Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 E 406/10
Tenor
Der Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 22. März 2010 wird, soweit er im Verfahren 10 K 1407/10 ergangen ist, aufgehoben.
Der Verwaltungsrechtsweg ist zulässig.
Die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e
2Die gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 4 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 GVG, § 146 Abs. 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
3Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts ist der Verwaltungsrechtsweg zulässig, da die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO erfüllt sind. Namentlich betrifft die vorliegende Klage auch – vorliegend allein problematisch – eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, nicht aber eine bürgerliche und dabei in die ausschließliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gegebene Rechtsstreitigkeit (§§ 13 GVG, 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a ArbGG).
4Die Zuordnung einer Streitigkeit zum öffentlichen oder bürgerlichen Recht richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird.
5Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 10. April 1986 – GmS-OGB 1/85 –, BVerwGE 74, 368 = BGHZ 97, 312 = juris, Rn. 10; BVerwG, Urteile vom 19. Mai 1994 – 5 C 33.91 –, BVerwGE 96, 71 = NJW 1994, 2968 = juris, Rn. 14, und vom 24. August 1994 – 11 C 14.93 –, BVerwGE 96, 326 = NJW 1995, 1104 = juris, Rn. 15, sowie Beschluss vom 17. November 2008 – 6 B 41.08 –, NVwZ-RR 2009, 308 = juris, Rn. 4.
6Maßgebend für die Einstufung ist somit, ob der dem Klagebegehren zugrunde liegende Sachverhalt sich nach öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Vorschriften beurteilt. Für die Beurteilung dieser Frage kommt es maßgeblich auf den objektiven (wahren) rechtlichen Charakter des Anspruchs an, so wie sich dieser nach den vom Kläger zur Begründung der Klage vorgetragenen, im Rahmen der Rechtswegentscheidung als zutreffend zu unterstellenden Tatsachen ergibt. Zu prüfen ist daher, welche Rechtsvorschrift für den Streitgegenstand maßgeblich ist und ob diese dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist. Eine Rechtsstreitigkeit ist deshalb öffentlich-rechtlich, wenn die streitentscheidenden Normen öffentlich-rechtlicher Natur sind.
7Vgl. etwa v. Albedyll, in: Bader /Funke-Kaiser /Kuntze /v. Albedyll, VwGO, 4. Aufl. 2007, § 40 Rn. 13, und Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 40 Rn. 6, jeweils m.w.N.
8Öffentlich-rechtlicher Natur ist eine Rechtsnorm, wenn sie einen Träger hoheitlicher Gewalt gerade in seiner Funktion als solchen berechtigt oder verpflichtet.
9Vgl. etwa v. Albedyll, a.a.O., § 40 Rn. 73 ff., insb. Rn. 74.
10Nach diesen Grundsätzen ist die vorliegende Streitsache öffentlich-rechtlich, weil die streitentscheidenden Normen dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind.
11Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Aufhebung des Widerspruchsbescheides der Wehrbereichsverwaltung West vom 26. Januar 2010, welcher ausdrücklich als solcher überschrieben und mit einem entsprechenden Tenor sowie mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen ist, und der zugrundeliegenden, im Widerspruchsbescheid als "Bescheid der Wehrbereichsverwaltung West ... vom 04.12.2009" bezeichneten Mitteilung über den Ausgang des Auswahlverfahrens.
12Zum (umstrittenen) Rechtscharakter dieser sogenannten Negativmitteilung vgl. die Nachweise im Senatsbeschluss vom 16. Februar 2010 – 1 B 1483/09 –, juris, Rn. 12.
13Streitgegenstand ist damit die Rechtsbehauptung des Klägers, durch einen jedenfalls mit Blick auf den Widerspruchsbescheid in der Handlungsform des Verwaltungsakts ergangenen belastenden Rechtsakt der Beklagten in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt zu sein mit der Folge eines Anspruchs auf dessen Aufhebung zur Vermeidung des Eintritts der Bestandskraft. Für Streitigkeiten in Bezug auf Verwaltungsakte aber ist – vorbehaltlich hier nicht ersichtlicher spezieller Rechtswegzuweisungen – der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Der öffentlich-rechtliche Charakter einer solchen Streitigkeit folgt daraus, dass es sich bei Verwaltungsakten nach der ausschließlich Träger der öffentlichen Gewalt berechtigenden Vorschrift des § 35 Satz 1 VwVfG um auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtete Maßnahmen einer Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts handelt.
14Vgl. Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 40 Rn. 385.
15Ohne Bedeutung für die Qualifizierung der vorliegenden Streitigkeit als öffentlich-rechtlich ist hingegen die (hier mit Blick auf das arbeitsrechtliche Verhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger zu verneinende) Frage, ob der Beklagten eine entsprechende Regelungsbefugnis (sogenannte VA-Befugnis) zustand bzw. die von ihr durch Verwaltungsakt geregelte Materie öffentlich-rechtlicher Natur ist. Denn für die Einordnung einer behördlichen Maßnahme als öffentlich-rechtlich ist es unmaßgeblich, wie der Staat hätte handeln müssen; entscheidend ist vielmehr allein, wie er tatsächlich gehandelt hat. Deshalb ist eine streitige Maßnahme auch dann als öffentlich-rechtlich einzustufen, wenn – wie hier – die Behörde zwar in privatrechtlicher Form hätte handeln müssen, tatsächlich aber eindeutig die öffentlich-rechtliche Handlungsform des Verwaltungsakts gewählt und sich deshalb auf eine (vermeintliche) hoheitliche Befugnis berufen hat. Ob eine solche Befugnis auch tatsächlich vorliegt, ist hingegen eine Frage der Begründetheit.
16Vgl. Sodan, a.a.O., § 40 Rn. 385, 382, m.w.N.; vgl. ferner BVerwG, Beschluss vom 9. November 1984 – 7 C 5.84 –, NVwZ 1985, 264 = juris, Rn. 3 f.
17Eine Entscheidung hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens – Gerichtskosten fallen nach Nr. 5502 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG (Kostenverzeichnis) nicht an – ist nicht veranlasst. Zwar ist grundsätzlich über die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach §§ 173 Satz 1 VwGO, 17a Abs. 4 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 GVG, 146 ff. VwGO nach §§ 154 ff. VwGO zu befinden und eine Anwendung des § 17b Abs. 2 GVG ausgeschlossen, weil diese Vorschrift nur die Kosten im Verfahren vor dem angegangenen, also erstinstanzlichen Gericht erfasst und somit keine Regelung in Bezug auf die Kosten des zwischengeschalteten Beschwerdeverfahrens trifft.
18Vgl. den Senatsbeschluss vom 16. Februar 2010 – 1 E 825/09 –, juris, Rn. 32 f., m.w.N., auch zur Gegenansicht.
19Das gilt bei erfolgreichem Rechtmittel jedoch nur, soweit eine Gegenpartei vorhanden ist, der Kosten auferlegt werden können.
20Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 2. Mai 2001 – 4 S 667/01 –, InfAuslR 2001, 382 = juris, Rn. 8, und vom 8. April 2002 – 5 S 378/02 –, NVwZ-RR 2003, 159 = juris, Rn. 7; Bayerischer VGH, Beschluss vom 27. September 2007 – 5 C 07.1823 –, juris, Rn. 14; vgl. insoweit auch Rennert, in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 41 Rn. 45; a.A. Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: November 2009, § 41 VwGO § 17a GVG Rn. 35, m.w.N.
21Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, weil der Kläger sich dem (erfolgreichen) Rechtsmittel der Rechtswegbeschwerde nicht widersetzt hat.
22Einer Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es mit Blick darauf, dass Gerichtskosten nicht anfallen, nicht.
23Die Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG nicht vorliegen.
24Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG unanfechtbar.
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