Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 A 1540/11
Tenor
Der Antrag wird auf Kosten des Klägers abgelehnt.
Der Streitwert wird für auch das Zulassungsverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist nicht hinreichend dargelegt bzw. liegt auf der Grundlage der Darlegungen des Klägers nicht vor.
3An der Richtigkeit des Urteils erster Instanz bestehen keine ernstlichen Zweifel, die eine Zulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO rechtfertigen. Zweifel solcher Art sind begründet, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt. Eine hinreichende Darlegung erfordert es, unter eingehender Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Urteil dessen Fehlerhaftigkeit zu erklären und zu erläutern (vgl. § 124 a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht soll allein aufgrund der Begründung des Zulassungsantrags die Zulassungsfrage beurteilen können, ohne weitere aufwändige Ermittlungen anstellen zu müssen.
4Ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. statt vieler: Beschluss vom 27. Juni 2011 – 1 A 1177/09 –, juris Rn. 9 f., m. w. N. = NRWE.
5Das Zulassungsvorbringen weckt keine ernstlichen Zweifel im o. g. Sinne. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, der Kläger könne den Verfahrensmangel der Prüfung nicht mehr wirksam geltend machen, weil er sich nicht rechtzeitig entschieden habe, von der Prüfung aus diesem Grunde zurückzutreten. Wegen der Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil auf den Seiten 5, letzter Absatz, bis 6, zweiter Absatz, Urteilsabdrucks verwiesen.
6Der Kläger hält die vom Verwaltungsgericht angenommenen kumulativen Voraussetzungen für das Geltendmachen eines Prüfungsmangels (Rüge und Rücktritt) für unangemessen hoch. Er meint, es genüge, dass er den Mangel unverzüglich gerügt habe. Er sei nicht verpflichtet, einen Rücktritt von der Prüfung zu erklären, solange das Prüfungsamt nicht über seine Verfahrensrüge entschieden habe.
7Dieses Vorbringen weckt keine ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Klarzustellen ist, dass das Urteil der Sache nach die Voraussetzungen eines Rücktritts von einer Prüfung nach deren Ende betrifft, die zu unterscheiden sind von den Anforderungen an die Rüge eines Verfahrensfehlers während einer Prüfung. Das Urteil steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Rücktrittsrecht bei Prüfungen:
8Bei einer Beeinträchtigung einer Prüfung durch äußere Mängel geht der Anspruch der Prüflinge zuerst dahin, dass der Mangel behoben oder ein angemessener Ausgleich gewährt wird. Wenn indessen solche Abhilfen nicht erfolgen oder nach Beendigung der Prüfung eine Ausgleichsgewährung nicht mehr möglich ist, kann sich der Anspruch des Prüflings ab dann nur noch auf die Wiederholung der Prüfung richten. Dies entspricht der Wirkung eines Rücktritts. Es gehört grundsätzlich zu den Pflichten eines in seiner Leistungsfähigkeit etwa durch Krankheit oder äußere Umstände beeinträchtigten Prüflings, dies nicht nur anzuzeigen oder zu rügen, sondern – sofern Abhilfe nicht möglich oder nicht geschaffen wird – ohne schuldhaftes Zögern zu entscheiden, ob er aus diesem Grunde zurücktritt oder trotz der Beeinträchtigung diesen Teil der Prüfung gelten lassen will. Diese Entscheidung muss der Prüfling grundsätzlich treffen, bevor er die Prüfungsergebnisse kennt.
9BVerwG, Urteil vom 6. September 1995 – 6 C 16.93 –, BVerwGE 99, 172 = NJW 1996, 2439 = juris, Rn. 24, 46 ff.
10Um den Grundsatz der Chancengleichheit zu wahren, gilt dies auch dann, wenn die Prüfungsbehörde nach Beendigung der Prüfung noch nicht endgültig über die Anerkennung der Verfahrensrüge entschieden hat. Denn sonst würde dem Prüfling die Wahlmöglichkeit eröffnet, die gestörte Aufsichtsarbeit je nach Ergebnis gelten zu lassen oder zu wiederholen. Dies würde ihm einen unberechtigten Vorteil gegenüber anderen Prüflingen verschaffen, die solche Wahlmöglichkeiten nicht haben.
11BVerwG, Urteil vom 6. September 1995 – 6 C 16.93 –, BVerwGE 99, 172 = NJW 1996, 2439 = juris, Rn. 48.
12Dem Prüfling bleibt dann die Möglichkeit, unter dem Vorbehalt von der beendeten Prüfung zurückzutreten, dass der Rücktrittsgrund anerkannt wird.
13Vgl. Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010, Rn. 485.
14Ein solcher Prüfling, der – wie der Kläger – einen Verfahrensmangel der Prüfung gerügt hat und dessen Prüfung beendet wurde, ohne dass der Mangel beseitigt wurde, kann den Mangel demnach nur noch im Rahmen eines Rücktritts von der Prüfung weiter geltend machen. Ein solcher Rücktritt ist aus den oben genannten Gründen grundsätzlich zu erklären, bevor die Prüfungsergebnisse bekannt sind. Da dies hier nicht erfolgt ist, hat das Verwaltungsgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Dass und warum im Falle des Klägers ausnahmsweise etwas anderes gelten sollte,
15vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 6. September 1995 – 6 C 16.93 –, BVerwGE 99, 172 = NJW 1996, 2439 = juris, Rn. 51,
16zeigt das Zulassungsvorbringen nicht auf.
17Der Kläger macht weiter geltend, § 39 der Verordnung über die Laufbahn, Ausbildung und Prüfung für den gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst in der Bundeswehrverwaltung (LAP-gntDBWVV) erfasse nicht Fehler, welche von der Prüfungsbehörde selbst zu vertreten seien, sogenannte prüfungsexterne Hinderungsgründe. Damit begründet er keine ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
18Nach § 39 Abs. 2 LAP-gntDBWVV können Anwärterinnen oder Anwärter aus wichtigem Grund mit Genehmigung des Prüfungsamtes von der Diplomarbeit, der schriftlichen oder mündlichen Prüfung zurücktreten. Der Wortlaut der Vorschrift ist allgemein und umfasst wichtige Gründe jeglicher Ursache. Wegen der zu wahrenden Chancengleichheit im Vergleich zu anderen Prüflingen ist kein Grund ersichtlich, zwischen denjenigen Gründen zu unterscheiden, die das Prüfungsamt zu vertreten hat, und anderen. Denn beide Arten von Gründen beeinträchtigen die Prüfungsbedingungen und hindern den Prüfling möglicherweise daran, seine wahre Befähigung nachzuweisen.
19Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 6. September 1995 – 6 C 16.93 –, BVerwGE 99, 172 = NJW 1996, 2439 = juris, Rn. 35 f., 49, das anhaltende Kälte im Prüfungsraum für einen wichtigen Grund hielt, von der Prüfung zurückzutreten, auch wenn der Mangel des Prüfungsverfahrens von der Prüfungsbehörde zu vertreten war.
20Soweit der Kläger zur Begründung des Zulassungsantrags im Übrigen auf seine erstinstanzliche Stellungnahme an das VG verweist, genügt dies nicht den Darlegungsanforderungen der §§ 124 a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO.
21Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 und 3 GKG.
22Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO und – hinsichtlich der Streitwertfestsetzung – gemäß den §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig, § 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.