Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 17 E 1169/11
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
1
G r ü n d e:
2Die Beschwerde, über die der Senat in der Besetzung mit drei Richtern zu entscheiden hat,
3vgl. Senatsbeschluss vom 28. März 2011 - 17 E 4/11 -,
4ist nicht begründet.
5Das Verwaltungsgericht hat die Erinnerung des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 6. Juni 2011 zu Recht zurückgewiesen. Auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses wird Bezug genommen. Das Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.
6Die Beanstandung, das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit den Argumenten des Klägers auseinandergesetzt, geht fehl. Entgegen der Darstellung der Beschwerde hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung nicht "nur kopiert". Es hat sich vielmehr zunächst der von ihm wörtlich zitierten Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts Köln angeschlossen und sodann ergänzende Bemerkungen zum Vorbringen des Klägers getätigt (Seite 4 unten bis 5 Mitte BA).
7Die Annahme der Beschwerde, die Beauftragung von Rechtsanwälten durch das beklagte Versorgungswerk sei "rechtsmissbräuchlich" gewesen, weil es sich um einen einfachen Fall gehandelt habe, ist unzutreffend. Die Regelung des § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO, derzufolge die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts stets erstattungsfähig sind, gilt auch zu Gunsten von Körperschaften des öffentlichen Rechts und von Behörden, die über Mitarbeiter mit der Befähigung zum Richteramt verfügen. Eine Ausnahme von der Erstattungsfähigkeit der Rechtsanwaltskosten wird nur für den Fall angenommen, dass die anwaltliche Vertretung offensichtlich nutzlos und objektiv nur dazu angetan ist, dem Gegner Kosten zu verursachen, bzw. gegen den Grundsatz, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, verstößt, was allerdings offensichtlich sein muss.
8Vgl. z.B. OVG NRW, Beschluss vom 2. Mai 2005 – 6 E 372/05 –, juris Rdn. 3 ff.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 2. August 2006 – NC 9 S 76/06 –, NVwZ 2006, 1300 = juris Rdn. 2; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Februar 2006 – OVG 1 K 72.05 –, NVwZ 2006, 713 = juris Rdn. 10 f.; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 25. Juli 2008 – 10 OA 165/08 –, RdL 2008, 264 = juris Rdn. 3, jeweils m.w.N.
9Ein derartiger Ausnahmefall ist nicht dargetan. Namentlich ergibt er sich nicht aus der geltend gemachten Einfachheit des Falles. Denn die Erstattungsfähigkeit von Kosten, die einer Behörde oder Körperschaft durch die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren entstanden sind, hängt nicht von dem Schwierigkeitsgrad der streitgegenständlichen Sach- und Rechtsfragen ab; dies gilt auch bei Routineangelegenheiten, die zum juristischen Alltag gehören
10vgl. Olbertz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner/ Bier/Buchheister, VwGO, Rdn. 36 zu § 162 (Stand: Oktober 2005).
11Der neuerliche Hinweis der Beschwerde auf die Regelungen in § 5 Abs. 3 RAVG NRW und § 8 Abs. 3 der Satzung des beklagten Versorgungswerks führt nicht weiter. Das Verwaltungsgericht hat bereits dargelegt, dass aus diesen Bestimmungen, denenzufolge der Präsident des Versorgungswerkes dieses gerichtlich und außergerichtlich vertritt, kein Verbot einer Beauftragung von Rechtsanwälten folgt. Es hat ferner darauf hingewiesen, dass in der Erteilung einer Generalprozessvollmacht keine Übertragung der Organstellung des Vorstandes liegt. Diesen zutreffenden Ausführungen setzt die Beschwerdebegründung nichts Durchgreifendes entgegen.
12Entsprechendes gilt für den wiederholenden Hinweis der Beschwerde auf die Regelung des § 36 Abs. 2 der Satzung des beklagten Versorgungswerks. Entgegen der Lesart der Beschwerde verbietet die Vorschrift nicht die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Vertretung in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Die hierdurch entstehenden Aufwendungen sind vielmehr zur Erfüllung der Aufgaben des beklagten Versorgungswerks erforderlich. Die Argumentation des Klägers, das Versorgungswerk dürfe keine Risikogeschäfte führen und Prozesse seien riskant, verfehlt den Kern des Problems. Denn in der Logik dieser Argumentation läge es, dass das Versorgungswerk weder mit noch ohne anwaltliche Vertretung prozessieren dürfte, was ersichtlich abwegig wäre.
13Das Vorbringen, Mitglieder des beklagten Versorgungswerkes müssten "für die rechtliche Vertretung zweimal zahlen", ist unzutreffend. Es verkennt, dass das Versorgungswerk gerade keine eigene Prozessabteilung vorhält, die über die Mitgliedsbeiträge finanziert werden müsste. Durch die Beauftragung einer externen Rechtsvertretung wird das Prozesskostenrisiko vielmehr in das jeweilige Prozessverhältnis verlagert und muss daher nicht von der Solidargemeinschaft insgesamt getragen werden.
14Soweit die Beschwerde schließlich geltend macht, die Regelung des § 162 VwGO und ihre Anwendung durch das Verwaltungsgericht verstießen gegen Art. 2 Abs. 2, 3 Abs. 1, 12 Abs. 1, 19 Abs. 4 und 20 Abs. 3 GG, kann ihr ebenfalls nicht gefolgt werden. Der Kläger sieht sich durch das Verhalten des beklagten Versorgungswerks und die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts in der Wahrnehmung seiner ihm zustehenden Grundrechte "erdrosselt", da er als einzelnes Mitglied "gegen eine finanziell und organisatorisch wesentlich besser ausgerichtete Organisation keine Chance" habe. Dieses Vorbringen greift nicht durch. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, dass § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO für sich genommen von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden ist. Dies gelte selbst dann, wenn man aus sozial- oder rechtsstaatlichen Gründen einen besonderen Schutz bedürftiger Prozessbeteiligter gegen die Belastung mit Rechtsanwaltskosten des gegnerischen Sozialhilfeträgers für erforderlich halten wollte.
15Vgl. BVerfG, 3. Kammer des 1. Senats, Beschluss vom 11. Dezember 1991 – 1 BvR 808/88 –, juris Rdn. 2.
16Eine prozessrechtliche Regelung, die dem im Verwaltungsrechtsstreit unterlegenen Verfahrensbeteiligten auferlegt, die Kosten des Rechtsstreits, also auch diejenigen des Verfahrensgegners zu tragen, ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Rechtsstaatliche Justizgewährungspflicht oder die Verpflichtung staatlicher Stellen zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes erfordern weder kostenfreien Zugang zu den Verwaltungsgerichten noch Gewährung von Rechtsschutz ohne Kostenrisiko.
17Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Februar 2006 – OVG 1 K 72.05 –, a.a.O., juris Rdn. 15.
18Dies gilt auch für das Risiko, die Kosten eines von der Gegenseite beauftragten Rechtsanwalts tragen zu müssen. Eine diesbezügliche Einschränkung zu Lasten von Körperschaften des öffentlichen Rechts und von Behörden ist verfassungsrechtlich nicht geboten. Der vom Kläger gehegten Besorgnis einer "Erdrosselung" wird durch den Vorbehalt Rechnung getragen, dass die Beauftragung einer externen Prozessvertretung nicht rechtsmissbräuchlich sein darf.
19Soweit die Beschwerde schließlich kritisiert, dass das beklagte Versorgungswerk über "immense nicht hinzunehmende Datenbänke persönlicher Angaben seiner Mitglieder" verfüge, ist ein Bezug zum Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens nicht erkennbar.
20Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
21Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.
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