Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 A 88/08
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert. Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Voll¬streckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreck¬baren Betrages ab¬wenden, wenn nicht die Beklagte vor der Voll¬streckung Sicherheit in Höhe des je¬weils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand
2Der am 11. März 1950 geborene Kläger besuchte nach der Beendigung der Volksschule von April 1965 bis März 1968 die Handelsschule, die er am 14. März 1968 erfolgreich abschloss. Zum 1. April 1968 trat er als Verwaltungslehrling in den Dienst des Landkreises C. ein und legte am 26. März 1970 die Prüfung zum mittleren allgemeinen Verwaltungsdienst ab. Vom 1. April 1970 bis zum 28. Februar 1974 war er als Angestellter beim Landkreis C. und nach dessen Auflösung vom 1. März bis zum 30. Juni 1974 bei der Stadt C. beschäftigt. Mit Schreiben vom 1. April 1974 bewarb er sich um eine Einstellung in den gehobenen nichttechnischen Dienst bei der Landesversicherungsanstalt C. . Aufgrund einer Einstellungszusage vom 15. Mai 1974 nahm er am 1. August 1974 seinen Dienst als Landesinspektor–Anwärter bei der Landesversicherungsanstalt C. auf. Am 1. Juli 1977 wurde er zum Landesinspektor z. A. und am 1. Januar 1980 zum Landesinspektor ernannt. Zum 1. Mai 1980 erfolgte seine Versetzung zur Landesversicherungsanstalt S. , der Rechtsvorgängerin der Beklagten.
3Mit Bescheid vom 16. Juli 1980 wurden die Vordienstzeiten bei dem Landkreis C. und der Stadt C. vom 1. April 1970 bis zum 30. Juni 1974 gemäß § 10 Abs. 1 BeamtVG als ruhegehaltfähige Dienstzeiten anerkannt.
4Unter dem 19. August 2004 übermittelte die Beklagte dem Kläger auf seine Bitte hin eine handschriftlich als "unverbindliche Vorausberechnung" bezeichnete Berechnung des monatlichen Bruttogehalts für die Zeit ab dem 1. September 2004, wobei dieser Berechnung die Annahme des Eintritts in die Altersteilzeitphase zugrunde lag.
5Unter dem 22. Dezember 2005 stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung von Altersteilzeit ab dem 1. April 2006 im sog. Blockmodell. In dem Antrag hieß es u. a.: "Ich bin seit 28.11.1988 schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 70 v.H. und wähle als Beginn meines Ruhestandes gem. § 45 Abs. 4 Nr. 2 LBG NRW die Vollendung des 60. Lebensjahres, wobei ich davon ausgehe, dass ich ohne Abschläge in den Ruhestand gehen kann."
6Mit Schreiben vom 9. Januar 2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass seinem Antrag entsprochen worden sei. Die Altersteilzeit beginne mit der zweijährigen Arbeitsphase – als Vollzeittätigkeit – am 1. April 2006 und ende nach Ablauf der ebenfalls zweijährigen Freistellungsphase am 31. März 2010.
7Mit Schreiben vom 28. Februar 2006 informierte die Beklagte den Kläger u. a. darüber, dass neben dem besoldungsrechtlichen Ausgleich bei einer vorzeitigen Beendigung des Dienstverhältnisses kein weiterer versorgungsrechtlicher Ausgleich vorzunehmen sei, da die nach § 6 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG vorgesehene generelle Anrechnung des Zeitraums der Altersteilzeit mit 9/10 als ruhegehaltfähige Dienstzeit unverändert bleibe.
8Nach vorherigem telefonischen Verzicht auf eine Anhörung durch den Kläger nahm die Beklagte mit Bescheid vom 29. Mai 2006, der am 6. Juni 2006 zur Post gegeben wurde, den Bescheid über die Anerkennung der Vordienstzeiten vom 16. Juli 1980 unter Berufung auf § 48 des Verwaltungsverfahrensgesetzes Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) zurück. Die Anerkennung als Angestellter beim Landkreis C. und bei der Stadt C. vom 1. April 1970 bis zum 30. Juni 1974 sei rechtwidrig gewesen, da sie weder der damaligen noch der heutigen Rechtslage entspreche. Eine Tätigkeit in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis müsse zur Ernennung als Beamter geführt haben, um als ruhegehaltsfähig anerkannt zu werden. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt im Fall der Absolvierung eines Vorbereitungsdienstes. Dann träten die in einem vorangegangenen privatrechtlichen Arbeitsverhältnis erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten hinter die Ausbildung im Vorbereitungsdienst zurück. Die Jahresfrist nach § 48 Abs. 4 VwVfG sei eingehalten, da die Rechtswidrigkeit der getroffenen Anerkennung am 18. April 2006 festgestellt worden sei. Im Rahmen der Ermessensentscheidung könne der Kläger sich nicht auf einen Vertrauenstatbestand berufen.
9Der Kläger erhob gegen diesen Bescheid am 8. Juni 2006 Widerspruch, den seine Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 30. August 2006 näher begründete: Der Bescheid vom 16. Juli 1980 könne nicht zurückgenommen werden. Die Anerkennung der Tätigkeit bei dem Landkreis und der Stadt C. sei zu Recht erfolgt. Die Rechtslage habe sich insoweit auch nicht geändert. Ohne diese vorherige Dienstzeit wäre es ihm nicht möglich gewesen, in den gehobenen Dienst übernommen zu werden, da er die Laufbahnvoraussetzungen wegen der fehlenden allgemeinen Hochschulreife nicht erfüllt habe. Bei seiner Einstellung sei ein besonderes Augenmerk auf die vorangegangene Tätigkeit gelegt worden. Demzufolge sei sie eine für die Laufbahn des Klägers im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG förderliche Tätigkeit gewesen.
10Zudem sei die betreffende Zeit auch nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtVG anerkennungsfähig. Der Kläger besitze die allgemeine Hochschulreife nicht. Die Anerkennung der hauptberuflichen Tätigkeit sei daher zum Nachweis eines gleichwertigen Bildungsstandes erfolgt. Aufgrund des Vorliegens dieser Voraussetzungen habe überhaupt erst eine Übernahme in das Beamtenverhältnis im gehobenen Dienst erfolgen können.
11Die Beklagte habe weiterhin ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Es sei unberücksichtigt geblieben, dass dem Kläger wegen seiner Absicht, ab dem 1. Januar 2007 in Altersteilzeit zu gehen, unter dem 19. August 2004 auf seinen Antrag eine Vorausberechnung der Versorgungsbezüge erstellt worden sei. Dabei seien die hier in Rede stehenden Beschäftigungszeiten berücksichtigt worden. Bei der Berechnung der Jahresfrist müsse berücksichtigt werden, dass die Beklagte spätestens am 19. August 2004 Kenntnisse für eine Rücknahmeentscheidung gehabt habe.
12Mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2006 wies die Beklagte den Widerspruch unter Bezugnahme auf die Gründe des Ausgangsbescheides zurück und führte ergänzend aus, mit dem Bescheid vom 18. Juli 1977 sei das Besoldungsdienstalter festgesetzt worden. Dies sei für die Berechnung der Versorgungsbezüge ohne rechtliche Bedeutung. Bei der unverbindlichen Vorausberechnung der Dienstbezüge in dem Bescheid vom 19. August 2004 seien wiederum ausschließlich besoldungsrechtliche Regelungen maßgebend gewesen. Eine Anforderung oder Durchsicht der Personalakte sei hierzu keinesfalls notwendig gewesen.
13Der Kläger hat am 22. Dezember 2006 unter Wiederholung und Vertiefung des bisherigen Vorbringens Klage erhoben.
14Er hat beantragt,
15den Bescheid der Beklagten vom 29. Mai 2006 und den Widerspruchsbescheid vom 28. November 2006 aufzuheben,
16Die Beklagte hat beantragt,
17die Klage abzuweisen,
18und zur Begründung ihre bisherigen Ausführungen wiederholt und vertieft.
19Mit dem angefochtene Urteil, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der angefochtene Bescheid ermessensfehlerhaft sei, weil die Beklagte bei ihrer Rücknahmeentscheidung das Vorliegen der Voraussetzungen des § 10 Satz 1 BeamtVG bezogen auf die Dienstzeit vom 1. April 1970 bis 30. Juni 1974 unter Bezugnahme auf eine falsche Rechtgrundlage verneint habe. Maßgebliche Rechtsgrundlage für die Übernahme des Klägers in den Vorbereitungsdienst für den gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst bei der Landesversicherungsanstalt C. ab dem 1. August 1974 sei § 23 Abs. 2 der Niedersächsischen Laufbahnverordnung (NLVO) vom 26. März 1971 (Nds. GVBl. 1971, 113) gewesen. Aus Art. II § 3 Abs. 1 (richtig: Art. II § 2 Abs. 1) der Zweiten Änderungsverordnung zur NLVO (Nds. GVBl. 1974, 337), die am 1. Juli 1974 in Kraft getreten sei, folge, dass nicht § 23 NLVO in der Fassung der zweiten Änderungsverordnung, sondern inhaltlich § 23 Abs. 2 NLVO a. F. bis zum 31. Dezember 1977 fortgegolten habe. Somit habe – wie im Falle des Klägers und anders als nach der Neufassung der Norm – die Einstellung in den gehobenen nichttechnischen Dienst auch denjenigen offen gestanden, die (nur) über einen Realschulabschluss verfügt hätten, wenn zuvor ein zweijähriges Verwaltungspraktikum abgeleistet worden sei. Die Beklagte habe demgegenüber bei der Rücknahme des Bescheides vom 16. Juli 1980 die Neufassung des § 23 NLVO zugrundegelegt und dementsprechend die Absolvierung des (späteren) Vorbereitungsdienstes als für die Ernennung prägend angesehen. Da bei Absolventen der Realschule nach der im Zeitpunkt des Beginns des Vorbereitungsdienstes noch geltenden alten Fassung des § 23 Abs. 2 NLVO aber das zweijährige Verwaltungspraktikum als Voraussetzung der Aufnahme in den Vorbereitungsdienst gegolten habe, sei die entsprechende Tätigkeit als bedeutsam für den Vorbereitungsdienst angesehen worden, was die Beklagte verkannt habe.
20Zur Begründung der vom Senat mit Beschluss vom 26. Januar 2010 zugelassenen Berufung trägt die Beklagte im Wesentlichen vor:
21Für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides sei es ohne Belang, ob § 23 NLVO in seiner alten oder in der durch die Zweite Änderungsverordnung veränderten Fassung Anwendung finde. Denn diese Vorschriften regelten lediglich den Zugang zum Vorbereitungsdienst. Die für die Anrechnung von Vordienstzeiten maßgebliche Vorschrift des § 10 Abs. 1 BeamtVG stelle dagegen darauf ab, ob die in dieser Vorschrift aufgeführten Zeiten zur Ernennung des Beamten geführt hätten. Dies sei nur bei dem Bestehen eines funktionellen und zeitlichen Zusammenhangs der Fall. Ein funktioneller Zusammenhang zur Ernennung in das eigentliche Beamtenverhältnis zum Beamten auf Probe werde durch die Übernahme in den Vorbereitungsdienst nicht hergestellt. Eine Ausnahme gelte allenfalls dann, wenn die Zulassung zum Vorbereitungsdienst in erster Linie Angestellten des öffentlichen Dienstes vorbehalten sei, was nicht der Fall gewesen sei.
22Der Kläger genieße auch keinen Vertrauensschutz im Rahmen des § 48 Abs. 2 VwVfG NRW. Er habe keine Vermögensdisposition im Sinne des Satzes 2 dieser Vorschrift getroffen, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen könne. Insbesondere durch die Wahl der Altersteilzeit habe er keine Disposition mit versorgungsrechtlicher Relevanz getroffen. Der Kläger habe zwar die Höhe seiner Dienstbezüge im Rahmen der Altersteilzeit erfragt. Er habe aber die konkreten versorgungsrechtlichen Auswirkungen der Altersteilzeit nicht durch eine Vorausberechnung überprüfen und ermitteln lassen. Dabei sei es Beamten seit 1992 nicht mehr möglich, die eigenen ruhegehaltsfähigen Dienstzeiten mit dem Vomhundertsatz der Versorgung zu ermitteln. Deshalb habe der Kläger auch nur hinsichtlich der Altersteilzeit eine Vermögensdisposition getroffen, nicht aber für die Zeit nach der Versetzung in den Ruhestand. Ohne Kenntnis der tatsächlichen Höhe des Ruhegehalts sei eine Lebensplanung unter Berücksichtigung finanzieller Aspekte nicht möglich. Im Übrigen habe der Kläger nach der Rücknahme des Bescheides vom 16. Juli 1980 keine Anfrage an die Abteilung Verwaltung mit dem Ziel gestellt, das gewählte Altersteilzeitmodell abzubrechen oder zu verändern, z. B. durch die Verlängerung der Arbeits- und Freistellungsphasen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahrs. In Einzelfällen seien in der Vergangenheit begründete Abänderungsanträge positiv beschieden worden. Gegenüber dem erheblichen öffentlichen Interesse, keine Versorgung zu zahlen, die über die gesetzlichen Vorschriften hinausgehe, müsse das private Interesse des Klägers zurückstehen. Die Rücknahmeentscheidung der Beklagten habe den zugrunde liegenden Sachverhalt hinreichend berücksichtigt. Auch habe sie ihr Rücknahmeermessen fehlerfrei ausgeübt.
23Auf Nachfrage des Gerichts hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 8. April 2011 mitgeteilt, dass der Differenzbetrag der Versorgungsbezüge des Klägers, je nach dem, ob die Altersteilzeit durchgeführt worden wäre oder nicht, bei unterstellter Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides monatlich 15,22 Euro betrage.
24Die Beklagte beantragt,
25das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
26Der Kläger beantragt,
27die Berufung zurückzuweisen.
28Zur Begründung trägt er vor: Die Anerkennung der Dienstzeiten vom 1. April 1970 bis zum 30. Juni 1974 sei zu Recht erfolgt. Denn diese Dienstzeiten seien im Sinne des § 10 BeamtVG für seine Ernennung zum Beamten förderlich gewesen. Er verfüge nicht über die allgemeine Hochschulreife. Deswegen habe aufgrund seiner hauptberuflichen Erfahrung überhaupt eine Übernahme in das Beamtenverhältnis im gehobenen Dienst erfolgen können.
29Die Aufhebung des Anrechnungsbescheides sei auch ermessensfehlerhaft erfolgt. Die Beklagte habe nicht nur eine falsche Rechtsgrundlage angewendet, sondern auch seine Vertrauensposition falsch bewertet. Eine Berufung auf Vertrauensschutz sei zunächst nicht ausgeschlossen, weil die Anerkennung der Vordienstzeiten unter dem Vorbehalt der Rechtsänderung erfolgt sei. Denn die Rechtslage habe sich insoweit nicht geändert. Im Übrigen habe er, der Kläger, eine Vermögensdisposition getroffen, die nicht mehr rückgängig zu machen gewesen sei. Im Vertrauen auf seine zukünftigen Versorgungsbezüge – auch der Höhe nach – habe er Altersteilzeit beantragt. Erst nach deren Bewilligung sei die Aufhebung des Anrechnungsbescheides erfolgt. Deshalb habe er seine Entscheidung nicht mehr rückgängig machen können. Dabei hätten der Beklagten nach seiner Beantragung von Altersteilzeit und vor Beginn derselben drei Monate zur Klärung der Versorgungsbezüge zur Verfügung gestanden. Trotzdem sei die Rücknahmeentscheidung erst am 29. Mai 2006, also erst nach Beginn der Altersteilzeit erfolgt. Auf die Möglichkeit, die Aufnahme von Altersteilzeit wieder rückgängig zu machen, sei er nicht hingewiesen worden. Anzunehmen, er hätte sich hiernach erkundigen müssen, verkenne den Umfang der Fürsorgepflicht der Beklagten. Ihm seien solche Möglichkeiten auch nicht bekannt gewesen. Nach Gesprächen mit Kollegen habe er vielmehr davon ausgehen müssen, dass nach Antritt der Altersteilzeit eine Umkehr nicht mehr möglich sei. In Kenntnis der Aufhebung des Anerkennungsbescheides hätte er keine Altersteilzeit beantragt. Zur Vermeidung von Vermögensnachteilen hätte er vielmehr die Möglichkeiten genutzt, die ihm als Schwerbehindertem beim Eintritt in den Ruhestand zugestanden hätten. Auch habe die Beklagte bei der Aufhebung nicht den Zeitraum des Bestandes des Bescheides berücksichtigt. Schließlich bestehe weiterhin die Möglichkeit, die Dienstzeiten auch nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 BeamtVG anzuerkennen, dessen Voraussetzungen er erfülle.
30Mit Schriftsatz vom 28. April 2001 hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers noch ergänzt, dass er seinen aktiven Dienst bis zum Alter von 65 Jahren fortgesetzt hätte, wenn ihm mitgeteilt worden wäre, dass die Dienstzeiten vor dem 1. Juli 1974 nicht angerechnet werden würden. Dies hätte nämlich zu einer erheblichen Erhöhung seiner Versorgungsbezüge von etwa 300,00 Euro brutto monatlich geführt.
31Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (3 Hefte) Bezug genommen.
32Entscheidungsgründe
33Die Berufung hat Erfolg. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
34Der Bescheid der Beklagten vom 29. Mai 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
35Rechtsgrundlage für diesen Bescheid ist § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW. Danach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
361. Diese Norm findet grundsätzlich auch auf die Aufhebung von Bescheiden nach § 49 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG Anwendung, soweit Letztere rechtswidrig sind. Dem steht nicht § 49 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BeamtVG entgegen. Nach dieser Vorschrift stehen Entscheidungen nach dem Halbsatz 1 derselben Vorschrift – also über die Berücksichtigung ruhegehaltfähiger Dienstzeiten – unter dem Vorbehalt eines Gleichbleibens der Rechtslage, die ihnen zugrunde liegt. Mit diesem Vorbehalt wird lediglich der Tatsache Rechnung getragen, dass Entscheidungen nach Halbsatz 1 schon bei der Berufung in das Beamtenverhältnis getroffen werden sollen, ihre Relevanz häufig aber erst viel später, nämlich mit dem Eintritt in den Ruhestand, zu Tage tritt. Keinesfalls wird hierdurch eine Rücknahme nach den allgemeinen Vorschriften über das Verwaltungsverfahren ausgeschlossen, die ihren Anknüpfungspunkt in der Rechtswidrigkeit der Anerkennungsentscheidung findet und nicht in einer späteren Änderung der Rechtslage.
37Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. April 1972 – 2 C 2.71 –, BVerwGE 40, 65 = juris Rn. 25 f.; Brockhaus, in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Lsbl., Stand März 2011, § 49 BeamtVG, Rn. 30.
382.
39Der Bescheid vom 16. Juli 1980 war – soweit darin ruhegehaltsfähige Dienstzeiten vom 1. April 1970 bis zum 30. Juni 1974 anerkannt worden sind – von Anfang an rechtswidrig. Denn die Voraussetzungen des – soweit hier von Bedeutung – seitdem unverändert geltenden § 10 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG in der Fassung des Gesetzes vom 24. August 1976, BGBl. I S. 2485 (für Bundesbeamte jetzt: § 10 Satz 1 BeamtVG; zur Fortgeltung des Beamtenversorgungsgesetzes in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung in den Ländern bei – wie hier für Nordrhein-Westfalen – bisher fehlender Ersetzung durch Landesrecht vgl. § 108 Abs. 1 BeamtVG), auf den sich die Rechtsvorgängerin der Beklagten bei dem Erlass des Bescheides gestützt hat, lagen – und liegen – nicht vor.
40Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a. F. sollen als ruhegehaltfähig auch die nachfolgend unter Nr. 1 und 2 aufgeführten Zeiten berücksichtigt werden, in denen ein Beamter nach Vollendung des siebzehnten Lebensjahres vor der Berufung in das Beamtenverhältnis im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn im Reichsgebiet ohne von dem Beamten zu vertretende Unterbrechung tätig war, sofern diese Tätigkeit zu seiner Ernennung geführt hat. Nr. 2 derselben Regelung benennt insoweit u. a. Zeiten einer für die Laufbahn des Beamten förderlichen Tätigkeit. Der Regelung liegt der Gedanke zugrunde, dass die Tätigkeiten eines Angestellten im öffentlichen Dienst in der Regel den Aufgaben und den Tätigkeiten der Beamten nahe kommen und von daher geeignet sind, dem künftigen Beamten Erfahrungen zu vermitteln, die für seinen Beamtendienst von Bedeutung sind.
41Vgl. Hess. VGH, Urteil vom 6. November 1996 – 1 UE 327/95 –, HGZ 1997, 25 = juris Rn. 22.
42In der zitierten Vorschrift kommt dies besonders durch die Formulierungen zum Ausdruck, nach denen diese Tätigkeit "zu seiner Ernennung geführt" haben muss bzw. nach denen es sich um eine "für die Laufbahn des Beamten förderliche Tätigkeit" handeln muss. Zwischen der Vortätigkeit und dem späteren Beamtendienst muss danach in funktioneller und zeitlicher Hinsicht ein innerer Zusammenhang bestanden haben. Der funktionelle Zusammenhang besteht dann, wenn die förderliche Tätigkeit Fähigkeiten und Erfahrungen vermittelt hat, die ein wesentlicher, wenn auch nicht notwendig ausschlaggebender Grund für die Übernahme in das Beamtenverhältnis gewesen sind. In zeitlicher Hinsicht muss die förderliche Tätigkeit der Ernennung unmittelbar vorangegangen sein und darf keine vom Beamten zu vertretende Unterbrechung vorgelegen haben.
43Vgl. Senatsbeschluss vom 9. August 2006 – 1 A 53/05 –, juris Rn. 7; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28. Januar 2008 – 4 S 444/06 –, juris Rn. 27; Hess. VGH, Urteil vom 6. November 1996 – 1 UE 327/95 –, a. a. O., juris Rn. 22, und Beschluss vom 16. Juli 2009 – 1 A 826/09.Z –, juris Rn. 3
44Dabei ist mit der Ernennung regelmäßig die Ernennung zum Beamten auf Probe gemeint, nicht die Ernennung zum Beamten auf Widerruf bei Eintritt in den Vorbereitungsdienst. Das folgt insbesondere daraus, dass § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG a. F. verlangt, dass die Vortätigkeit "für die Laufbahn" des Beamten förderlich sein muss. Erst wenn die Anforderungen der Laufbahn – und nicht allein die Anforderungen für den Eintritt in den Vorbereitungsdienst – feststehen, können diese mit den Anforderungen der Vordiensttätigkeit verglichen werden.
45Vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Dezember 2008 – 2 B 57/08 –, juris Rn. 6; Hess VGH, Beschluss vom 16. Juli 2009 – 1 A 826/09.Z –, juris Rn. 4.
46Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die für eine Laufbahn erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse vollumfänglich und in ausreichendem Maße im Vorbereitungsdienst erworben und durch die Laufbahnprüfung nachgewiesen werden. Kenntnisse und Erfahrungen, die vor Beginn des Vorbereitungsdienstes erworben wurden, treten dann regelmäßig in den Hintergrund und stehen nicht im erforderlichen funktionellen Zusammenhang zu dem maßgeblichen Beamtendienst.
47Vgl. Hess. VGH, Urteil vom 6. November 1996 – 1 UE 327/95 –, a. a. O., juris Rn. 23; VG Wiesbaden, Urteil vom 12. Juni 2001 – 8 E 383/93 (V) –, juris Rn. 30.
48Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn die Vortätigkeit gewissermaßen eine Bedingung für den Eintritt in den Vorbereitungsdienst gewesen ist. Das kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn der Vorbereitungsdienst vornehmlich Angehörigen des öffentlichen Dienstes offen steht, die als Angestellte über bestimmte Vorerfahrungen verfügen.
49Vgl. Hess. VGH, Urteil vom 6. November 1996 – 1 UE 327/95 –, a. a. O., juris Rn. 24; VG Wiesbaden, Urteil vom 12. Juni 2001 – 8 E 383/93 (V) –, juris Rn. 27. I. E. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28. Januar 2008 – 4 S 444/06 –, juris Rn. 27.
50Nach diesen Grundsätzen konnte die im Streit stehende Anerkennung der vom Kläger in der Zeit vom 1. April 1970 bis zum 30. Juni 1974 ausgeübten Vordiensttätigkeiten nicht erfolgen. Denn der erforderliche funktionelle Zusammenhang zwischen der während der streitbefangenen Vordienstzeiten ausgeübten Tätigkeit und der späteren Ernennung zum Landesinspektor z. A. hat nicht bestanden. Diese Tätigkeiten haben nicht im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a. F. zu seiner Ernennung geführt und waren insoweit auch nicht im Sinne der Nr. 2 dieser Vorschrift für die betreffende Laufbahn förderlich. Der Kläger ist zum 1. August 1974 in den Vorbereitungsdienst zum gehobenen nichttechnischen Dienst in der Rentenversicherung eingetreten und ist nach bestandener Laufbahnprüfung am 1. Juni 1977 zum Landesinspektor z. A. ernannt worden. Die hierfür maßgeblichen Kenntnisse und Erfahrungen hat er im vorgelagerten Vorbereitungsdienst von knapp drei Jahren erlangt.
51Es liegt insoweit auch kein Ausnahmefall in dem Sinne vor, dass diese Vordienstzeiten eine Voraussetzung für die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst gewesen sind. Denn nach der durch Art. I Nr. 14 der Zweiten Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Laufbahnverordnung (Nieders. GVBl. Nr. 23/1974 vom 27. Juni 1974, S. 337) geänderten Vorschrift des § 23 Abs. 1 NLV stand ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Änderungsverordnung am 1. Juli 1974 (Art. V Abs. 1 der Zweiten Änderungsverordnung) der Vorbereitungsdienst einer Laufbahn des gehobenen nichttechnischen Dienstes grundsätzlich jedem offen, der die Hochschulreife oder die Fachhochschulreife besaß oder einen entsprechenden Bildungsstand nachwies. Lediglich übergangsweise, nämlich bis zum 31. Dezember 1977, galt gemäß Art. II § 2 Abs. 1 der Zweiten Änderungsverordnung, dass abweichend von § 23 Abs. 1 NLVO (n. F.) auch in den gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst eingestellt werden konnte, wer eine Realschule erfolgreich besucht hatte oder einen entsprechenden Bildungsstand nachwies. Diese Bewerber mussten nach Satz 2 der genannten Vorschrift vor Beginn des Vorbereitungsdienstes ein Verwaltungspraktikum von zwei Jahren ableisten. Der Kläger weist zutreffend daraufhin, dass es ihm nur aufgrund dieser Regelung überhaupt möglich war, in den Vorbereitungsdienst für den gehobenen nichttechnischen Dienst aufgenommen zu werden. Das liegt allerdings nicht daran, dass das zweijährige Verwaltungspraktikum generell eine Voraussetzung für den Eintritt in den Vorbereitungsdienst gewesen wäre und dass damit der Vorbereitungsdienst im Sinne der oben erläuterten Grundsätze faktisch nur Angestellten des öffentlichen Dienstes offen gestanden hätte. Vielmehr stellte die Ableistung des Verwaltungspraktikums lediglich in Ausnahmefällen die Möglichkeit der Einstellung in den Vorbereitungsdienst dar, wenn der Bewerber den an sich erforderlichen Bildungsabschluss (allgemeine Hochschulreife o. ä.) nicht erreicht hatte, sondern (nur) über einen Realschulabschluss verfügte.
52Dass § 10 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a. F. solche Vordienstzeiten, die an die Stelle einer nicht vorhandenen Schulbildung treten, nicht erfasst, ergibt sich auch aus systematischen Erwägungen. Denn § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Satz 2 BeamtVG (in der soweit hier von Bedeutung seit der Anerkennungsentscheidung unverändert geltenden Fassung) stellt klar, dass solche Vordiensttätigkeiten, die die an sich erforderliche allgemeine Schulbildung ersetzen, gerade nicht anerkennungsfähig sein sollen. Das folgt daraus, dass nach Satz 1 dieser Vorschrift Ausbildungszeiten nur anerkennungsfähig sind, soweit sie "außer der allgemeinen Schulbildung" vorgeschrieben sind. Exemplarisch werden insoweit Fachschul-, Hochschul- und praktische Ausbildungen genannt. Satz 2 stellt demgegenüber klar, dass andere Arten von Ausbildung der Schulbildung gleichstehen – also auch nicht anerkennungsfähig sind –, wenn sie die allgemeine Schulbildung ersetzen, was bezogen auf die Verwaltungstätigkeit des Klägers vor dem 1. Juli 1974 – auch nach seinem eigenen Dafürhalten – der Fall gewesen ist. Diesen Grundsätzen widerspräche es, denselben, nach der spezielleren Regelung für Ausbildungszeiten nicht anerkennungsfähigen Zeiten über § 10 Abs. 1 BeamtVG a. F. dann doch die Anerkennungsfähigkeit zuzusprechen.
53Vgl. Senatsbeschluss vom 27. Oktober 2008 – 1 A 1864/07 –, n. v.
54Aus dem zuvor Ausgeführten folgt zugleich, dass auch die Voraussetzungen für eine Anerkennung der vor dem 1. Juli 1974 geleisteten Verwaltungstätigkeit des Klägers nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG a. F. nicht vorgelegen haben. Gleiches gilt für eine Anerkennung im Rahmen des § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG a. F., auf den sich der Kläger beruft. Nach dieser Vorschrift kann als ruhegehaltfähig berücksichtigt werden die nach Vollendung des siebzehnten Lebensjahres verbrachte Mindestzeit einer praktischen hauptberuflichen Tätigkeit, die für die Übernahme in das Beamtenverhältnis vorgeschrieben ist. Auch insoweit gilt nach den vorherigen Ausführungen, dass das Verwaltungspraktikum im Rahmen des Art. II § 2 Abs. 1 der Zweiten Änderungsverordnung zur NLVO nicht für den Eintritt in den Vorbereitungsdienst vorgeschrieben war, sondern allenfalls einzelnen Bewerbern die Möglichkeit bot, fehlende allgemeine Schulbildung auszugleichen.
553.
56Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG NRW unterliegt die Rücknahme eines Verwaltungaktes, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 derselben Vorschrift. Auch insoweit liegt ein Rechtsverstoß nicht vor.
57a) Gemäß § 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG NRW darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist.
58aa)
59Bei dem Anerkennungsbescheid vom 16. Juli 1980 handelt es sich um einen Verwaltungsakt, der im Sinne dieser Vorschrift Voraussetzung für eine laufende Geldleistung ist. In der Anerkennung bestimmter Dienstzeiten als ruhegehaltfähig liegt noch keine Bewilligung eines bestimmten Ruhegehalts in Form einer Geldleistung. Diese erfolgt regelmäßig erst im Zusammenhang mit dem Eintritt in den Ruhestand, während die Anerkennung ruhegehaltsfähiger Dienstzeiten nach der Regelung des § 49 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG bereits zum Zeitpunkt der Berufung in das Beamtenverhältnis erfolgen soll (vgl. oben, 1.). Letztere ist daher im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG NRW Voraussetzung für die spätere Geldleistung, weil sich die Höhe des Ruhegehalts gemäß § 14 BeamtVG nach dem Umfang der ruhegehaltfähigen Dienstzeit berechnet.
60Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1985 – 2 C 40.82 –, ZBR 1986, 274 = juris Rn. 13 und 16, m. w. N. Vgl. ferner zur Festsetzung des Besoldungsdienstalters Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 11. Aufl. 2010, § 48 Rn. 91.
61bb) Zugunsten des Klägers ist auch davon auszugehen, dass er auf den Bestand des Bescheides vom 16. Juli 1980 vertraut hat. Dem steht zunächst nicht entgegen, dass der Bescheid unter dem Vorbehalt späterer Rechtsänderung ergangen ist. Denn bei der Frage des Vertrauens handelt es sich um einen psychischen Befund, eine innere Tatsache, nach der der Begünstigte fest mit dem Bestand des Verwaltungsakts rechnet. Die Frage hingegen, ob er mit dem Bestand rechnen durfte, betrifft nicht sein tatsächliches Vertrauen, sondern dessen Schutzwürdigkeit.
62Vgl. Kopp/Ramsauer, a. a. O., § 48 Rn. 95; Meyer, in: Knack/Henneke, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2010, § 48 Rn. 92.
63Vorliegend ist aufgrund der Einlassung des Klägers davon auszugehen, dass er tatsächlich angenommen hat, die Anerkennung der in Rede stehenden Dienstzeiten werde auch in Zukunft Bestand haben und dementsprechend bei der Festsetzung seines Ruhegehalts berücksichtigt werden. Für eine andere Einschätzung ist nichts ersichtlich.
64cc)
65Das Vertrauen des Klägers in den Bestand des Bescheides vom 16. Juli 1980 ist aber unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse nicht schutzwürdig. Dem Kläger ist zwar nicht schon nach § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG NRW die Berufung auf Vertrauen verwehrt. Denn es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte bzw. infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
66Es liegt aber auch kein Fall nach § 48 Abs. 2 Satz 2 VwVfG NRW vor, bei dem "in der Regel" von der Schutzwürdigkeit des Vertrauens auszugehen ist. Ein solcher Regelfall ist nach der genannten Vorschrift nur dann gegeben, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Der hier einzig in Betracht kommende Fall einer nicht mehr oder nicht in zumutbarer Weise rückgängig zu machenden Vermögensdisposition liegt aber nicht vor:
67(1)
68Zunächst ist in der Beantragung der Altersteilzeit – entgegen der Darstellung des Klägers – keine Vermögensdisposition in diesem Sinne zu erblicken. Unter einer Vermögensdisposition ist jedes Verhalten zu verstehen, dass in ursächlichem Zusammenhang mit dem begünstigenden Verwaltungsakt steht und Auswirkungen auf die Vermögenssituation des Betroffenen hat, d. h. jegliches Tun, Dulden oder Unterlassen, dem subjektiv das Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsaktes zugrunde liegt und das objektiv im Fall der Rücknahme des Verwaltungsaktes als wirtschaftlich nachteilig anzusehen ist.
69Vgl. Kopp/Ramsauer, a. a. O., § 48 Rn. 109; Zanker, Rücknahme von Zustimmungsbescheiden nach §§ 12 ff. SchwbG, NVwZ 1984, 85 (86), zu der Parallelvorschrift des § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X; Ziekow, Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl. 2010, § 48 Rn. 27.
70Der Begünstigte muss sein Vertrauen durch die Disposition manifestiert haben. Das bedeutet, dass er Verpflichtungen eingegangen sein oder seine Lebensverhältnisse in anderer Weise auf den Bestand des Verwaltungsakts eingestellt haben muss. Zu berücksichtigen ist dabei jede Veränderung mit wesentlicher Auswirkung auf die tatsächlichen Lebensverhältnisse des Betroffenen.
71Vgl. Meyer, in: Knack/Henneke, a. a. O., § 48 Rn. 100.
72Es genügt demnach nicht, dass der durch den Verwaltungsakt (zunächst) Begünstigte eine vermögensrelevante Handlung vornimmt, deren Folgen von der Rücknahme des begünstigenden Verwaltungsakts wirtschaftlich negativ beeinflusst werden. Vielmehr ist es in diesem Zusammenhang gerade von Bedeutung, dass der Begünstigte mit der vermögensrelevanten Handlung sein Vertrauen ins Werk setzt, dass die Handlung somit in ursächlichem Zusammenhang mit dem Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsakts steht.
73Vgl. BVerwG, Urteile vom 15. April 1983 – 8 C 170.81 –, BVerwGE 67, 129 = juris Rn. 25, und vom 28. Oktober 1983 – 8 C 91.82 –, BVerwGE 68, 159 = juris Rn. 14; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2008, § 48 Rn. 141; Ziekow, a. a. O.
74Dieser Ursachenzusammenhang ist nicht gegeben. Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass das Vertrauen des Klägers in den Bestand des Bescheides vom 16. Juli 1980 nicht ursächlich für die Beantragung von Altersteilzeit gewesen ist. Der Kläger hat den Antrag auf Altersteilzeit nicht erkennbar (auch) deswegen gestellt, weil er davon ausging, dass ihm für die reguläre Ruhestandszeit nach der Altersteilzeit der Zeitraum vom 1. April 1970 bis zum 30. Juni 1974 als ruhegehaltfähig angerechnet werde. Die Beantragung von Altersteilzeit und das Vertrauen in den Bestand des Bescheides vom 16. Juli 1980 mögen zeitgleich gegeben gewesen sein. Dass beide Umstände auch ursächlich miteinander verknüpft waren, lässt sich dagegen nicht feststellen.
75Das folgt zunächst daraus, dass der Kläger im Zusammenhang mit der Beantragung von Altersteilzeit zu keinem Zeitpunkt gegenüber der Beklagten oder sonst in nach außen hervortretender Weise zu erkennen gegeben hat, dass es ihm insbesondere auf den Bestand des Bescheides vom 16. Juli 1980 ankomme. Solches ist weder ausdrücklich geschehen noch hat sich der Kläger seine voraussichtlichen Ruhestandsbezüge berechnen lassen, woraus sich womöglich eine Verknüpfung der Stellung des Antrags auf Altersteilzeit mit einer bestimmten Erwartung an die Höhe von Ruhestandszahlungen hätte ableiten lassen können. Entgegen der Darstellung in der Widerspruchsbegründung vom 30. August 2006 hat sich der Kläger zum 19. August 2004 nicht seine Ruhestandsbezüge, sondern seine Bezüge während der Altersteilzeit berechnen lassen, worauf es hier nicht ankommt. Erst im Widerspruchsschreiben vom 8. Juni 2006 hat der Kläger um die Berechnung seines Ruhegehalts zum 1. April 2010 gebeten. Diese Bitte stand allerdings nicht im Zusammenhang mit der Beantragung von Altersteilzeit, die zu diesem Zeitpunkt längst bewilligt war, sondern folgte – wie der Widerspruch selbst – auf den Rücknahmebescheid vom 29. Mai 2006.
76Eine Verknüpfung zwischen dem Vertrauen in den Bestand des Bescheides vom 16. Juli 1980 und der Beantragung der Altersteilzeit ergibt sich auch nicht aus der im Antrag auf Altersteilzeit vom 22. Dezember 2005 verwendeten Formulierung "wobei ich davon ausgehe, dass ich ohne Abschläge in den Ruhestand gehen kann". Denn diese Formulierung wurde in demjenigen Satz verwendet, in dem der Kläger unter Berufung auf seine Schwerbehinderung und auf § 45 Abs. 4 Nr. 4 LBG NRW (a.F.) die Vollendung seines 60. Lebensjahres als Beginn des Ruhestands gewählt hat. Damit hat der Kläger lediglich zu erkennen gegeben, dass er davon ausging, der frühzeitige Ruhestand mit Vollendung des 60. Lebensjahrs, welchen er nach der zitierten Vorschrift nur aufgrund seiner Schwerbehinderung so früh wählen konnte, würde nicht zu Abschlägen bei den Ruhestandsbezügen führen. Eine Verknüpfung dieser Erwartung mit der Entscheidung, in Altersteilzeit zu gehen, ist damit nicht zum Ausdruck gebracht worden. Auf diesen Ursachenzusammenhang hat sich der Kläger erst in der anwaltlich erstellten Widerspruchsbegründung vom 30. August 2006 berufen. Die dahingehende Behauptung ist schon aufgrund der vorherigen Ausführungen aber nicht glaubhaft und stellt ersichtlich ein verfahrensangepasstes Vorbringen dar.
77Im Übrigen wäre zu erwarten gewesen wäre, dass der Kläger sich um eine Rückgängigmachung der Altersteilzeit oder ihre zeitliche Streckung zumindest bemüht hätte, wenn es ihm für die Inanspruchnahme der Möglichkeit der Altersteilzeit wirklich auf den Bestand des Bescheides vom 16. Juli 1980 angekommen wäre. Auch hierdurch hätte der erforderliche Ursachenzusammenhang nach außen manifestiert werden können. Das wäre auch insoweit naheliegend gewesen, als er sich zum Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung noch am Anfang der zweijährigen Vollzeit-Arbeitsphase des Altersteilzeit-Blockmodells befunden hatte. Hier wäre mit reichlich zeitlichem Vorlauf eine Rückkehr zur normalen Vollzeitbeschäftigung mit demselben Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand denkbar gewesen, dann allerdings ohne die zweijährige Freistellungsphase vom 1. April 2008 bis zum 31. März 2010. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, ob ein Widerruf der Altersteilzeit rechtlich möglich gewesen wäre und ob die Beklagte den Kläger hierauf hätte hinweisen müssen. Denn vor einem solchen Hinweis hätte in jedem Fall eine entsprechende Willensbekundung des Klägers stehen müssen, die ihm einerseits ohne Weiteres zumutbar gewesen wäre und die andererseits den Bestand des hier relevanten Ursachenzusammenhangs hätte unterstreichen können.
78Auch eine wirtschaftliche Betrachtungsweise spricht dagegen, dass der maßgebliche Ursachenzusammenhang bestanden hat. Die vermögensrelevante Handlung des Klägers, die er im Zusammenhang mit der Beantragung von Altersteilzeit im Hinblick auf seinen späteren Ruhestand – nur um den geht es hier, weil nur dieser von der streitgegenständlichen Rücknahmeentscheidung betroffen ist – vorgenommen hat, besteht darin, dass er aufgrund entsprechender Anwendung des § 6 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 BeamtVG mit ihr in die Reduzierung der Anrechenbarkeit der vier Altersteilzeitjahre um ein Zehntel eingewilligt hat. Der Berechnung der Beklagten vom 12. Juni 2006 ist zu entnehmen, dass sich die ruhegehaltfähige Dienstzeit des Klägers damit um 146 Tage reduziert hat, was einem Wert von 0,75 % entspricht. Nach den mit Schriftsatz vom 8. April 2011 vorgelegten Berechnungen der Beklagten, deren Richtigkeit weder durch den Kläger erschüttert worden noch sonst erkennbar in Frage zu stellen ist, handelt es sich um eine Reduzierung der Ruhegehaltsansprüche in Höhe von monatlich 15,22 Euro. Es ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar, dass der Kläger – hätte er bei Beantragung der Altersteilzeit schon von dem Rücknahmebescheid vom 29. Mai 2006 bzw. von der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 16. Juli 1980 gewusst – allein wegen einer (weiteren) Reduzierung seines Ruhegehalts um monatlich 15,22 Euro insgesamt auf die Altersteilzeit und damit auf die zweijährige Freistellungphase wie auch auf den nicht unerheblichen Zuschlag nach der Altersteilzeitzuschlagverordnung verzichtet hätte. Dieser Zuschlag betrug – ausweislich der Berechnung der Beklagten vom 19. August 2004 – monatlich 612,25 Euro, mithin in vier Jahren insgesamt 29.833,00 Euro.
79Wirtschaftlich nachvollziehbar wird der vom Kläger behauptete Ursachenzusammenhang auch nicht durch seine Erläuterung im Schriftsatz vom 16. April 2010. Danach hätte er in Kenntnis der Aufhebung keine Altersteilzeit beantragt. Zur Vermeidung von Vermögensnachteilen hätte er nach seiner Darstellung vielmehr die Möglichkeiten genutzt, die ihm als Schwerbehindertem beim Eintritt in den Ruhestand zugestanden hätten. Dieses Vorbringen lässt ebenfalls keinen Schluss auf den hier maßgeblichen Ursachenzusammenhang zu. Denn es stellt nicht mehr als eine vage Andeutung dar. Auch ist nicht erkennbar, welcher ökonomische Vorteil dem Kläger in diesem Falle zugewachsen wäre, der ihm nicht auch bei weiterem Bestand des Bescheides vom 16. Juli 1980 hätte zuwachsen können bzw. der durch die Inanspruchnahme von Altersteilzeit ausgeschlossen ist. Dies gilt zumal die Beklagte mit Schriftsatz vom 12. Juli 2010 unwidersprochen und nachvollziehbar erläutert hat, dass die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers bei der Bewilligung von Altersteilzeit in der Form bereits berücksichtigt worden sei, dass ein Versorgungsabschlag gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG aufgrund der Übergangsregelung des § 69d Abs. 5 BeamtVG nicht erhoben worden sei.
80(2)
81Sodann ist auch darin keine nicht mehr oder nur unzumutbarerweise rückgängig zu machende Vermögensdisposition zu sehen, dass der Kläger unter Berufung auf seine Schwerbehinderung den Beginn seines – regulären – Ruhestandes mit der Vollendung seines 60. Lebensjahres gewählt und damit auf die Erarbeitung weiterer anrechnungsfähiger Zeiten in der Zeit danach verzichtet hat. Es bestehen schon erhebliche Zweifel, ob der Kläger mit der entsprechenden Willensbekundung im Antrag vom 22. Dezember 2005 sein Vertrauen in den Bestand des Bescheides vom 16. Juli 1980 im Sinne der oben unter (1) genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – im konkreten sachlichen und zeitlichen Zusammenhang nach außen erkennbar – "ins Werk" gesetzt hat. Denn tatsächliche Umstände, die auf einen entsprechenden Kausalzusammenhang schließen lassen könnten, sind erst in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat hervorgetreten. Bis dahin hatte der Kläger stets (allein) vorgebracht, in der Wahl der Altersteilzeit diejenige Vermögensdisposition zu erblicken, die er im Vertrauen auf den aufgehobenen Bescheid vom 16. Juli 1980 getroffen haben will. Erst im Schriftsatz vom 28. April 2011 hat der Kläger (zudem) zu erkennen gegeben, dass er in Kenntnis der Rücknahme des Bescheides vom 16. Juli 1980 nicht schon im Alter von 60, sondern erst im Alter von 65 Jahren in den Ruhestand getreten wäre. Seine diesbezügliche Erläuterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, er habe sich vor Beantragung der Altersteilzeit und der Wahl des frühen Zeitpunkts des Eintritts in den Ruhestandes errechnet, auf etwa 39 anrechnungsfähige Jahre zu kommen, lässt es nunmehr nachvollziehbar erscheinen, dass das Vertrauen in den Bestand des Bescheides vom 16. Juli 1980 der Wahl der Vollendung des 60. Lebensjahres als dem Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand zugrunde gelegen haben mag. Erst durch diese Erläuterung kann im Nachhinein auch die Äußerung in dem Antrag vom 22. Dezember 2005 entsprechend gewürdigt werden, in der der Kläger seine Erwartung zum Ausdruck brachte, "ohne Abschläge" in den Ruhestand gehen zu können. Denn ohne diese Erläuterung musste die Formulierung "ohne Abschläge" so verstanden werden, dass sie sich allein auf die durch § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG vorgesehenen Abschläge wegen frühzeitigen Eintritts in den Ruhestand beziehe, die aber – wie bereits ausgeführt – wegen der Schwerbehinderung des Klägers gerade nicht angefallen sind.
82Der Verzicht auf die Erarbeitung weiterer auf die ruhegehaltfähige Dienstzeit anrechnungsfähiger Zeiten nach der Vollendung des 60. Lebensjahres erfüllt jedenfalls nicht die weiteren Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Satz 2 VwVfG NRW. Danach darf die Vermögensdisposition nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig zu machen sein. Dafür, dass dem Kläger bei einer Verschiebung des Zeitpunkts des Eintritts in den Ruhestand unzumutbare Nachteile entstanden wären, ist nichts ersichtlich. Das gilt insbesondere deswegen, weil er sich zum Zeitpunkt der Rücknahme des Bescheides vom 16. Juli 1980 erst am Anfang der Vollzeit-Arbeitsphase im Altersteilzeit-Blockmodell befand. Seine Beschäftigung betreffend hatte sich zu diesem Zeitpunkt im Vergleich zu der Zeit vor Beginn der Altersteilzeit noch nichts verändert. Der Kläger hätte bei Rückgängigmachung seiner Vermögensdisposition unter den für Beamte üblichen Bedingungen bis zum Eintritt in den Ruhestand gearbeitet. Hieran ist nicht Unzumutbares zu erkennen.
83Die Wahl des frühzeitigen Ruhestandes war auch grundsätzlich rückgängig zu machen. Das wäre allenfalls dann ausgeschlossen, wenn dem Recht entgegenstünde.
84Vgl. Müller, in: Bader/Ronellenfitsch, Verwaltungsverfahrensgesetz, 2010, § 48 Rn. 67.
85Dafür ist aber nichts ersichtlich, wobei es nicht darauf ankommt, dass der Kläger sich ggf. nicht mehr einseitig von seinem Antrag betreffend die Wahl eines bestimmten (vorzeitigen) Zurruhesetzungszeitpunktes – sog. Antragsaltersgrenze – lösen konnte. Insbesondere hätte einer Verschiebung des Eintritts in den Ruhestand im Wege eines entsprechenden Abänderungsantrags an die Beklagte nicht die Tatsache entgegen gestanden, dass der Kläger sich bereits in der Anfangsphase seiner Altersteilzeit befunden hat. Insoweit hat die Beklagte vielmehr betont, dass in bestimmten anderen Fällen eine Rückgängigmachung bzw. Anpassung von bereits bewilligter Altersteilzeit bereits erfolgt sei. Dem kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass er aus Gesprächen mit Kollegen erfahren habe, dass eine solche Rückabwicklung nicht möglich sei. Insoweit hätte er nicht den unverbindlichen Aussagen von Kollegen vertrauen dürfen, sondern hätte sich bei der Beklagten selbst erkundigen bzw. an anderer Stelle um rechtlichen Rat nachsuchen müssen. Auch ist es ersichtlich, dass dem Kläger sowohl im Hinblick auf die Bewilligung der Altersteilzeit als auch im Hinblick auf den früheren Eintritt in den Ruhestand zumindest im Rahmen des § 49 VwVfG NRW ein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein entsprechendes Aufhebungsbegehren zugestanden hätte.
86Vgl. Kopp/Ramsauer, a. a. O., § 49 Rn. 9; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a. a. O., § 49 Rn. 28.
87Der vorgenannten Regelung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts steht im gegebenen Zusammenhang auch kein vorrangig anzuwendendes Fachrecht entgegen, das entsprechende Rückabwicklungen von Rechts wegen unmöglich machen würde. Dies gilt jedenfalls soweit es – wie hier – um eine Aufhebungs- bzw. Abänderungsentscheidung geht, die noch vor dem Beginn des Ruhestandes erfolgt.
88(3)
89Liegt demnach ein Regelfall nach § 48 Abs. 2 Satz 2 VwVfG NRW nicht vor, ist die nach Satz 1 derselben Vorschrift vorzunehmende Abwägung mit dem öffentlichen Interesse jedoch nicht entbehrlich. Nach dieser Vorschrift bedarf es immer der beschriebenen Interessenabwägung. Die Sätze 2 und 3 der Vorschrift geben lediglich vor, wann die Berufung auf Vertrauen ausgeschlossen ist bzw. wann in der Regel von der Schutzwürdigkeit des Vertrauens auszugehen ist. Bei der Abwägung nach Satz 1 handelt es sich um eine rechtlich gebundene Entscheidung, die der Behörde kein Ermessen einräumt und die in der Folge voll gerichtlich überprüfbar ist.
90Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1983 – 8 C 91.82 –, a. a. O., juris Rn. 13; Sachs, a. a. O., § 48 Rn. 141. Missverständlich insoweit Kopp/Ramsauer, a. a. O., § 48 Rn. 127, der auch im Hinblick auf die vorzunehmende Abwägung von einer Ermessensentscheidung spricht.
91Die vorzunehmende Abwägung fällt hier zugunsten des öffentlichen Interesses an der Wiederherstellung des materiell rechtmäßigen Zustandes aus. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass der Kläger mit der Beantragung von Altersteilzeit und der des früheren Eintritts in den Ruhestand gerade nicht im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 2 VwVfG NRW eine schützenswerte Vermögensdisposition vorgenommen hat und dass daneben keine Gesichtspunkte erkennbar sind, die sein Vertrauen in den Bestand der – von Anfang an rechtswidrigen – Anerkennung von Vordienstzeiten schützenswert machen. Demgegenüber überwiegt das öffentliche Interesse daran, den rechtmäßigen Zustand wiederherzustellen und so – auch im fiskalischen Interesse – solche Ausgaben zu vermeiden, für die materiell-rechtlich eine Grundlage nicht gegeben ist.
92b)
93Im Hinblick auf die – zweitinstanzlich von dem Kläger nicht mehr thematisierte – Frage der Einhaltung der Jahresfrist gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW sieht der Senat von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 130b Satz 2 VwGO ab und nimmt auf die Gründe des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 26. November 2007 (S. 4 f. des Urteilsabdrucks) Bezug.
944.
95Die Beklagte hat bei der Entscheidung über die Rücknahme des Bescheides vom 16. Juli 1980 auch nicht ermessensfehlerhaft gehandelt. Allerdings machen der auf § 48 Abs. 2 VwVfG NRW gestützte Ausschluss der Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Klägers sowie das Überwiegen des öffentlichen Interesses allein die Ausübung von Ermessen im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW noch nicht entbehrlich.
96Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 1978 – 3 C 18.77 –, BVerwGE 57, 1 = juris Rn. 17; Sachs, a. a. O., § 48 Rn. 79, 81.
97Während bei der Anwendung von § 48 Abs. 2 VwVfG NRW die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Begünstigten sowie ggf. dessen Gewicht festzustellen ist, hat im Rahmen von § 48 Abs. 1 Satz 1 das Interesse des Begünstigten an der Aufrechterhaltung des Verwaltungsaktes Eingang in eine allgemeine Abwägungsentscheidung zu finden.
98Vgl. Meyer, a. a. O., § 48 Rn. 48.
99Allerdings gibt das im Rahmen der Vorschriften der Absätze 2 bis 4 des § 48 VwVfG NRW gefundene Ergebnis zur Schutzwürdigkeit des Vertrauens den Rahmen der Ermessensentscheidung nach Absatz 1 Satz 1 dieser Norm vor.
100Vgl. Meyer, a. a. O., § 48 Rn. 51; Sachs, a. a. O., § 48 Rn. 91.
101Die Ermessenserwägungen der Beklagten sind vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden. Schon im Bescheid vom 29. Mai 2006 hat die Beklagte insoweit zur Begründung ihrer Ermessensentscheidung angeführt, dass es sich bei dem zurückgenommenen Bescheid um einen solchen handelt, der künftige Leistungen betrifft. Auch sei zu berücksichtigen, dass ein schützenswertes Vertrauen nicht gegeben sei. Auch wegen des in dem Bescheid ausgesprochenen Vorbehalts der Rechtsänderung habe der Kläger immer mit einer Änderung rechnen müssen. Demgegenüber könne der Allgemeinheit nicht zugemutet werden, dass die späteren Versorgungsbezüge überhöht festgesetzt würden, obwohl schon vor der ersten Zahlung feststehe, dass ein Rechtsanspruch hierauf nicht bestehe. Dem öffentlichen Interesse an der sparsamen Verwaltung öffentlicher Mittel sei daher der Vorrang einzuräumen.
102Es ist nicht zu erkennen, dass der Beklagten bei diesen Ermessenserwägungen ein Abwägungsfehler zulasten der Interessen des Klägers unterlaufen ist. Diejenigen Aspekte, die bereits im Rahmen der Prüfung der Schutzwürdigkeit des Vertrauens von Bedeutung waren, stehen dabei außerhalb derjenigen Interessen, die bei der Abwägungsentscheidung zu berücksichtigen sind. Die zu berücksichtigenden Interessen des Klägers bestehen demnach vor allem darin, dass er an der durch den aufgehobenen Bescheid erfolgten Anerkennung ruhegehaltfähiger Dienstzeiten festhalten möchte. Insoweit ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte bei der Abwägung berücksichtigt hat, dass dieser Bescheid zum Zeitpunkt seiner Rücknahme eine erst vergleichsweise schwache Verfestigung gefunden hatte. Zutreffend hat die Beklagte in die Abwägung mit eingestellt, dass aufgrund des Bescheides noch keine Leistungen geflossen waren, sondern dass er sich auf künftige Leistungen bezog. Auch musste dem Kläger die recht schwache Verfestigung deshalb bewusst sein, weil der Bescheid unter Vorbehalt ergangen war, ein Vorbehalt zwar, der sich im konkreten Fall nicht verwirklicht, dem Begünstigten aber von Anfang an deutlich gemacht hat, dass mit einer Änderung unter Umständen noch zu rechnen ist. Dass die Behörde demgegenüber der sparsamen Verwaltung öffentlicher Mittel das größere Gewicht beigemessen hat, begegnet keinen Bedenken.
103Ermessensfehler ergeben sich auch nicht daraus, dass – so das Verwaltungsgericht – die Beklagte unter Verkennung der für die Einstellung des Klägers in den Dienst bei der Landesversicherungsanstalt C. zum 1. August 1974 maßgeblichen Rechtslage angenommen habe, dass die hier streitgegenständlichen Vordienstzeiten nicht nach § 10 Satz 1 BeamtVG anerkennungsfähig seien. Denn die dieser Annahme zugrundeliegende Prämisse, dass die Rechtseinschätzung der Beklagten insoweit falsch gewesen sei, trifft nach dem oben unter 2. Ausgeführten schon nicht zu.
104Auch soweit der Kläger vorträgt, die Beklagte habe bei ihrer Ermessensentscheidung nicht hinreichend berücksichtigt, dass er sich bereits in Altersteilzeit befunden habe, sind Ermessensfehler hieraus nicht abzuleiten. Es kann dahinstehen, ob es tatsächlich ermessensfehlerhaft gewesen wäre, wenn die Beklagte diesen Umstand bei ihrer Ermessensentscheidung nicht berücksichtigt hätte. Denn sie hat diese Frage in nicht zu beanstandender Weise in ihre Entscheidung mit einbezogen. Dies ist zwar nicht im Ausgangsbescheid, jedoch im Widerspruchsbescheid und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geschehen. Im Widerspruchsbescheid vom 28. November 2006 ist die Beklagte bereits - nachdem der Kläger erstmals in seiner Widerspruchsbegründung auf den von ihm gesehenen Zusammenhang mit seiner Altersteilzeit hingewiesen hatte – auf die Bewilligung der Altersteilzeit und die ihr zugrunde liegenden Berechnungen eingegangen. Mit Schriftsatz vom 12. Juli 2010 hat sie dann ausführlich erläutert, dass sich die Altersteilzeit nur geringfügig auf sein Ruhegehalt auswirke und dass er sich auch nicht sein Ruhegehalt habe im Voraus ausrechnen lassen. Zutreffend hat die Beklagte insoweit berücksichtigt, dass sich die Berechnung vom 19. August 2004 nicht auf Versorgungsbezüge, sondern allein auf die Dienstbezüge während der Altersteilzeit bezog, also einen Umstand, der in keiner Beziehung zur streitgegenständlichen Rücknahmeentscheidung steht. Auch habe der Kläger sich nach der streitgegenständlichen Entscheidung nicht um eine Rückgängigmachung der Altersteilzeit bemüht.
105Diese Ausführungen sind im Rahmen der Ermessensentscheidung der Beklagten noch zu berücksichtigen, weil sie diese im Rahmen des § 114 Satz 2 VwGO rechtzeitig ergänzt hat. Diese Vorschrift erlaubt zwar nicht, vollständig fehlende Ermessenserwägungen erstmalig im gerichtlichen Verfahren nachzuholen. Sie sieht aber die Möglichkeit vor, rechtzeitig angestellte und in die Bescheidbegründung aufgenommene Ermessenserwägungen im gerichtlichen Verfahren zu ergänzen.
106Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2006 – 1 C 20.05 –, NVwZ 2007, 470 = juris Rn. 22, m. w. N.
107Genau das ist mit den Erwägungen zur Altersteilzeit geschehen. Sie sind zum Teil im zweitinstanzlichen Verfahren ergänzt worden. Zuvor lag mit dem Ausgangsbescheid und dem Widerspruchsbescheid schon eine Ermessensbegründung vor, die mehr als nur floskelhaft auf die Besonderheiten des Falls eingegangen ist und die insbesondere auch den – erstmals mit der Widerspruchsbegründung vom 30. August 2006 vorgetragenen – Aspekt der Altersteilzeit berücksichtigt hat.
108Auch im Übrigen sind Ermessensfehler nicht erkennbar.
1095.
110Die Beklagte hat ihr Rücknahmerecht nicht dadurch verwirkt, dass sie über einen recht langen Zeitraum von 26 Jahren den Bescheid nicht in Frage gestellt hat. Grundsätzlich ist auch unbeschadet der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW eine Verwirkung möglich, wenn in besonderen Ausnahmefällen die zur Rücknahme befugte Behörde das Recht längere Zeit nicht geltend gemacht hat und besondere Umstände vorliegen, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen.
111Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. Februar 2006 – OVG 4 N 150.05 –, juris Rn. 7.
112Die Treuwidrigkeit der Rechtsausübung ergibt sich vor allem aus einer Verletzung des Vertrauensschutzes; sie ist gegeben, wenn der von der Rechtsausübung Betroffene infolge eines Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen würde (Vertrauensgrundlage), der Betroffene tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand), und sich infolgedessen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde.
113Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 2008 – 2 B 22.08 –, juris Rn. 4, und Urteile vom 27. Juli 2005 – 8 C 15.04 –, NVwZ 2005, 1334 = juris Rn. 25, und vom 9. Dezember 1998 – 3 C 1.98 –, BVerwGE 108, 93 = juris, Rn. 31; Senatsurteil vom 7. Februar 2011 – 1 A 833/08 –, juris Rn. 116 f.; Senatsbeschluss vom 23. August 2010 – 1 A 3124/08 –, juris Rn. 20 f.; ferner Kopp/Ramsauer, a. a. O., § 53 Rn. 41 ff.; Sachs, a. a. O., § 53 Rn. 21 ff., insbesondere Rn. 23; Ziekow, a. a. O., § 53 Rn. 22 f., jeweils m.w.N.
114In Anwendung dieser Grundsätze liegt eine Verwirkung nicht vor. Denn zunächst gilt im Hinblick auf den Vertrauensschutz nichts anderes, als bereits oben unter 3. dargestellt. Im Übrigen liegt es im Hinblick auf Entscheidungen über die Berücksichtigung ruhegehaltfähiger Dienstzeiten, welche aufgrund § 49 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BeamtVG regelmäßig schon bei der Berufung in das Beamtenverhältnis vorgenommen werden sollen, geradezu in der Natur der Sache, dass der Dienstherr etwaige Fehler bei der Anerkennungsentscheidung erst im Zusammenhang mit dem endgültigen Eintritt in den Ruhestand bemerkt. Dies erscheint auch nicht unbillig, weil die – ohnehin unter Vorbehalt stehende – Anerkennungsentscheidung bis dahin ohne Auswirkung verbleibt. Denn sie betrifft von Anfang an nur künftige Leistungen, die erst nach dem Eintritt in den Ruhestand zu realisieren sind.
115Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
116Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO, § 127 Beamtenrechtsrahmengesetz nicht gegeben sind.
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