Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 15 A 3225/08
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt.
Das angegriffene Urteil ist wirkungslos.
Die Kosten beider Rechtszüge tragen die Kläger.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Nachdem die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist gemäß §§ 125 Abs. 1 VwGO entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO das Verfahren einzustellen und das angegriffene Urteil für wirkungslos zu erklären sowie gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes über die Kosten zu entscheiden.
3Davon ausgehend waren die Kosten den Klägern aufzuerlegen. Denn ihre Klage wäre als unzulässig abzuweisen gewesen.
4Die Kläger hätten – was auch im Rahmen der Feststellungsklage erforderlich ist – nicht gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog geltend machen können, möglicherweise durch den Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Bestätigung der Vorschlagsliste für die Mitglieder des Hochschulrats durch den Senat der Beklagten am 6. Februar 2008 in einem subjektiven Recht verletzt zu sein. Den Universitätsmitgliedern und angehörigen, die nicht Mitglied des Senats sind, steht ein unmittelbar wehrfähiges Recht auf Wahrung und ggf. Herstellung der Sitzungsöffentlichkeit nicht zu. Unbenommen bleibt aber z. B. die Möglichkeit des einfachen Hochschulmitglieds, etwa gegen einen Studiengebührenbescheid zu klagen und geltend zu machen, dieser beruhe rechtswidrig auf einer unter Verstoß gegen die Sitzungsöffentlichkeit zustande gekommenen Beitragssatzung.
5Aus § 12 Abs. 2 Satz 1 HG in Verbindung mit § 20 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Senats der Beklagten (GO-Senat) folgt zwar ein einklagbares Recht auf Teilnahme an öffentlichen Sitzungen des Senats, aber kein (subjektives) Recht darauf, dass seine Sitzungen öffentlich sind. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut der genannten Bestimmungen:
6§ 12 Abs. 2 Satz 1 HG bestimmt, dass die Sitzungen u. a. des Senats öffentlich sind. Diese gesetzgeberische Formulierung enthält keinen Hinweis auf eine eigene Berechtigung des nicht dem Senat angehörenden einzelnen Hochschulmitglieds, die Öffentlichkeit der Sitzung verlangen zu können oder auf einen insoweit gesetzlich verliehenen geschützten Status. Das Nähere bestimmt allerdings nach § 12 Abs. 2 Satz 2 HG die jeweilige Senatsgeschäftsordnung. Diese sieht in § 20 Abs. 1 vor, dass die Sitzungen des Senats für die Mitglieder und Angehörigen der Universität sowie für Presse und Rundfunk nach Maßgabe der verfügbaren Plätze öffentlich sind. Vor allem auch die zuletzt genannte Vorschrift ist über den Anspruch auf Zugang zu öffentlichen Sitzungen des Senats hinaus nicht weiteren subjektiven Interessen der Kläger zu dienen bestimmt.
7Die Erwähnung Letzterer in § 20 Abs. 1 GO-Senat stellt vielmehr eine zulässige Konkretisierung der Universitätsöffentlichkeit dar und ist daher als eine objektiv-rechtliche Verfahrensvorschrift anzusehen, die nach ihrem Wortlaut ersichtlich keinen Anhalt für eine subjektiv-rechtliche Anreicherung in dem Sinne bietet, dass auch das einzelne (einfache) Hochschulmitglied bzw. der einzelne (einfache) Hochschulangehörige unmittelbar die Herstellung der Sitzungsöffentlichkeit verlangen könnte.
8Dies gilt auch nicht mit Blick auf Sinn und Zweck der Sitzungsöffentlichkeit, die integrativ wirken sowie Transparenz und Kontrolle ermöglichen soll und für das demokratische Leben der Universität von besonderer Bedeutung ist. Diese teleologischen Erwägungen vermögen aus einem vom Wortlaut her eindeutig bloß objektiv-rechtlichen Grundsatz aber kein subjektiv-öffentliches Recht zu machen. Seine gegenteilige, im Urteil vom 24. April 2001 (15 A 3021/97),
9siehe NWVBl. 2002, 31 ff.,
10im Hinblick auf ein entsprechendes Recht von Gemeindebürgern auf Einhaltung bzw. Beibehaltung der Öffentlichkeit von Ratssitzungen zum Ausdruck gekommene – das Urteil allerdings nicht tragende – Auffassung gibt der erkennende Senat ausdrücklich auf.
11Die Einhaltung der Sitzungsöffentlichkeit kann unmittelbar allein von den Mitgliedern des Senats verlangt und gerichtlich im Rahmen eines Organstreitverfahrens geltend gemacht werden. Dies belegt schon § 20 Abs. 2 GO-Senat, wonach auf Antrag eines Senatsmitglieds im Sinne von § 1 Abs. 1 GO-Senat die allgemeine oder die Universitätsöffentlichkeit mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen ausgeschlossen werden kann. Zeigt bereits dieses Antragsrecht, dass subjektive Organrechte im Zusammenhang mit der Sitzungsöffentlichkeit auch Senatsmitgliedern zustehen, so kommt entscheidend hinzu, dass die Behandlung einer Angelegenheit in nichtöffentlicher Sitzung das Senatsmitglied verpflichtet, nach Maßgabe der Vorschriften des § 23 GO-Senat Verschwiegenheit zu wahren. Hierin liegt eine Einschränkung der Rechte eines Senatsmitglieds, dass dieses nur hinzunehmen hat, wenn die gesetzlichen oder geschäftsordnungsrechtlichen Voraussetzungen für eine derartige Verfahrensweise gegeben sind.
12Vgl. zum entsprechenden Recht von Ratsmitgliedern OVG NRW, Urteil vom 24. April 2001 15 A 3021/97 , NWVBl. 2002, 31 ff.
13Der Senat nimmt im Übrigen das vorliegende Verfahren mit Blick auf die Bedeutung der materiell-rechtlich aufgeworfenen Fragen für das Verfassungsleben der Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen zum Anlass, auf Folgendes hinzuweisen:
14Die Behandlung des Tagesordnungspunktes 21 im nichtöffentlichen Teil der Senatssitzung am 6. Februar 2008 (Bestätigung der Vorschlagsliste für die Mitglieder des Hochschulrats) war unzulässig. Der vorgenannte Tagesordnungspunkt hätte gemäß § 12 Abs. 2 Sätze 1 und 2 HG in Verbindung mit § 20 Abs. 1 GO-Senat öffentlich behandelt werden müssen.
15Der erkennende Senat ist nicht der Auffassung, die Öffentlichkeit sei bei der Sitzung hinsichtlich des Tagesordnungspunktes 21 zwingend durch Rechtsvorschrift gemäß § 12 Abs. 2 Satz 3 HG, § 21 GO-Senat ausgeschlossen gewesen, weil die in Rede stehenden Bestätigungsentscheidung mit Mitwirkungshandlungen von Personalräten vergleichbar und ihre Einstufung als Personalangelegenheit im Sinne vorzitierter Vorschriften gerechtfertigt sei.
16Es trifft zwar zu, dass die Bildung des Hochschulrates nach § 21 Abs. 4 HG der Mitwirkungshandlung verschiedener Stellen bedarf: So muss zunächst ein Auswahlgremium durch Senat, Land und alten Hochschulrat bestellt werden. Dieses erstellt dann einvernehmlich eine Liste. Gelingt dies nicht, wird je eine halbe Liste durch die Senats- und Landesvertreter bestellt, die dann als Gesamtliste vom Auswahlgremium mit 2/3 Mehrheit gebilligt werden muss. Sodann bedarf die Liste insgesamt der Bestätigung durch den Senat mit Stimmenmehrheit. Anschließend muss noch das Ministerium zustimmen.
17Trotz des gestuften Kreationsverfahrens, welches dem Ministerium eine abschließende Zustimmungsentscheidung vorbehält, ist die nach § 21 Abs. 4 Satz 5 HG erforderliche, hier streitig gewesene Bestätigungsentscheidung in ihrem Kern einer grundsätzlich öffentlich durchzuführenden Wahl und nicht einer nichtöffentlich zu behandelnden Personalangelegenheit vergleichbar.
18Dazu, dass Wahlen nach einhelliger Auffassung keine Personalangelegenheiten sind, vgl. Haase, in: Leuze/Epping (Hrsg.), HG, 4. Egl. (Stand: Februar 2007), § 12 Rn. 18 mit Fn. 18.3.
19Die unterschiedliche Behandlung von Personalangelegenheiten einerseits und Wahlen andererseits rechtfertigt sich daraus, dass bei Ersteren in der Regel eine persönliche Angelegenheit unter Erörterung einzelner schutzwürdiger persönlicher Daten in Rede steht, während bei Letzteren im Rahmen eines Akts des körperschaftlichen Verfassungslebens ein Amt nach demokratischen Grundsätzen zu besetzen ist, was lediglich die Gesamtbewertung einer Person erforderlich macht.
20Vgl. hierzu Rehn/Cronauge/von Lennep/Knirsch, GO, 30 Egl. (Stand: März 2008), § 48 Anm. V. 2. a) und § 71 Anm. II. 2.
21Davon ausgehend ist die Annahme, hier liege mit Blick auf das Fehlen einer Letztentscheidungsbefugnis des Senats bei der Bestätigung der Vorschlagsliste keine Wahl vor, letztlich nicht überzeugend. Die Bestätigungsentscheidung des Senats mag dem herkömmlichen Begriffsverständnis von einer Wahl nicht in jeder Hinsicht entsprechen. Das Verfahren der Wahl der Mitglieder des Hochschulrats ist – wie oben aufgezeigt - ein mehrstufiges, die Letztentscheidung beim Ministerium ansiedelndes Auswahlverfahren, bei dem die Qualität des Mitwirkungsaktes des Senats gleichwohl die für die Öffentlichkeit einer Wahl erforderlichen Eigenschaften aufweist: Seine Bestätigungsentscheidung beinhaltet den allein notwendigen Charakter einer Amtsbesetzungsentscheidung bzw. eines Akts des körperschaftlichen Verfassungslebens.
22Der Hochschulrat ist eines von vier zentralen Organen der Universität (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 HG). Er ist universitäres Verfassungsorgan und spielt im körperschaftlichen Verfassungsleben der Universität eine maßgebliche Rolle. Seine Zuständigkeit erstreckt sich auf die Wahl des Präsidiums, also der Hochschulleitung, auf die Aufsicht über dessen Geschäftsführung und auf Fragen der strategischen Ausrichtung der Hochschule, § 21 Abs. 1 und 2 HG. Das Besetzungsverfahren für den Hochschulrat partizipiert notwendig an dessen herausragender Stellung für die universitäre Verfassung. Die Bestätigung der Vorschlagsliste für Mitglieder des Hochschulrats durch den Senat ist somit ein dem universitären Verfassungsleben zuzuordnender, bedeutsamer Akt.
23Ein Grund für einen Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Bestätigungsentscheidung ist auch darüber hinaus nicht ersichtlich. Das gestufte Auswahlverfahren bei der Besetzung des Hochschulrats spricht vielmehr für als gegen eine öffentliche Beschlussfassung durch den Senat: Die Sitzungen des Auswahlgremiums sind nicht öffentlich. Da ihm auch Mitglieder des Senats angehören ist davon auszugehen, dass es regelmäßig nur noch einer weniger intensiven Befassung des Gesamtsenats bedarf. Bei öffentlicher Sitzungsdurchführung ist also von einem eher geringen Eingriff namentlich in das Persönlichkeitsrecht der Kandidaten für den Hochschulrat auszugehen, der in seiner Bedeutung hinter derjenigen des im Demokratieprinzip wurzelnden öffentlichen Bestätigungsaktes der Vorschlagsliste durch den Senat zurückbleibt. Insoweit ist namentlich zu berücksichtigen, dass es sich bei den künftigen Hochschulratsmitgliedern um gesellschaftlich herausragende Persönlichkeiten handeln soll (vgl. § 21 Abs. 3 Satz 1 HG). Schon aus diesem Grund werden in der fraglichen Senatssitzung hauptsächlich solche Aspekte beraten werden, mit denen die Vorgeschlagenen bereits öffentlich in Erscheinung getreten sind und die daher regelmäßig "lediglich" ihre Sozialsphäre betreffen.
24Lund/Jäger, Von Studienbeitragssatzungen und Hochschulräten – zur Öffentlichkeit von Senatssitzungen, NWVBl. 2010, 301, 305.
25Die Streitwertentscheidung beruht auf §§ 39 Abs. 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG.
26Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.