Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 A 1140/09
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Der Leistungsbescheid des Bürgermeisters der Beklagten vom 5. November 2007 wird aufgeho¬ben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig voll-streckbar. Die Beklagte darf die Voll¬streckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreck¬baren Betrages ab¬wenden, wenn nicht der Kläger vor der Voll¬streckung Sicherheit in Höhe des je¬weils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand
2Der am 16. Februar 1946 geborene Kläger wurde nach vorheriger Tätigkeit bei dem früheren Amt N. (Rheinland) aus Anlass von dessen Auflösung im Jahre 1969 durch die Beklagte als Beamter übernommen. In deren Dienst stand er sodann bis zu seinem vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand zum 30. Juni 2006. Der Kläger war zuletzt am 22. März 2001 zum Städtischen Verwaltungsdirektor befördert worden und leitete seit dem 15. Juni 2002 den Fachbereich 9 "Gebäudemanagement".
3Aufgrund der Anzeige eines Architekten kam im März 2007 der Verdacht eines korrupten/rechtswidrigen Verhaltens unter anderem des Klägers während seiner Zeit als Leiter des Fachbereichs 9 auf. Hintergrund war unter anderem, dass der Architekt sowohl dem Kläger als auch dessen Stellvertreter zu Weihnachten 2003 und Weihnachten 2004 Weinpräsente hatte zukommen lasse, für den Kläger im Gesamtwert von 676,00 Euro. Nach der Darstellung des Architekten sollten diese Präsente der "Klimapflege" für seine Zusammenarbeit mit der Leitung des Fachbereichs 9 der Beklagten dienen. Der Kläger hatte den Empfang der Weinpräsente dem Bürgermeister nicht angezeigt und diese – nach seinen Angaben – im Rahmen von Mitarbeiterveranstaltungen zum Verzehr zur Verfügung gestellt.
4Wegen dieses Vorfalls leitete der Bürgermeister der Beklagten gegen den Kläger ein Disziplinarverfahren ein, weil er entgegen seiner beamtenrechtlichen Pflicht Belohnungen und Geschenke angenommen habe; die Ermittlungen im Disziplinarverfahren wurden im Wege der Amtshilfe durch den Landrat des S. -T. Kreises durchgeführt. Die Staatsanwaltschaft C. leitete gegen den Kläger und zwei weitere Beschuldigte ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Vorteilsannahme bzw. Vorteilsgewährung ein. Nachdem sich die Beschuldigten zur Sache eingelassen hatten, teilte die Staatsanwaltschaft C. unter dem 4. Juni 2007 mit, dass – vorbehaltlich einer Zustimmung des Gerichts – beabsichtigt sei, das Verfahren gegen Zahlung einer Geldbuße gemäß § 153a StPO einzustellen. Weiter heißt es in diesem Schreiben:
5"Es ist beabsichtigt, die Geldbußen unter Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse wie folgt zu bemessen: N1. und …: jeweils 1.500,00 EUR; …: 1.000,00 EUR.
6Bei den beschuldigten Amtsträgern ist bei der Höhe der Auflage der Wert des erlangten Vorteils berücksichtigt worden.
7Maßgeblich für die Einstellung sind folgende Gesichtspunkte:
8Die Beschuldigten sind unvorbestraft. Der Wert der erlangten Vorteile ist relativ gering. Die Taten liegen längere Zeit zurück. Ein Schaden für die Stadt ist durch die Taten nicht entstanden.
9Berücksichtigt wurden auch die beruflichen und persönlichen Folgen, die das Verfahren für die Beschuldigten hat.
10…"
11Nach Zustimmung unter anderem des Klägers sowie des Amtsgerichts T1. vom 27. Juni 2007 wurde das Ermittlungsverfahren unter dem 2. Juli 2007 durch die Staatsanwaltschaft C. vorläufig und nach Zahlung der Geldbuße – durch den Kläger: 500,00 Euro an die Staatskasse; 1.000,00 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung – mit Verfügung der Staatsanwaltschaft C. vom 26. Juli 2007 endgültig eingestellt.
12Mit Verfügung vom 5. November 2007 stellte die Beklagte das gegen den Kläger eingeleitete Disziplinarverfahren auf dessen Kosten ein: Hinsichtlich der Annahme eines Weinpräsents im Jahre 2003 komme eine Ahndung mit einer angemessenen Disziplinarmaßnahme vor dem Hintergrund des § 15 Abs. 2 Landesdisziplinargesetz (LDG) nicht mehr in Betracht, weil seit der Vollendung des Dienstvergehens mehr als drei Jahre vergangen seien. Hinsichtlich der Weinlieferung im Jahre 2004 unterbleibe eine disziplinarische Ahndung nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 LDG, weil das strafrechtliche Ermittlungsverfahren nach § 153a StPO eingestellt worden sei.
13Mit weiterem Bescheid vom 5. November 2007, der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, forderte die Beklagte den Kläger auf, die widerrechtlich erlangten Weinpräsente bzw. deren Gegenwert in Höhe von insgesamt 676,00 Euro herauszugeben. Den Kläger treffe wegen des Dienstvergehens nach § 76 Abs. 2 des Landesbeamtengesetzes in der damaligen, bis zum 31. März 2009 gültig gewesenen Fassung – im Folgenden: LBG NRW a.F. – grundsätzlich eine Herausgabepflicht. Da im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ein Verfall des geldwerten Vorteils nicht angeordnet worden sei, bestehe weiterhin eine Herausgabepflicht. Die Einstellung nach § 153a StPO stehe einem Verfall nicht gleich.
14Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 20. November 2007 "Gegenvorstellung", in der er darauf hinwies, dass der Herausgabeanspruch des § 76 Abs. 2 LBG NRW a.F. nach der Rechtsprechung des OVG NRW der Abschöpfung der erlangten Vorteile diene. Da eine solche Abschöpfung von Vorteilen aber bereits bei der Bemessung der Geldbuße nach § 153a StPO stattgefunden habe – insoweit bestimme Nr. 93a der "Richtlinien für das Straf und Bußgeldverfahren", dass der Staatsanwalt darauf zu achten habe, dass die Auflagen einen durch die Straftat erlangten Vermögensvorteil abschöpfen –, und die Geldauflage mit 1.500,00 Euro auch recht hoch ausgefallen sei, so dass in dieser Summe der Betrag von 676,00 Euro bereits enthalten sei, komme ein beamtenrechtliches Herausgabeverlangen nicht mehr in Betracht.
15Da die Beklagte an ihrem Herausgabeverlangen festhielt, hat der Kläger am 6. Dezember 2007 Klage erhoben und eingewendet, es sei fraglich, ob die Beklagte ihr Herausgabeverlangen überhaupt auf § 76 Abs. 2 LBG NRW a.F. stützen könne. Diese Vorschrift sei nämlich erst zum 1. August 2006 in Kraft getreten. Unabhängig davon stelle das Herausgabeverlangen in seinem Fall eine weitere Vermögens/Vorteilsabschöpfung dar, denn durch die Geldbuße nach § 153a StPO sei der ihm zugeflossene Vermögensvorteil bereits abgeschöpft worden. So sei etwa anerkannt, dass nach Verhängung einer Geldbuße gegen eine juristische Person gemäß § 30 OWiG ein Verfall nicht mehr angeordnet werden könne, weil die Geldbuße bereits der Vermögensabschöpfung diene.
16Der Kläger hat beantragt,
17den Bescheid der Beklagten vom 5. November 2007 aufzuheben.
18Die Beklagte hat beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Sie hat den angefochtenen Bescheid verteidigt und hierzu unter anderem ausgeführt: Die Vorschriften des Verfalls nach §§ 73 ff. StGB und das Herausgabeverlangen nach § 76 Abs. 2 LBG NRW a.F. verfolgten zwar den gleichen Zweck, nämlich die Abschöpfung des Vermögensvorteils. Auch sei der strafrechtliche Verfall gegenüber dem beamtenrechtlichen Herausgabeanspruch vorrangig. Hier sei aber zu berücksichtigen, dass ein Verfall nicht angeordnet worden sei. Die Einstellung des Strafverfahrens nach § 153a StPO sei dem nicht gleich zu achten und somit im vorliegenden Zusammenhang unerheblich. Bei den Zahlungsauflagen nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO sei der gesamte Sachverhalt und der Wert des erzielten Vorteils zu berücksichtigen. Es handele sich um eine nicht strafrechtliche Sanktion, der Genugtuungsfunktion zukomme und die das öffentliche Interesse befriedigen solle. Davon abgesehen hätte auf der Grundlage des § 76a StGB auch bei einer Einstellung nach § 153a StPO ein Verfall angeordnet werden können.
21Durch das angefochtene Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Kern ausgeführt, das zulässigerweise durch Leistungsbescheid geltend gemachte Herausgabeverlangen der Beklagten – hier gerichtet auf Wertersatz für die von einem Dritten dem Kläger zugewandten Weinpräsente – bestehe zu Recht. Die Voraussetzungen der einschlägigen Rechtsgrundlage des § 76 Abs. 2 Satz 1 LBG NRW a.F. lägen vor. Die auf das Amt bezogen gewesenen Geschenke seien "widerrechtlich erlangt", weil der Kläger sie nach § 76 Abs. 1 LBG NRW a.F. nicht habe annehmen dürfen. Da ein Verfall nicht angeordnet gewesen sei, stehe § 76 Abs. 2 Satz 4 LBG NRW a.F. der Rechtmäßigkeit des Herausgabeverlangens nicht entgegen. Entgegen der Auffassung des Klägers entfalle der Herausgabeanspruch auch nicht deswegen, weil auch die vorliegend verfügte Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO einer Vermögensabschöpfung dienen würde. Dem stehe schon der Gesetzeswortlaut entgegen, weil § 76 Abs. 2 LBG NRW a.F. eine (Konkurrenz-)Regelung nur für die Fallgruppe des Verfalls, nicht aber auch für Vermögensabschöpfungen in sonstiger Weise enthalte. Die Rechtsfolge sei auch mit Sinn und Zweck der in Rede stehenden Vorschriften vereinbar. So bezögen sich sowohl der Herausgabeanspruch des Dienstherrn als auch die Verfallsvorschriften auf einen präzisen Gegenstand bzw. den diesem entsprechenden geldwerten Vorteil. Es müsse deswegen eine Indentität zwischen dem widerrechtlich Erlangten und dem Herausgabeobjekt/Verfallsobjekt bestehen. Die Einstellung des Verfahrens gegen Auflagen und/oder Weisungen nach § 153a StPO habe demgegenüber auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu erfolgen. Eine solche Gesamtschau aller relevanten Umstände habe im Fall des Klägers auch die Staatsanwaltschaft C. vorgenommen. Dabei lasse allein der Umstand, dass ausweislich des Schreibens vom 4. Juni 2007 – und zugleich im Einklang mit den "Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren" – auch der Wert des erlangten Vermögensvorteils abgeschöpft worden sei, in keiner Weise erkennen, in welchem Umfang der hier in Höhe des Wertes/Preises der Weinpräsente eindeutig bezifferbare Vorteil in die Ermittlung der Höhe der Geldauflage eingeflossen sei. Eine dem Verfall vergleichbare Konstellation könnte zudem nur in Bezug auf die an die Staatskasse zu leistende Geldauflage in Betracht kommen, welche hier aber den geldwerten Vorteil des Klägers nicht vollständig erfasse. Hinzu komme, dass die Geldauflage neben dem Ziel einer Vorteilsabschöpfung auch Sanktionscharakter habe und das öffentliche Strafverfolgungsinteresse kompensieren solle. Ferner sprächen auch rechtssystematische Gründe gegen die vom Kläger vertretene Auffassung, weil auch in Fällen der Einstellung des Verfahrens – u.a. nach § 153a StPO – die selbständige Anordnung des Verfalls möglich sei (§ 76a Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 StGB). Mit dem vom Kläger schließlich noch angesprochenen Verhältnis der Geldbuße nach § 30 OWiG zum Verfall sei die vorstehend behandelte, hier allein interessierende Frage nicht vergleichbar.
22Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der vom Senat durch Beschluss vom 11. März 2010 zugelassenen Berufung. Unter Vertiefung seines bisherigen Rechtsstandpunktes trägt er hierzu – insbesondere mit Blick auf die Argumentation des erstinstanzlichen Gerichts – weiter vor:
23Es treffe nicht zu, dass § 76 Abs. 2 LBG NRW a.F. (seine nach den zeitlichen Abläufen ohnehin zweifelhafte Anwendung auf den vorliegenden Fall unterstellt) eine doppelte Inanspruchnahme nur in den Fällen ausschließe, in denen im Strafverfahren ausdrücklich ein Verfall angeordnet worden sei. Soweit sich das Verwaltungsgericht hierfür auf den Gesetzeswortlaut berufe, greife dies zu kurz. Der Blick sei nämlich nicht allein auf § 76 Abs. 2 Satz 4 LBG NRW a.F., sondern auch schon auf den Satz 2 der genannten Vorschrift zu richten. Danach seien die Vorschriften des Strafgesetzbuches über den Verfall sinngemäß anzuwenden. In der strafrechtlichen Rechtsprechung und Literatur sei aber anerkannt, dass der gleiche Vermögensvorteil nur einmal für verfallen erklärt werden dürfe; das gelte auch beim Wertersatzverfall. Der Verfall sei auch dann ausgeschlossen, wenn der in Rede stehende Vermögensvorteil bereits auf andere Art und Weise abgeschöpft worden sei. Solches sei etwa betreffend das Verhältnis der Verfallsvorschriften zu § 30 OWiG ausdrücklich geregelt, müsse aber in vergleichbaren Fällen auch darüber hinaus gelten. Ein solcher Fall sei insbesondere auch bei der hier interessierenden Geldauflage im Rahmen der Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO gegeben. Nach Nr. 93a der Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (Überschrift: "Gewinnabschöpfung"), auf die bereits erstinstanzlich hingewiesen worden sei, sollten unredlich erzielte Vermögensvorteile bei der Festsetzung einer Geldauflage nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO berücksichtigt werden. Nach dem Inhalt der Strafakten habe sich die Staatsanwaltschaft auch hier exakt so verhalten, im Ergebnis also bereits die Vermögensabschöpfung betrieben.
24Dem Verwaltungsgericht sei des Weiteren nicht darin zu folgen, hier wären allenfalls 500 Euro anrechenbar und man könne im Übrigen nicht einmal erkennen, wie hoch die Vermögensabschöpfung konkret gewesen sei. Bei dieser Argumentation werde die Eigenart einer Geldauflage verkannt. So habe sich der staatliche Akt der Festlegung der Höhe der Geldauflage auf den Gesamtbetrag von 1.500 Euro bezogen. Die (spätere) Aufteilung in zwei Teilbeträge und auf unterschiedliche Begünstigte (Staatskasse bzw. gemeinnützige Einrichtung) liege außerhalb des Einflussbereichs des Betroffenen und sei für die Frage des Umfangs der Vermögensabschöpfung irrelevant. Entscheidend sei vielmehr, dass nach dem Inhalt der Verfügung der sachbearbeitenden Staatsanwältin – im Rahmen der Gesamthöhe der Geldauflage – der erlangte Vermögensvorteil ohne Zweifel vollständig habe abgeschöpft werden sollen, was zudem in Einklang mit den bereits angeführten Richtlinien stehe.
25Darüber hinaus habe das Verwaltungsgericht übersehen, dass die Herausgabepflicht nach § 76 Abs. 2 Satz 1 LBG NRW a.F. bereits dann ausgeschlossen sei, wenn die Voraussetzungen für die Anordnung des Verfalls im Strafverfahren vorlägen, es also insofern nicht auf die tatsächliche Anordnung durch die Staatsanwaltschaft oder das Gericht ankomme. Dies ergebe sich aus dem Beschluss des Senats vom 3. Juli 2002 – 1 B 1526/01 –. Im vorliegenden Fall bestehe wohl Einigkeit darüber, dass die Vorschriften über den Verfall zur Anwendung kommen müssten; das beamtenrechtliche Herausgabegebot sei daher von vornherein nicht anwendbar. Wie die Strafjustiz die Vermögensabschöpfung konkret betreibe – ob durch selbstständige Verfallsanordnung oder (wie geschehen) durch Einbeziehung in die Geldauflage nach § 153a StPO – sei in diesem Zusammenhang bedeutungslos.
26Unbeschadet dessen würde es dem Sinn und Zweck des Ablieferungsgebotes nach § 76 Abs. 2 LBG NRW (bzw. vergleichbaren Vorschriften) widersprechen, wenn der widerrechtlich erlangte Vermögensvorteil mehr als einmal abgeschöpft werden dürfte; insoweit gelte vielmehr ein Verbot der doppelten Inanspruchnahme des Betroffenen. Dies habe der Senat in seinem Urteil vom 9. April 2008 – 1 A 136/07 – betreffend die Konkurrenz des beamtenrechtlichen Herausgabeanspruchs zu einem Schadensersatzanspruch des Dienstherrn entschieden und näher begründet. Dem sei auch für das vorliegende Verfahren zu folgen. Denn beim Kläger sei nach Zahlung der Geldauflage nichts vorhanden, was noch abgeschöpft werden könne. Das Ziel, ihm das rechtswidrig Zugewiesene (bzw. dessen Wert) zu entziehen, sei damit schon vollständig erreicht.
27Schließlich ließen sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch keine überzeugenden systematischen Gründe für die Rechtmäßigkeit der streitigen Doppelinanspruchnahme finden. Die nach dem Gesetz grundsätzlich bestehende Möglichkeit der selbständigen Verfallsanordnung auch in Fällen der Einstellung des Verfahrens weise insoweit nicht durchgreifend in eine andere Richtung. Denn wegen des auch in diesem Zusammenhang geltenden Verbots der Mehrfachabschöpfung eines rechtwidrig erlangten Vermögensvorteils bleibe – anders als bei § 153 StPO – in den Einstellungsfällen nach § 153a StPO gegen eine Geldauflage nur dann Raum für eine zusätzliche Verfallsanordnung, wenn die Staatsanwaltschaft – aus welchen Gründen auch immer – davon abgesehen habe, die Verfahrenseinstellung mit einer Geldauflage zu verknüpfen bzw. den Vorteil im Rahmen einer solchen Auflage tatsächlich mit abzuschöpfen.
28Der Kläger beantragt,
29das angefochtene Urteil zu ändern und den Leistungsbescheid des Bürgermeisters der Beklagten vom 5. November 2007 aufzuheben.
30Die Beklagte beantragt,
31die Berufung zurückzuweisen.
32Sie verteidigt das angefochtene Urteil und bezieht sich im Übrigen auf ihr Vorbringen erster Instanz.
33Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (6 Hefte) Bezug genommen.
34Entscheidungsgründe
35Die Berufung ist begründet.
36Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hat die zulässige Anfechtungsklage des Klägers in der Sache Erfolg. Der angefochtene Leistungsbescheid vom 5. November 2007 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
37I.
38Zwar gibt es für das im Streit stehende Herausgabeverlangen des Dienstherrn prinzipiell eine rechtliche Grundlage und ist dabei anerkanntermaßen – neben der Leistungsklage – auch die Geltendmachung des Anspruchs durch Verwaltungsakt (Leistungsbescheid) für statthaft zu erachten. Unbeschadet dessen ist hier im Zeitpunkt des Ergehens des angefochtenen Bescheides bei dem Kläger aber von dem zunächst widerrechtlich erlangten Vermögensvorteil nichts (mehr) vorhanden gewesen, was er noch an die Beklagte hätte herausgeben können und müssen. Der betreffende Vorteil war vielmehr bereits anderweitig – nämlich im Rahmen des Strafverfahrens durch die Geldauflage nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO – (mit) abgeschöpft worden. Hat aber eine solche Abschöpfung stattgefunden, so besteht daneben der beamtenrechtliche Herausgabeanspruch nicht (mehr), und zwar auch dann nicht, wenn seine Voraussetzungen im Übrigen – um deren Vorliegen hier letztlich nicht gestritten wird – allesamt erfüllt sein sollten. Vielmehr steht die grundlegende Zwecksetzung des Herausgabeanspruchs des Dienstherrn einer Doppel- bzw. Mehrfachabschöpfung des von dem Beamten (nur einmal) erlangten Vermögensvorteils notwendig entgegen. Das hat zur Folge, dass der Tatbestand der Anspruchsnorm insoweit restriktiv auszulegen, hilfsweise im Wege teleologischer Reduktion entsprechend zu begrenzen ist. Hinzu kommt, dass – bei rechtssystematischer Auslegung mit besonderem Blick auf § 76 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 LBG a.F. – eine bereits anderweitig erfolgte Abschöpfung des Erlangten dem Herausgabeanspruch des Dienstherrn zumindest unter dem Gesichtspunkt einer "unbilligen Härte" durchgreifend entgegen gehalten werden kann. Dabei steht der Umstand, dass die Geldauflage nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO neben der Abschöpfung des durch die Tat Erlangten noch weitergehende Zwecke verfolgt, ihrer grundsätzlichen Berücksichtigungsfähigkeit als mit dem Herausgabeanspruch des Dienstherrn konkurrierende Abschöpfungsmaßnahme weder allgemein noch im konkreten Fall entgegen. Dies gilt auch mit Blick auf die erforderliche Bestimmbarkeit des Abschöpfungsumfangs.
39II.
40Dies ergibt sich im Einzelnen aus folgenden Erwägungen:
411.
42Ob der mit dem streitgegenständlichen Leistungsbescheid seitens der Beklagten – als Dienstherr des Klägers – geltend gemachte beamtenrechtliche Herausgabeanspruch auf Wertersatz für die pflichtwidrig angenommenen Weinpräsente durchgreifen kann, bestimmt sich hier maßgeblich nach der Rechtsgrundlage des § 76 Abs. 2 – und insbesondere dessen Satz 1 – LBG NRW a.F. und nicht nach dem zuvor geltenden Recht. Dem steht letztlich nicht entgegen, dass die betreffende Herausgabepflicht an einen Lebenssachverhalt anknüpft, der sich im Wesentlichen bereits in den Jahren 2003 und 2004 zugetragen hat – und damit zu Zeitpunkten, in denen die vorgenannte Norm noch nicht existierte. Zwar richtet sich der Inhalt eines gesetzlichen Schuldverhältnisses im Allgemeinen nach den Regeln, die zu dem Zeitpunkt galten, in dem es entstanden ist. Hier bestehen indes durchgreifende Besonderheiten. Auch wenn das die Pflicht zur Herausgabe widerrechtlich erhaltener Belohnungen oder Geschenke begründende Schuldverhältnis zwischen dem Beamten und seinem Dienstherrn prinzipiell schon mit dem pflichtwidrigen Verhalten des Beamten entsteht, so hängt der konkrete Inhalt dieses Schuldverhältnisses doch von vornherein noch von weiteren, ggf. erst nachträglich eintretenden Umständen ab. So ist etwa – wie hier – von Bedeutung, ob es auch zu einem Strafverfahren kommt und in diesem Verfahren der Verfall angeordnet wird. Weiterhin kommt vorliegend hinzu, dass die Beklagte das zugrunde liegende Schuldverhältnis zum Gegenstand eines Verwaltungsakts gemacht hat und ausschließlich der betreffende Bescheid Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist. Dieser Verwaltungsakt hat das Schuldverhältnis mit dem Stand und Inhalt konkretisiert, den es im Zeitpunkt des Erlasses des Leistungsbescheides (noch) gehabt hat. Das legt es nahe, auch die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Vorgehens des Dienstherrn maßgebliche Rechtslage auf diesen Zeitpunkt zu beziehen. Hiervon ist im Übrigen auch die Beklagte wohl wie selbstverständlich ausgegangen, indem sie den Leistungsbescheid ausdrücklich auf den – erst im Jahre 2006 in Kraft getretenen – § 76 Abs. 2 LBG NRW a.F. als Rechtsgrundlage gestützt hat.
43Davon abgesehen findet sich weder im Wortlaut noch in sonstigen Umständen ein Anhalt dafür, dass § 76 Abs. 2 LBG NRW a.F. seinen Anwendungsbereich auf solche Fälle beschränken wollte, in denen der Annahmevorgang hinsichtlich der Belohnung / des Geschenks in die Zeit ab dem 1. August 2006 fiel. Eine tatbestandliche Rückanknüpfung der Norm schied dabei auch nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes aus. Denn mit den Regelungen des § 76 Abs. 2 LBG NRW a.F. sind – worauf noch näher zurückzukommen ist – jedenfalls im Kern nur solche rechtlichen Grundsätze näher kodifiziert worden, die auf der Grundlage einer gefestigten höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung – auch ohne ihre ausdrückliche Normierung – (jedenfalls im Kern) bereits Geltung beanspruchten. Damit hat sich durch die Schaffung des § 76 Abs. 2 LBG NRW a.F. die rechtliche Situation der Betroffenen nicht in relevanter Weise nachteilig verändert. Insbesondere konnte sich kein schutzwürdiges Vertrauen dahin bilden, das unter Verstoß gegen § 76 Abs. 1 LBG Erlangte am Ende selbst behalten zu dürfen.
442.
45Unbeschadet der Frage, ob die Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 LBG NRW a.F. "im Übrigen" vorgelegen haben, ist im Fall des Klägers für den von der Beklagten geltend gemachten Herausgabeanspruch des Dienstherrn in dem maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Leistungsbescheids kein Raum mehr. Dem liegt wesentlich zugrunde, dass die Beklagte ihren Anspruch rechtmäßigerweise nur in dem Umfang auf die genannte Rechtsgrundlage stützen kann, in dem das von dem Beamten unter Verletzung seiner Dienstpflicht aus § 76 Abs. 1 LBG NRW a.F. widerrechtlich Erlangte bzw. der dem entsprechende Vermögenswert nicht – wie hier geschehen (dazu näher unten 3.) – schon auf andere Weise mit einer entsprechenden Zielrichtung aus dem Vermögen des Beamten (von Seiten des Staates) abgeschöpft worden ist. Diese ungeschriebene Voraussetzung erschließt sich aus einer Auslegung der Vorschrift und dabei namentlich aus dem mit ihr verfolgten – in der Sache begrenzten – Zweck. Sie folgt darüber hinaus mit gleichem Ergebnis aus der in § 76 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 LBG NRW a.F. bestimmten sinngemäßen Anwendung der Vorschriften des Strafgesetzbuches über den Verfall.
46§ 76 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW a.F. bestimmt, dass der Beamte, auch nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, keine Belohnungen und Geschenke in Bezug auf sein Amt annehmen darf; Ausnahmen bedürfen dem sich anschließenden Satz 2 zufolge der Zustimmung des gegenwärtigen oder des letzten Dienstvorgesetzten. Der mit Gesetz vom 27. Juni 2006 (GV. NRW S. 278) eingefügte, am 1. August 2006 in Kraft getretene § 76 Abs. 2 LBG NRW a.F., auf welchen die Beklagte den streitgegenständlichen Leistungsbescheid gestützt hat, enthält zudem ausdrückliche Regelungen zur Herausgabepflicht. Grundnorm ist dabei Satz 1 Halbsatz 1. Diesem zufolge ist der Beamte – und zwar, wie Satz 3 klarstellt, auch der Ruhestandsbeamte oder frühere Beamte – dem Dienstherrn zur Herausgabe des widerrechtlich Erlangten verpflichtet; gemäß Satz 1 Halbsatz 2 sind die Vorschriften des Strafgesetzbuches über den Verfall sinngemäß anzuwenden. Gemäß Satz 4 gelten die Sätze 1 bis 3 nicht, entfällt also insbesondere die Grundpflicht zur Herausgabe des Erlangten an den Dienstherrn, wenn im Strafverfahren der Verfall angeordnet ist.
47Mit der Vorschrift des § 76 Abs. 2 LBG NRW a.F. wurde – wie die amtliche Gesetzesbegründung ausweist – der sich aus dem Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken herleitbare beamtenrechtliche Herausgabeanspruch auf widerrechtlich erlangte Vorteilszuwendungen (seinerzeit für das nordrhein-westfälische Recht erstmals) eigenständig gesetzlich normiert.
48Vgl. LT-Drucks. 14/1572 S. 112.
49Aber auch schon vor Schaffung einer solchen speziellen Rechtsgrundlage im Jahre 2006 war der Herausgabeanspruch des Dienstherrn in Bezug auf widerrechtlich angenommene Belohnungen oder Geschenke – abgeleitet aus § 76 Abs. 1 LBG NRW a.F. bzw. (für Bundesbeamte) aus § 70 Satz 1 BBG a.F. – zumindest in seinem Kern anerkannt. Auf der Grundlage entsprechend einschlägiger höchstrichterlicher und obergerichtlicher Entscheidungen,
50vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2002 – 2 C 6.01 –, BVerwGE 115, 389 = DÖD 2002, 170 = ZBR 2002, 356; OVG NRW, Beschluss vom 3. Juli 2002 – 1 B 1526/01 –, NVwZ-RR 2003, 136,
51galt dies jedenfalls für die Zeit ab dem Jahre 2002, welche vorliegend allein interessiert.
52Auch wenn es sich bei § 76 Abs. 2 LBG NRW a.F. wie gesagt um eine eigenständige (landes-)gesetzliche Normierung handelt, ist für die Auslegung seines Inhalts doch nicht zuletzt auch dasjenige (mit) von Bedeutung, was den Inhalt des seinerzeit in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung bereits entwickelten Herausgabeanspruchs – als gewissermaßen allgemeines "Vorbild" der Gesetzesregelungen über den beamtenrechtlichen Herausgabeanspruch beim Verstoß gegen das Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken – maßgeblich prägt bzw. geprägt hat. Insoweit kommt aber – auch im Verhältnis zum Wortlaut der ausdrücklich getroffenen Regelungen – namentlich dem Sinn und Zweck des in Rede stehenden Anspruchs eine hervorgehobene Bedeutung für die Auslegung zu, nötigenfalls auch in Richtung auf ein die Wortlautgrenze im Wege teleologischer Reduktion einengendes Korrektiv. Dies führt im Ergebnis darauf, dass der in Rede stehende Herausgabeanspruch – auch wenn die in § 76 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 LBG NRW a.F. niedergelegten Voraussetzungen wie hier an sich (weiter) vorliegen – entfällt (erlischt), wenn sein Zweck bereits auf anderem Wege vollständig erreicht worden ist oder vorrangig erreicht werden wird.
53Im Ausgangspunkt würde sich der mit dem streitgegenständlichen Leistungsbescheid der Beklagten geltend gemachte Herausgabeanspruch von seiner Rechtsfolge her – auch ohne besondere gesetzliche Festschreibung und Konkretisierung, wie sie § 76 Abs. 2 LBG NRW a.F. enthält – schon aus dem Regelungsgehalt des § 76 Abs. 1 LBG NRW a.F. (für Bundesbeamte entsprechend aus § 70 Satz 1 BBG a.F.) ergeben. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
54Urteil vom 31. Januar 2002 – 2 C 6.01 –, a.a.O.,
55welcher sich der Senat angeschlossen hat,
56vgl. Beschluss vom 3. Juli 2002 – 1 B 1526/01 –, a.a.O.; ferner (zuletzt) Urteil vom 9. April 2008 – 1 A 136/07 –, DÖD, 2008, 280 = juris Rn. 36.
57umfasst bereits das gesetzliche Verbot der Annahme von Belohnungen oder Geschenken (im Sinne jedweder Vorteile) in Bezug auf das Amt, welches die allgemeinen Dienstpflichten des Beamten in dem betreffenden Sachzusammenhang konkretisiert und namentlich der Korruptionsbekämpfung dient, zugleich ein "Behaltensverbot". Verletzt der Beamte das Verbot der Vorteilsannahme, so darf ihm (schon um die Effektivität des Annahmeverbots nicht zu unterlaufen) das rechtswidrig Zugewendete nicht verbleiben. Das Annahmeverbot setzt sich vielmehr als Herausgabegebot fort. Um den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen, der durch die Pflichtverletzung des Beamten eingetreten ist, muss dieser seinem Dienstherrn all das herausgeben, was er aufgrund seines pflichtwidrigen Verhaltens erlangt hat.
58Vgl. dazu auch Kathke, in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Kommentar (Loseblatt, Stand: Januar 2011), Archiv Teil C, § 76 LBG NRW a.F. Rn. 65; Kohde, in: v. Roetteken/Rothländer, BeamtStG, Kommentar (Loseblatt, Stand: Januar 2011), § 42 Rn. 60.
59Ist der Beamte sonach vom Grundgedanken des in Rede stehenden Herausgabeanspruchs (lediglich) verpflichtet, "all das" herauszugeben, was er unredlicherweise durch die Annahme des Geschenks/der Belohnung als Vermögensvorteil erlangt hat, so ergibt sich daraus im Umkehrschluss, dass er "mehr" als eben dies prinzipiell nicht herausgeben muss. Dass ein derartiger Umkehrschluss statthaft und zugleich auch geboten ist, ergibt sich vor allem aus der sachlich begrenzten Zielsetzung des Herausgabeanspruchs des Dienstherrn, welche zugleich die diesen Anspruch näher konkretisierenden Gesetzesvorschriften wesentlich (mit)prägt. Diese Zielsetzung ist – dem strafrechtlichen Verfall vergleichbar – allein eine vermögensordnende. Sie soll, wie schon gesagt, nur gewährleisten, dass dem Beamten das in Bezug auf sein Amt rechtswidrig Zugewendete auch aus generalpräventiven Gründen am Ende nicht selbst verbleibt. Der Ablieferungsanspruch dient insofern nicht dem Ausgleich konkreter Vermögensschäden und soll auch den Betroffenen mit keiner (weiteren) strafähnlichen Sanktion für sein Verhalten belegen. Vielmehr soll in dem betreffenden Sachzusammenhang allein schon durch die einseitige Beseitigung von Vorteilen, nämlich das (einmalige) Abschöpfen des verbotswidrig Erlangten, ein – effektiv möglicher – Beitrag zur Korruptionsbekämpfung und letztlich zum Schutz der Integrität der öffentlichen Verwaltung geleistet werden.
60Vgl. hierzu auch schon Senatsurteil vom 9. April 2008 – 1 A 136/07 –, a.a.O. und juris Rn. 43, m.w.N.
61Wird damit dem Sinn und Zweck des in Rede stehenden Herausgabeanspruchs aber lediglich die einfache/einmalige Abschöpfung des erlangten Vorteils bei dem betroffenen Beamten gerecht, so korrespondiert diesem Zweck zugleich ein Verbot der Doppel- oder Mehrfachbelastung. Dies gilt jedenfalls im Verhältnis solcher Maßnahmen oder Handlungen, die jeweils dasselbe oder ein entsprechendes Schutzziel verfolgen. Ist dieses Ziel bereits durch eine der hierfür in Betracht kommenden Maßnahmen/Handlungen (vollständig) verwirklicht, so ist für eine weitergehende Inanspruchnahme des Betroffenen durch eine zweite Maßnahme, wie eine solche in Anwendung des § 76 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 LBG NRW a.F. oder vergleichbarer Vorschriften, kein Raum mehr. Denn ein dem betreffenden Herausgabeanspruch des Dienstherrn unterliegender wirtschaftlicher Vorteil des Beamten liegt dann nicht mehr vor. In einer solchen Situation den von dem Beamten einmal erlangten Vermögensvorteil – ohne einen durch die Zielrichtung der Anspruchsnorm gerechtfertigten Grund – als Dienstherr noch einmal, also im Ergebnis "doppelt" herauszuverlangen, würde sich überdies als eine mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn und auch dem allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsatz des Übermaßverbots nicht mehr vereinbare Maßnahme darstellen.
62Vgl. namentlich zum Fürsorgegesichtspunkt auch Senatsurteil vom 9. April 2008 – 1 A 136/07 –, a.a.O. und juris Rn. 45 ff., 55, dort bezogen auf den Ausschluss des (bundesbeamtenrechtlichen) Herausgabeanspruchs neben einem bereits realisierten Schadensersatzanspruch des Dienstherrn, welcher sich auf den Ersatz des dem von dem Beamten erlangten Vermögensvorteil gleichsam spiegelbildlich entsprechenden Schadens richtete; ferner Zetzschke, DÖD 2003, 225 (229); zur Bedeutung des Doppelbelastungsverbots im Verhältnis von Verfallsanspruch/Herausgabeanspruch und Steuerschuld bzw. Steuerfestsetzung auch etwa BGH, Urteil vom 21. März 2002 – 5 StR 138/01 –, NJW 2002, 2257 = juris Rn. 31 ff.; VG München, Urteil vom 18. Dezember 2007 – M 5 K 06.916 –, juris Rn. 29 ff.
63Gewissermaßen für den Hauptanwendungsfall einer denkbaren Konkurrenz mehrerer mit vergleichbarer Zielrichtung auf dasselbe Erlangte zugreifende Abschöpfungsansprüche hat im Übrigen auch § 76 Abs. 2 LBG NRW a.F. – offenbar in Anlehnung an eine entsprechende Vorgabe in dem bereits zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Januar 2002 (a.a.O.) – in seinem Satz 4 eine ausdrückliche Regelung getroffen, welche insoweit eine Doppelabschöpfung zwingend ausschließt. Es geht hierbei um das Verhältnis der beamtenrechtlichen Herausgabe des widerrechtlich Erlangten an den Dienstherrn zum strafrechtlichen Verfall. Der angesprochenen höchstrichterlichen Rechtsprechung folgend wurde insofern vom Landesgesetzgeber ein Vorrang des Verfallanspruchs des Staates im Strafverfahren festgelegt, was dem beamtenrechtlichen Herausgabeanspruch des Dienstherrn die Funktion eines (insofern) subsidiären Anspruchs zuweist.
64Eine strikte Beschränkung des Anwendungsvorrangs auf den ausdrücklich angesprochenen Fall der strafrechtlichen Verfallsanordnung könnte indes – wie für den vorliegenden Fall noch aufgezeigt werden wird – nicht ausreichend gewährleisten, dass dem aus dem (begrenzten) Sinn und Zweck des beamtenrechtlichen Herausgabeanspruchs abgeleiteten Verbot der Doppel- und Mehrfachbelastung insgesamt, und zwar auch in anderen – dem strafrechlichen Verfall von der Sache her vergleichbaren – Situationen einer Anspruchs- bzw. Leistungskonkurrenz angemessen Rechnung getragen werden kann. Dies zugrunde gelegt, fehlt es aber zugleich an einem durchgreifenden Anhalt für die Annahme, das Bundesverwaltungsgericht und (womöglich ihm darin folgend) der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber hätten ausschließlich der Fallgruppe der Anordnung des strafrechtlichen Verfalls – exklusiv – einen Anwendungsvorrang vor dem (bei gleicher Zielsetzung subsidiären) beamtenrechtlichen Herausgabeanspruch des Dienstherrn einräumen wollen.
65Zwar enthält die Begründung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Januar 2002 (a.a.O., Rn. 14) u.a. den Satz: "Hat das Strafgericht – wie im vorliegenden Fall – keinen Verfall angeordnet, bleibt es bei der beamtenrechtlichen Ablieferungspflicht". Die (knappe) Urteilsbegründung lässt in jenem Zusammenhang aber nicht hinreichend erkennen, dass das Bundesverwaltungsgericht abgesehen von dem ausdrücklich angesprochenen Fall der strafrechtlichen Verfallsanordnung andere in Betracht zu ziehende Konkurrenzfälle einer Doppel- oder Mehrfachinanspruchnahme des Betroffenen überhaupt näher mit in den Blick genommen hat. Letzteres ist eher zu bezweifeln, weil nicht erkennbar ist, dass das Bundesverwaltungsgericht die Zweckrichtung des beamtenrechtlichen Herausgabeanspruchs abweichend von dem hier zugrunde Gelegten bestimmt hat, auch wenn die Frage einer mehrfachen Inanspruchnahme dort nicht umfassend mitbehandelt wurde. Ausgehend von der vom erkennenden Senat zugrunde gelegten Zweckrichtung des in Rede stehenden Anspruchs hätte es aber notwendig einer Begründung und näheren Abgrenzung bedurft, wenn in sonstigen mit dem Verfall vergleichbaren Fallgestaltungen – letztlich inkonsequent – der Herausgabeanspruch des Dienstherrn zusätzlich hätte zur Anwendung kommen sollen.
66Was die – hier maßgebliche – Vorschrift des § 76 Abs. 2 LBG NRW a.F. betrifft, kommt im Übrigen noch folgendes hinzu: Im vorliegenden Zusammenhang ist nicht allein der Satz 4 von Belang, sondern – worauf der Kläger zutreffend hinweist – auch Satz 1 Halbsatz 2 mit in den Blick zu nehmen. Letzterer bestimmt, dass die Vorschriften des Strafgesetzbuches über den Verfall "sinngemäß anzuwenden" sind. Nach Logik und systematischer Stellung kann sich dies nur auf die Fälle beziehen, in denen der beamtenrechtliche Herausgabeanspruch nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 LBG NRW a.F. überhaupt zur Anwendung gelangt, also nicht wegen des Vorrangs des strafrechtlichen Verfalls nach dem Satz 4 ohnehin ausgeschlossen ist. Dafür, dass sich der Halbsatz 2 (als Rechtsfolgenverweisung) nur auf die nähere Bestimmung des Anspruchsumfangs beziehen soll,
67so aber wohl Kathke, a.a.O., § 76 Rn. 65f,
68lässt sich dabei schon dem Gesetzeswortlaut nichts entnehmen. Vielmehr steht dieser einem Normverständnis des § 76 Abs. 2 LBG NRW a.F., wie es vom Senat zuvor unter dem Stichwort "Verbot einer Doppelbelastung" und Ausrichtung der Argumentation namentlich am Zweck der Regelung entwickelt wurde, nicht nur nicht entgegen. Mit dem uneingeschränkten Verweis des Halbsatzes 2 auf die sinngemäße Anwendung der Verfallsvorschriften stützt er ein solches Verständnis sogar zusätzlich.
69Das ergibt sich daraus, dass sich in den in Bezug genommenen strafrechtlichen Vorschriften über den Verfall mehrere Anknüpfungspunkte finden lassen, die an den Gesichtspunkt des Doppelbelastungsverbots anknüpfen bzw. jedenfalls für dessen Berücksichtigung den gebotenen Raum lassen. Dies findet zunächst in § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB einen deutlichen Niederschlag. Dort wird das Nebeneinander von Verfall und solchen (Schadensersatz-)Ansprüchen des Verletzten ausgeschlossen, deren Erfüllung dem Täter oder Teilnehmer den Wert des aus der Tat Erlangten entziehen würde.
70Vgl. zur Sachgerechtigkeit der Anwendung des Rechtsgedankens auch auf den beamtenrechtlichen Herausgabeanspruch (selbst in Fällen eines fehlenden ausdrücklichen Verweises) bereits Senatsurteil vom 9. April 2008 – 1 A 136/07 –, a.a.O. und juris Rn. 54.
71Über diese Fallgruppe hinausgehend bietet zudem der als "Härtevorschrift" überschriebene § 73c Abs. 1 StGB – und namentlich dessen Satz 1 – einen Weg, die relative Schärfe/Strenge der Grundregel des Verfalls (und dementsprechend der für den beamtenrechtlichen Herausgabeanspruch geltenden Grundregel in § 76 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 LBG NRW a.F.) unter Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände abzumildern und hierdurch zugleich dem rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz – hier in der Ausprägung des Übermaßverbots – Rechnung zu tragen.
72Vgl. allgemein Schäfer, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 10. Aufl. 1985, § 73c Rn. 2; zur Beachtlichkeit für den beamtenrechtlichen Herausgabeanspruch etwa Zetzschke, DÖD 2003, 225 (229).
73In Fällen einer unbilligen Härte ist dabei von der Anordnung des Verfalls zwingend abzusehen (§ 73c Abs. 1 Satz 1 StGB). Bei Entreicherung oder geringem Wert der Sache ist nach Ermessen über das Unterbleiben der Anordnung zu entscheiden (§ 73c Abs. 1 Satz 2 StGB). Zwar ist fraglich, ob der Gedanke der "Entreicherung" – jedenfalls vollumfänglich – entsprechend auf den beamtenrechtlichen Herausgabeanspruch des Dienstherrn übertragen werden kann. Soll nämlich gewährleistet sein, dass der Beamte jeglichen vermögenswerten Vorteil herauszugeben hat, können etwa die spätere Weitergabe oder der Verbrauch erlangter Vorteile den Umfang des Ablieferungsanspruchs grundsätzlich nicht beeinflussen, da ansonsten dem Beamten die bereits genutzten Vorteile belassen würden.
74Vgl. Senatsurteil vom 9. April 2008 – 1 A 136/07 –, a.a.O. und juris Rn. 59 f., m.w.N.
75Keine mit Verbrauch oder Weitergabe vergleichbare Nutzung des Vorteils liegt aber dann vor, wenn sich der betroffene Beamte durch eine mit einem Strafverfahren in der betreffenden Angelegenheit in Verbindung stehende Handlung – wie hier die Zahlung einer Geldauflage zum Zwecke der Einstellung des Verfahrens – auf staatliche Aufforderung/Anregung hin des erlangten Vermögensvorteils vollständig entäußert und auf diese Weise die (einmalige) Abschöpfung des Vorteils aus seinem Vermögen bereits ermöglicht und realisiert hat. Dass die betreffende Handlung einer hoheitlich auferlegten Maßnahme nicht voll entsprechen mag, weil die Entscheidung des Betroffenen, die Geldauflage zu erfüllen, letztlich eine "freiwillige" Mitwirkungshandlung bleibt, auch wenn sie unter dem Druck der ansonsten drohenden Weiterführung des Strafverfahrens erfolgt, ist dabei ebenso unerheblich wie der Umstand, ob Empfänger der Leistung (unmittelbar) der Staat oder aber ein Dritter wie etwa eine gemeinnützige Einrichtung ist.
76Vgl. zur Berücksichtigungsfähigkeit auch freiwilliger Zahlungen sowie solcher (z.B.) an gemeinnützige Einrichtungen im Rahmen der Härteregelungen über den Verfall: OLG Hamm, Urteil vom 26. Oktober 1972 – 5 Ss 751/72 –, NJW 1973, 716 (719); Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. 2006, § 73c Rn. 2, 4; Schäfer, a.a.O., § 73c Rn. 5.
77Ob sich hieran durch den inzwischen in Kraft getretenen § 42 Abs. 2 BeamtStG etwas geändert hat, der zum einen nicht auf eine entsprechende Anwendung der Verfallsvorschriften verweist und zum anderen – als ausdrücklicher weiterer Ausschlussgrund – dem strafrechtlichen Verfall die weitere, inhaltlich immerhin deutlich "offenere" Alternative an die Seite gestellt hat, dass das Erlangte "auf andere Weise auf den Staat übergegangen ist", kann dahinstehen. Denn das Beamtenstatusgesetz ist auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, da es im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Leistungsbescheides der Beklagten noch nicht galt.
783.
79Was konkret die Geldauflage nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO betrifft, durch deren Erfüllung ein Beschuldigter das Ziel der Einstellung des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens verfolgt, fehlt dieser – auch im vorliegenden Fall – nicht die erforderliche Entsprechung (Identität) zu dem "widerrechtlich Erlangten" als Gegenstand des beamtenrechtlichen Herausgabeverlangens des Dienstherrn nach § 76 Abs. 2 Satz 1 LBG NRW a.F. In diesem Zusammenhang gilt Folgendes: Die vor dem Hintergrund des Verbots einer Doppel- und Mehrfachinanspruchnahme im Sinne der obigen Ausführungen unter 1. gemessen an der Zielsetzung der jeweiligen Vermögensabschöpfung erforderliche Entsprechung muss nicht notwendig eine vollständige Entsprechung sein (a). Hiervon ausgehend ist die Geldauflage zum Zwecke der Einstellung des Strafverfahrens nach § 153a StPO grundsätzlich geeignet und in der Regel zugleich bestimmt, eine Funktion (mit) zu erfüllen, die derjenigen des strafrechtlichen Verfalls bzw. des beamtenrechtlichen Herausgabeanspruchs gleichkommt (b). Im Fall des Klägers gibt es – auch mit Blick auf die Frage der Bestimmtheit der Geldauflage – keine Umstände, die (ausnahmsweise) eine davon abweichende Beurteilung rechtfertigen können (c).
80a) Um den oben dargestellten Grundsätzen über das Verbot der Doppel- und Mehrfachabschöpfung hinreichend Geltung verschaffen zu können, muss eine Vermögensabschöpfung gleichgerichteter Zielsetzung schon dann als Sperre für den Herausgabeanspruch des Dienstherrn (in einer entsprechenden Höhe) berücksichtigungsfähig sein, wenn und soweit sie das von dem Beamten widerrechtlich Erlangte (freilich hinreichend bestimmbar) widerspiegelt. Die berücksichtigungsfähige Abschöpfung kann dabei auch lediglich Bestandteil einer übergreifenden Maßnahme sein, welche über die Abschöpfung hinaus noch andere, weitergehende Zwecke verfolgt und dementsprechend insgesamt auf einen höheren Betrag gerichtet ist, als er dem widerrechtlich Erlangten als Objekt des beamtenrechtlichen Herausgabeanspruchs entsprechen würde. Es genügt insofern schon eine Teilentsprechung zwischen den jeweils in den Blick zu nehmenden Maßnahmen/Zahlungen, wenn die neben dem Herausgabeverlangen des Dienstherrn zu prüfende von ihnen die umfassendere ist. Denn in dem hier zur Entscheidung stehenden Zusammenhang sind die weitergehenden Zwecke nicht relevant; dagegen greift im Umfang einer bestehenden Teilidentität der gemeinsame Zweck, dem Beamten/Beschuldigten den unrechtmäßig erlangten Vermögensvorteil abzunehmen, damit er ihn nicht dauerhaft behalten kann. Dann muss insoweit aber auch das Verbot der Doppel- oder Mehrfachabschöpfung dieses Vorteils greifen.
81b) Die Geldauflage nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO betrifft grundsätzlich einen derartigen Fall. Zwar hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die Bestimmung der Höhe der Geldauflage das Ergebnis einer "Gesamtschau" verschiedener relevanter Umstände in dem jeweiligen Einzelfall ist, wobei mit dem zu zahlenden Betrag unter Mitberücksichtigung des erkennbaren Verschuldensgrades und der wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten letztlich eine Genugtuung für begangenes Unrecht geleistet und das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung kompensiert werden soll. Die erforderliche Vornahme einer solchen Gesamtschau schließt aber eine Einzel- bzw. Sonderbetrachtung der einzustellenden Elemente nicht von vornherein aus. Das muss insbesondere dann gelten, wenn es sich um prinzipiell "verpflichtende" Elemente handelt, welche jedenfalls für den Regelfall nicht unberücksichtigt bleiben dürfen.
82Ein solcher Fall ist aber hier gegeben. So bestimmt § 93a der "Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren", der – wenn auch nur als sog. "Innenrecht" – die Strafverfolgungsbehörden mit dem Ziel einer möglichst einheitlichen Praxis grundsätzlich verpflichtend bindet, unter der Überschrift "Gewinnabschöpfung bei Einstellung nach § 153a StPO", Folgendes:
83Bei einer Einstellung nach § 153a StPO achtet der Staatsanwalt auch darauf, dass die Auflagen einen durch die Straftat erlangten Vermögensvorteil abschöpfen. Hierbei kommt in erster Linie die Erteilung einer Auflage nach § 153a Abs. 1 Nr. 1 StPO (Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens) in Betracht. Im Übrigen sollen unredlich erzielte Vermögensvorteile bei der Festsetzung einer Geldauflage nach § 153a Abs. 1 Nr. 2 StPO berücksichtigt werden. In geeigneten Fällen können Auflagen miteinander kombiniert werden.
84Dies zeigt zunächst, dass die Abschöpfung unrechtmäßig erlangter Vermögensvorteile nicht exklusiv dem strafrechtlichen Rechtsinstitut des Verfalls vorbehalten sein soll, sondern auch in dem hier interessierenden Zusammenhang der Einstellung des Verfahrens einen weiteren Anwendungsfall findet. Darüber hinaus bringen die gewählten Formulierungen zum Ausdruck, dass die Abschöpfung des Vorteils keine bloße in die Gesamtschau einzubeziehende Möglichkeit, sondern den Regelfall darstellen soll. Für eine vom Inhalt der Richtlinien abweichende tatsächliche Verwaltungspraxis ist nichts dargetan oder sonst ersichtlich; dabei indiziert gerade auch der vorliegende Fall die grundsätzliche Befolgung der allgemeinen Vorgabe (siehe nachfolgend c).
85Schließlich ist das Berücksichtigungsgebot auch nicht in dem Sinne unbestimmt, dass es hinsichtlich der anzurechnenden Höhe dem Staatsanwalt prinzipiell Spielräume ließe. Dem allgemeinen Wortsinn entsprechend und angesichts fehlender gegenteiliger Anhaltspunkte meint der Begriff "Abschöpfung" in dem betreffenden Zusammenhang vielmehr – jedenfalls für den Regelfall – die Komplettabschöpfung des durch die Tat rechtswidrig Erlangten. Denn eine bloße Teilabschöpfung würde zumindest in der ganz großen Mehrzahl der Fälle keinen erkennbaren Sinn machen. Die durch § 76a Abs. 3 StGB rechtssystematisch eröffnete Möglichkeit, auch im Zusammenhang mit einer Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO (selbstständig) ein strafrechtliches Verfallsverfahren durchzuführen, welche das Verwaltungsgericht mit heranzieht, weist nicht durchgreifend auf Gegenteiliges. Diese Gesetzesregelung hat nämlich offenbar nicht speziell den Fall der Geldauflage nach § 153a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO im Blick, welcher wie gesagt bereits eine dem Verfall in der Zielrichtung und den Wirkungen gleichkommende Abschöpfungsmöglichkeit bietet, die nach dem Vorstehenden auch regelmäßig anzuwenden ist. Jedenfalls ist dem Kläger darin zuzustimmen, dass § 76a Abs. 3 StGB nicht als Einfallstor für eine erkennbar übermäßige und objektiv nicht gerechtfertigte Doppel- oder Mehrfachabschöpfung des von dem Beschuldigten rechtswidrig erlangten Vorteils – insofern im Verhältnis zwischen Geldauflage und Verfall – begriffen werden kann. Gegen eine solche Annahme spricht – zumindest indiziell – auch § 30 Abs. 6 OWiG, der – wenn auch hier nicht unmittelbar einschlägig – jedenfalls ein anschauliches Beispiel dafür gibt, dass der Gesetzgeber, wenn er besondere Bestimmungen zur Konkurrenz verschiedener Abschöpfungsmaßnahmen trifft, gemeinhin darauf achtet, dass die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme (Sanktion) ausgeschlossen wird. Die dortige Regelung betrifft außerdem wie hier die Konstellation, dass die Verhängung der umfassenderen Maßnahme (Geldbuße) der Anwendbarkeit der dahinter zurückbleibenden (Verfall) entgegensteht, und richtet sich dabei jedenfalls im Ergebnis an den oben unter 3. a) niedergelegten Grundsätzen aus.
86Vgl. König in Göhler, OWiG, 14. Aufl. 2006, § 30 Rn. 37; Rotberg, OWiG, 5. Aufl. 1975, § 30 Rn. 11.
87Aus welchen Gründen das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang eine Vergleichbarkeit im Ergebnis abgelehnt hat, macht die schriftliche Urteilsbegründung nicht deutlich.
88c) Der Inhalt und die Begleitumstände der hier dem Kläger mit dem Ziel der Einstellung seines Strafverfahrens erteilten Geldauflage nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO führen nicht auf Besonderheiten, die ausnahmsweise eine von dem unter 3. b) betrachteten Regelfall abweichende Bewertung nahe legen könnten. Statt dessen gibt es konkrete und bestätigende Anhaltspunkte dafür, dass auch hier entsprechend dem Regelfall vorgegangen werden, also eine vollständige Abschöpfung des Erlangten erfolgen sollte.
89So enthalten die zum Verfahren beigezogenen Strafakten das im Urteilstatbestand auszugsweise wiedergegebene Schreiben der Staatsanwältin vom 4. Juni 2007 an die Stadtverwaltung der Beklagten (Blatt 241 der Beiakte Heft 2). In diesem Schreiben heißt es unter anderem: "Bei den Amtsträgern ist bei der Höhe der Auflage der Wert des erlangten Vorteils berücksichtigt worden". Hier sollte ersichtlich (wie im Regelfall) eine Vollabschöpfung des (u.a.) durch den Kläger rechtswidrig erlangten Vorteils stattfinden. Denn die Wortwahl entspricht derjenigen in § 93a Satz 2 der oben angeführten Richtlinien und es fehlt zugleich ein ergänzender Hinweis darauf, dass die Berücksichtigung (ausnahmsweise) nur eine Teilabschöpfung des Vorteils im Sinn gehabt hätte. In eine entsprechende Richtung weist im Übrigen auch der weitere Inhalt dieses Schreibens, auf dessen Inhalt sich die Staatsanwältin in dem kurzen Einstellungsvermerk vom 14. Juni 2007 (Blatt 260 der Beiakte Heft 2) für die näheren Gründe der Einstellung und der Bemessung der Geldauflage ebenfalls bezieht. So heißt es dort im Zusammenhang mit den für die Einstellung maßgeblichen Gesichtspunkten, die Beschuldigten seien unvorbestraft, der Wert der erlangten Vorteile sei relativ gering, die Taten lägen längere Zeit zurück und ein Schaden für die Stadt sei durch die Taten nicht entstanden. Außerdem seien auch die beruflichen und persönlichen Folgen, die das Verfahren für die Beschuldigten habe, berücksichtigt worden. Diesen letztlich nur Milderungsumstände anführenden Formulierungen lässt sich jedenfalls mittelbar entnehmen, dass aus Sicht der Staatsanwältin offenbar weder unter dem Gesichtspunkt der Genugtuung für begangenes Unrecht noch unter demjenigen der Kompensation des öffentliches Interesses an der Strafverfolgung ein Fall von Gewicht vorgelegen hat. Hiervon ausgehend hat dann aber auch kein ersichtlicher Anlass dafür bestanden, mehr als den Differenzbetrag zwischen der Gesamthöhe der Geldauflage von im Falle des Klägers immerhin 1.500 Euro und dem Wert des Erlangten (beim Kläger: 676 Euro) anderen verbleibenden Wiedergutmachungs- und Kompensationszwecken im Zusammenhang mit der Einstellung des Strafverfahrens zuzuordnen. Vielmehr ist im Zweifel auch im konkreten Fall die zum Zweck der Einstellung des Strafverfahrens vom Kläger zu erfüllende Geldauflage dazu genutzt worden, den durch die Tat(en) erlangten Vermögensvorteil vollumfänglich mit abzuschöpfen.
90Wie schon an anderer Stelle angesprochen, ist es für die Entscheidung des Senats letztlich ohne Bedeutung, dass vom Gesamtbetrag der Geldauflage nur 500 Euro – und damit weniger als der Wert des Erlangten – (unmittelbar) der Staatskasse zugeflossen sind und Leistungsempfänger der Restsumme eine gemeinnützige Einrichtung gewesen ist. Wenn nämlich sogar Zahlungsleistungen an derartige Einrichtungen, die der Betroffene (unabhängig von einer Geldauflage) aufgrund seiner autonomen Entscheidung freiwillig erbracht hat, zumindest unter dem Gesichtspunkt der unbilligen Härte (§ 73c Abs. 1 Satz 1 StGB) der Anordnung des strafrechtlichen Verfalls entgegenstehen, weil ansonsten ein Widerspruch zum allgemeinen Rechtsempfinden auftreten würde,
91vgl. etwa Schäfer, in: Leipziger Kommentar zum StGB, a.a.O., § 73 c Rn. 5,
92was auf der hier einschlägigen Grundlage des § 76 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 LBG NRW a.F. entsprechend auch für den im Streit stehenden Herausgabeanspruch des Dienstherrn zu gelten hat, muss diese Rechtsfolge erst recht dann greifen, wenn die Leistung – wie hier – auf eine hoheitlich ausgesprochene Geldauflage im Zusammenhang mit der Absicht der Einstellung des Strafverfahrens zurückzuführen ist. Da die nähere Aufteilung der Bestandteile der Geldauflage nicht durch den Betroffenen, sondern durch die Staatanwaltschaft vorgenommen wird, ähnelt nämlich diese Fallkonstellation den Gegebenheiten beim strafrechtlichen Verfall noch wesentlich mehr als diejenige einer völlig autonomen freiwilligen Zuwendung an Dritte. Um die Leistung von Schadensersatz geht es bei alledem im Übrigen nicht.
93Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
94Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO, § 127 BRRG nicht gegeben sind. Der Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache steht dabei auch entgegen, dass es sich bei der konkreten landesgesetzlichen Grundlage für die rechtliche Beurteilung des Falles um ausgelaufenes Recht handelt und der Senat keine Erkenntnisse darüber hat, dass noch eine beachtliche Anzahl von vergleichbaren Streitfällen nach diesem Recht zu entscheiden ist.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.