbeziehung des Beschwerdevorbringens zu Lasten der Antragstellerin aus. Bei der gegebenen Sachlage überwiegt das öffentliche Interesse daran, dass die Antragstellerin nicht – auch nicht für die Dauer des Hauptsacheverfahrens – Zugang zu den nichtöffentlichen Bereichen des Flughafens erhält, das Interesse der Antragstellerin daran, weiterhin als zuverlässig behandelt zu werden und ihre bisherige Tätigkeit am Flughafen umgehend fortsetzen zu können.
7Entscheidendes Gewicht erlangt dabei, dass auf der Grundlage der nach Aktenlage erkennbaren Umstände alles dafür spricht, dass der Antragstellerin die für den unbegleiteten Zugang zu den nicht allgemein zugänglichen Bereichen eines Flughafens erforderliche Zuverlässigkeit nicht (mehr) zugesprochen werden kann, und im Rahmen der erforderlichen Abwägung keine vorrangigen Interessen der Antragstellerin daran festzustellen sind, dass das mit dem angefochtenen Bescheid widerrufene Ergebnis der Zuverlässigkeitsprüfung aus dem Jahre 2004 weiterhin vorläufig - Bestand hat, obwohl es ersichtlich nicht mehr zutrifft. Das gilt auch angesichts des Umstandes, dass der Rechtschutz im Hauptsacheverfahren für die Antragstellerin, was ihr Interesse angeht, wie bisher am Flughafen arbeiten zu können, voraussichtlich nicht mehr rechtzeitig greifen kann, also ein endgültiger Arbeitsplatzverlust droht.
8Zuverlässig in luftverkehrsrechtlicher Hinsicht gemäß § 7 LuftSiG ist nur derjenige, der die Gewähr bietet, jederzeit das ihm Mögliche zum Schutz der Sicherheit des Luftverkehrs zu tun. Der Überprüfte muss nach dem Gesamtbild der Persönlichkeit das erforderliche Maß an Verantwortungsbewusstsein und Selbstbeherrschung aufbringen, selbst bei dem Inaussichtstellen von Vorteilen oder bei der Androhung von Nachteilen die Belange der Sicherheit des Luftverkehrs zu wahren und die ihm obliegenden Pflichten zum Schutz vor Eingriffen, insbesondere vor Flugzeugentführungen und Sabotageakten, jederzeit in vollem Umfang zu erfüllen. Dabei ist mit Blick auf die in Rede stehenden Rechtsgüter ein strenger Maßstab anzulegen. Der Zugang zu den nicht allgemein zugänglichen Bereichen eines Flugplatzgeländes darf nur Personen eröffnet werden, bei denen insoweit keine Zweifel verbleiben (§ 7 Abs. 6 LuftSiG). Die Zuverlässigkeit ist also schon bei geringen Zweifeln zu verneinen, ohne dass sich hieraus im Hinblick auf das inmitten stehende Recht der Betroffenen aus Art. 12 GG Bedenken ergeben würden.
9Vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Juli 2004 - 3 C 33.03 -, BVerwGE 121, 257, und vom 11. November 2004 3 C 8.04 -, BVerwGE 121, 182.
10Solche Zweifel sind vorliegend begründet, nachdem die Antragstellerin mit Urteil des Landgerichtes München I vom 26. September 2006 – 21 NS 262 JS 211205/04 – wegen zweier sachlich zusammentreffender Fälle des Betruges in Tatmehrheit mit versuchtem Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt worden ist, auch wenn deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Aus der Verurteilung ergeben sich durchgreifende Indizien für einen charakterlichen Mangel der Antragstellerin, die Zweifel daran begründen, ob sie tatsächlich unbedingt fähig und bereit ist, sich in anderen als in den abgeurteilten Lebensbereichen hier im Bereich der Luftsicherheit - so zu verhalten, wie es die Sicherheitsanforderungen gebieten. Zu nennen ist in erster Linie die Schwere der strafrechtlichen Verfehlung, die in der Höhe der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe sowie auch in der Höhe der für die vollendeten Delikte jeweils eingestellten Strafen von 1 Jahr und 6 Monaten bzw. von 8 Monaten zum Ausdruck kommt. Des weiteren lassen sich die Länge des Tatzeitraumes, die erhebliche Schadenssumme von 60.000,-- EUR, die Dauer der ungeordneten Vermögensverhältnisse der Antragstellerin sowie die kriminelle Energie, mit der sie bemüht war, diese nach außen zu verschleiern, anführen. Außerdem hat sich die Antragstellerin eine bereits zuvor erfolgte einschlägige Verurteilung nicht etwa zur Warnung dienen lassen. Die Verurteilung bietet damit hinreichenden Anlass, ernsthaft in Frage zu stellen, ob die Antragstellerin tatsächlich im erforderlichen Umfang bereit und in der Lage ist, d. h. die Gewähr dafür bietet, insbesondere finanziellen Anreizen von dritter Seite – namentlich bei entsprechender Verschleierung der eigentlichen Absichten – zu widerstehen und die Belange des Luftverkehrs jederzeit zu wahren.
11Umstände, welche demgegenüber durchgreifend die Annahme rechtfertigen würden, dass die Antragstellerin gleichwohl ohne jeden – auch nur geringen – Zweifeln weiterhin die Gewähr bot und bietet, die Belange der Luftsicherheit zu wahren, fehlen. Dem Umstand, dass die Antragstellerin ihre berufliche Tätigkeit ohne Beanstandung ausgeführt hat, kommt angesichts der gezeigten kriminellen Energie in anderen Lebensbereichen keine besondere Aussagekraft zu. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die durch ihre Verurteilung aufgekommenen Zweifel an der Zuverlässigkeit inzwischen ausgeräumt wären.
12Die Strafaussetzung zur Bewährung bietet hierfür keine hinreichende Anknüpfung. Denn die Gründe, aus denen das Strafgericht eine günstige Sozialprognose für die Antragstellerin abgeleitet hat, vermögen für sich nicht den erforderlichen Grad an Sicherheit zu begründen, dass das Gefährdungspotential, das sich im Zusammenhang mit den abgeurteilten Straftaten offenbart hat, nicht (mehr) fortbesteht oder sich auf die Sicherheit des Luftverkehrs nicht (mehr) auswirken wird. Hierzu reicht die bloße Erwartung, die Antragstellerin werde ihre Lebens- und Vermögensverhältnisse in Zukunft ordnen, wie sie der günstigen Sozialprognose des Strafgerichts maßgeblich zugrunde lag, nicht aus. Dabei kann nicht übersehen werden, dass für die Entscheidung, die strafgerichtliche Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, regelmäßig die Erwartung maßgebend und ausreichend ist, dass der Verurteilte unter dem Eindruck der Verurteilung künftig keine Straftaten mehr begehen wird. Demgegenüber richtet sich die Entscheidung über die Zuverlässigkeit einer Person im Sinne des § 7 Abs. 1 LuftSiG nach ordnungsrechtlichen Maßstäben. Mit Blick auf das besondere Gewicht der zu schützenden Rechtsgüter sind strengere Anforderungen zu stellen. Die Sicherheit des Luftverkehrs ist ein zu hohes Gut, als dass Zweifel an der erforderlichen charakterlichen Eignung, die sich in Würdigung eines gezeigten strafrechtlichen Verhaltens ergeben, bereits durch die bloße strafrichterliche Erwartung, dass es zu keinen weiteren Straftaten kommen wird, ausgeräumt werden könnten.
13Vgl. zur Bedeutung einer strafgerichtlichen Sozialprognose in Bezug auf die Zuverlässigkeit als Berufsluftfahrzeugführer: BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1990 7 C 20.90 -, GewArch. 1991, 195.
14Hierzu bedarf es eines höheren Grades an Sicherheit, dass die Eignungsmängel, auf welche die strafrechtlichen Auffälligkeiten deuten, trotz des aufgezeigten Verhaltens nicht vorliegen bzw. sich im Bereich der Luftsicherheit nicht auswirken werden.
15Das bisherige Bemühen der Antragstellerin, ihre wirtschaftlichen Verhältnisse zu ordnen, reicht davon ausgehend nicht aus, die aufgekommenen Zweifel an ihrer luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit entfallen zu lassen. Angesichts der Dauer ihrer schwierigen finanziellen Verhältnisse und ihrer Versuche, insoweit auch unter Einsatz krimineller Mittel eine Fassade aufrecht zu halten, wäre ein solcher Schluss allenfalls dann gerechtfertigt, wenn sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse bereits heute hinreichend verlässlich dauerhaft entspannt hätten und damit auch die Versuchungslage der Antragstellerin entscheidend verändert wäre. Daran fehlt es indes. Der Zeitraum seit der letzten Tat (2004) ist zu kurz, um insoweit Aussagekraft zu entfalten. Dabei ist, die Richtigkeit der diesbezüglichen Angaben der Antragstellerin unterstellt, ihr Bemühen, ihre Vermögensverhältnisse zu ordnen, durchaus anzuerkennen. Allerdings sind die Zeiträume zu kurz, als dass die Antragstellerin schon wieder als zuverlässig gelten könnte. Denn es verbleiben nach wie vor jedenfalls geringe, zu einem negativen Schluss führende Zweifel. Das Vertrauen der Rechtsordnung darin, dass sie das erforderliche Maß an Verantwortungsbewusstsein und Selbstbeherrschung (wieder) besitzt, die Belange der Sicherheit des Luftverkehrs unbedingt zu wahren, welches durch ihre strafrechtliche Auffälligkeit und deren Hintergründe nachhaltig erschüttert ist, ist bisher (noch) nicht wiederhergestellt. Zum einen ist nicht einmal die strafgerichtlich festgesetzte Bewährungsfrist verstrichen. Zum anderen gilt es zu berücksichtigen, dass die Rechtsordnung in anderen Bereichen dem Verurteilten eine strafrechtliche Verurteilung, welche seine in jenem Bereich geforderte Zuverlässigkeit durchgreifend in Frage stellt, durchaus über einen wesentlich längeren Zeitraum entgegenhält. Im Waffenrecht gilt für eine Verurteilung wegen eines Verbrechens ebenso wie für eine Verurteilung wegen sonstiger vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens 1 Jahr eine Frist von 10 Jahren nach Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung (§ 5 Abs. 1 Waffengesetz). Früher war für einschlägige, eine Regelvermutung auslösende Bestrafungen im Waffenrecht immerhin ein Zeitraum von 5 Jahren vorgegeben (§ 5 Abs. 2 Waffengesetz alte Fassung). Überlegungen, ob die Regelvermutung durch ein straffreies Verhalten widerlegt war, waren dabei regelmäßig erst angezeigt, wenn der Zeitablauf seit der letzten Tat das Doppelte der gesetzlichen Frist erreicht hatte.
16Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. April 1990 - 1 C 56.89 -, DVBl. 1990, 1043.
17Ausgehend von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung rechtfertigt sich die Ablehnung des Antrages auf Regelung der Vollziehung schließlich auch in Ansehung der erheblichen Folgen des Sofortvollzuges für das Arbeitsverhältnis der Antragstellerin. Das Interesse der Antragstellerin an der Verhinderung eines möglichen Arbeitsplatzverlustes ist zwar nachvollziehbar von hohem Gewicht und grundsätzlich schutzwürdig. Indessen ist ihr Interesse, das sie durch eigenes rechtswidriges Verhalten gefährdet hat, nicht annähernd so gewichtig wie die öffentlichen Sicherheitsinteressen. Sie sind auch gemessen an den Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht in dem von der Antragstellerin angeführten Beschluss vom 24. Oktober 2003 - 1 BvR 1594/03 -, NJW 2003, 3618, an eine Interessengewichtung bei der Betroffenheit von Rechten aus Art. 12 Abs. 1 GG (Widerruf der Approbation einer Apothekerin) gestellt hat, wegen der verbleibenden Zweifel an der Zuverlässigkeit der Antragstellerin sowie der im Falle des Schadenseintritts betroffenen hohen Rechtsgüter und des zu erwartenden Ausmaßes des Schadens ohne weiteres als gewichtiger einzustellen.
18Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.
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