Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 8 B 900/08.AK
Tenor
Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage 8 D 20/08.AK gegen die der Beigeladenen erteilte Genehmigung vom 21. Dezember 2007 wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird auf 7.500,- EUR festgesetzt.
Der Beschluss soll den Beteiligten vorab per Telefax übersandt werden.
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G r ü n d e :
2I.
3Der Antragsteller, ein gemäß § 3 UmwRG durch das Umweltbundesamt anerkannter Verein, wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung.
4Die Beigeladene betreibt eine Restmüllverbrennungsanlage (RMVA) in L. -O. .
5Die Antragsgegnerin genehmigte die Errichtung und den Betrieb der Anlage durch Bescheid vom 29. Januar 1996. Eine dagegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg (vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. September 1997 - 21 D 93/96.AK -). Durch Änderungsgenehmigung vom 20. September 2000 genehmigte die Antragsgegnerin unter anderem eine Kapazitätserweiterung von ursprünglich 421.400 Tonnen/Jahr (t/a) auf eine zu verbrennende Abfallmenge von 569.000 t/a bzw. - unter Berücksichtigung der vorgeschalteten Sortieranlage - eine anzuliefernde Abfallmenge von 590.000 t/a.
6Mit Schreiben vom 16. März 2007 beantragte die Beigeladene die Genehmigung einer weiteren Erweiterung auf eine Verbrennungskapazität von nunmehr 780.000 t/a (stündlich max. 104 t), entsprechend einer zuzuführenden Abfallmenge von 785.000 t/a. Bauliche oder technische Veränderungen sind mit der Erweiterung nicht verbunden. Im Verfahren fand eine Umweltverträglichkeitsprüfung statt. Die Öffentlichkeit wurde beteiligt. Die Unterlagen lagen in der Zeit vom 22. Mai bis 21. Juni 2007 bei der Stadt L. , der Stadt M. und der Antragsgegnerin aus. Mit Schreiben vom 1. und 29. Juni 2007 erhob der Antragsteller Einwendungen, die sich im Wesentlichen auf die Verkehrsbelastung im L1. Norden bezogen. Der Erörterungstermin wurde am 29. August 2007 im Bürgerhaus L. -D. durchgeführt.
7Mit Bescheid vom 21. Dezember 2007, der dem Antragsteller am 19. Februar 2008 zugestellt wurde, erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen die beantragte Änderungsgenehmigung zur Kapazitätserweiterung.
8Gegen diesen Genehmigungsbescheid erhob der Antragsteller, dem das Umweltbundesamt mit Bescheid vom 15. Februar 2008 die Anerkennung nach § 3 UmwRG verliehen hatte, am 17. März 2008 Klage (8 D 20/08.AK). Auf den Antrag der Beigeladenen vom 22. April 2008 ordnete die Antragsgegnerin am 20. Mai 2008 die sofortige Vollziehung der Genehmigung vom 21. Dezember 2007 an.
9Mit dem vorliegenden Antrag begehrt der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
10II.
11Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt H. aus L. ist unbegründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet bei der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung aus den nachstehenden Gründen erkennbar keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO). Darüber hinaus erfüllt der Antragsteller nicht die wirtschaftlichen Voraussetzung für die Gewährung von Prozesskostenhilfe (§ 166 VwGO i.V.m. § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO); auf den Beschluss vom 30. April 2008 - 8 D 20/08.AK - wird Bezug genommen.
12Die Entscheidung über den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes kann ohne die vom Antragsteller angeregte mündliche Verhandlung ergehen, weil eine solche für das Beschlussverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gesetzlich nicht vorgeschrieben ist (vgl. § 101 Abs. 3 VwGO) und eine mündliche Verhandlung im vorliegenden Verfahren weder zur Gewährleistung rechtlichen Gehörs geboten noch aus sonstigen Gründen ausnahmsweise zweckmäßig erscheint.
13Der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage 8 D 20/08.AK gegen den Genehmigungsbescheid vom 21. Dezember 2007 hat keinen Erfolg.
14A. Das Rechtsschutzgesuch ist allerdings zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass sich der Antragsteller nicht auf eine Verletzung eigener Rechte i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO beruft.
15Der Antragsteller kann nach § 2 Abs. 1 UmwRG Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen, auf die das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz Anwendung findet, einlegen, ohne eine Verletzung eigener Rechte geltend machen zu müssen. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist hier eröffnet.
16Für das vorliegende Verfahren ist davon auszugehen, dass es sich bei dem Antragsteller um eine nach § 3 UmwRG anerkannte inländische Vereinigung handelt. Zwar bestehen Bedenken, ob der Antragsteller tatsächlich die in § 3 Abs. 1 UmwRG genannten Voraussetzungen für eine Anerkennung erfüllt. Insbesondere erscheint es zweifelhaft, ob er "vorwiegend" Ziele des Umweltschutzes fördert (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UmwRG). Dem Antragsteller ist aber durch den Bescheid des Umweltbundesamtes vom 15. Februar 2008 die Rechtsstellung als nach § 3 UmwRG anerkannte Vereinigung verliehen worden. Dieser Bescheid ist jedenfalls wirksam, da ein etwaiger Fehler des Umweltbundesamtes bei der Feststellung der Anerkennungsvoraussetzungen nur zu einer Rechtswidrigkeit des Bescheides führen würde. Eine Nichtigkeit kann nicht angenommen werden, weil die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 VwVfG nicht erfüllt sind.
17Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz findet Anwendung auf die angefochtene immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung für eine Restmüllverbrennungsanlage, da es sich um ein Vorhaben handelt, das eine Umweltverträglichkeitsprüfung erfordern kann (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG; § 3 Satz 1 UVPG i.V.m. Nr. 8.1.2 der Anlage 1 zum UVPG) und zudem nach Spalte 1 des Anhangs der 4. BImSchV genehmigungsbedürftig ist (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG).
18Auch die weiteren Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 UmwRG sind erfüllt. Danach kann eine nach § 3 UmwRG anerkannte Vereinigung Rechtsbehelfe einlegen, wenn sie
19(1.) geltend macht, dass die Entscheidung oder deren Unterlassen Rechtsvorschriften, die dem Umweltschutz dienen, Rechte Einzelner begründen und für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht,
20(2.) geltend macht, durch die Entscheidung oder deren Unterlassen in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes berührt zu sein, und
21(3.) zur Beteiligung in einem Verfahren nach § 1 Abs. 1 berechtigt war und sie sich hierbei in der Sache gemäß den geltenden Rechtsvorschriften geäußert hat oder ihr entgegen den geltenden Rechtsvorschriften keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist.
22Der Antragsteller, zu dessen satzungsgemäßen Zielen unter anderem der Umweltschutz in L. -M1. zählt, beruft sich sinngemäß darauf, dass durch die streitbefangene Entscheidung unzulässige verkehrsbedingte Belastungen der Anwohner von M1. genehmigt werden. Diese Bedenken hat der Antragsteller bereits im Genehmigungsverfahren vorgetragen. Es ist auch davon auszugehen, dass sich die Emissionen der RMVA auf die Wohnbevölkerung von L. -M1. auswirken können. Denn der Stadtteil liegt innerhalb des potentiellen Beurteilungsgebiets der Anlage. Potentielles Beurteilungsgebiet ist in Anlehnung an Nr. 4.6.2.5 der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft vom 24. Juli 2002 (GMBl. S. 511) - TA Luft - die Fläche, die sich vollständig innerhalb eines Kreises um den Emissionsschwerpunkt mit einem Radius befindet, der dem 50-fachen der tatsächlichen Schornsteinhöhe entspricht. Daraus ergibt sich hier bei einer Schornsteinhöhe von 99,5 m ein Radius von 4.975 m.
23B. Der auch im Übrigen zulässige Antrag ist aber unbegründet. Weder ist die Vollziehungsanordnung der Antragsgegnerin formell zu beanstanden (dazu 1.) noch fällt die im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotene Interessenabwägung zu Gunsten des Antragstellers aus (dazu 2.).
241. Die Vollziehungsanordnung genügt dem formellen Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
25In der Begründung für die Vollziehungsanordnung hat die Behörde schlüssig, konkret und substantiiert darzulegen, aufgrund welcher Erwägungen sie gerade im vorliegenden Einzelfall ein besonderes privates und öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung als gegeben ansieht und das Interesse des Rechtsmittelführers am Bestehen der gesetzlich vorgesehenen aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat.
26Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 31. Januar 2002 - 1 DB 2.02 -, juris, und vom 18. September 2001 - 1 DB 26.01 -, juris; OVG Schl.-H., Beschluss vom 23. August 1991 - 4 M 115/91 -, juris; Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 80 Rn. 97.
27Darauf, ob die zur Begründung der Vollziehungsanordnung angeführten Gründe den Sofortvollzug tatsächlich rechtfertigen und ob die für die sofortige Vollziehung angeführten Gründe erschöpfend und zutreffend dargelegt sind, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
28Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 5. Juli 2006 - 8 B 379/06.AK -, AbfallR 2006, 243 (LS), vom 29. Juli 2004 - 13 B 888/04 -, juris, vom 9. Juni 2004 - 18 B 22/04 -, juris, und vom 5. Juli 1994 - 18 B 1171/94 -, NWVBl. 1994, 424, jeweils m.w.N.
29Die Abwägung, ob das Aussetzungsinteresse des Antragstellers die gegenläufigen Vollziehungsinteressen überwiegt, ist vielmehr Teil der eigenständigen gerichtlichen Interessenabwägung.
30Ausgehend von diesen Erwägungen ist die Vollziehungsanordnung vom 20. Mai 2008 ordnungsgemäß begründet worden. Die Antragsgegnerin hat in ihrer Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung sowohl auf das (private) Interesse der Beigeladenen an der Vermeidung finanzieller Nachteile als auch auf das öffentliche Interesse abgestellt, das daraus resultiert, dass sich die mit der Kapazitätserhöhung zu erzielenden Einnahmen auf die gegenüber der Stadt L. abzurechnenden Entsorgungsentgelte und damit letztlich auf die Gebührenhöhe auswirken. Mit dieser Begründung hat die Antragsgegnerin den Anforderungen aus § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO Genüge getan.
312. Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das - in der behördlichen Vollziehungsanordnung im Einzelnen dargelegte - private und öffentliche Interesse an der sofortigen Umsetzung des Genehmigungsbescheids das Interesse des Antragstellers, den Vollzug des Genehmigungsbescheids für die Dauer des gerichtlichen Klageverfahrens auszusetzen. Insbesondere ist nach der hier allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass die angefochtene Genehmigung an Rechtsfehlern leidet, auf die sich der Antragsteller im Klageverfahren mit Erfolg berufen könnte.
32Rechtsbehelfe der nach § 3 UmwRG anerkannten Vereinigungen gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 UmwRG oder deren Unterlassen sind nach § 2 Abs. 5 UmwRG begründet, soweit die angefochtene Entscheidung gegen Rechtsvorschriften, die dem Umweltschutz dienen, Rechte Einzelner begründen und für die Entscheidung von Bedeutung sind, verstößt und der Verstoß Belange des Umweltschutzes berührt, die zu den von der Vereinigung nach ihrer Satzung zu fördernden Zielen gehören.
33Ungeachtet der Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit die von der Vereinssatzung umfassten Ziele hier betroffen sind, ist die vom Antragsteller gegen die streitbefangene Genehmigung erhobene Klage aller Voraussicht nach jedenfalls deshalb unbegründet, weil jeder Anhalt dafür fehlt, dass die vom Antragsteller geltend gemachten Rügen durchgreifen könnten.
34a) Der Einwand, die Erteilung der Änderungsgenehmigung verstoße gegen die europarechtlich vorgegebenen Anforderungen an die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung, ist unbegründet.
35Dabei wird für das vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes unterstellt, dass sich der Antragsteller - über den unmittelbaren Wortlaut des § 2 Abs. 5 UmwRG hinaus - auf § 4 Abs. 1 UmwRG berufen kann. Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung einer Genehmigungsentscheidung, auf die das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz - wie vorliegend der Fall - Anwendung findet, verlangt werden, wenn eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit nicht durchgeführt und nicht nachgeholt worden ist. Diese Voraussetzungen sind hier aber nicht erfüllt. Die nach § 3 Satz 1 UVPG i.V.m. Nr. 8.1.2 der Anlage 1 zum UVPG erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung hat im Rahmen des Änderungsgenehmigungverfahrens stattgefunden. Das entspricht § 2 Abs. 1 Satz 1 UVPG, wonach die Umweltverträglichkeitsprüfung einen unselbständigen Teil des verwaltungsbehördlichen Verfahrens darstellt.
36Die Rüge, schon die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der Anlage vom 29. Januar 1996 sei ohne die erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung erteilt worden, ist nach Eintritt der Bestandskraft jener Genehmigung aus Rechtsgründen unerheblich und liegt im Übrigen - wie Antragsgegnerin und Beigeladene zu Recht hervorgehoben haben - in tatsächlicher Hinsicht neben der Sache.
37Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. September 1997 - 21 D 93/96.AK -, S. 11 des Urteilsabdrucks.
38Allein mit dem Einwand, eine durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung weise inhaltliche Unzulänglichkeiten auf, kann die Genehmigung nach dem eindeutigen Wortlaut des § 4 Abs. 1 UmwRG nicht mit Erfolg angefochten werden.
39Soweit etwaige inhaltliche Unzulänglichkeiten der Umweltverträglichkeitsprüfung, deren Inhalt es ist, die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen des Vorhabens auf die in § 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG genannten Schutzgüter zu ermitteln, zu beschreiben und zu bewerten, dazu führen, dass die Genehmigung gegen (auch) drittschützende Vorschriften verstößt, bleibt es dem Antragsteller und den Betroffenen unbenommen, sich darauf - im Rahmen der insoweit maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen - zu berufen.
40b) Derartige Verstöße gegen drittschützende Vorschriften kann der Antragsteller hier aber nicht mit Erfolg geltend machen.
41Rechtsgrundlage der Änderungsgenehmigung ist § 16 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 und § 5 BImSchG. Nach diesen Vorschriften ist die - hier nach § 4 BImSchG i.V.m. Nr. 8.1 Buchst. a Spalte 1 des Anhangs der 4. BImSchV erforderliche - Genehmigung zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 BImSchG ergebenden Pflichten erfüllt werden und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.
42Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die angefochtene Genehmigung wegen eines sich zu Lasten der Bevölkerung von L. -M1. auswirkenden Verstoßes gegen die drittschützende Schutzpflicht i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG aufzuheben wäre, auf den sich der Antragsteller berufen kann.
43aa) Die im Verwaltungs- und im gerichtlichen Verfahren vom Antragsteller in den Vordergrund gestellten Belastungen durch den mit der Kapazitätserweiterung verbundenen Verkehrszuwachs sind mit den drittschützenden Betreiberpflichten nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu vereinbaren.
44(1) Anhaltspunkte für eine der Genehmigungserteilung entgegenstehende Lärmbelastung der Anwohner sind nicht ersichtlich.
45Der Genehmigung liegt insoweit eine Prognose der TÜV Rheinland Immissionsschutz und Energiesysteme GmbH zugrunde, nach der die für die Anlage festgesetzten Immissionswerte, die an allen zu betrachtenden Immissionsorten mehr als 10 dB(A) unterhalb der jeweiligen Immissionsrichtwerte liegen, auch nach der Kapazitätserweiterung und der damit verbundenen Erhöhung von 158 auf 200 Fahrzeuge pro Tag nicht überschritten werden. Diese Berechnung bezieht sich ausdrücklich auf den Fall, dass die zusätzlich zur Verbrennung vorgesehenen Abfälle sämtlich mittels Lkw angeliefert werden. Da Flächen, auf denen der Immissionswert um mehr als 10 dB(A) unterschritten wird, nach Nr. 2.2 der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm vom 26. August 1998 (GMBl. S. 503) - TA Lärm - nicht zum rechtlich relevanten Einwirkungsbereich einer Anlage zählen, bedurfte es hinsichtlich des Verkehrslärms keiner Ermittlung der Vorbelastung.
46Soweit sich der Einwand des Antragstellers, dass der mit der RMVA in Zusammenhang stehende zusätzliche Verkehr auf den Straßen des L1. Nordens zu einer insgesamt unzuträglichen Belastung beiträgt, auf die Lärmbelastung bezieht, ist er im vorliegenden Verfahren aus Rechtsgründen unerheblich. Denn zur Überprüfung steht ausschließlich die streitbefangene Anlagengenehmigung, auf deren Erteilung der Betreiber nach § 6 BImSchG einen Anspruch hat, wenn keine Versagungsgründe vorliegen. Maßgeblich ist daher im vorliegenden Zusammenhang nur, ob und inwieweit die Auswirkungen dieses konkreten Vorhabens eine diesem zurechenbare Überschreitung von Immissionsrichtwerten verursachen. Zurechenbar ist stets der Verkehrslärm, der auf dem Betriebsgrundstück sowie bei der Ein- und Ausfahrt entsteht. Der auf öffentlichen Straßen entstehende Verkehrslärm ist nur nach Maßgabe von Nr. 7.4 TA Lärm zu berücksichtigen, d.h. allenfalls bis zu einer Entfernung von 500 m vom Betriebsgrundstück. Das gilt nicht, soweit sich dieser 500 m- Bereich - wie hier - noch innerhalb eines Industrie- oder Gewerbegebiets befindet.
47(2) Anhaltspunkte dafür, dass die Genehmigung drittschützende Vorschriften im Hinblick auf die mit dem anlagenbezogenen Verkehr verbundene Belastung mit Luftschadstoffen verletzen könnte, liegen ebenfalls nicht vor.
48Die Zusatzbelastung an luftverunreinigenden Stoffen durch den auf dem Anlagengrundstück stattfindenden Lkw-Verkehr hat die Antragsgegnerin als irrelevant eingestuft. Auch das ist rechtlich nicht zu beanstanden.
49Die Grenze zwischen drittschützender Schutzpflicht (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG) und gefahrenunabhängiger Risikovorsorge bei Ungewissheit über die Schädlichkeit von Umweltauswirkungen für die menschliche Gesundheit (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG) ist für einen Teil der Schadstoffe in der TA Luft festgelegt worden, die das hinzunehmende Risiko für den Einzelnen und für die Allgemeinheit aufgrund fachlichen Sachverstands, politischer Legitimation und verantwortbarer Bewertung konkretisiert.
50Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2003 - 7 C 19.02 -, BVerwGE 119, 329 (333).
51Unter Berücksichtigung der danach maßgeblichen TA Luft steht ein Vorhaben mit der Schutzpflicht gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG regelmäßig in Einklang, wenn es lediglich irrelevante Zusatzbelastungen hervorruft. Nach Nr. 4.1 TA Luft kann bei Schadstoffen, für die Immissionswerte in den Nrn. 4.2 bis 4.5 festgelegt sind, unter den dort genannten Voraussetzungen die Bestimmung von Immissionskenngrößen entfallen, nämlich a) wegen geringer Emissionsmassenströme, b) wegen einer geringen Vorbelastung oder c) wegen einer irrelevanten Zusatzbelastung. In diesen Fällen kann davon ausgegangen werden, dass schädliche Umwelteinwirkungen durch die Anlage nicht hervorgerufen werden können, es sei denn, trotz geringer Massenströme nach Buchstabe a) oder geringer Vorbelastung nach Buchstabe b) liegen hinreichende Anhaltspunkte für eine Sonderfallprüfung vor. Der Festlegung dieser Irrelevanzschwellen liegt die Erwägung zugrunde, dass eine Anlage von atypischen Sonderfällen abgesehen bei Verursachung einer im Verhältnis zur bestehenden Vorbelastung geringfügigen Zusatzbelastung keinen im Sinne rechtlicher Zurechnung kausalen Beitrag zu den schädlichen Umwelteinwirkungen durch den betroffenen Stoff leistet.
52Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. Juni 2008 - 8 D 103/07.AK -, juris, sowie Hansmann, in: Landmann/ Rohmer, Umweltrecht, Band 2, TA Luft Nr. 4.2 Rn. 22; zur Irrelevanzschwelle als Grenze der Schutzpflicht: BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2003 - 7 C 19.02 -, BVerwGE 119, 329 (334).
53Dies zugrunde gelegt ist das Absehen von einer Ermittlung der Vor- und Gesamtbelastung entgegen der Auffassung des Antragstellers hier nicht zu beanstanden. Die im Genehmigungsverfahren vorgelegte, vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) geprüfte und vom Antragsteller in methodisch-fachlicher Hinsicht nicht in Frage gestellte Immissionsprognose hat für alle untersuchten Luftschadstoffe ergeben, dass die Zusatzbelastung jeweils - und zwar deutlich - unterhalb der in der TA Luft (vgl. Nr. 4.2.2. Buchst. a, Nr. 4.3.2 Buchst. a, Nr. 4.4.1 Satz 3, Nr. 4.4.3 Buchst. a und Nr. 4.5.2 Buchst. a) festgelegten Irrelevanzschwellen liegt. Hinsichtlich der vom Antragsteller beanstandeten Belastung durch den anlagenbezogenen, d.h. auf dem Betriebsgrundstück stattfindenden Fahrzeugverkehr ist durch das im Genehmigungsverfahren vorgelegte und geprüfte Gutachten belegt, dass der dadurch verursachte Luftschadstoffausstoß weniger als 1/10 der Bagatellmassenströme nach Nr. 4.6.1.1 TA Luft beträgt und deshalb als irrelevant anzusehen ist. Dieser Beurteilung hat der Antragsteller nichts entgegengesetzt. Von Amts wegen drängen sich Fehler der gutachterlichen Berechnungen, die für die rechtliche Bewertung erheblich sein könnten, nicht auf.
54Nach alldem ist davon auszugehen, dass die von dem genehmigten Anlagenbetrieb ausgehenden Zusatzbelastungen unterhalb der immissionsschutzrechtlichen Irrelevanzschwellen bleiben, so dass es der vom Antragsteller verlangten Ermittlung der Gesamtbelastung nicht bedarf. Hinreichende Anhaltspunkte für die Erforderlichkeit einer nach Nr. 4.8 TA Luft möglicherweise gebotenen Sonderfallprüfung sind bei summarischer Prüfung nicht erkennbar. Für eine Sonderfallprüfung ist nur Raum, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls Anlass zu der Annahme besteht, dass durch die Anlage schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden könnten.
55Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Juni 1998 - 7 B 25.98 -, NVwZ 1998, 1181; zu den Anforderungen vgl. auch Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. III, Nr. 4.8 TA Luft Rn. 14 f.
56Das diesbezügliche Vorbringen des Antragstellers stellt nicht die Irrelevanz der Zusatzbelastung in Frage, sondern betrifft - ebenso wie in Bezug auf die Lärmbelastung - die Gesamtbelastung der Einwohner des L1. Nordens, die insbesondere von den umgebenden Autobahnen und dem Verkehr auf innerstädtischen Straßen herrührt. Dabei handelt es sich allem Anschein nach sowohl um Durchgangsverkehr als auch um solchen Verkehr, der mit vorhandenen Gewerbe- und Industriebetrieben in Zusammenhang steht. Ein derartiges Zusammentreffen von Luftschadstoffbelastungen aus verschiedenen, nur teilweise dem Immissionsschutzrecht unterliegenden Quellen ist nicht in einem Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen, das ein Vorhaben betrifft, von dem lediglich - für sich genommen - irrelevante Zusatzbelastungen ausgehen. Vor diesem Hintergrund war es auch unter dem Aspekt der Luftschadstoffbelastungen nicht geboten, ein Gesamtverkehrsgutachten einzuholen oder das Ergebnis einer wohl von der Stadt L. geplanten "integrierten Raumanalyse" abzuwarten. Sofern die Gesamtbelastung des L1. Nordens durch eine Kumulation verschiedener Verursachungsbeiträge - was hier nicht zu prüfen war - ein unzuträgliches Maß erreichen sollte, wäre dem im Rahmen der Luftreinhalteplanung, ggf. mit den Mitteln der Aktionsplanung und durch straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung Rechnung zu tragen, aber nicht in dem gegen die streitbefangene Genehmigung gerichteten Verfahren. Ebenso wenig bietet das vorliegende Verfahren Raum, dem Vorbringen des Antragstellers nachzugehen, die Standorte der zur Ermittlung der Feinstaubbelastung eingerichteten Messstellen seien nicht sachgerecht ausgewählt.
57(3) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge, der zusätzliche Verkehr zum und vom Betriebsgelände der Beigeladenen führe zu einer Überlastung des Verkehrsnetzes im L1. Norden. Allerdings kann ein Vorhaben, dass die verkehrstechnisch vorgegebenen Aufnahmekapazitäten einer Erschließungsstraße überfordert, im bauplanungsrechtlichen Sinne rücksichtslos sein, wenn ein Grundstück über Stunden nicht verlässlich erreichbar ist.
58Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. Oktober 2007 - 8 B 1340/07 -, ZUR 2008, 97; zu fehlenden Stellplatzkapazitäten: OVG NRW, Beschluss vom 15. November 2005 - 7 B 1823/05 -, NWVBl. 2006, 229.
59Es kann dahinstehen, ob diese Ausprägung des Rücksichtnahmegebots zu den in Verfahren der vorliegenden Art rügefähigen umweltrechtlichen Vorschriften zählt. Denn eine Überlastung der Aufnahmekapazitäten des Straßen des L1. Nordens mit derart gravierenden Auswirkungen ist auch unter Zugrundelegung des Antragsvorbringens nicht ernstlich zu erwarten.
60bb) Die vom Antragsteller darüber hinaus - auch schon im Verwaltungsverfahren - geltend gemachten städtebaulichen und abfallwirtschaftlichen Bedenken gegen das Vorhaben betreffen Fragestellungen, die für die rechtliche Beurteilung der angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung unerheblich sind.
61Das gilt insbesondere für den Einwand, die Kapazitätserweiterung beruhe nicht auf einer geordneten städtebaulichen Planung. Das Vorhandensein einer geordneten städtebaulichen Planung zählt nicht zu den im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfenden Voraussetzungen; überdies betrifft dieser Einwand keinen Aspekt, der für die Anwendung drittschützender umweltrechtlicher Vorschriften, auf deren Geltendmachung der Antragsteller beschränkt ist, von Bedeutung sein könnte.
62Das Gleiche gilt hinsichtlich des Einwands, dass die Kapazitätserweiterung einer Verletzung des abfallwirtschaftsrechtlichen Grundsatzes Vorschub leiste, wonach eine grenzüberschreitende Abfallentsorgung vermieden werden solle, und hinsichtlich der Bedenken des Antragstellers, die daraus resultieren, dass die Kapazitätserweiterung der RMVA Ausdruck wirtschaftlichen Gewinnstrebens sei. Sein Vortrag, die Anlage diene nicht mehr - wie ursprünglich geplant - der Daseinsvorsorge, sondern stelle nunmehr einen Wirtschaftsbetrieb dar, ist für die immissionsschutzrechtliche Beurteilung der Genehmigung irrelevant. Anders als der Antragsteller wohl annimmt, regelt das Bundes- Immissionsschutzgesetz mit den dazu erlassenen Verordnungen und Verwaltungsvorschriften keine unterschiedlichen immissionsschutzrechtlichen Anforderungen in Bezug auf Anlagen, die der Daseinsvorsorge dienen, und solchen, die allein aus wirtschaftlichen Gründen betrieben werden. Im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren findet weder eine Bedarfsprüfung noch eine planerische Abwägung statt. Vor diesem Hintergrund ist auch der Einwand des Antragstellers nicht nachvollziehbar, die Eigentümer der im Einwirkungsbereich der Anlage liegenden Grundstücke würden dadurch, dass die Anlage sich zu einem Wirtschaftsbetrieb entwickelt hätte, schwer und unzumutbar in ihren Eigentumsrechten beeinträchtigt.
63cc) Mit denjenigen weiteren, über die vorstehend erörterten verkehrstechnischen, städtebaulichen und abfallwirtschaftlichen Bedenken hinausgehenden Einwendungen, die der Antragsteller mit der Verweisung auf das Einwendungsschreiben der Bürgerinitiative L1. aus Juni 2007 erstmals im gerichtlichen Verfahren geltend gemacht hat, ist der Antragsteller ausgeschlossen.
64Rechtsgrundlage für diesen Einwendungsausschluss ist § 2 Abs. 3 UmwRG. Danach ist eine Vereinigung, wenn sie - wie der Antragsteller - im Verfahren nach § 1 Abs. 1 UmwRG Gelegenheit zur Äußerung gehabt hat, im Verfahren über den Rechtsbehelf mit allen Einwendungen ausgeschlossen, die sie im Verfahren nach § 1 Abs. 1 UmwRG nicht oder nach den geltenden Rechtsvorschriften nicht rechtzeitig geltend gemacht hat, aber hätte geltend machen können.
65Für das förmliche immissionsschutzrechtliche Verfahren sind die Einwendungsfrist und die Voraussetzungen ihres Eingreifens in § 10 Abs. 3 BImSchG geregelt. Gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 BImSchG hat die zuständige Behörde, wenn die (Genehmigungs-)Unterlagen vollständig sind, das Vorhaben in ihrem amtlichen Veröffentlichungsblatt und außerdem in örtlichen Tageszeitungen, die im Bereich des Standortes der Anlage verbreitet sind, öffentlich bekannt zu machen. Der Antrag und die Unterlagen, mit Ausnahme der Unterlagen nach Absatz 2 Satz 1, sowie die entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen, die der Behörde im Zeitpunkt der Bekanntmachung vorliegen, sind nach der Bekanntmachung einen Monat zur Einsicht auszulegen. Bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist können Einwendungen gegen das Vorhaben schriftlich erhoben werden (§ 10 Abs. 3 Satz 4 BImSchG). Mit Ablauf der Einwendungsfrist sind nach § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG alle Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen.
66Voraussetzung für die Vermeidung der Ausschlusswirkung ist es, dass die geltend gemachten Einwendungen mindestens in groben Zügen erkennen lassen, welche Rechtsgüter als gefährdet angesehen und welche Beeinträchtigungen befürchtet werden. Das schlichte Nein gegenüber einem Vorhaben rechtfertigt keine weitere verfahrensrechtliche Beteiligung des Einwenders und führt deshalb zum Einwendungsausschluss.
67Vgl. zur Ausschlusswirkung nach § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG: OVG NRW, Beschluss vom 6. März 2006 - 8 B 870/05 -, juris; grundlegend zum Einwendungsausschluss in atomrechtlichen Genehmigungsverfahren: BVerwG, Urteil vom 17. Juli 1980 - 7 C 101.78 -, BVerwGE 60, 297 = NJW 1981, 359, Urteil vom 9. September 1988 - 7 C 3.86 -, BVerwGE 80, 207 = NVwZ 1989, 52; für die Übertragbarkeit dieser Grundsätze auf den Einwendungsausschluss im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren: BVerwG, Urteil vom 29. August 1986 - 7 C 52.84 -, DVBl. 1987, 258 = NVwZ 1987, 131, und Beschluss vom 30. Januar 1995 - 7 B 20.95 -, Buchholz 406.25 § 10 BImSchG Nr. 3; vgl. allgemein auch: OVG NRW, Urteil vom 27. April 1992 - 21 A 800/88 -, NVwZ 1993, 385 = NWVBl. 1993, 50; BayVGH, Beschluss vom 4. Juni 2003 - 22 CS 03.1109 -, NVwZ 2003, 1138; OVG Nds., Beschluss vom 21. Oktober 1986 - 7 D 2/86 -, OVGE 39, 479 = NVwZ 1987, 341; Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band I, BImSchG § 10 Rn. 134.
68Dabei darf allerdings nicht mehr gefordert werden als das durchschnittliche Wissen eines nicht sachverständigen Bürgers in Bezug auf mögliche Beeinträchtigungen von Leben, Gesundheit und sonstigen geschützten Rechtspositionen durch das in Rede stehende Vorhaben.
69Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 1982 - 2 BvR 1187/80 -, BVerfGE 61, 82 = NJW 1982, 2173; BVerwG, Urteil vom 9. September 1988 - 7 C 3.86 -, a.a.O.
70Allerdings findet der Einwendungsausschluss dort seine Grenze, wo die Bekanntmachung oder die Auslegung Fehler aufweisen, die die fristgerechte Erhebung von Einwendungen erschweren konnten, oder wo die ausgelegten Unterlagen eine hinreichende Beurteilung der möglichen Beeinträchtigungen nicht erlaubten.
71Vgl. zum Einwendungsausschluss nach § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG: BVerwG, Urteil vom 17. Juli 1980 - 7 C 101.78 -, a.a.O.; Jarass, BImSchG, 7. Aufl., 2007, § 10 Rn. 93 f.
72Es ist aber weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass diese Grenze im vorliegenden Fall überschritten ist.
73Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist der von der Antragsgegnerin ausgewählte Ort für die Auslegung der Antragsunterlagen rechtlich nicht zu beanstanden. Gemäß § 10 Abs. 3 BImSchG und § 10 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der 9. BImSchV sind bei UVP-pflichtigen Vorhaben der Antrag sowie die beigefügten Unterlagen bei der Genehmigungsbehörde und auch in den Gemeinden auszulegen, in denen sich das Vorhaben voraussichtlich auswirkt. Diesem Erfordernis hat die Antragsgegnerin genügt, indem sie - soweit für den Antragsteller von Belang - die Antragsunterlagen unter anderem in L. ausgelegt hat, wo der Antragsteller Gelegenheit zur Einsichtnahme hatte. In welchem Stadtteil die Auslegung zu erfolgen hat, geben die genannten Vorschriften nicht vor. Ebenso wenig ist es rechtlich geboten, in größeren Städten die Unterlagen in mehreren Stadtteilen auszulegen. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV ist lediglich erforderlich, dass es sich um eine "geeignete Stelle in der Nähe des Standortes" handelt. Die Auslegung der Unterlagen im Stadthaus E. , in dem das Umwelt- und Verbraucherschutzamt der Stadt L. seinen Sitz hat, erscheint vor diesem Hintergrund rechtlich unbedenklich.
74Auch der Umstand, dass die Unterlagen bei der öffentlichen Bekanntmachung des Vorhabens noch nicht vollständig vorlagen, stellt den Eintritt der Präklusionswirkung nicht in Frage. Zwar schreibt § 10 Abs. 3 Satz 1 BImSchG vor, dass die öffentliche Bekanntmachung erst dann zu erfolgen hat, wenn die Unterlagen vollständig sind, wohingegen die öffentliche Bekanntmachung ausweislich des diesbezüglichen Vermerks bereits veranlasst wurde, bevor die mit Schreiben vom 19. April 2007 angeforderten ergänzenden Unterlagen vorlagen. Ob die angeforderten Unterlagen schon bis zum Zeitpunkt der öffentlichen Bekanntmachung vollständig bei der Antragsgegnerin eingegangen waren, kann dahinstehen. Rechte Dritter bzw. der betroffenen Öffentlichkeit können nur beeinträchtigt werden, wenn die Bekanntmachung nicht den inhaltlichen Anforderungen gemäß § 10 Abs. 4 BImSchG und § 9 Abs. 1 der 9. BImSchV entspricht oder wenn die ausgelegten Unterlagen unvollständig sind. Nach § 10 Abs. 3 Satz 2 BImSchG sind die dem Antrag beigefügten Unterlagen auszulegen, d.h. die zur Prüfung nach § 6 BImSchG erforderlichen Zeichnungen, Erläuterungen und sonstigen Unterlagen einschließlich einer allgemein verständlichen Kurzbeschreibung (vgl. § 4 Abs. 3 der 9. BImSchV) sowie bei UVP-pflichtigen Vorhaben die diesbezüglichen Unterlagen (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 2 der 9. BImSchV). Es ist nicht erkennbar, dass durch die erfolgte Nachreichung von Unterlagen, die im Wesentlichen lediglich klarstellenden Inhalts waren, die Möglichkeiten der Öffentlichkeit beschränkt worden wären, die Auswirkungen des Vorhabens zu beurteilen.
75Dies zugrunde gelegt ist der Antragsteller - auf der Grundlage der in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung - mit allen weiteren, über die unter aa) und bb) erörterten Umstände hinaus gehenden Einwendungen ausgeschlossen.
76In seinem bereits während der Auslegungsfrist eingegangenen Schreiben vom 1. Juni 2007 und seinem während der Einwendungsfrist eingegangenen Schreiben vom 29. Juni 2007 hat der Antragsteller lediglich verkehrstechnische, städtebauliche und abfallwirtschaftliche Bedenken angeführt. So hat er die Einholung eines Verkehrsgutachtens zur Gesamtbeurteilung der Verkehrsbelastung des L1. Nordens verlangt, auf die Belastung des örtlichen Straßensystems, insbesondere der Autobahnen A X und A XY sowie der Bundesstraße B X und der Industriestraße, einschließlich der Gesamtbelastung durch Feinstaub, verwiesen und darüber hinaus die Notwendigkeit der Kapazitätserweiterung mit der Begründung in Frage gestellt, dass diese einer geordneten städtebaulichen Planung widerspreche.
77Weitergehende Einwendungen hat der Antragsteller im Verwaltungsverfahren nicht geltend gemacht. Insbesondere hat er sich nicht auf diejenigen Einwendungen berufen, die die Bürgerinitiative L1. in ihrem Einwendungsschreiben aus Juni 2007 dargelegt hat. Aufgrund dessen ist es ihm nach § 2 Abs. 3 UmwRG verwehrt, diese Umstände im gerichtlichen Verfahren geltend zu machen. Ausgeschlossen ist danach insbesondere das Vorbringen zu etwaigen Gesundheitsbeeinträchtigungen durch die Schadstoffemissionen der Anlage beim genehmigten Betrieb sowie bei etwaigen Störfällen.
78Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind billigerweise erstattungsfähig. Die Beigeladene hat einen eigenen Antrag gestellt und sich damit gemäß § 154 Abs. 3 VwGO einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt.
79Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 1 und 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG. Sie orientiert sich an dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der vorliegend maßgeblichen Fassung von Juli 2004 (DVBl. 2004, 1525 = NVwZ 2004, 1327), von dem hier die Nrn. 1.2 und 1.5 zur Anwendung gelangen.
80Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO sowie §§ 68 Abs. 1 Satz 5 und 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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