Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 2 A 63/08
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig voll-streckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils voll-streckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige vollstreckende Beklagte vor der Voll-streckung Sicherheit in Höhe von 110 % des je-weils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin entwickelt und produziert unter anderem die Brandschutzbauplatte "Q. –L500", die bei der Herstellung von Lüftungs- und Entrauchungsleitungen Verwendung findet.
3Der Beklagte zu 1. (im Folgenden: beklagte Prüfstelle) wurde mit Bescheid des Beklagten zu 2. (im Folgenden: beklagtes Institut), einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts, vom 17. Dezember 1999 unter Bezugnahme auf Art. 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Bayerischen Bauordnung vom 4. August 1997 (BayBO) als Prüfstelle für die Erteilung allgemeiner bauaufsichtlicher Prüfzeugnisse für das Bauprodukt der Bauregelliste A Teil 2 - Ausgabe 99/2 - lfd. Nr. 2.29 sowie die Bauart der Bauregelliste A Teil 3 - Ausgabe 99/2 - lfd. Nr. 10 anerkannt. Diese Anerkennung gelte in allen Ländern der Bundesrepublik Deutschland nach den Bestimmungen ihrer Landesbauordnungen.
4Unter dem 2. Februar 2001 erteilte die beklagte Prüfstelle der Klägerin unter Bezugnahme auf Art. 7 BayBO in Verbindung mit der Bauregelliste A, Ausgabe 2000/2, das allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnis für feuerwiderstandsfähige Entrauchungsleitungen aus Silikat-Brandschutzplatten "Q. –L500" Kategorie 3 nach DIN V 18232-6. Als Anwendungszweck ist in dem Prüfzeugnis angegeben: "Entrauchungsleitungen zum Einsatz an Stellen, an denen eine Feuerwiderstandsdauer gefordert wird." Die Geltungsdauer des Prüfzeugnisses war bis zum 28. Februar 2006 befristet. Zum Gegenstand ist ausgeführt:
5"Entrauchungsleitungen aus Formstücken in Standardausführungen dürfen bei waagerechter Anordnung mit Innenabmessungen B x H bis zu 1.250 mm und bei senkrechter Anordnung mit Innenabmessungen B x H bis zu 1.250 mm x 1.250 mm hergestellt werden. Entrauchungsleitungen aus Formstücken in ausgesteifter Ausführung dürfen bei waagerechter und bei senkrechter Verlegung mit abweichenden Innenabmessungen B x H nach Anlage 4 hergestellt werden."
6Letzteres betraf die sog. großen Querschnitte (Entrauchungsleitungen aus Formstücken mit Innenbreiten von über 1.250 mm bis 1.790 mm).
7In seiner Sitzung am 15. März 2005 befürwortete die Projektgruppe Bauregelliste des Ausschusses für Stadtentwicklung, Bau- und Wohnungswesen der Bauministerkonferenz (im Weiteren: Projektgruppe Bauregelliste) unter anderem eine Änderung/Ergänzung der Bauregelliste A Teil 3 lfd. Nr. 10 (Bauarten zur Errichtung von Entrauchungsleitungen, an die Anforderungen an die Feuerwiderstandsdauer und/oder den Schallschutz gestellt werden; in der aktuellen Ausgabe 2010/1 lfd. Nr. 2.10). Dort waren bis dahin als anerkannte Prüfverfahren Verfahren nach DIN 4102-6 (Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen - Lüftungsleitungen, Begriffe, Anforderungen und Prüfungen) sowie nach DIN V 18232-6 (maschinelle Rauchabzüge [MRA] Teil 6: Anforderungen an die Einzelbauteile und Eignungsnachweise) benannt. In Aussicht genommen wurde unter anderem, das für Entrauchungsleitungen mit Feuerwiderstandsprüfungen nach DIN 4102-6 als ungeeignet erachtete Messverfahren der DIN V 18232-6 durch das in der Europäischen Norm DIN EN 1366-8 (Feuerwiderstandsprüfungen für Installationen - Teil 8: Entrauchungsleitungen) beschriebene Verfahren zu ersetzen. Auf dieser Grundlage waren in der Vergangenheit bereits allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnis erteilt worden. Für Entrauchungsleitungen mit großen Abmessungen (über 1.250 mm x 1.250 mm) wurden Änderungen nicht vorgeschlagen, sondern die Erteilung allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassungen befürwortet. Große Abmessungen könnten weder nach dem anerkannten Prüfverfahren DIN V 18232-6 noch nach dem Prüfverfahren der DIN EN 1366-8 beurteilt werden.
8Im weiteren Verfahren zur Änderung der Bauregelliste machte die Klägerin gegenüber dem beklagten Institut im Mai 2005 unter anderem geltend: In die Bauregelliste A Teil 3 lfd. Nr. 10 müsse die DIN V 4102-21 (Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen - Teil 21: Beurteilung des Brandverhaltens von feuerwiderstandsfähigen Lüftungsleitungen) aufgenommen werden, da die Praxis gerade auch Entrauchungsleitungen mit großem Querschnitt fordere und bereits seit vielen Jahren einsetze. Das beklagte Institut teilte der Klägerin daraufhin mit, die DIN V 4102-21 könne nicht berücksichtigt werden, da die DIN V 18232-6 nur auf die DIN 4102-6 verweise und im Abschnitt 7 der DIN V 18232-6 die maximalen Abmessungen begrenzt würden. Eine Aufnahme der DIN V 4102-21 liefe somit ins Leere. Dem entgegnete die Klägerin mit Schreiben vom 8. Juni 2005, die DIN V 18232-6 enthalte zur Frage der maximalen Querschnittsabmessungen die Festlegung, dass für Entrauchungsleitungen mit rechteckigem Querschnitt die Prüfleitung mindestens ein lichtes Maß von 1.000 mm x 250 mm aufweisen solle, wenn nicht eine anwendungsgerechte Größe geprüft werden könne. Das beklagte Institut teilte der Klägerin darauf mit Schreiben vom 20. Juni 2005 mit, dass der Abschnitt 7 der DIN V 18232-6 neben dem Hinweis auf "anwendungsgerechte Größen" den entscheidenden Hinweis enthalte, dass Ergebnisse an rechteckigen Leitungen auf Leitungen mit den größten Maßen 1.250 mm x 1.250 mm übertragen werden dürften. Aufgrund dieser Begrenzung sei eine Aufnahme der DIN 4102-21 in die Bauregelliste für Entrauchungsleitungen entbehrlich, da der Feuerwiderstand, wie in DIN V 18232-6 genannt, gemäß DIN 4102-6 nachgewiesen werden müsse.
9In seiner Sitzung am 5. Oktober 2005 beschloss die Projektgruppe Bauregelliste, die Aufnahme der DIN V 4102-21 für Entrauchungsleitungen in die Bauregelliste A Teil 2 bzw. 3 abzulehnen. Für Entrauchungsleitungen mit größeren Querschnitten als nach DIN V 18232-6 möglich sei die Verwendbarkeit durch allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen nachzuweisen.
10Die im Übrigen beschlossenen Änderungen und Ergänzungen der Bauregelliste A Teil 3 lfd. Nr. 10 wurde in den DIBt-Mitteilungen vom 23. Dezember 2005 veröffentlicht.
11Unter dem 6. Januar 2006 legte die Klägerin gegen diese Änderung Widerspruch ein, soweit darin das Verfahren gemäß DIN V 4102-21 nicht aufgenommen worden sei. Den Widerspruch wies das beklagte Institut mit Widerspruchsbescheid vom 2. März 2006 als unzulässig zurück; bei der Bauregelliste handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt. Die hiergegen von der Klägerin erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Düsseldorf mit Urteil vom 8. November 2007 - 4 K 3125/06 - ab. Der Antrag auf Zulassung der Berufung blieb ohne Erfolg (Beschluss des erkennenden Senats vom 20. Juli 2010 2 A 61/08 -).
12Bereits zuvor unter dem 28. November 2005 hatte die Klägerin bei der beklagten Prüfstelle die Verlängerung des Prüfzeugnisses beantragt.
13Mit Schreiben vom 14. Februar 2006 übersandte diese daraufhin der Klägerin die am 10. Februar 2006 ausgestellte "zweite Fassung" des allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses mit einer Gültigkeitsdauer bis zum 28. Februar 2008. In diesem waren unter anderem die im Ausgangszeugnis enthaltenen Ausführungen zur Zulassung größerer Querschnitte als 1.250 mm x 1.000 mm für die horizontale Leitung und 1.250 mm x 1.250 mm für die vertikale Leitung nicht mehr enthalten.
14Am 7. März 2006 legte die Klägerin bei der beklagten Prüfstelle Widerspruch insoweit ein, als der Inhalt des Prüfzeugnisses von dem unter dem 2. Februar 2001 mit der Geltungsdauer bis 28. Februar 2006 erteilten abweiche. Zur Begründung machte sie im Wesentlichen geltend: Die Änderung der lfd. Nr. 10 der Bauregelliste A Teil 3 sei rechtswidrig. Die DIN V 4102-21 sei nicht als anerkanntes Prüfverfahren in die Bauregelliste aufgenommen worden, obwohl sich die Prüfverfahren nach dieser Norm in der Vergangenheit bewährt hätten. Die genannte DIN sei genau zu dem Zweck erstellt worden, große Querschnitte zu prüfen. Die "normalen" Lüftungsleitungen würden nach DIN 4102-6 und große Leitungen nach DIN V 4102-21 geprüft. Entrauchungsleitungen würden ausschließlich einer Prüfung nach DIN 18232-6 unterzogen. Große Querschnitte könnten und müssten daher auch bei Entrauchungsleitungen nach DIN V 4102-21 geprüft werden.
15Den Widerspruch wies das beklagte Institut mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2006 als unbegründet zurück. Die derzeit in Deutschland existierenden genormten Prüfeinrichtungen gestatteten aufgrund der vorhandenen Leistungsbegrenzung (Heizleistung, Abgasvolumenstrom) nicht, feuerwiderstandsfähige Entrauchungsleitungen mit größeren Abmessungen als ca. 1.000 mm x 250 mm nach der in DIN V 18232-6 angegebenen Prüfanordnung und Prüfungsdurchführung zu prüfen. Die Größenbegrenzung der Übertragbarkeit der Prüfergebnisse auf Querschnitte bis 1.250 mm x 1.250 mm gelte auch für "anwendungsgerechte Größen" von Entrauchungsleitungen mit Feuerwiderstandsdauer. Ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis für diese Entrauchungsleitungen könne daher nicht erteilt werden. Für sie sei eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung erforderlich. In der Rechtsmittelbelehrung des Widerspruchsbescheids heißt es unter anderem, dass eine Klage gegen das beklagte Institut zu richten sei.
16Das der Klägerin im Februar 2006 ausgestellte Prüfzeugnis für Entrauchungsleitungen mit kleinen Durchmessern verlängerte die beklagte Prüfstelle in der Folgezeit auf Antrag bis zum 28. Februar 2010. Über den Antrag der Klägerin, das Zeugnis erneut zu verlängern, hat die beklagte Prüfstelle bislang mit der Begründung noch nicht entschieden, die Klägerin habe erforderliche Nachweise zum Feuerwiderstand nicht vorgelegt.
17Bereits zuvor am 15. August 2006 hatte die Klägerin hinsichtlich der unterbliebenen Verlängerung des Prüfzeugnisses für Entrauchungsleitungen mit großen Querschnitten Klage gegen das beklagte Institut erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und das beklagte Institut als Aufsichtsbehörde für die beklagte Prüfstelle für befugt erachtet, die begehrte Verlängerung des Prüfzeugnisses zu veranlassen.
18Die Klägerin hat beantragt,
191. den Widerspruchsbescheid des beklagten Instituts vom 18. Juli 2006 aufzuheben,
202. den Beklagten zu 2. zu verpflichten, ihr das bauaufsichtliche Prüfzeugnis P-TUM-406 vom 2. Februar 2001 ohne Änderungen bis zum 28. Februar 2006 zu verlängern.
21Das beklagte Institut hat beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, zur Erteilung oder Verlängerung von allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnissen sei sie nicht befugt. Dies richte sich allein nach Art. 21 Abs. 2 BayBO und stehe nur einer nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBO anerkannten Prüfstelle zu.
24Mit Urteil vom 8. November 2007 hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf die Klage als unzulässig abgewiesen. Die mit dem Antrag zu 1) verfolgte isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheids sei unzulässig. Der Antrag zu 2) richte sich nicht gegen den richtigen Beklagten im Sinne des § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Die Klage sei vielmehr gegen die Prüfstelle zu richten. Ein Parteiwechsel auf Beklagtenseite sei unter anderem deshalb nicht sachdienlich, weil eine solche Klageänderung eine Verweisung an das Verwaltungsgericht München erfordere. Der Antrag zu 2) sei auch deshalb unzulässig, weil das erforderliche Vorverfahren nicht durchgeführt worden sei.
25Der Senat hat die Berufung der Klägerin durch Beschluss vom 20. Juli 2010 zugelassen.
26Im Berufungsverfahren hat die Klägerin ihr Verpflichtungsbegehren auf die beklagte Prüfstelle umgestellt und ihre erstinstanzlichen Anträge im Übrigen dahingehend neu gefasst, dass sie nunmehr beantragt,
27den Beklagten zu 1. unter teilweiser Aufhebung des entgegenstehenden Bescheides vom 14. Februar 2006 sowie des Widerspruchsbescheids des Beklagten zu 2. vom 18. Juli 2006 zu verpflichten, das am 2. Juni 2001 ausgestellte allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnis (auch) für die in der Anlage 4 aufgeführten Entrauchungsleitungen aus Formstücken in ausgesteifter Ausführung mit sog. großen Querschnitten (das heißt bis zu 2 x 700 mm x 1.000 mm bzw. bis zu 3 x 570 mm x 600 mm) bis zum 28. Februar 2011 zu verlängern,
28hilfsweise den Beklagten zu 2. zu verpflichten, den Beklagten zu 1. anzuweisen,
29das am 2. Juni 2001 ausgestellte allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnis (auch) für die dort in der Anlage 4 aufgeführten Entrauchungsleitungen aus Formstücken in ausgesteifter Ausführung mit sog. großen Querschnitten (das heißt bis zu 2 x 700 mm x 1.000 mm bzw. bis zu 3 x 570 mm x 600 mm) bis zum 28. Februar 2011 zu verlängern.
30Zur Begründung der Berufung trägt die Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens im Wesentlichen vor: Die Klageänderung sei zulässig. Der Beklagtenwechsel sei sachdienlich. Die örtliche Zuständigkeit des angegangenen Verwaltungsgerichtes ergebe sich aus § 52 Nr. 3 Satz 2 und 5 VwGO. Im Übrigen sei die Klage jedenfalls mit dem Hilfsantrag zulässig. Wie sich bereits im Vorverfahren und im Klageverfahren deutlich gezeigt habe, sei die beklagte Prüfstelle lediglich ausführendes Organ des beklagten Instituts. Es fehle auch nicht an der Durchführung eines erforderlichen Vorverfahrens. Rechtsschutzziel sei allein, die bis zum 28. Februar 2006 befristete Regelung des Prüfzeugnisses in der Ursprungsfassung für Bauarten mit großen Querschnitten bis zum 28. Februar 2011 verlängert zu erhalten. Das Prüfzeugnis in der zweiten Fassung habe schon gegen §§ 48, 49 VwVfG verstoßen. Die DIN V 18232-6 erlaube eine Prüfung großer Querschnitte als "anwendungsgerechte Größe". Bei der Prüfung großer Entrauchungsleitungen nach dieser Prüfnorm würden sich zwar bedingt durch die Prüfgeräte und vor allem die Ventilationsleistungen und den Brennofen geringere Strömungsgeschwindigkeiten ergeben als bei Standardquerschnitten. Die Abweichung von der Versuchsanordnung sei aber unerheblich und völlig üblich. Prüfungen dieser Art seien in der Vergangenheit weder von dem beklagten Institut noch von den Prüfstellen beanstandet worden. Zwischen den Prüfstellen habe es entsprechende Absprachen gegeben, die Prüfverfahren neben den in der Bauregelliste eingetragenen Verfahren zu akzeptieren. Das beklagte Institut fordere solche Versuche im Übrigen selbst im Rahmen des Verfahrens zur allgemeinen Zulassung. Der gesamte Bereich der Entrauchungsleitungen mit großem Querschnitt, der nach bisheriger Interpretation der Bauregelliste unter die allgemeine Zulassungspflicht falle, könne ebenso wie Entrauchungsleitungen mit Standardquerschnitten und Belüftungsleitungen mit Standard- oder großem Querschnitt mit allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnissen geregelt werden. Die Prüfnorm DIN V 4102-21 sei ohne Not und ohne Begründung nicht als anerkanntes Prüfverfahren in die Bauregelliste A Teil 3 lfd. Nr. 10 aufgenommen worden, obwohl das Prüfverfahren nach dieser Norm - so wie es in der Vergangenheit durchgeführt worden sei - völlig unproblematisch gewesen sei. Es habe sich bewährt. Zu Beanstandungen der Sicherheit der aufgrund des ursprünglichen Prüfzeugnisses verwendeten Bauart sei es nicht gekommen. Das von der Projektgruppe Bauregelliste durchgeführte Verfahren sei nicht transparent. In der Projektgruppe seien Vertreter der Prüfstellen und der Wirtschaft nicht vertreten. Im Hinblick auf die bisherige Praxis müsse sich das beklagte Institut fragen lassen, warum Verfahren, die in der Vergangenheit als richtig und zutreffend angesehen worden seien, dies nun nicht mehr sein sollten.
31Die Klägerin beantragt,
32unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach dem neugefassten Antrag zu erkennen.
33Die Beklagten beantragen,
34die Berufung zurückzuweisen.
35Zur Begründung führen sie im Wesentlichen aus: Dem Wechsel des Beklagten hinsichtlich des Hauptantrages werde zugestimmt. Die Klage sei insoweit allerdings nicht gegen die Technische Universität N. , sondern gegen den Freistaat Bayern als den Rechtsträger zu richten. Dieser erkläre ebenfalls sein Einverständnis mit der Klageerweiterung. Der Klage gegen die beklagte Prüfstelle fehle es allerdings am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Die Klägerin könne lediglich noch die zeitliche Beschränkung der Geltungsdauer des im Februar 2006 ausgestellten Prüfungszeugnisses angreifen. Zu berücksichtigen sei auch, dass jenes Zeugnis bereits bis zum 28. Februar 2010 verlängert worden sei. Gegen diese Verlängerung habe die Klägerin sich nicht mit einem Widerspruch gewandt. Über den Verlängerungsantrag sei noch nicht entschieden, weil die Klägerin die notwendigen Prüfberichte nicht vorgelegt habe.
36Die Klage sei im Übrigen unbegründet. Die Verwendbarkeit der großen Entrauchungsleitungen sei weiterhin mangels anerkannter Prüfverfahren ungeklärt. Diese dürften deshalb nur im Rahmen einer allgemeinen Zulassung bzw. einer Zustimmung im Einzelfall, nicht aber mit pauschalen Prüfzeugnissen verwendet werden. Im Rahmen der Erteilung des ursprünglichen Prüfzeugnisses im Februar 2001 habe der damalige Leiter der beklagten Prüfstelle zum Verwendungsnachweis Prüfungen für große Entrauchungsleitungen u.a. nach der DIN V 4102-21 durchgeführt. Prüferfahrungen habe es jedoch nicht gegeben, weshalb dieses Prüfverfahren auch nicht in der Bauregelliste A Teil 3 lfd. Nr. 10 aufgeführt gewesen sei. Das in der Bauregelliste aufgeführte Prüfverfahren DIN V 18232-6 betreffe ausschließlich kleinere Querschnitte für Entrauchungsleitungen. Als Anwendungsnachweis für größere Querschnitte seien diese Prüfungen nicht geeignet. Aufgrund der Leistungsbegrenzung des Normprüfstands könnten nur Entrauchungsleitungen mit einem maximalen Leistungsquerschnitt von ca. 0,25 m² geprüft werden. Werde statt der Leitungen mit den Mindestmaßen nach Abschnitt 7.1 Abs. 1 oder 2 der DIN V 18232-6 eine "anwendungsgerechte Größe" der Leitung geprüft, könnten sich deren Abmessungen nur in dem Querschnittsbereich bis ca. 0,25 m² bewegen. Das Ergebnis der Prüfungen dürfe nach Abschnitt 7.1 Abs. 4 der DIN V 18232-6 auf Leitungen mit den Abmessungen bis 1.250 mm übertragen werden, darüber hinaus jedoch nicht. Der Hinweis der Klägerin auf die Prüfnorm DIN 4102-21 gehe fehl. Diese beschreibe lediglich Verfahren zur Beurteilung von Lüftungsleitungen, nicht jedoch von Entrauchungsleitungen. Sie könne höchstens für den Nachweis der Eigenschaft "Feuerwiderstand" der großen Entrauchungsleitungen herangezogen werden. Ein Verfahren für den Nachweis der Dichtheit und des Querschnitterhalts definiere die Norm nicht. Sie sei deshalb für die hier streitgegenständlichen Entrauchungsleitungen nicht abschließend anwendbar. Für die genannten Prüfungen sei von der beklagten Prüfstelle zwar zunächst ein Prüfverfahren entwickelt worden. Dieses weiche jedoch sowohl hinsichtlich der geforderten Prüfanordnung als auch der Prüfungsdurchführung von der in der DIN V 18232-6 beschriebenen Anordnung ab. Das beklagte Institut habe die Versuche der beklagten Prüfstelle auch nicht als Grundlage für die Erteilung bauaufsichtlicher Prüfzeugnisse akzeptiert. Es sei hierüber nicht informiert gewesen. Dass für größere Querschnitte Prüfzeugnisse unter Anwendung nicht anerkannter Prüfverfahren erteilt worden seien, habe das beklagte Institut im Übrigen von der Klägerin selbst erfahren. Diese sei im Rahmen eines Drittwiderspruchs gegen ein Konkurrenzunternehmen vorgegangen, dem aufgrund nicht getesteter Prüfverfahren ein Prüfzeugnis für seine feuerwiderstandsfähigen Entrauchungsleitungen erteilt worden sei. Die von der beklagten Prüfstelle entwickelten Versuche würden allenfalls für einzelfallbezogene Zulassungsverfahren gefordert. Der Unterschied zwischen beiden Verfahren bestehe darin, dass bei einzelfallbezogenen Zulassungsverfahren die Fälle jeweils vom Sachverständigenausschuss des beklagten Instituts diskutiert und bewertet würden. Bei der Erteilung eines allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses sei jedoch lediglich ein Fachmann tätig, der eigenständig über die Erteilung dieses Prüfzeugnisses entscheide.
37Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von den Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge sowie auf den Inhalt der Gerichtsakten in den Verfahren 2 A 60/08, 2 A 61/08 und 2 A 62/08 und der dort von dem beklagten Institut vorgelegten Verwaltungsvorgänge verwiesen.
38E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
39Die Berufung hat keinen Erfolg. Die Klage ist mit dem im Berufungsverfahren neugefassten Klageantrag unbegründet. Der Hauptantrag, mit dem die Klägerin gegenüber der beklagten Prüfstelle (Beklagter zu 1.) die Verlängerung des Prüfzeugnisses vom 2. Februar 2001 auch für Entrauchungsleitungen mit sog. großen Querschnitten geltend macht, ist zulässig (1.), aber nicht begründet (2.). Die hilfsweise verfolgte Verpflichtung des beklagten Instituts (Beklagter zu 2.), die beklagte Prüfstelle zur Verlängerung des Prüfzeugnisses für Entrauchungsleitungen mit sog. großen Querschnitten anzuweisen, hat ebenfalls keinen Erfolg (3.).
401. Die mit dem Hauptantrag gemäß § 42 Abs. 1 VwGO statthafte Verpflichtungsklage ist zulässigerweise nunmehr gegen die beklagte Prüfstelle gerichtet (1.1.). Diese Klage ist auch sonst zulässig. Insbesondere ist das erkennende Gericht örtlich zuständig (1.2.), wurde das erforderliche Vorverfahren durchgeführt (1.3.) und fehlt es nicht am erforderlichen Rechtsschutzinteresse (1.4.).
411.1. Die Umstellung des Verpflichtungsbegehrens auf die beklagte Prüfstelle im Berufungsverfahren ist zulässig.
42Die Voraussetzungen einer (subjektiven) Klageänderung im Sinne von § 91 VwGO sind erfüllt. Sie sind auch in den Fällen des Parteibeitritts einschlägig, in denen auf Kläger- oder Beklagtenseite ein weiterer Beteiligter in das Verfahren einbezogen wird.
43Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. November 1982
44- 7 C 34.80 -, BVerwGE 66, 266 = juris Rn. 10; OVG NRW, Urteil vom 15. März 2004
45- 12 A 714/03 -, juris Rn. 31; Sächs. OVG, Urteil vom 15. März 2005 - 4 B 436/04 -, juris Rn. 35; Schmid, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflage 2010, § 91 Rn. 22; offen gelassen in BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2001 - 6 CN 4.00 -, BRS 64 Nr. 55 = juris Rn. 21.
46Nach § 91 Abs. 1 VwGO ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Dies gilt auch für einen Parteibeitritt in der Berufungsinstanz.
47Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. März 2004
48- 12 A 714/03 -, juris Rn. 31.
49Danach ist der Beitritt der beklagten Prüfstelle im Berufungsverfahren bereits deshalb zulässig, weil die Beklagten mit Schriftsatz vom 5. November 2010 ausdrücklich ihre Einwilligung erklärt haben
50Unabhängig davon ist der Beitritt der beklagten Prüfstelle zum Verfahren auch sachdienlich. Sachdienlichkeit ist anzunehmen, wenn auch für die geänderte Klage der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt, die Klageänderung die endgültige Beilegung des Streits fördert und sie dazu beiträgt, dass ein weiterer sonst zu erwartender Prozess vermieden wird.
51Vgl. BVerwG, Urteile vom 22. Februar 1980
52- 4 C 61.77 -, DVBl. 1980, 598 = juris Rn. 23, und vom 28. April 1999 - 4 C 4.98 -, BRS 62 Nr. 175 = juris Rn. 17.
53Dies ist hier der Fall. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das Prüfzeugnis P-TUM-406 vom 2. Februar 2001 auch für Bauarten zur Errichtung von Entrauchungsleitungen mit "großem" Querschnitt zu verlängern ist. Da die beklagte Prüfstelle als anerkannte Prüfstelle im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 BauO NRW, Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBO für die Erteilung eines solchen Prüfzeugnisses zuständig wäre (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 2, 22 BauO NRW, Art. 19 Abs. 1 Satz 2 und 4, 17 Abs. 2 BayBO), ist das vorliegende Verfahren geeignet, endgültige den sachlichen Streit der Beteiligten auszuräumen. Prozessökonomische Erwägungen sprechen daher für eine Fortführung des Verfahrens mit dem nunmehr gegen die zuständige Prüfstelle gerichteten Verpflichtungsantrag.
54Da der Sachverhalt im Wesentlichen feststeht und der beklagten Prüfstelle durch den Verlust einer Tatsacheninstanz kein prozessualer Nachteil entsteht, unterliegt die Annahme der Sachdienlichkeit trotz Erklärung des Parteiwechsels erst in der Berufungsinstanz auch keinen Bedenken.
55Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 26. September 1957 - 1 CB 51.57 -, DVBl. 1959, 61; Sächs. OVG, Urteil vom 15. März 2005 - 4 B 436/04 -, juris Rn. 36.
561.2. Das erkennende Gericht ist für das nunmehr gegen die beklagte Prüfstelle gerichtete Verpflichtungsbegehren örtlich zuständig.
57Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 52 Nr. 3 Satz 2 und 5 VwGO. Nach dieser Vorschrift ist für eine Verpflichtungsklage das Verwaltungsgericht (örtlich) zuständig, in dessen Bezirk der Kläger seinen Sitz oder Wohnsitz hat, wenn der Verwaltungsakt von einer Behörde begehrt wird, deren Zuständigkeit sich auf mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke erstreckt, oder wenn es sich um eine gemeinsame Behörde mehrerer oder aller Länder handelt. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Bei der beklagten Prüfstelle handelt es sich namentlich um eine Behörde im Sinne dieser Vorschrift und die Klägerin hat ihren Sitz in S. / Nordrhein-Westfalen.
58Da § 52 Nr. 3 Satz 2 VwGO auf das formale Kriterium der Zuständigkeit abstellt, ist der Begriff der Behörde hier im weitesten Sinne zu verstehen. Er erfasst jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.
59Vgl. Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflage 2010, § 52 Rn. 25.
60Die Bestimmung des § 52 Nr. 3 Satz 2 VwGO setzt nicht voraus, dass die Behörde innerhalb des umfassenderen Geltungsbereiches des anzuwendenden materiellen Gesetzes einen örtlich abgrenzbaren Zuständigkeitsbereich hat. Das Merkmal der sich auf mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke erstreckenden Zuständigkeit ist dahin zu verstehen, dass die Behörde für einen Bereich zuständig sein muss, der mehr als nur einen Verwaltungsgerichtsbezirk umfasst.
61Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Oktober 1978
62- 5 ER 402.78 -, BVerwGE 56, 306 = juris Rn. 2.
63Eine gemeinsame Behörde mehrerer oder aller Ländern im Sinne von § 52 Nr. 3 Satz 2 VwGO ist dann gegeben, wenn mindestens zwei Bundesländer inhaltlich dieselbe Verwaltungsaufgabe durch nur eine Behörde wahrnehmen lassen. Ob die Behörde durch einen von jedem beteiligten Land umzusetzenden Errichtungsakt entstanden ist oder ob sie nur von einem Land errichtet worden ist, jedoch auch Verwaltungsaufgaben anderer Länder wahrnimmt, ist dabei ohne Belang.
64Vgl. Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflage 2010, § 52 Rn. 28; Bier/Schenk, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Loseblatt, Stand: Mai 2010, § 52 Rn. 33.
65Hiernach folgt die örtliche Zuständigkeit des erkennenden Gerichts aus § 52 Nr. 3 Satz 2 VwGO.
66Die beklagte Prüfstelle ist eine Behörde im Sinne dieser Norm. Sie ist mit Bescheid vom 17. Dezember 1999 durch das beklagte Institut als Prüfstelle für die Erteilung allgemeiner bauaufsichtlicher Prüfzeugnisse anerkannt worden. Dem beklagten Institut ist die sich insoweit aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBO ergebende Zuständigkeit zur Anerkennung von Prüfstellen durch § 12 der bayerischen Zuständigkeitsverordnung im Bauwesen übertragen worden. Die Anerkennung betrifft das Forschungs- und Versuchslabor des Lehrstuhls für Bauklimatik und Haustechnik der Technischen Universität N. . Diesem ist mit dem Anerkennungsakt die Aufgabe übertragen, für die in der Anerkennungsurkunde genannten Bauarten und Bauprodukte auf Antrag eigenständig über die Erteilung allgemeiner bauaufsichtlicher Prüfzeugnisse auf der Grundlage der übereinstimmenden Vorschriften der Landesbauordnungen zu entscheiden und gegebenenfalls die erforderlichen Prüfungen vorzunehmen. Dabei wird die beklagte Prüfstelle als beliehener Unternehmer tätig. Denn bei der Erteilung eines Prüfzeugnisses etwa nach § 24 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW, handelt es sich um einen dinglich-produktbezogenen Verwaltungsakt.
67Vgl. Czepuck, in: Gädtke/Temme/Heintz/ Czepuck, BauO NRW, 11. Auflage 2008,
68§ 22 Rn. 1, 12.
69In diesem Rahmen ist die Prüfstelle mit öffentlich-rechtlichen Handlungs- oder Entscheidungsbefugnissen ausgestattet und daher Behörde im Sinne von § 52 Nr. 3 Satz 2 VwGO.
70Der Zuständigkeitsbereich der beklagten Prüfstelle als Behörde erstreckt sich über das gesamte Bundesgebiet und damit über mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke. Die Anerkennung als Prüfstelle gilt nach dem Inhalt des Anerkennungsbescheids "in allen Ländern der Bundesrepublik Deutschland nach den Bestimmungen ihrer Landesbauordnungen." Dies entspricht der Rechtslage in sämtlichen Bundesländern, die in ihren Landesbauordnungen übereinstimmende Regelungen enthalten, wonach die Anerkennung von Prüf-, Zertifizierungs- und Überwachungsstellen anderer Länder auch im eigenen Bundesland gelten (vgl. etwa § 28 Abs. 2 Satz 1 BauO NRW, Art. 23 Abs. 2 Satz 1 BayBO). Die Vorschriften zur gegenseitigen Anerkennung betreffen nicht - wie im erstinstanzlichen Urteil angedeutet wird - die Anerkennung von Prüfzeugnissen, sondern die Anerkennung als Prüfstelle. Die beklagte Prüfstelle ist damit in sämtlichen Bundesländern anerkannt und nimmt damit im gesamten Bundesgebiet bei der Erteilung von allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnissen hoheitliche Aufgaben wahr. Wird also von der beklagten Prüfstelle als einer in Bayern ansässigen Prüfstelle ein Prüfzeugnis erteilt, so gilt dieses ohne weiteren Anerkennungsakt auch in den übrigen Bundesländern, weil sie auch dort den Status einer anerkannten Prüfstelle hat.
71Die länderübergreifende Zuständigkeit der Prüfstellen zeigt sich in der Praxis vor allem darin, dass es für die in der Bauregelliste A Teil 3 enthaltenen verschiedenen Bauarten in der Regel nur wenige Prüfstellen gibt, die nicht nur für die in ihrem Bundesland ansässigen Hersteller zuständig sind. So gibt es für die hier in Rede stehende Bauart zur Errichtung von Entrauchungsleitungen (lfd. Nr. 2.10 der Bauregelliste A Teil 3) im Bundesgebiet lediglich zwei anerkannte Prüfstellen, nämlich die beklagte Prüfstelle sowie das Materialprüfungsamt für das Bauwesen in Braunschweig. Diese beiden Prüfstellen nehmen als gemeinsame Behörden aller Bundesländer die Aufgabe wahr, Prüfzeugnisse für Bauarten im Sinne der lfd. Nr. 2.10 der Bauregelliste A Teil 3 zu erteilen.
72Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, dass - entgegen der Annahme der Beklagten - nicht der Freistaat Bayern richtiger Beklagter im Sinne von § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist, sondern die beklagte Prüfstelle. Diese ist als beliehener Unternehmer selbst Rechtsträger.
73Vgl. insofern: Brenner, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflage 2010, § 78 Rn. 16; Meissner, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Loseblatt, Stand: Mai 2010, § 78 Rn. 32.
741.3. Dem Verpflichtungsbegehren der Klägerin liegt ein entsprechender Antrag zugrunde, zugleich ist das nach § 68 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO seinerzeit - vgl. § 6 Abs. 1 AGVwGO NRW bzw. Art. 15 Abs. 1 AGVwGO BY (in der seit dem 1. Juli 2007 geltenden Fassung, vgl. §§ 1 Nr. 2, 3 Abs. 1 des Gesetzes vom 22. Juni 2007, Bay. GVBl. S. 390) - noch erforderliche Vorverfahren durchgeführt worden.
75Die Klägerin hatte unter dem 28. November 2005 bei der beklagten Prüfstelle einen Antrag auf Verlängerung des Prüfzeugnisses gestellt. Dieser Antrag war mit der Ausstellung der "zweiten Fassung" des Prüfzeugnisses vom 10. Februar 2006 konkludent - insbesondere hinsichtlich der sog. großen Querschnitte - abgelehnt worden.
76Mit ihrem Widerspruch vom 2. März 2006 wandte sich die Klägerin gegen die inhaltlichen Änderungen des Prüfzeugnisses in der zweiten Fassung und verfolgte damit insbesondere die Verlängerung des Prüfzeugnisses auch für die größeren Querschnitte und für die übliche Dauer von fünf Jahren. Mit einer bloßen Aufhebung des Prüfzeugnisses vom 10. Februar 2006 konnte dieses Ziel nicht (mehr) erreicht werden, nachdem die Gültigkeit des ursprünglichen Prüfzeugnisses Ende Februar 2006 - also schon vor Einlegung des Widerspruchs - abgelaufen war. Damit hatte sich auch ein eventuell in der zweiten Fassung enthaltener teilweiser Widerruf bzw. eine teilweise Rücknahme des ursprünglichen Prüfzeugnisses erledigt. Der Klägerin ging es daher bereits bei Einlegung des Widerspruchs Anfang März 2006 erkennbar um die Verlängerung des Prüfzeugnisses mit dem Inhalt des ursprünglichen Prüfzeugnisses vom 2. Februar 2001
77- nämlich für große Querschnitte - und einer Geltungsdauer von fünf Jahren. Dieser Anspruch war dann auch der Sache nach Gegenstand des bei der beklagten Prüfstelle geführten Widerspruchsverfahrens. Das erforderliche Vorverfahren ist damit durchgeführt worden. Eines Widerspruchs gegen das ursprüngliche Prüfzeugnis vom 2. Februar 2001 bedurfte es dagegen nicht.
78Im Hinblick auf das ordnungsgemäß durchgeführte Widerspruchsverfahren bestehen auch keine Bedenken hinsichtlich der Einhaltung der Klagefrist,
79vgl. zur subjektiven Klageänderung nach Ablauf der Klagefrist etwa BVerwG, Beschluss vom 20. Januar 1993 - 7 B 158.92 -, DVBl. 1993, 562 = juris Rn. 6,
80zumal das beklagte Institut in der Rechtsmittelbelehrung des Widerspruchsbescheids vom 18. Juli 2006 (fehlerhaft) darauf verwiesen hat, die Klage gegen dieses zu richten.
811.4. Dem Verpflichtungsbegehren der Klägerin fehlt nicht das erforderliche Rechtsschutzinteresse.
82Der Umstand, dass die beklagte Prüfstelle das auf Antrag der Klägerin am 10. Februar 2006 ausgestellte (zweite) Prüfzeugnis zuletzt bis zum 28. Februar 2010 verlängert hat, lässt das Rechtsschutzinteresse der Klägerin nicht entfallen. Das Verpflichtungsbegehren betrifft die Verlängerung des im Februar 2001 ausgestellten Prüfzeugnisses vor allem soweit es die großen Querschnitte betrifft. Soweit die Beklagten darauf verweisen, sowohl nach dem Prüfzeugnis vom 2. Februar 2001 als auch nach den später - zuletzt bis zum 28. Februar 2010 - erteilten Prüfzeugnissen dürften "Entrauchungsleitungen aus Formstücken in Standardausführung ... bei waagerechter Ausführung bei Innenabmessungen B x H bis zu 1.250 mm x 1.000 mm und bei senkrechter Anordnung bei Innenabmessungen B x H bis zu 1.250 mm x 1.250 mm hergestellt werden", wird der Inhalt des ursprünglichen Prüfzeugnisses nicht vollständig wiedergegeben. Die Beklagten haben damit lediglich auf Satz 1 der Ziffer 1.1 Abs. 2 des Prüfzeugnisses vom 2. Februar 2001 Bezug genommen. In Satz 2 heißt es weiter: "Entrauchungsleitungen aus Formstücken in ausgesteifter Ausführung dürfen bei waagerechter und bei senkrechter Verlegung mit abweichenden Innenabmessungen B x H nach Anlage 4 hergestellt werden." Eine vergleichbare Regelung enthalten die folgenden, der Klägerin erteilten Fassungen des Prüfzeugnisses nicht. In der Anlage 4 (Tabelle A) sind dann aber große Querschnitte von Entrauchungsleitungen aus Formstücken in ausgesteifter Ausführung mit Innenabmessungen B x H bis zu 1.710 mm x 600 mm dargestellt. Solche Querschnitte sind weder in der Anlage 4 (Tabelle A) des Prüfzeugnisses in der zweiten Fassung vom 10. Februar 2006 noch in der zuletzt erteilten Fassung des Prüfzeugnisses dargestellt. Der Klägerin kann aber ein schutzwürdiges Interesse an der Erteilung eines Prüfzeugnisses auch für solche großen Querschnitte nicht von vornherein abgesprochen werden.
83Dass die Klägerin für die Erteilung des Prüfzeugnisses notwendige Prüfberichte bislang möglicherweise nicht vorgelegt hat, ließe das Rechtsschutzinteresse vorliegend nur dann entfallen, wenn feststünde, dass die notwenigen Verwendungsnachweise nicht erlangt werden können. Dies wird jedoch auch von der Beklagtenseite nicht geltend gemacht. Im Übrigen könnte bei einem Fehlen der für die Erteilung des Prüfzeugnisses notwendigen Unterlagen nach den Grundsätzen des sog. "stecken gebliebenen" Genehmigungsverfahren das im Verpflichtungsantrag enthaltene Neubescheidungsbegehren der Klägerin zum Tragen kommen.
84Vgl. hierzu etwa OVG NRW, Urteil vom 18. August 2009 - 8 A 613/08 -, BRS 74 Nr. 159 = juris Rn. 94.
85 862. Das mit dem Hauptantrag verfolgte Verpflichtungsbegehren ist allerdings nicht begründet.
87Die in der zweiten Fassung des Prüfzeugnisses der beklagten Prüfstelle vom 10. Februar 2006 enthaltene Ablehnung der Verlängerung des Prüfzeugnisses auch für Entrauchungsleitungen mit großen Querschnitten und der Widerspruchsbescheid des beklagten Instituts vom 18. Juli 2006 sind rechtmäßig (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat keinen dahingehenden Anspruch auf Verlängerung des Prüfzeugnisses.
88Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW - die Vorgaben der Bayerischen Bauordnung sind insoweit deckungsgleich (Art. 19 Abs. 1 Satz 1 BayBO) - dürfen Bauarten, die von Technischen Baubestimmungen wesentlich abweichen oder für die es allgemein anerkannte Regeln der Technik nicht gibt (nicht geregelte Bauarten), bei der Errichtung, Änderung und Instandhaltung baulicher Anlagen nur angewendet werden, wenn für sie eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (Nr. 1) oder eine Zustimmung im Einzelfall (Nr. 2) erteilt worden ist. Anstelle einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung genügt ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis, wenn die Bauart nicht der Erfüllung erheblicher Anforderungen an die Sicherheit baulicher Anlagen dient oder nach allgemein anerkannten Prüfverfahren beurteilt wird (§ 24 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW, Art. 19 Abs. 1 Satz 2 BayBO). Die Erteilung eines Prüfzeugnisses für Bauarten kommt daher nur unter den gleichen Voraussetzungen wie die Erteilung eines Prüfzeugnisses für Bauprodukte (§ 22 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW, Art. 17 Abs. 1 Satz 1 BayBO) in Betracht.
89Für den hier in Rede stehenden Fall der - auch rückwirkend möglichen (vgl. §§ 24 Abs. 1 Satz 4, 21 Abs. 4 Satz 2, 77 Abs. 2 Satz 2 BauO NRW bzw. Art. 19 Abs. 1 Satz 4, 16 Abs. 4 Satz 2, 69 Abs. 2 BayBO) - Verlängerung eines Prüfzeugnisses gelten die gleichen Anforderungen wie für die Erteilung eines Prüfzeugnisses. Die Prüfstelle hat jeweils vollständig zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung des Prüfzeugnisses nach wie vor vorliegen.
90Die Voraussetzungen für die Verlängerung der ersten Fassung des Prüfzeugnisses sind im zu entscheidenden Fall nicht gegeben.
91Vorliegend geht es um eine nicht geregelte Bauart, nämlich das Zusammenfügen des Bauprodukts "Silikat-Brandschutzplatten Q1. -L500" zu feuerwiderstandsfähigen Entrauchungsleitungen, also Teilen von baulichen Anlagen (zum Begriff der Bauart vgl. § 2 Abs. 1 BauO NRW, Art. 2 Abs. 11 BayBO). Für diese konkrete Bauart gibt es keine allgemein anerkannten Regeln der Technik, insbesondere keine entsprechenden DIN-Normen, so dass der Anwendungsbereich des § 24 Abs. 1 BauO NRW bzw. des Art. 19 Abs. 1 BayBO eröffnet ist.
92Als Grundlage für die Erteilung eines Prüfzeugnisses für diese Bauart mit dem Verwendungszweck "Entrauchungsleitungen zum Einsatz an Stellen, an denen eine Feuerwiderstandsdauer gefordert wird" kommt allein die zweite Alternative des § 24 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW bzw. des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 BayBO in Betracht, weil bei einem Versagen der Bauart im Brandfall die Sicherheit der baulichen Anlage gefährdet wäre, die Verwendung dieser Bauart daher erkennbar sicherheitsrelevant ist. Ein Anspruch auf Erteilung eines Prüfzeugnisses für Entrauchungsleitungen der hier in Rede stehenden Art mit Innenabmessungen von mehr als 1.250 mm x 1.000 mm in waagerechter Ausführung und von mehr als 1.250 mm x 1.250 mm in senkrechter Ausführung (im Folgenden: große Querschnitte) setzt also voraus, dass die Sicherheit dieser Bauart mit entsprechend großen Querschnitte nach allgemein anerkannten Prüfverfahren beurteilt werden kann. Dabei geht es namentlich um die Anforderungen an die Feuerwiderstandsdauer, die Dichtheit und den Erhalt des Querschnitts.
93Allgemein anerkannt sind - wie andere Regeln der Technik auch - nur solche Prüfverfahren, die in der Praxis erprobt und bewährt sind und sich bei der Mehrheit der Praktiker durchgesetzt haben. Solche Prüfverfahren sind vor allem in DIN-Vorschriften und sonstigen technischen Regelwerken festgelegt. Diese Vorschriften und Regelwerke haben aber nicht schon kraft ihrer Existenz die Qualität von allgemein anerkannten Prüfverfahren und begründen auch keinen Ausschließlichkeitsanspruch. Als Ausdruck der fachlichen Mehrheitsmeinung sind sie nur dann zu werten, wenn sie sich mit in der Praxis überwiegend angewandten Vollzugsweisen decken. Das wird häufig, muss aber nicht immer der Fall sein.
94Vgl. zum Begriff der "allgemein anerkannten Regeln der Technik": BVerwG, Beschluss vom 30. September 1996 - 4 B 175.96 -, BRS 58 Nr. 99 = juris Rn. 5; OVG NRW, Urteil vom 12. März 2009 - 20 A 1251/07 -, juris Rn. 38.
95Wird die Zulassung eines Bauprodukts oder einer Bauart - wie in § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauO NRW, Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayBO und in § 24 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. BauO NRW, Art. 19 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. BayBO - davon abhängig gemacht, dass sie nach allgemein anerkannten Prüfverfahren beurteilt werden kann, können die Behörden und Gerichte sich darauf beschränken, die herrschende Auffassung unter den technischen Praktikern zu ermitteln, um festzustellen, ob das jeweilige Prüfverfahren eine Zulassung im "vereinfachten" Verfahren durch Erteilung eines allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses rechtfertigt.
96Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. August 1978
97- 2 BvL 8/77 -, BVerfGE 49, 89 = juris Rn. 107 (zu den "allgemein anerkannten Regeln der Technik").
98Allgemein anerkannte Prüfverfahren sind danach in erster Linie die standardisierten Prüfverfahren, die durch das beklagte Institut im Einvernehmen mit den obersten Bauaufsichtsbehörden der Länder in der Bauregelliste für ungeregelte Bauarten / Bauprodukte als solche bekannt gegeben worden sind. Ist ein Prüfverfahren für ungeregelte Bauarten / Bauprodukte in der Bauregelliste nicht aufgenommen, ergibt sich umgekehrt regelmäßig, dass es ihm an der allgemeinen Anerkennung als Grundlage für die Ausstellung eines bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses fehlt. Allenfalls in besonderen Einzelfällen bei erkennbar fortgeschrittenem Meinungsstand mag anderes gelten. Dies ergibt sich aus der Funktion der Bauregelliste als Bekanntmachungsorgan für anerkannte technische Regeln und der bei dem beklagten Institut angesiedelten Sachkompetenz. Der Eintragung geht eine entsprechende Abstimmung in den Fachkreisen voraus; sie beruht auf einer Empfehlung der mit Sachverständigen aus Bund und Ländern besetzten Projektgruppe Bauregelliste. Hat ein Prüfverfahren seine allgemeine Anerkennung erfahren, gilt diese - wie bei der Anerkennung sonstiger technischer Regeln - fort, bis sich in der Fachwelt eine entsprechende andere Fachsicht durchgesetzt hat. Erste kritische Stimmen reichen nicht aus, um einem zuvor allgemein anerkannten Prüfverfahren diese Eigenschaft wieder zu nehmen.
99Ausgehend hiervon existiert für die Bauart "Feuerwiderstandsfähige Entrauchungsleitungen aus Silikat-Brandschutzplatten Q1. -L500" mit großen Querschnitten kein allgemein anerkanntes Prüfverfahren im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. BauO NRW, Art. 19 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. BayBO, welches bei einer positiven Beurteilung nach diesem Verfahren die Ausstellung eines allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses ermöglichen würde.
100Ein solches allgemein anerkanntes Prüfverfahren für Entrauchungsleitungen mit großen Querschnitten ergibt sich nicht aus den einschlägigen, in der Bauregelliste für die Prüfung von Entrauchungsleitung bekannt gemachten DIN-Vorschriften.
101Nach der lfd. Nr. 2.10 der Bauregelliste A Teil 3 (Ausgabe 2010/1) ist für die hier in Rede stehende Bauart in der DIN 4102-6 ("Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen - Lüftungsleitungen: Begriffe, Anforderungen und Prüfungen) in Verbindung mit der DIN V 18232-6 ("Maschinelle Rauchabzüge (MRA) - Teil 6: Anforderungen an die Einzelbauteile und Eignungsnachweise") ein allgemein anerkanntes Prüfverfahren beschrieben. Bei der DIN V 18232-6 handelt es sich dabei um die wesentlich Prüfnorm für Entrauchungsleitungen, die in Ziffer 1 ("Normative Verweisungen") lediglich hinsichtlich der Prüfung der Feuerwiderstandsdauer auf die allgemeinere DIN 4102-6 verweist. Die Prüfung der Dichtheit und des Querschnitterhalts erfolgt dagegen nach der DIN V 18232-6 in Verbindung mit DIN EN 1366-8. Davon geht auch die Klägerin im Ansatz selbst aus.
102Vgl. die von der Klägerin im Verfahren 2 A 61/08 als Anlage 1 zum Schriftsatz vom 13. September 2007 vorgelegte Übersicht.
103Die DIN V 18232-6 ist aber auf Entrauchungsleitungen mit großen Querschnitten nicht anwendbar, so dass sich aus dieser DIN-Vorschrift - auch in Verbindung mit der DIN 4102-6 - kein allgemein anerkanntes Prüfverfahren für solche Entrauchungsleitungen ergibt.
104Nach Absatz 1 der Ziffer 7.1 der DIN V 18232-6 soll für Entrauchungsleitungen mit rechteckigen Querschnitten die Prüfleitung mindestens ein lichtes Maß von B x H 1.000 mm x 250 mm aufweisen, wenn nicht eine anwendungsgerechte Größe geprüft werden kann. "Anwendungsgerechte Größen" sind aber nicht solche mit größeren Maßen als 1.250 mm x 1.250 mm. Zwar ergibt sich dies nicht unmittelbar aus Absatz 4 Satz 1 der Ziffer 7.1 der DIN V 18232-6. Danach können die Ergebnisse der Prüfungen an rechteckigen Leitungen mit den in Absatz 1 genannten Maßen auf Leitungen mit den größten Maßen 1.250 mm x 1.250 mm übertragen werden. Stellt man allein auf den Wortlaut dieser Regelung ab, ist damit wohl nur die Extrapolation der mit einer Prüfleitung mit den Maßen 1.000 mm x 250 mm erzielten Ergebnisse gemeint.
105Die Beschränkung des Anwendungsbereichs der DIN V 18232-6 auf "kleine" Entrauchungsleitungen mit den in Ziffer 7.1 Abs. 4 Satz 1 genannten Maßen ergibt sich aber zum einen daraus, dass die DIN-Vorschrift in Ziffern 2 und 7.2 für die Prüfung des Brandverhaltens (ausschließlich) auf die DIN 4102-6 verweist, die aber wiederum lediglich die Prüfung von kleinen Lüftungsleitungen ermöglicht. Für die Beurteilung von Lüftungsleitungen mit größeren Querschnittsabmessungen (bis zu B x H 2.500 mm x 1.250 mm) wurde die DIN V 4102-21 ("Brandverhalten von Baustoffen - Teil 21: Beurteilung des Brandverhaltens von feuerwiderstandsfähigen Lüftungsleitungen") entwickelt, nachdem in den Fachkreisen festgestellt worden war, dass die Ergebnisse von Prüfungen nach DIN 4102-6 nicht ohne Weiteres auf Lüftungsleitungen mit größeren Querschnitten und Differenzdrücken übertragbar sind (vgl. die Einleitung zur DIN V 4102-21). Weiter heißt es in der Einleitung ausdrücklich, diese Vornorm enthalte ein Verfahren zur Beurteilung von Lüftungsleitungen mit größeren Querschnitten und Differenzdrücken, die nach DIN 4102-6 bzw. DIN EN 1366-1 nicht beurteilt werden könnten.
106Die Begrenzung des Anwendungsbereichs der DIN V 18232-6 auf "kleine" Entrauchungsleitungen ergibt sich desweiteren daraus, dass Prüfungen mit großen Entrauchungsleitungen nach den Vorgaben dieser DIN bedingt durch die Leistungsbegrenzung des Normprüfstandes faktisch nicht möglich sind. Nach deren Ziffer 7.4.2 (Druckprüfung bei Brandbeanspruchung) wird während des Brandversuchs mit einer Brandraumtemperatur nach Tabelle 1 (Ziffer 4.1) für die vorgesehene Kategorie Brandgas mit einer Geschwindigkeit von 3 m/s durch die Prüfleitung gesaugt. Wird dieser Wert mit der vorgeschriebenen Prüfanordnung nicht erreicht, erfolgt die Prüfung aber nicht nach dem in Ziffer 7.4.2 der DIN V 18232-6 beschrieben, allgemein anerkannten Verfahren. Insoweit ist aber zwischen den Beteiligten unstreitig, dass sich bei einer Prüfung mit großen Entrauchungsleitungen "bedingt durch die Prüfgeräte und vor allem die Ventilationsleistung und den Brennofen geringere Strömungsgeschwindigkeiten als bei Standardquerschnitten" ergeben. Die großen Entrauchungsleitungen sind daher nach den in der DIN V 18232-6 beschriebenen Verfahren nicht prüfbar und eine Extrapolation von an kleineren Prüfleitungen erzielten Prüfergebnissen scheidet nach der Ziffer 7.1 Abs. 1 Satz 1 aus.
107Für die Begrenzung der DIN V 18232-6 auf "kleine" Entrauchungsleitungen spricht im Übrigen auch, dass die europäische Prüfnorm, nach der seit der Änderung der Bauregelliste in der Ausgabe 2005/2 insbesondere das Leckagever-halten geprüft wird, ebenfalls nicht für große Entrauchungsleitungen gilt. Bei der DIN EN 1633-8 ("Feuerwiderstandsprüfung für Installationen - Teil 8: Entrauchungsleitungen") ergibt sich dies aus den Regelungen in Ziffer 6.1.2 in Verbindung mit Ziffer 13.3. Danach sind rechteckige Leitungen mit den Maßen B x H 1.000 mm x 250 mm zu prüfen. Das für Leitungen mit diesen Maßen ermittelte Prüfergebnis kann für die Anwendung um 250 mm in der Breite und um 750 mm in der Höhe erhöht werden; zulässig sind also maximale Maße von B x H 1.250 mm x 1.000 mm.
108Soweit die Klägerin geltend macht, die DIN V 4102-21 sehe ausdrücklich Zusatzprüfungen für Lüftungsleitungen mit größeren Querschnitten vor (vgl. etwa Absatz 2 der Einleitung sowie Ziffer 5.1 der DIN V 4102-21) und hätte daher ebenfalls als anerkanntes Prüfverfahren unter der lfd. Nr. 2.10 der Bauregelliste A Teil 3 aufgenommen werden müssen, lässt sich daraus ebenfalls kein Anspruch auf Erteilung des begehrten Prüfzeugnisses für Entrauchungsleitungen mit solchen größeren Querschnitten herleiten. Bei einer Aufnahme in die Bauregelliste liefe das Prüfverfahren nach der DIN V 4102-21 nämlich insoweit ins Leere, als diese nur die Prüfung der Feuerwiderstandsdauer betrifft. Prüfverfahren zum Nachweis der Dichtheit und des Querschnitterhalts (Druckprüfung) von Entrauchungsleitungen sind - wie ausgeführt - ausschließlich in der DIN V 18232-6 (vgl. dort Ziffer 4.3) sowie in der DIN EN 1366-8 beschrieben. Diese beiden Prüfnormen sehen aber - wie ausgeführt - eine Prüfung von Entrauchungsleitungen mit größeren Querschnitten nicht vor.
109Von einem allgemein anerkannten Prüfverfahren für große Entrauchungsleitungen kann auch nicht im Hinblick darauf ausgegangen worden, dass der Klägerin von der beklagten Prüfstelle zunächst ein Prüfzeugnis - die erste Fassung des Prüfzeugnisses vom 2. Februar 2001 - auch für große Entrauchungsleitungen erteilt worden ist. Diese erste Fassung des Prüfzeugnisses beruhte nämlich - wie ausgeführt - wegen der zu niedrigen Strömungsgeschwindigkeiten auf einem von den Vorgaben der DIN V 18232-6 abweichenden Prüfverfahren. Soweit die Klägerin geltend macht, dieses Vorgehen sei völlig üblich gewesen und die Abweichung in der Versuchsanordnung von dem damaligen Leiter der Prüfstelle als zu vernachlässigend bewertet worden, ergibt sich daraus noch keine allgemeine Anerkennung des angewandten Prüfverfahrens. Voraussetzung hierfür wäre nämlich, dass ein solches - nicht den Vorgaben der DIN 18232-6 entsprechendes - Prüfverfahren nach herrschender Auffassung unter den in diesem Bereich tätigen sachverständigen Personen hinreichend verlässliche Aussagen betreffend die Sicherheitsanforderungen an große Entrauchungsleitungen ermöglichen würde. Für eine solche allgemeine Anerkennung genügt es aber nicht, wenn einzelne Prüfstellen ein solches Prüfverfahren praktizieren. Diese stellen nur einen beschränkten Teil der Fachwelt dar, welche sich mit den technischen Fragen der Sicherheit von Entrauchungsleitungen und deren Nachweisbarkeit beschäftigt. Dafür, dass die (frühere) Praxis der beklagten Prüfstelle mit den Fachkreisen, insbesondere mit den beim beklagten Institut für Fragen der Zulassung von Bauprodukten bzw. Bauarten gebildeten Ausschüssen, abgestimmt worden ist, fehlt jeder Hinweis. Das beklagte Institut betont, überhaupt erst durch den Widerspruch der Klägerin gegen das einem Konkurrenzunternehmen erteilte Prüfzeugnis Kenntnis davon erlangt zu haben, dass Prüfzeugnisse auf der Grundlage von Prüfverfahren erteilt worden waren, die nicht den Anforderungen der in der Bauregelliste genannten DIN-Vorschriften entsprachen. Dem hat die Klägerin nichts an Substanz entgegengesetzt. Auch belegt der in den Verwaltungsvorgängen dokumentierte Entscheidungsprozess der Projektgruppe Bauregelliste zu den mit der Ausgabe 2005/2 erfolgten Ergänzungen und Änderungen der Bauregeliste, dass bis dahin Abstimmungen zur Anerkennung einer Zusatzprüfung für große Entrauchungsleitungen entsprechend der in der DIN 4102-21 beschriebenen Verfahren nicht stattgefunden haben. Ein solches Verfahren war also zu keiner Zeit, auch nicht bei Ausstellung des ursprünglichen Prüfzeugnisses im Februar 2001als Grundlage für die Ausstellung einen allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses anerkannt.
110Die Anwendung dieses Prüfverfahrens im Rahmen einer allgemeinen Zulassung ist ebenfalls kein Indiz für eine allgemeine Anerkennung. Anders als ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis setzt die Erteilung einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung gerade nicht die Prüfung nach einem allgemein anerkannten Verfahren voraus (vgl. §§ 21 Abs. 1, 24 Abs. 1 Satz 4 BauO NRW bzw. Art. 16 Abs. 1, 19 Abs. 1 Satz 4 BayBO). Da eine solche Prüfung nicht die Aussagekraft eines (bereits) allgemein anerkannten Verfahrens hat, erteilt das insoweit zuständige beklagte Institut die allgemeine Zulassung erst nach Einholung einer Stellungnahme durch den hierzu gebildeten Sachverständigenausschuss (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Satzung des beklagten Instituts). Demgegenüber zeichnen sich Prüfverfahren, sofern sie als Grundlage für die Erteilung eines allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses dienen, dadurch aus, dass sie nach allgemeiner Einschätzung der Fachkreise Ergebnisse liefern, die keiner eingehenden Prüfung bedürfen, sondern in die Bewertung eines Einzelprüfers gestellt werden können.
111Gegen eine allgemeine Anerkennung des von der beklagten Prüfstelle zunächst praktizierten Prüfverfahrens spricht vor allem aber, dass sich die Projektgruppe Bauregelliste in ihren Sitzung am 15. März und am 5. Oktober 2005 ausdrücklich mit der Frage der Erteilung von allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnissen für große Entrauchungsleitungen befasst hat. Die Projektgruppe Bauregelliste hat beschlossen, dass für Entrauchungsleitungen mit großen Abmessungen (über 1.250 mm x 1.250 mm) keine Prüfzeugnisse mehr erteilt werden dürfen; hierfür bedürfe es einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung. Diese ausdrückliche Ablehnung der Anerkennung eines Prüfverfahrens für große Entrauchungsleitungen durch die mit Sachverständigen aus Bund und Ländern besetzte Projektgruppe Bauregelliste schließt aber in aller Regel die Annahme einer allgemeinen Anerkennung aus.
112Besondere Umstände, die vorliegend Anlass für eine abweichende Bewertung geben würden, hat die Klägerin nicht dargetan. Sie sind auch im Übrigen nicht ersichtlich. Soweit sie in der mündlichen Verhandlung eine mangelnde Transparenz des Verfahrens zur Änderung der Bauregelliste und eine unzureichende Beteiligung der Hersteller und Verwender geltend gemacht hat, ist damit eine allgemeine Anerkennung des hier in Rede stehenden Prüfverfahrens nicht dargetan. Im Übrigen sieht der auf der Homepage des beklagten Instituts (vgl. http://www.dibt.de/de/Referat-P5-Bauregellisten.html) beschriebene Ablauf des Änderungsverfahrens eine Anhörung der Betroffenen - insbesondere also auch der Hersteller und Verwender - ausdrücklich vor. Davon hat die Klägerin im Vorfeld der Änderung der Bauregelliste A Teil 3 durch die Ausgabe 2005/2 Gebrauch gemacht. Dass die Projektgruppe Bauregelliste den Anregungen der Klägerin aus den in der Niederschrift über die Sitzung vom 5. Oktober 2005 genannten Gründen letztlich nicht gefolgt ist, hatte allein sachliche Gründe und ist kein Ausdruck mangelnder Transparenz. Die geäußerte Befürchtung der Klägerin, dem beklagten Institut gehe es allein darum, durch das Erfordernis der allgemeinen Zulassung bzw. einer Zulassung im Einzelfall höhere Gebühren einzunehmen, entbehrt jeder Grundlage.
113Schließlich kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass auch das Deutsche Institut für Normung e. V. bisher davon abgesehen hat, in Ergänzung zu den Regeln der DIN V 18232-6 DIN-Regelungen für eine Zusatzprüfung zum Nachweis der Dichtheit und / oder des Querschnitterhalts von großen Entrauchungsleitungen herauszugeben.
114Fehlt es somit an einem allgemein anerkannten Prüfverfahren für die sog. großen Entrauchungsleitungen, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Verlängerung des Prüfzeugnisses in der ersten Fassung vom 2. Februar 2001. Soweit sie in der mündlichen Verhandlung auf die Problematik der für sie und die Verwender nicht absehbaren Nichtverlängerung des Prüfzeugnisses bei langwierigen Bauvorhaben und die sich insoweit ergebenden wirtschaftlichen Folgen hingewiesen hat, kann sich daraus keine andere Beurteilung ergeben. Übergangsfristen sehen die Landesbauordnungen insoweit nicht vor.
1153. Die Klage hat mit dem hilfsweise gegen das beklagte Institut gerichteten Verpflichtungsbegehren ebenfalls keinen Erfolg.
116Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Klage, mit der die Klägerin nunmehr die Verpflichtung des beklagten Instituts begehrt, die beklagte Prüfstelle zur Verlängerung des Prüfzeugnisses anzuweisen, überhaupt - etwa unter dem Gesichtspunkt der Klagebefugnis - zulässig ist. Die Klage ist nämlich auch insoweit jedenfalls unbegründet, weil - wie unter 2. ausgeführt - ein Anspruch auf Erteilung des Prüfzeugnisses mit dem von der Klägerin begehrten Inhalt nicht besteht. Zudem ist eine rechtliche Grundlage, auf der das beklagte Institut gegenüber der beklagten Prüfstelle eine (bindende) Weisung erteilen könnte, weder von Seiten der Klägerin behauptet worden noch sonst erkennbar. Soweit die Klägerin auf die "Hinweise" des beklagten Instituts für Prüfstellen verweist, ergibt sich daraus nichts anderes. Mit diesen fachlichen Hinweisen stellt das beklagte Institut lediglich sicher, dass die Prüfstellen die ihnen obliegenden Aufgaben ordnungsgemäß wahrnehmen. Orientiert sich eine Prüfstelle nicht an den Hinweisen des beklagten Instituts, kommt allenfalls ein Widerruf der Anerkennung als Prüfstelle in Betracht (vgl. etwa § 13 Abs. 2 der Bauprodukte- und Bauartenverordnung - BauPAVO NRW - vom 17. November 2009, GV. NRW. S. 681). Ein Weisungsrecht im Einzelfall ist damit nicht verbunden.
117Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
118Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
119Die Revision ist mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht zuzulassen.
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