Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 E 409/11
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
1
G r ü n d e
2Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
3Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass eine (rückwirkende) Gewährung von Prozesskostenhilfe für den betreffenden Rechtszug ausscheidet, wenn der Antrag – wie hier – erst nach dem Ergehen der die Instanz abschließenden Entscheidung gestellt worden ist.
4Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO setzt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, welche für jeden Rechtszug gesondert erfolgt (vgl. § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO), unter anderem voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (Hervorhebung durch den Senat). Die Prozesskostenhilfe ist insofern – bezogen auf den Zeitpunkt der Antragstellung – zukunftsorientiert und nicht rückwärts gerichtet. Sie kann im Grundsatz nicht für die Zeit vor der Antragstellung, sondern nur für die Zeit danach bewilligt werden. Das entspricht ihrem Zweck, der mittellosen Partei die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens zu ermöglichen, nicht aber ihr im Nachhinein Mittel für die Kosten eines bereits geführten Prozesses zu beschaffen. Insbesondere ist es nicht Sinn der Prozesskostenhilfe, einer Partei, die ohne staatliche Hilfe das Verfahren geführt hat, nachträglich Verfahrenskosten zu erstatten oder einem Rechtsanwalt, der keinen Vorschuss von seiner Partei verlangt hat oder seinen Honoraranspruch gegen die Partei nicht realisieren kann, nachträglich einen Anspruch gegen die Staatskasse zu verschaffen. Vor diesem Hintergrund entspricht es einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen bestimmten Rechtszug auf einen erst nach Abschluss/Beendigung dieser Instanz gestellten Antrag nicht mehr möglich und ein entsprechender Antrag (ohne weitere Prüfung) zurückzuweisen ist.
5Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 1. Juli 1991 – 5 B 26.91 –, Buchholz 310 §166 VwGO Nr. 23 = juris, Rn. 3; Bayerischer VGH, Beschlüsse vom 6. April 1995 – 21 CS 95.616 –, BayVBl. 1995, 531, und vom 23. Juli 2004 – 15 C 03.435 –, BayVBl. 2005, 351 = juris, Rn. 8, LAG Rheinland-Pfalz, Beschlüsse vom 24. Oktober 2006 – 10 Ta 194/06 –, juris, Rn. 2, und vom 25. November 2008 – 10 Ta 197/08 –, juris, Rn. 16; LAG Hamm (Westfalen), Beschluss vom 30. März 2001 – 4 Ta 693/00 –, juris, Rn. 9; Olbertz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Loseblatt-Kommentar (Stand: Mai 2010), § 166 Rn. 51; Neumann, in: Sodan/Ziekow, 3. Aufl. 2010, § 166 Rn. 42; Geimer, in: Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 117 Rn. 2b und 2c.
6Entgegen der vom Antragsteller mit seiner Beschwerde vertretenen Auffassung war der hier in Rede stehende Rechtszug – erstinstanzliches Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung – im Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Prozesskostenhilfe (17. September 2010) bereits im vorstehenden Sinne abgeschlossen. Wird das Verfahren in der betreffenden Instanz nicht in sonstiger Weise (also etwa durch Klagerücknahme, Erklärungen der Erledigung der Hauptsache oder Vergleich) beendet, kommt es in dem in Rede stehenden Zusammenhang für den Abschluss des Rechtszuges auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder bei Entscheidungen im schriftlichen Verfahren des Existent- bzw. Wirksamwerdens der instanzbeendenden Entscheidung, nicht aber – wie der Antragsteller meint – erst des Eintritts der formellen Rechtskraft dieser Entscheidung, d.h. des Ablaufs der Rechtsmittelfrist, an.
7Vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 6. April 1995 – 21 CS 95.616 –, a.a.O.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. September 1994 – 16 WF 199/93 –, FamRZ 1996, 1287 = juris, Rn. 11; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 20. Dezember 1999 – 5 WF 47/99 –, JurBüro 2000, 312 = juris, Rn. 4; LAG Sachsen-Anhalt vom 15. Juni 2009 – 2 Ta 49/09 –, juris, Rn. 21; Geimer, in: Zöller, a.a.O., § 117 Rn. 2b.
8Denn allein dies wird der schon angesprochenen Zukunftsgerichtetheit des Rechtsinstituts der Prozesskostenhilfe hinreichend gerecht. In dem spezifischen Kontext des Prozesskostenhilferechts ist demgemäß eine Instanz bereits dann als abgeschlossen anzusehen, wenn der Rechtsschutzsuchende für diesen Rechtszug des Tätigwerdens eines hinzuzuziehenden Rechtsanwalts nicht mehr bedarf und/oder alle Verpflichtungen, die eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 122 ZPO erfassen würde, für den Rechtszug bereits entstanden sind.
9Vgl. auch Bayerischer VGH, Beschluss vom 23. Juli 2004 – 15 C 03.435 –, a.a.O.
10Das aber ist grundsätzlich der Fall, wenn bzw. nachdem das Gericht – wie hier durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 10. September 2010, den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin per Computer-Fax zugestellt an eben diesem Tage, geschehen – eine instanzbeendende Entscheidung wirksam getroffen hat. Das Beschwerdevorbringen zeigt keine etwaigen Besonderheiten des Falles auf, die gegebenenfalls eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten; solche sind auch sonst nicht ersichtlich.
11Darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen sowie innerhalb welcher zeitlichen Grenzen Prozesskostenhilfe bei "rechtzeitiger" Antragstellung mit den erforderlichen Unterlagen vor Beendigung der Instanz noch nachträglich gewährt werden kann, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu befinden.
12Die Kostenentscheidung folgt aus § 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
13Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
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