Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 B 1347/09
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerde-verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerde-verfahren auf 2.500 EUR festgesetzt.
1
Gründe
2Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
3Die Beschwerdegründe des Antragstellers rechtfertigen es nicht, den angefochtenen Beschluss zu ändern und - wie erstinstanzlich beantragt -
4dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die im Justizministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen 2008, laufende Nr. 21 vom 1. November 2008 ausgeschriebene Stelle einer Präsidentin/eines Präsidenten des Landesarbeitsgerichts bei dem Landesarbeitsgericht L. mit dem Beigeladenen zu besetzen, bis über die Bewerbung des Antragstellers eine neue Auswahlentscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts getroffen worden ist.
5Das Verwaltungsgericht hat diesen Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass eine Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Antragstellers nicht glaubhaft gemacht worden sei. Die Auswahlentscheidung erweise sich nach dem gegenwärtigen Sachstand auf Grund einer dem Anordnungsverfahren gemäßen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht als fehlerhaft. Denn der Antragsgegner sei rechtsfehlerfrei sowohl davon ausgegangen, dass der Beigeladene das Anforderungsprofil für das Amt eines Präsidenten des Landesarbeitsgerichts erfülle als auch, dass er einen Leistungs- und Eignungsvorsprung vor dem Antragsteller besitze. Zwar sehe Teil 5 der Anlage zur Beurteilungs-AV des Justizministeriums vom 2. Mai 2005 (JMBl. NRW S. 121) als erkennbar bedeutende Voraussetzung eine in der Regel langjährige Bewährungszeit beim Arbeitsgericht vor. Die vom Antragsgegner angenommene Ausnahme von diesem Regelerfordernis sei jedoch bereits infolge der gut 15-monatigen Bewährung des Beigeladenen als Präsident eines Landesarbeitsgerichts rechtlich nicht zu beanstanden. Denn die zur Eignung abgegebene Prognose sei durch die festgestellte Bewährung auf einer gleichwertigen Stelle erhärtet und gesichert worden. Der Antragsgegner bewege sich ferner im Rahmen des ihm zuzugestehenden Wertungsrahmens, wenn er – wie hier geschehen - dem zugunsten des Beigeladenen angenommenen Kompetenzvorsprung in der Bearbeitung von Verwaltungsangelegenheiten im Rahmen der Auswahlentscheidung ausschlaggebende Bedeutung beimesse, auch wenn die Leistungen des Beigeladenen ebenso wie die des Antragstellers in den erstellten aktuellen dienstlichen Anlassbeurteilungen jeweils mit "hervorragend" beurteilt und beide Bewerber für das angestrebte Amt als "hervorragend geeignet" bezeichnet worden seien. Denn der zugunsten des Beigeladenen angenommene Kompetenzvorsprung in der Bearbeitung von Verwaltungsangelegenheiten sei nach dem beruflichen Werdegang des Beigeladenen plausibel dargelegt und nachvollziehbar. Dass die aktuelle Leistungs- und Eignungsbeurteilung des Beigeladenen fehlerhaft sei, sei nicht zu erkennen. Insbesondere sei nicht erkennbar, dass es hinsichtlich der Bewertung der Rechtsprechungstätigkeit des Beigeladenen an einer aussagekräftigen Tatsachengrundlage fehle, zumal eine regelhafte Verknüpfung zwischen der Qualität richterlicher Arbeit und der Zahl der eingegangenen bzw. erledigten Verfahren nicht bestehe und insofern schon die Bearbeitung weniger Fälle die Befähigung und Leistungsfähigkeit eines Richters exemplarisch widerspiegeln könne. Vorliegend hätten dem Beurteiler des Beigeladenen zudem aussagekräftige Erkenntnisse aus den bearbeiteten Akten sowie der Vortätigkeit des Beigeladenen als Leitendem Ministerialrat bzw. Ministerialrat im Justizministerium des Landes vorgelegen, so dass es einer Überhörung des Beigeladenen, insbesondere zur Bewertung des Verhandlungs- und Vernehmungsgeschicks, nicht bedurft habe. Letztlich habe der Antragsgegner plausibel dargelegt, dass der Beigeladene bereits bei Übertritt in die Arbeitsgerichtsbarkeit umfangreiches arbeitsrechtliches Vorwissen aus seiner Tätigkeit als Referatsleiter im Justizministerium mitgebracht habe, welches er nach nicht zu beanstandender Einschätzung des Beurteilers während seiner ca. 15-monatigen Tätigkeit als Vorsitzender der 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts E. weiter vertieft und überzeugend angewandt habe.
6Das Beschwerdevorbringen des Antragstellers, welches den verbindlichen Rahmen für die Überprüfung durch den Senat vorgibt, soweit es um die begehrte Abänderung des angefochtenen Beschlusses geht (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), bietet hierfür keine ausreichende Grundlage.
7Der Antragsteller geht zunächst fehl in seiner Annahme, der Beschluss sei (im Sinne des Antrags) abzuändern, weil das Verwaltungsgericht von einem falschen Prüfungsmaßstab ausgegangen sei. Ein solcher Fehler der angefochtenen Entscheidung - wäre er denn gegeben - könnte für sich gesehen der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, weil er bei der Prüfung durch das Beschwerdegericht beseitigt würde. Entscheidend ist daher, ob das Vorbringen des unterlegenen Bewerbers in der Sache glaubhaft macht, dass sein Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG auf fehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung (Bewerbungsverfahrensanspruch) verletzt ist und - bejahendenfalls - seine Aussichten, beim zweiten Mal (bei einer neuen Entscheidung unter Vermeidung des aufgedeckten Fehlers) ausgewählt zu werden, offen sind, d.h. seine Auswahl möglich erscheint.
8Vgl. nur BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. September 2002 - 2 BvR 857/02 -, DVBl. 2002, 1633 (= Juris, Rn. 10 ff.).
9Das Verwaltungsgericht hat diese Maßstäbe, ungeachtet des Abstellens auf eine "überwiegend wahrscheinliche" Fehlerfreiheit der Auswahlentscheidung, jedenfalls tatsächlich zugrunde gelegt und angewandt. Es hat die vorgebrachten Einwände des Antragstellers eingehend geprüft und eine auch nur ansatzweise gegebene Möglichkeit für eine Fehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung verneint. Im Ergebnis hat es festgestellt, dass der Antragsteller in einem neuen Auswahlverfahren chancenlos wäre (Beschlussabdruck S. 3 unten/4 oben). Damit hat es die Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs nicht über das hinaus ausgedehnt, was für das Obsiegen eines unterlegenen Bewerbers im Hauptsacheverfahren generell gefordert werden könnte.
10Das Beschwerdevorbringen vermag die Bewertungen des Verwaltungsgerichts nicht infrage zu stellen.
11Der Beigeladene erfüllt das Anforderungsprofil der zu besetzenden Stelle eines Präsidenten des Landesarbeitsgerichts – hier bei dem Landesarbeitsgericht L. . Denn das in diesem Zusammenhang allein streitige Kriterium einer in der Regel langjährige Bewährung beim Arbeitsgericht nach Teil 5 der Anlage zur Beurteilungs-AV des Justizministeriums vom 2. Mai 2005 (2000 – Z. 155 -, JMBl. NRW S. 121 – Beurteilungs-AV - ) zur Besetzung der Stelle eines Präsidenten des Landesarbeitsgerichts (Besoldungsgruppe R 1 mit Amtszulage bis R 6) stellt bereits kein Anforderungsmerkmal im konstitutiven Sinne dar.
12Denn als "konstitutiv" sind nur solche Merkmale des Eignungs- und Befähigungsprofils der – hier mittels Ausschreibung – angesprochenen Bewerber einzustufen, welche zum einen zwingend vorgegeben und zum anderen anhand objektiv überprüfbarer Kriterien, also insbesondere ohne gebotene Rücksichtnahme auf Wertungsspielräume des Dienstherrn, letztlich eindeutig und unschwer festzustellen sind. Demgegenüber kennzeichnet ein nicht konstitutives Anforderungsprofil solche Qualifikationsmerkmale, die entweder ausdrücklich nicht zwingend vorliegen müssen (weil sie beispielsweise nur "erwünscht" sind) oder die schon von ihrer Art her nicht allein anhand objektiv überprüfbarer Fakten – bejahend oder verneinend – festgestellt werden können. Letztere Merkmale erschließen sich erst auf der Grundlage eines persönlichkeitsbedingten, das betreffende Element des Eignungs- und Befähigungsprofils näher in den Blick nehmenden Werturteils. Derartige Merkmale, die einen Wertungsspielraum eröffnen und über die der Dienstherr – in der Regel in einer dienstlichen Beurteilung oder vergleichbaren Stellungnahme – zunächst eine nähere Einschätzung treffen muss, können in einem Stellenbesetzungsverfahren erst dann Bedeutung haben, wenn der Bewerber das (zulässigerweise aufgestellte) konstitutive Anforderungsprofil erfüllt und deshalb zur näheren Überprüfung bzw. vergleichenden Gewichtung seiner im Übrigen vorliegenden Eignung in das weitere, eigentliche Auswahlverfahren einzubeziehen ist.
13Vgl. zur Unterscheidung konstitutiver und nicht konstitutiver Anforderungsprofile Senatsbeschlüsse vom 8. September 2008 1 B 910/08 -, vom 17. April 2007 1 B 2232/06 , vom 20. Juli 2006 1 B 352/06 -, vom 25. Oktober 2004 1 B 1422/04 und vom 23. Juni 2004 1 B 455/04 , NWVBl. 2004, 463; allgemein zur Bedeutung des Anforderungsprofils und seiner Verbindlichkeit für das weitere Auswahlverfahren: BVerwG, Urteil vom 16. August 2001 2 A 3.00 , BVerwGE 115, 58.
14Das hier streitige Kriterium einer langjährigen Bewährung beim Arbeitsgericht stellt bereits deshalb kein konstitutives Anforderungsmerkmal im vorgenannten Sinne dar, weil Teil 5 der Anlage zur Beurteilungs-AV das Vorliegen dieser Voraussetzung ausdrücklich nur "in der Regel" vorsieht, was intendiert, das Ausnahmen – wenn auch nur in atypischen Fällen – vorgesehen sind. Wann eine solche Ausnahme anzunehmen ist, lässt sich aber nicht allein anhand objektiv überprüfbarer Fakten – bejahend oder verneinend – sondern nur wertend anhand einer zunächst durch den Dienstherrn vorzunehmenden Einschätzung bestimmen, welche sodann gerichtlich überprüft werden kann. Denn die Frage der Möglichkeit einer ausnahmsweise gegebenen Kompensation einer fehlenden langjährigen Bewährung beim Arbeitsgericht durch andere mindestens gleichwertige Bewährungszeiten, die in diesem Zusammenhang zu fordern sind, bedarf einer bewertenden Betrachtung des Normzwecks und der damit einhergehenden Bewertung etwaiger Ausgleichsmöglichkeiten, welche nur auf der Ebene einer vergleichenden Gewichtung im Einzelfall unter Berücksichtigung der konkret zu besetztenden Stelle im Rahmen des weiteren eigentlichen Auswahlverfahren vorgenommen werden kann. Ein solcher atypischer Einzelfall drängt sich aber gerade bei der Besetzung der Stelle der Präsidentin/des Präsidenten des Landesarbeitsgerichts auf, wenn man bedenkt, dass sich die Aufgabenstruktur dieses Amtes nicht in einer rechtsprechenden Tätigkeit erschöpft, sondern vor allem auch Aufgaben der Organisation, Delegation sowie der Mitarbeiterführung mit sich bringt.
15Im vorliegenden Fall hat der Antragsgegner den Beigeladenen mithin zu Recht in das weitere Auswahlverfahren einbezogen. Im Rahmen dessen hat er sodann den von ihm für ausschlaggebend erachteten Kompetenzvorsprung des Beigeladenen in der Bearbeitung von Verwaltungsangelegenheiten und damit insgesamt einen Leistungs- und Eignungsvorsprung des Beigeladenen unter Berücksichtigung einer Ausnahme von dem Regelerfordernis langjähriger Bewährung beim Arbeitsgericht rechtsfehlerfrei bejaht.
16Zwar sind die Leistungen des Beigeladenen ebenso wie die des Antragstellers in den erstellten aktuellen dienstlichen Anlassbeurteilungen der Bewerber jeweils mit "hervorragend" beurteilt und beide für das angestrebte Amt als "hervorragend geeignet" bezeichnet worden. Der zugunsten des Beigeladenen angenommene Kompetenzvorsprung in der Bearbeitung von Verwaltungsangelegenheiten ist indes plausibel dargelegt und nachvollziehbar und trägt auch die getroffene Auswahlentscheidung. Hierzu hat bereits das Verwaltungsgericht in der Begründung des angefochtenen Beschlusses umfassend Stellung genommen. Auf diese Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst verwiesen (dortige S. 7). Unter Bezugnahme auf das Beschwerdevorbringen bleibt lediglich ergänzend anzumerken, dass der Beigeladene Erfahrungen auch im Hinblick auf die Erstellung dienstlicher Beurteilungen, welche der Antragsteller als Kernbereich der Aufgaben eines Präsidenten des Landesarbeitsgerichts erachtet, aufzuweisen hat. Denn er hatte als Präsident des Landesarbeitsgerichts E. die nach der Beurteilungs-AV auch in der Arbeitsgerichtsbarkeit im Januar 2009 vorgesehenen dienstlichen Regelbeurteilungen für die dortige Richterschaft zu verantworten (vgl. III.2.b), IV.1. der Beurteilungs-AV in Verbindung mit § 1 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 8 und § 2 Nr. 5 der Zuständigkeitsverordnung des Justizministeriums – ZustVO JM – (SGV. NRW 2030). Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Antragsgegner dem höheren Statusamt des Beigeladenen im Rahmen der Ermittlung des Kompetenzvorsprungs in Verwaltungsangelegenheiten rein schematisch ein höheres Gewicht beigemessen hätte und eine so versäumte Gewichtung im Einzelfall vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt worden sei. Der Antragsgegner ist zwar im Rahmen des für die Bewerberauswahl maßgeblichen Besetzungsvorschlags vom 17. März 2009 zur Ermittlung der Kompetenzen der Bewerber in Verwaltungsangelegenheiten tatsächlich zunächst vom Anforderungsprofil eines Präsidenten eines Landesarbeitsgerichts ausgegangen. Dies diente jedoch ersichtlich zunächst der Benennung des vorgegebenen Maßstabes, um anschließend die individuellen Kompetenzen der Bewerber in Verwaltungsangelegenheiten an den diesbezüglichen Vorgaben des zu besetzenden Amtes zu messen (siehe Besetzungsvorschlags vom 17. März 2009, Seite 8 bb) sowie Seite 12 (1)). Hierin liegt kein rein schematischer Vergleich von unterschiedlichen Statusämtern sondern ein systematischer Vergleich individueller Kompetenzen auf der Grundlage von Anforderungsprofilen - zumal unter Benennung zahlreicher individueller Einzelbelege (siehe Besetzungsvorschlag vom 17. März 2009, Seite 9 oben).
17Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Antragsgegner - und im Nachvollzug seiner Auswahlentscheidung das Verwaltungsgericht – die vom Antragsteller gesammelten Verwaltungserfahrungen, namentlich auch die vor seiner Ernennung zum Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts diesbezüglich gesammelten spezifischen Erfahrungen, nicht umfassend berücksichtigt und gewürdigt hätte. Bereits in der zu Beginn des Besetzungsvorschlags vom 17. März 2009 (Seite 3 oben) aufgeführten Übersicht über den beruflichen Werdegang des Antragstellers hat der Antragsgegner dessen Beauftragung mit der Wahrnehmung der Aufgaben des Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts L. bereits zum 1. Juli 2002 in den Blick genommen. Auf Seite 8 des Besetzungsvorschlags wird sodann im Vorfeld der näheren Beschreibung der von dem Antragsteller als Vizepräsidenten wahrgenommenen Aufgaben darauf hingewiesen, dass dieser mit den Aufgaben des Vizepräsidenten zunächst beauftragt war, bevor ihm das Amt im Jahre 2004 übertragen worden sei. Die ggfls. missverständlich verkürzten Ausführungen des Verwaltungsgerichts (Seite 7 oben des angefochtenen Beschlusses), wonach auch der Antragsteller als Vizepräsident des Landesarbeitsgerichts L. seit 2004 Erfahrungen in der Bearbeitung von Verwaltungsangelegenheiten gewonnen habe, können im Gesamtkontext nur so verstanden werden, dass das Verwaltungsgericht nicht den dem Antragsteller zuzugestehenden Erfahrungszeitraum verkürzen, sondern vielmehr das Augenmerk gezielt auf die vom Antragsteller auch im statusrechtlichen Amt des Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts gewonnenen Erfahrungswerte richten wollte. Hinsichtlich des Beschwerdevortrages zur Berücksichtigung von Präsidialrichtertätigkeiten des Antragstellers im Zeitraum von 1991 bis 2004 im Rahmen der Bewerberauswahl ergibt sich aus dem Besetzungsvorschlag vom 17. März 2009 (Seite 11, 2.b) aa)), dass auch diese vom Antragsgegner umfassend berücksichtigt und rechtsfehlerfrei gewürdigt worden sind.
18Der weitere vom Antragsteller erhobene Einwand, der Beigeladene verfüge nicht über die geforderten richterlichen Erfahrungen in der Arbeitsgerichtsbarkeit (vgl. Teil 5 der Anlage I der Beurteilungs-AV), ihm fehle insbesondere Verwaltungserfahrung im Kernbereich der Aufgaben eines Präsidenten des Landesarbeitsgerichts, zu welchen die dienstliche Beurteilung der Richterinnen und Richter des Bezirks gehöre, was wiederum zur sachgerechten Beurteilung Erfahrungen und Kenntnisse als Arbeitsrichter als unerlässlich erscheinen lasse, kann ebenfalls nicht durchgreifen. Denn der Beigeladenen hat während der ca. 15-monatigen Tätigkeit als Vorsitzender der 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts E. spezifische richterliche Erfahrungen in der Arbeitsgerichtsbarkeit sammeln können und dies nach nicht zu beanstandender Einschätzung seines Beurteilers auch vertiefend und in überzeugender Anwendung getan.
19Warum die dem Beigeladenen in diesem Zusammenhang bescheinigten besonderen Befähigungen die in der Regel zu fordernde langjährige Bewährung beim Arbeitsgericht darüber hinaus nicht ausnahmsweise ersetzen können sollen, die vom Antragsgegner getroffene Bewertung also insofern fehlerhaft sein soll, erschließt sich dem Senat nicht. Denn gerade der Beigeladenen hat bereits bei Übertritt in die Arbeitsgerichtsbarkeit aus seiner Tätigkeit als Referatsleiter im Justizministerium arbeitsrechtliches Vorwissen mitgebracht, welches er während dieser Zeit – wie laut seinem Beurteiler geschehen – ausbauen und verfestigen konnte. Dass ein Ausgleich der geforderten richterlichen Erfahrungen in der Arbeitsgerichtsbarkeit durch gesammelte Erfahrungswerte im Justizministerium möglich ist, schließt der Senat entgegen der diesbezüglich nicht näher dargelegten Auffassung des Antragstellers nicht generell – und gerade nicht im konkreten Einzelfall - aus. Die Erwägungen des Antragsgegners, dass der Beigeladene vor Übertragung der Stelle des Präsidenten des Landesarbeitsgerichts nicht zwingend über eine langjährige Bewährung beim Arbeitsgericht verfügen muss, sondern sich die erforderliche Eignung für das mit der Besetzung der Präsidentenstelle verbundene Amt eines Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht vielmehr auch aus der erfolgreichen Wahrnehmung solcher Aufgabe ergeben kann, die in vergleichbarer Weise Rückschlüsse auf die Eignung und Befähigung zulassen, den Anforderungen des angestrebten Amtes gerecht zu werden, ist rechtsfehlerfrei. Dass der Antragsgegner dergleichen Rückschlüsse unter anderem aus der erfolgreichen Wahrnehmung von herausgehobenen Aufgaben in einem Ministerium gezogen hat, ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Anderenfalls könnte die Eignung und Befähigung für die erfolgreiche Wahrnehmung eines Richteramtes allein durch eine richterliche (Vor-) Tätigkeit nachgewiesen werden, was jedoch – zumindest in dem vorliegenden Fall der Besetzung der Stelle des Präsidenten des Landesarbeitsgerichts – ersichtlich nicht zutreffen kann.
20Ebenso VG des Saarlandes, Beschluss vom 18. Februar 2009 2 L 1881/08 Juris, Rn. 16 - für die Besetzung der Stelle eines Vizepräsidenten am Oberverwaltungsgericht; so auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. April 2007 4 S 3/07 - Juris, Rn. 11 - und Hessischer VGH, Beschluss vom 24. September 2002 1 TG 1353/02 - Juris, Rn. 19 -.
21Hierfür spricht letztlich auch die auf Nr. 2 der Erprobungs-AV des Justizministeriums vom 2. Mai 2005 (2000 – Z. 61 - JMBl. NRW S. 16) basierende Verwaltungspraxis des Antragsgegners, wonach die Erprobung eines Richters vor der Übertragung eines Richteramtes mit höherem Endgrundgehalt, welche für Richter in der Arbeitsgerichtsbarkeit üblicherweise bei einem Landesarbeitsgericht stattfindet (vgl. Nr. 1 der Erprobungs-AV), im Einzelfall auch ersetzt werden kann, und zwar unter anderem durch Bewährung als Mitarbeiter bei dem Justizministerium des Landes. Insofern ist nicht einsichtig, warum Erfahrungswerte, die im Rahmen einer allgemein als Ausnahme konzipierten Ersatzerprobung in der Justizverwaltung als solche anerkannt sind, nicht auch hinsichtlich richterlicher Tätigkeiten im Rahmen eines höheren Beförderungsamtes Mitberücksichtigung finden können.
22Letztlich ist auch die dienstliche Beurteilung des Beigeladenen ohne Weiteres verwertbar und der Auswahlentscheidung unter der erfolgten inhaltlichen Ausschöpfung/Ausschärfung maßgeblich zugrunde zu legen. Ohne Erfolg macht der Antragsteller inhaltliche Fehler der aktuellen Anlassbeurteilung des Beigeladenen geltend. Namentlich ein Plausibilitätsdefizit der aktuellen dienstlichen Beurteilung des Beigeladenen ist weder dargelegt noch erkennbar.
23Dienstliche Beurteilungen von Beamten und Richtern sind nach der ständigen, verfassungsgerichtlich gebilligten Rechtsprechung - im Hauptsacheverfahren wie in anderen Rechtsschutzverfahren - nur beschränkt überprüfbar. Die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich nur darauf zu erstrecken, ob die Verwaltung gegen Verfahrensvorschriften verstoßen, anzuwendende Begriffe oder den rechtlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat. Insoweit eröffnet Art. 33 Abs. 2 GG selbst mit den Begriffen "Eignung, Befähigung und fachliche Leistung" einen Beurteilungsspielraum des Dienstherrn, der nur eingeschränkter Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte unterliegt. Für dienstliche Beurteilungen mit Prognosecharakter (wie hinsichtlich der Eignungseinschätzung) besteht schon von Verfassungs wegen nur eine begrenzte verwaltungsgerichtliche Kontrollbefugnis.
24Vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 5. September 2007 - 2 BvR 1855/07, NVwZ-RR 2008, 433 (= Juris, Rn. 9) m.w.N.
25Nach diesen Maßstäben unterliegt die Feststellung des Verwaltungsgerichts keinen Bedenken, die aktuelle dienstliche Anlassbeurteilung des Beigeladenen sei rechtlich fehlerfrei. Insbesondere spricht nichts dafür, dass die Beurteilung auf unrichtigen Sachverhaltsfeststellungen beruht, Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt worden sind oder - worauf der Antragsteller vorrangig zielt - ihr eine hinreichende Beurteilungsgrundlage fehlt. Der Kern seiner Rügen in diesem Zusammenhang geht wie bereits im Rahmen der geltend gemachten fehlenden langjährigen Bewährung beim Arbeitsgericht dahin, dass es hinsichtlich der Bewertung der Rechtsprechungstätigkeit des Beigeladenen an einer aussagekräftigen Tatsachengrundlage fehle, da dem Beigeladenen ein besonderes Verhandlungs- und Vernehmungsgeschick – nach Auffassung des Antragstellers - allein auf der Grundlage von lediglich 18 Verfahrenseingängen - davon zwei streitigen Entscheidungen und sieben vergleichsweisen Erledigungen - ohne Überhörung und unter unzulässiger Ableitung aus seiner Tätigkeit im Justizministerium und seinen dienstlichen Kontakten zum Ministerium in seiner Funktion als Präsident des Landesarbeitsgerichts E. zugestanden worden sei.
26Dem hat bereits das Verwaltungsgericht zu Recht entgegengehalten, dass es rechtlich im Beurteilungsspielraum des Antragsgegners liegt und mangels Beurteilungsfehlern nicht zu beanstanden ist, wenn der Antragsgegner – wie vorliegend geschehen - eine regelhafte Verknüpfung zwischen der Qualität richterlicher Arbeit und der Zahl der eingegangenen bzw. erledigten Verfahren verneint und annimmt, dass schon die Bearbeitung weniger Fälle die Befähigung und Leistungsfähigkeit eines Richters exemplarisch wiederspiegeln kann, wie dies vorliegend ebenfalls geschehen ist. Darauf, dass das vom Beigeladene erledigte Rechtsprechungspensum als Präsident des Landesarbeitsgerichts E. und zugleich als Vorsitzender Richter einer Kammer des Landesarbeitsgerichts lediglich dem einwöchigen Arbeitspensum eines Arbeitsrichters bzw. dem sechswöchigen Arbeitspensum eines Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht entsprochen haben soll, kommt es insofern nicht an.
27Einer Überhörung des Beigeladenen bedurfte es im Rahmen des der Auswahlentscheidung vorangegangenen Beurteilungsverfahrens, insbesondere zur Bewertung des Verhandlungs- und Vernehmungsgeschicks, – entgegen der diesbezüglichen Rechtsauffassung des Antragstellers – ebenfalls nicht. Soweit der Beurteiler erklärt hat, aus den von dem Beigeladenen bearbeiteten Akten aussagekräftige Erkenntnisse für die dienstliche Beurteilung, insbesondere zur Bewertung des Verhandlungs- und Vernehmungsgeschicks gewonnen zu haben, ist dies rechtlich - auch vor dem Hintergrund der geringen Anzahl der bearbeiteten Verfahren - nicht zu beanstanden. Dies gilt auch unter Einbeziehung des Vorhalts des Antragstellers, wonach der Beigeladene in dem seiner aktuellen dienstlichen Beurteilung zugrunde liegenden Zeitraum keine Zeugen- oder Parteivernehmungen durchgeführt hat und eine Kausalität zwischen den erteilten richterlichen Hinweisen und den erzielten Vergleichen nicht dargelegt worden sei. Denn es bedarf nicht zwingend einer Zeugen- oder Parteivernehmungen um sich ein umfassendes Bild vom Verhandlungs- und Vernehmungsgeschick eines Präsidenten des Landesarbeitsgerichtes, wie in Teil 5 der Beurteilungs-AV näher beschrieben, machen zu können. Danach ist nämlich das Verhandlungs- und Vernehmungsgeschick an den in der Beurteilungs-AV beschriebenen Merkmalen (Klammervermerk zu Teil 5 I.4. der Beurteilungs-AV) zu messen. Hierzu gehören aber Kriterien, die ohne Weiteres außerhalb einer Zeugen- oder Parteivernehmung gemessen werden können, wie die dort benannte sorgfältige Vorbereitung, sichere und präsente Aktenkenntnis, ein strukturierter Verfahrensablauf, gutes Reaktionsvermögen, das Aufzeigen klarer Grenzen, Einfühlungsvermögen, Rücksichtnahme auf persönliche Fähigkeiten und Schwächen, Beruhigen, Verständnis haben, Unterstützen, Sensibilität zeigen und geduldig sein, eine konstruktive und vertrauensvolle Atmosphäre schaffen, sicheres und höfliches Auftreten, usw.. Dass sich die diesbezüglichen Fähigkeiten des Beigeladenen für seinen Beurteiler ergänzend aus dienstlichen Kontakten mit diesem als Präsident des Landesarbeitsgerichts E. und aus dessen überwiegenden Verwaltungstätigkeiten ableiten und insgesamt erschließen ließen – zumal der Beigeladenen seinem Beurteiler bis dahin nicht gänzlich unbekannt war, sondern aus seiner Vortätigkeit als Leitender Ministerialrat bzw. Ministerialrat im Justizministerium des Landes hinreichend bekannt war, ist – da es sich bei einer Vielzahl der aufgezeigten Merkmale um kommunikative und soziale Kompetenzen handelt – nachvollziehbar und lässt Beurteilungsfehler nicht erkennen.
28Der Einwand, dem Verwaltungsgericht hätten sich bereits infolge dessen, dass sich die zu beteiligenden Stellen ausnahmslos gegen den Besetzungsvorschlag des Antragsgegners ausgesprochen haben, Zweifel aufdrängen müssen, ist nach der umfassenden Prüfung des Verwaltungsgerichts wie auch vorliegend des Senats letztlich rechtlichen ohne Belang.
29Die Beschwerdeerwiderung vom 28. Oktober 2009 ist vom Senat zur Kenntnis genommen, nicht aber zur Sache berücksichtigt worden.
30Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, etwa entstandene außergerichtliche Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, weil der Beigeladene im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt hat und deshalb keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt war.
31Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2, § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG.
32Der Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO und – hinsichtlich der Streitwertfestsetzung gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG - unanfechtbar.
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