Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 E 300/11
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
1
Gründe
2Die ausschließlich im Namen des Klägers erhobene Beschwerde, über die der Senat in der Besetzung mit drei Richtern entscheidet,
3vgl. Beschluss des Senats vom 25. Januar 2011 – 1 E 32/11 –, juris Rn. 1 ff.,
4ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Erledigungsgebühr gemäß Nr. 1002 VV RVG nicht vorliegen. Zur Begründung wird zunächst gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
5Nur ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen: Auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens ist nicht ersichtlich und nicht dargetan, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Sinne des hier in Rede stehenden Gebührentatbestandes an der Erledigung des Rechtsstreits mitgewirkt hat. Die anwaltliche Mitwirkung muss in einer besonderen Tätigkeit des Rechtsanwalts liegen, die über die bereits mit der Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) abgegoltene Einlegung und Begründung eines Rechtsbehelfs hinausgeht, die auf die Beilegung des Rechtsstreits ohne streitige gerichtliche Entscheidung gerichtet ist, und die deswegen eine gesonderte Honorierung rechtfertigt.
6Vgl. Beschluss des Senats vom 25. Januar 2011 – 1 E 32/11 –, juris Rn. 24, m. w. N.; Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl. 2010, VV-RVG 1002, Rn. 10; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 19. Aufl. 2010, VV 1002 Rn. 38.
7Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat nicht mehr getan, als erforderlich gewesen wäre, um dem konkreten Verfahren zum Erfolg zu verhelfen. Das gilt namentlich für seine Bemühungen im Rahmen der Prozessführung vor dem Bundesverwaltungsgericht im Verfahren 2 B 126/09 sowie in weiteren, "zahlreichen, begleitenden Eilverfahren und Prozesskostenhilfegesuchen" sowie im "vorgeschalteten Klageverfahren" vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (12 K 3032/08). Der Kläger hat es trotz dreimaliger Aufforderung durch den Berichterstatter mit Verfügungen vom 9. Mai 2011, vom 30. Mai 2011 und vom 7. Juni 2011 nicht vermocht zu erläutern, inwieweit das Wirken seines Prozessbevollmächtigten in den genannten Verfahren eine Bedeutung für das vorliegende Verfahren im Sinne eines Mitwirkens an der Erledigung gehabt hat.
8Es ist nach Ansicht des Senats nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass ein über die normale Prozessführung hinausgehendes Verhalten auch im Zusammenhang mit einer Prozessvertretung in anderen gerichtlichen Verfahren erfolgen kann. Das setzt aber voraus, dass dort ein Verhalten zu Tage tritt, das spezifisch auf die unstreitige Erledigung desjenigen Verfahrens gerichtet ist, in dem die Erledigungsgebühr geltend gemacht wird. Dieses Verhalten muss seinerseits über das hinausgehen, was zur ordnungsgemäßen Prozessführung in dem anderen Verfahren erforderlich ist. Denn jegliches Verhalten, das – nur – darauf gerichtet ist, das (andere) Gerichtsverfahren zum Erfolg zu führen, ist bereits durch die in diesem Verfahren anfallenden Gebühren abgegolten und bedarf daher keiner besonderen Honorierung durch die Erledigungsgebühr.
9Es ist auch aufgrund des Vortrags des Klägers nicht ersichtlich, dass sein Prozessbevollmächtigter in einem der anderen von ihm genannten Verfahren mehr – zur Erledigung des hiesigen Rechtsstreits – getan hat, als auf den erfolgreichen Abschluss der anderen Verfahren hinzuwirken. Das gilt zunächst für das Anraten der Stellung eines Antrages auf Frühpensionierung. Dieser ist zeitlich bereits vor der Anhängigkeit des hiesigen Verfahrens gestellt worden und daher zur Herbeiführung der unstreitigen Erledigung ungeeignet. Das gilt weiterhin für die stichwortartige Benennung der Streitgegenstände der anderen Gerichtsverfahren im Schriftsatz vom 26. Mai 2011. Hieraus ergibt sich kein Verhalten des Prozessbevollmächtigten, welches neben der allgemeinen Prozessführung in diesen Verfahren auf ein besonderes Wirken im Hinblick auf das hiesige Verfahren hinweisen könnte. Entsprechendes ergibt sich schließlich auch nicht aus den Ausführungen im Schriftsatz vom 22. Juni 2011. Danach ergebe sich aus den Akten der anderen Gerichtsverfahren, welche anwaltlichen Bemühungen der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe unternehmen müssen, "um die Beklagte von ihrer von Anfang an eingeschlagenen, eklatant rechtswidrigen und den Grundsatz der Fürsorgepflicht evident verletzenden Haltung abzubringen, den Gesundheitszustand des Klägers – gerade hinsichtlich der von uns von Anfang an immer wieder vorgetragenen Schmerzsymptomatik – amtsärztlich bzw. fachärztlich untersuchen zu lassen, um endlich zu einer sachgerechten und verfahrensrechtlich unbedenklichen Beurteilung des etwaigen Vorliegens dauernder Dienstunfähigkeit gelangen zu können." Abgesehen davon, dass diese Schilderung nur vage die Zielrichtung des Handelns des Prozessbevollmächtigten des Klägers benennt, ohne die Art seines konkreten Wirkens zu beschreiben, ist nicht ersichtlich, inwieweit ein auf diese Ziele gerichtetes Verhalten über die "normale" Prozessführung in gerichtlichen Verfahren hinausgeht, die einen Antrag auf Frühpensionierung (12 K 3032/08 – VG Gelsenkirchen), eine einstweilige Anordnung im Hinblick auf die Frühpensionierung und eine amtsärztliche Untersuchung (12 L 464/09 – VG Gelsenkirchen) oder – im hiesigen Verfahren – die Einleitung eines Zurruhesetzungsverfahrens, die Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens zur Dienstunfähigkeit des Klägers und die Entscheidung über den Zurruhesetzungsantrag zum Gegenstand haben. Auch nach Einschätzung des Klägers war schließlich maßgeblich für das Einlenken der Beklagten die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Disziplinarverfahren. Dass im Rahmen dieses Verfahrens der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Zielrichtung auf das hiesige Verfahren eine besondere Mitwirkungshandlung vorgenommen hat, wird nicht einmal von ihm behauptet.
10Der Senat hatte danach auch keinen Anlass, wie vom Kläger beantragt, die Akten der oben genannten Gerichtsverfahren beizuziehen. Zwar erforscht das Gericht gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind dabei aber nach Halbsatz 2 dieser Vorschrift heranzuziehen. Das bedeutet, dass jeder Prozessbeteiligte als "Wissensträger" den Prozessstoff umfassend vorzutragen hat. Das gilt insbesondere für die in seine Sphäre fallenden Ereignisse. Unterlässt er dies, obwohl ihm dieser Vortrag zumutbar ist, mindert das entsprechend die Aufklärungspflicht durch das Gericht.
11Vgl. BVerwG, Urteile vom 16. Februar 1995 – 1 B 205.93 –, DVBl. 1995, 804 = juris Rn. 21, und vom 23. November 1982 – 9 C 74.81 –, BVerwGE 66, 237 = juris Rn. 8; Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Aufl. 2010, § 86 Rn. 11 f.
12Vorliegend wäre es dem Kläger durchaus zumutbar gewesen zu erläutern, in welcher konkreten Handlung er den maßgeblichen Mitwirkungsakt seines Prozessbevollmächtigten sieht. Es sind keine Umstände erkennbar, die dies unzumutbar erscheinen lassen. Sie lassen sich auch nicht der von seinem Prozessbevollmächtigten im Schriftsatz vom 22. Juni 2011 verwendeten Formulierung entnehmen, wonach es nicht seine Aufgabe sei, "aus (teilweise) voluminösen Gerichtsakten zu referieren". Denn anders als der Senat müsste der Kläger nicht die "voluminösen Gerichtsakten" durcharbeiten, um die maßgebliche Mitwirkungshandlung seines Prozessbevollmächtigten zu ermitteln. Seinem Vortrag ist vielmehr zu entnehmen, dass er diese kennt oder zu kennen glaubt. Es musste sich dem Senat in diesem Zusammenhang auch deswegen keine weitere Aufklärung durch Beiziehung der genannten Akten aufdrängen, weil der Kläger – wie bereits ausgeführt – sein Obsiegen im Disziplinarverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht als maßgeblich für das Einlenken der Beklagten ansieht. Gerade hierin ist aber – wie ebenfalls bereits dargestellt – kein Mitwirken im Sinne der Nr. 1002 VV RVG zu erblicken.
13Schließlich ist eine Mitwirkung an der Erledigung auch nicht dadurch erfolgt, dass der Prozessbevollmächtigte den Kläger aufgefordert hat, vorhandene Gutachten und den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts zur betriebsärztlichen Untersuchung mitzunehmen und dort vorzulegen. Von der Ursächlichkeit dieser Handlung für die spätere Prozesserledigung kann nicht ausgegangen werden. Denn schon nach der Darstellung des Klägers ist es nur eine Vermutung, dass diese Beweismittel dem untersuchenden Arzt nicht zur Verfügung gestanden haben. Ebenfalls ist es reine Spekulation anzunehmen, dass der Betriebsarzt ohne die Berücksichtigung dieser Unterlagen nicht zu demselben Ergebnis gekommen wäre. Nach der insoweit unwidersprochenen Darstellung der Beklagten im Schriftsatz vom 23. Mai 2011 waren vielmehr maßgeblich für die spätere Einleitung des Zurruhesetzungsverfahrens die durch den Betriebsarzt festgestellten Gesundheitseinschränkungen des Klägers. Im Übrigen ist grundsätzlich davon auszugehen, dass vorhandene Beweismittel vom Dienstherrn auch zur Kenntnis genommen und gewürdigt werden. Deswegen könnte bei der Aufforderung, dem Betriebsarzt Beweismittel zur Verfügung zu stellen, allenfalls dann von einer relevanten Mitwirkungshandlung des Prozessbevollmächtigten ausgegangen werden, wenn dieser die Erstellung und Vorlage neuer Beweismittel veranlasst hätte .
14Vgl. BSG, Urteil vom 2. Oktober 2008 – B 9/9a SB 5/07 R –, NJW 2009, 3804 = juris Rn. 15 f.
15Dies ist vorliegend nicht der Fall. Vielmehr lagen die in Rede stehenden drei gutachterlichen Stellungnahmen bzw. Ergänzungen des Dr. med. S. schon vor Klageerhebung bzw. kurz danach vor und somit jedenfalls weit vor den erst im Jahr 2010 abgegebenen Erklärungen der Erledigung der Hauptsache.
16Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, da lediglich die Festgebühr nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) anfällt.
17Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
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