Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 18 A 537/11
Tenor
Das angegriffene Urteil wird insoweit geändert, als der Beklagte unter Aufhebung seines Bescheides vom 15. Juni 2010 verpflichtet wird, der Klägerin für die Zeit vom 4. August 2003 bis 3. März 2008 und ab dem 17. Juni 2010 eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG bzw. § 23 Abs. 1 Nr. 3 AuslG zu erteilen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die am 00.00.00 in Sierra Leone geborene Klägerin ist sierra leonische Staatsangehörige. Sie reiste nach eigenen Angaben im Jahre 1999 ohne Personalpapiere ins Bundesgebiet ein. Ende September 1999 wurde die Klägerin in Abschiebehaft genommen. Ein von ihr aus der Abschiebehaft heraus betriebenes Asylverfahren blieb erfolglos.
3Nach ihrer Entlassung aus der Abschiebehaft im April 2000 wurde ihr Aufenthalt aufgrund fehlender Personaldokumente geduldet.
4Am 8. August 2002 legte die Klägerin dem Beklagten eine Bescheinigung über ihre Schwangerschaft vor. Auf die Frage, wer der Vater sei, antwortete sie, sie wisse es nicht. Möglicherweise handele es sich um einen deutschen Staatsangehörigen.
5Ausweislich der Urkunde über die Anerkennung der Vaterschaft mit Zustimmungserklärung nach § 1595 BGB vom 14. Oktober 2002 erklärte der deutsche Staatsangehörige U. I. Q. , geboren am 00.00.00 in T. , vor dem Amt für Kinder, Jugendliche und Familien der Stadt N. : „Ich erkenne an, der Vater des Kindes zu sein, das von Frau G. F. , geboren am 00.00.00, voraussichtlich am 00.00.00 geboren wird.“ Die Klägerin erklärte hierauf: „Als Mutter des Kindes stimme ich der Anerkennung der Vaterschaft zu diesem Kind durch Herrn U. I. Q. , geb. am 00.00.00 in T. , hiermit zu.“ Mit weiterer Urkunde vom 14. Oktober 2002 gaben die Klägerin und Herr U. I. Q. eine Erklärung über die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge ab.
6Am 00.00.00 wurde das Kind E. N. Q. , für das Herr Q. die Vaterschaft anerkannt hatte, geboren.
7Die Klägerin beantragte am 4. August 2003 unter Vorlage ihres von der Republik Sierra Leone am 3. März 2003 ausgestellten, bis zum 3. März 2008 gültigen Reisepasses beim Beklagten die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung.
8Am 6. November 2003 erstattete der Beklagte bei der Staatsanwaltschaft N. Strafanzeige gegen Herrn Q. und die Klägerin wegen Verstoßes gegen § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG. Zur Begründung führte er sinngemäß an, Herr Q. habe die Vaterschaft im Hinblick auf den Sohn der Klägerin nur deshalb anerkannt, um der Klägerin einen Aufenthalt in der Bundesrepublik zu ermöglichen. Herr Q. sei Betäubungsmittelkonsument und einschlägig vorbestraft, so dass davon auszugehen sei, dass er für die Vaterschaftsanerkennung entlohnt worden sei. Die Klägerin habe einvernehmlich mit Herrn Q. gehandelt.
9Mit an die Klägerin gerichtetem Schreiben vom selben Tag führte der Beklagte aus: Es bestünden ernsthafte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der für ihren Sohn vorliegenden Vaterschaftsanerkennungsurkunde. Sofern die Klägerin keinen Vaterschaftstest durchführen lassen wolle, werde er ihren Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ablehnen. Gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 DVAuslG i.V.m. § 23 Abs. 1 Nr. 3 AuslG stehe die Erteilung der von ihr beantragten Aufenthaltserlaubnis in seinem Ermessen. Er gab der Klägerin sodann Gelegenheit zur Stellungnahme.
10Ein im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gegen Herrn Q. und die Klägerin eingeholtes Gutachten des Landeskriminalamtes vom 1. September 2004 ergab, dass Herr Q. nicht der biologische Vater des Kindes E. N. Q. ist.
11Durch Urteil des Amtsgerichts N. vom 12. Januar 2006 (Az.: 37 Ds 61 Js 1547/04 - 231/05) wurde die Klägerin wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10 Euro und Herr Q. wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz in 2 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Dieses Urteil ist bezüglich der Klägerin seit dem 20. Januar 2006 rechtskräftig. Auf die Berufung des Herrn Q. , die dieser auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte, änderte das Landgericht N. durch rechtskräftiges Urteil vom 20. November 2006 (Az. 4 Ns 61 Js 1547/04 (66/06)) das angefochtene Urteil im Straffolgenausspruch dahin ab, dass die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Bei der Strafzumessung berücksichtigte das Landgericht N. ausweislich der Gründe zu Gunsten des Herrn Q. im Wesentlichen dessen Geständnis.
12Den Verwaltungsvorgängen lässt sich ferner entnehmen, dass die Klägerin – abgesehen von der vorstehend angeführten, einzigen strafrechtlichen Verurteilung – bis September 2006 neun Rechtsverstöße, namentlich im Jahre 1999 und am 20. November 2003 illegale Einreisen sowie am 5. Juni 2000, am 23. September 2000, am 24. Juni 2001, am 4. November 2001, am 4. Januar 2003, am 20. Mai 2004 und am 14. September 2006 Verstöße gegen ihr mit den Duldungen auferlegten räumlichen Beschränkungen beging, die in zwei Fällen mit Geldbußen in Höhe von 100 DM bzw. 150 DM geahndet wurden.
13Der Klägerin wurden in der Folgezeit weiterhin Duldungen erteilt.
14Mit Schreiben vom 12. Januar 2009 beantragte die Klägerin beim Beklagten unter Hinweis darauf, dass sie Mutter eines deutschen Kindes sei, ihr eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Mit weiterem Schreiben vom 15. Dezember 2009 beantragte sie, ihr eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG rückwirkend ab dem 22. Januar 2003 zu erteilen.
15Nach erneuter Anhörung der Klägerin lehnte der Beklagte mit Ordnungsverfügung vom 15. Juni 2010 den Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ab. Zur Begründung führte er u.a. Folgendes aus: Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG lägen zwar vor. Die Vaterschaftsanerkennung des Herrn Q. sei wirksam, so dass das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit besitze. Der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG stehe aber die Bestimmung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG entgegen. Die zweite Alternative dieser Vorschrift („Verwandtschaftsverhältnis“) sei sowohl auf sogenannte Zweck- oder Scheinadoptionen als auch auf missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen anwendbar. Missbräuchlich sei die Vaterschaftsanerkennung, wie § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG zu entnehmen sei, wenn sie ausschließlich erklärt werde, um dem Nachziehenden den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, sie also weder zur Anerkennung der biologischen Vaterschaft erfolge noch einer sozial-familiären Vater-Kind-Beziehung diene. Eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung im dargelegten Sinne liege vor. Denn das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Herrn Q. und E. N. Q. sei ausschließlich zu dem Zweck begründet worden, der Klägerin den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Eine rückwirkende Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis komme nicht in Betracht. Möglich sei bei rechtzeitiger Antragstellung die rückwirkende Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis. Im Übrigen habe im Fall der Klägerin auch nach alter Rechtslage mit Rücksicht auf § 17 Abs. 5 AuslG 1990 kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vorgelegen.
16Der Beklagte erteilte der Klägerin auf den von ihr mit Schreiben vom 9. Februar 2010 gestellten Hilfsantrag hin am 17. Juni 2010 eine bis zum 16. Dezember 2010 gültige Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, nachdem die Klägerin an diesem Tag den ihr von der Republik Sierra Leone am 12. April 2010 in G1. ausgestellten, bis 12. April 2015 gültigen Reisepass vorgelegt hatte. Diese Aufenthaltserlaubnis verlängerte der Beklagte in der Folgezeit, und zwar zuletzt bis zum 5. Dezember 2013.
17Bereits zuvor, nämlich am 23. Dezember 2009, hat die Klägerin Untätigkeitsklage erhoben. Die nach Klageerhebung erlassene Ordnungsverfügung des Beklagten vom 15. Juni 2010 hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 21. Juni 2010 in ihre Klage einbezogen.
18Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin, die inzwischen Mutter von zwei weiteren Kindern mit niederländischer Staatsangehörigkeit ist, vorgetragen: Der Ausschlusstatbestand des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG stehe der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG nicht entgegen. Jener Ausschlusstatbestand passe schon von seinem Wortlaut nicht auf den vorliegenden Fall bzw. auf Fälle einer „Scheinvaterschaft“. Die vom Beklagten vorgenommene Auslegung verstoße mit Rücksicht auf die Gesetzesbegründung zu § 27 Abs. 1a AufenthG zudem gegen den Willen des Gesetzgebers. Dort heiße es unter anderem, dass durch Abs. 1a Nr. 1 ausdrücklich ein Ausschlussgrund für den Familiennachzug im Falle einer Zweckehe oder Zweckadoption normiert werde. Missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen solle nach dem Willen des Gesetzgebers nur im Rahmen der §§ 1600 ff. BGB begegnet werden. Soweit nach Nr. 27.1a.1.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz der Anwendungsbereich des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG auch auf eine „missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung“ ausgedehnt werden solle, könne diese keine Anwendung finden. Die Ausführungen des Beklagten zur „rückwirkenden Verlängerung“ und zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach alter Rechtslage seien unverständlich. Ein Anspruch sei in § 23 AuslG normiert gewesen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne ein Ausländer die Erteilung eines Aufenthaltstitels auch für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum nach der Antragstellung beanspruchen, wenn er ein schutzwürdiges Interesse daran habe. Ein derartiges schutzwürdiges Interesse sei anzunehmen, wenn es für die weitere aufenthaltsrechtliche Stellung erheblich sein könne, von welchem Zeitpunkt an der Ausländer den begehrten Aufenthaltstitel besitze. Im Übrigen sei das Urteil des Amtsgerichts N. vom 12. Januar 2006 zu Unrecht ergangen.
19Die Klägerin hat beantragt,
20den Beklagten unter Aufhebung seiner Ordnungsverfügung vom 15. Juni 2010 zu verpflichten, ihr rückwirkend zum 22. Januar 2003 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zu erteilen,
21hilfsweise, durch zeugenschaftliche Vernehmung des Herrn Q. zu der Tatsache Beweis zu erheben, dass zwischen ihm und dem Kind E. N. Q. regelmäßige Kontakte im Sinne einer sozial-familiären Beziehung von etwa sechs mal jährlich sowie an den Geburtstagen stattfinden.
22Der Beklagte hat beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Zur Begründung hat er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft.
25Durch das angefochtene Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe verwiesen wird, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.
26Zur Begründung der durch Beschluss des erkennenden Senats vom 5. April 2012 zugelassenen Berufung wiederholt und vertieft die Klägerin, die der Aktenlage zufolge im Bezug von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz stand und steht, ihr erstinstanzliches Vorbringen.
27Die Klägerin beantragt,
28das angegriffene Urteil zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 15. Juni 2010 zu verpflichten, ihr rückwirkend zum 4. August 2003 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG bzw. § 23 Abs. 1 Nr. 3 AuslG zu erteilen.
29Der Beklagte beantragt,
30die Berufung zurückzuweisen.
31Er vertritt weiterhin die Auffassung, § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG sei auch auf Scheinvaterschaften anzuwenden.
32Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und der Strafakten der Staatsanwaltschaft N. 61 Js 1547/04 Bezug genommen.
33Entscheidungsgründe:
34Die zulässige Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Insoweit hat das Verwaltungsgericht die Klage zu Unrecht abgewiesen.
35Das Berufungs- bzw. Klageverfahren war nicht einzustellen, soweit die Klägerin mit dem im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellten Antrag eine rückwirkende Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug ab dem 4. August 2003 und nicht mehr ab dem 22. Januar 2003 beantragt. Hierin liegt keine teilweise Berufungs- bzw. Klagerücknahme. Vielmehr handelt es sich insoweit mit Rücksicht auf die erfolgten Verweise der Klägerin auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage des Rechtsschutzbedürfnisses für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum nach der Antragstellung um eine bloße Klarstellung ihres Begehrens. Den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Familienzusammenführung zu ihrem am 22. Januar 2003 geborenen Sohn E. N. Q. hat die Klägerin erstmals am 4. August 2003 gestellt.
36Die Klage ist zulässig.
37Obwohl der Klägerin während des laufenden Klageverfahrens aufgrund ihres beim Beklagten gestellten Hilfsantrages vom 9. Februar 2010 hin am 17. Juni 2010 eine - in der Folgezeit fortlaufend verlängerte - Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt worden ist, fehlt es nicht am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Denn die von der Klägerin mit der Klage weiterhin begehrte Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ist für sie vorteilhafter. So kann sie beispielsweise im Falle der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG gemäß § 28 Abs. 2 AufenthG bereits nach drei Jahren in den Besitz einer Niederlassungserlaubnis gelangen, sofern sie die weiteren in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen erfüllt, wohingegen eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen – zu der die der Klägerin erteilte Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zählt – gemäß § 26 Abs. 4 AufenthG grundsätzlich erst nach siebenjährigem Besitz zum Erhalt einer Niederlassungserlaubnis führen kann. Vorsorglich sei allerdings darauf hingewiesen, dass mit der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug die Ausreisepflicht der Klägerin entfällt mit der Folge, dass der Tatbestand des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG nicht mehr gegeben ist.
38Die Klägerin hat auch ein Rechtsschutzbedürfnis, eine Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der von ihr begehrten Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu ihrem Sohn für den in der Vergangenheit liegenden Zeitraum ab der Antragstellung zu erwirken, da sich die von ihr begehrte rückwirkende Erteilung auf ihre weitere aufenthaltsrechtliche Stellung auswirken kann.
39Vgl. zu diesem Erfordernis: BVerwG, Urteile vom 9. Juni 2009 – 1 C 7.08 -, juris Rn. 13, und vom 4. September 2007 – 1 C 43.06 -, juris Rn. 14, jeweils m.w.N.
40Dies ergibt sich mit Rücksicht auf § 28 Abs. 2 AufenthG sowie daraus, dass einem rechtmäßigen Aufenthalt der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
41vgl. Urteile vom 26. Oktober 2010 – 1 C 18.09 -, juris Rn. 14, und vom 30. April 2009 – 1 C 3.08 -, juris Rn. 20.
42in aufenthaltsrechtlicher Hinsicht eine rechtliche Relevanz nicht abgesprochen werden kann.
43Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet.
44Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels bei der Frage, ob eine Aufenthaltserlaubnis aus Rechtsgründen erteilt oder versagt werden muss, grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz abzustellen,
45vgl. Urteile vom 9. Juni 2009 – 1 C 11.08 -, juris Rn. 19, und vom 7. April 2009 – 1 C 17.08 -, juris Rn. 10.
46Gemessen an diesen Maßstäben hat die Klägerin gegen den Beklagten einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), das zuletzt durch Art. 1 und 6 des Gesetzes zur Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtlinie der Europäischen Union vom 1. Juni 2012 (BGBl. I S. 1224) geändert worden ist (AufenthG).
47Nach der Vorschrift des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG, die in dieser Fassung mit dem Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970) am 28. August 2007 in Kraft getreten ist, ist die Aufenthaltserlaubnis dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat.
48Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG liegen, was zwischen den Beteiligten inzwischen unstreitig ist, vor.
49Das am 22. Januar 2003 geborene Kind E. N. Q. hat nach der mit Zustimmung der Klägerin nach §§ 1598 Abs. 1, 1592 Nr. 2, 1594 ff. BGB am 14. Oktober 2002 erfolgten (form-)wirksamen Anerkennung der Vaterschaft für dieses Kind durch den deutschen Staatsangehörigen U. I. Q. vor dem Amt für Kinder, Jugendliche und Familien der Stadt N. gemäß § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2 StAG durch seine Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Das Kind ist auch minderjährig und ledig und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet, so dass der Klägerin als sorgeberechtigter Mutter dieses Kindes, mit dem sie in familiärer Lebensgemeinschaft im Sinne des § 27 Abs. 1 AufenthG lebt, zur Ausübung der Personensorge die Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zu erteilen ist.
50Der Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis steht auch nicht der ebenfalls mit dem Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970) am 28. August 2007 in Kraft getretene Ausschlusstatbestand des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG entgegen.
51A.A. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 6. März 2008 – 7 A 11276/07 -, juris, das jedoch vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13. März 2008 (BGBl. I S. 313) am 1. Juni 2008 ergangen ist.
52Hiernach wird ein Familiennachzug nicht zugelassen, wenn feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen.
53Zwar lässt der Wortlaut der Vorschrift mit seiner zweiten Alternative eine Erstreckung des Ausschlusstatbestandes auf missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen – sogenannte Scheinvaterschaften - zu.
54So auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 6. März 2008 – 7 A 11276/07 -, juris; VG Oldenburg, Urteil vom 22. April 2009 – 11 A 389/08 -, juris; VG Köln, Urteil vom 28. Februar 2011 – 5 K 8736/09 -; vgl. auch Zeitler, HTK-AuslR / § 27 AufenthG/ Scheinehe 06/2011 Nr. 3.2; Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Stand: Februar 2008, A 1 § 27 Rn. 54; Kloesel/Christ/Häußer, Kommentar zum Ausländerrecht, Stand Januar 2009, § 27 AufenthG, Rn. 50; Kaharina Breitkreuz, Boris Franßen-de la Cerda/Dr. Christoph Hübner, Berlin, Das Richtlinienumsetzungsgesetz und die Fortentwicklung des deutschen Aufenthaltsrechts – Fortsetzung -, ZAR 2007, 381; BMI, Hinweise zu den wesentlichen Änderungen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970), Stand: 18. Dezember 2007, Rn. 183; BMI, Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009 (GMBl. 2009, 877), 27.1a.1.3 zu § 27 AufenthG.
55Denn nicht nur durch eine Adoption, sondern auch durch eine wirksame Anerkennung der Vaterschaft wird ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Vater und dem Kind begründet. Dieses Verwandtschaftsverhältnis kann zudem ausschließlich zu dem Zweck begründet werden, dem Nachziehenden – so beispielsweise im Fall des Nachzugs einer unverheirateten ausländischen Mutter ohne gesicherten Aufenthalt zu ihrem Kind, das aufgrund der Vaterschaftsanerkennung die deutsche Staatsangehörigkeit und hiermit ein Recht auf Aufenthalt im Bundesgebiet aus Art. 11 GG erworben hat – die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen.
56Eine solche Auslegung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG, wonach mit dem Begriff Verwandtschaftsverhältnis nicht nur Adoptionen, sondern auch missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen erfasst werden sollen, widerspricht jedoch dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers. Nach dessen Vorstellung ist das Problem der Vaterschaftsanerkennung zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltstitels bzw. der deutschen Staatsangehörigkeit,
57vgl. hierzu die Gesetzesbegründung A. Allgemeiner Teil, zum am 1. Juni 2008 in Kraft getretenen Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13. März 2008 (BGBl. I S. 313), BT-Drs. 16/3291, S. 9 ff.,
58allein durch Gewährung eines entsprechenden Vaterschaftsanfechtungsrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch zu lösen. Dies zeigt die Gesetzesbegründung zu der in § 1600b Abs. 1a BGB normierten - bereits im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 8. November 2006 insoweit wortgleich vorgesehenen - Befristung des in § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB nunmehr der zuständigen Behörde in den Fällen des § 1592 Nr. 2 BGB unter den Voraussetzungen des § 1600 Abs. 3 BGB eingeräumten Anfechtungsrechts,
59vgl. BT-Drs. 16/3291, S. 15 zu § 1600b Abs. 1a BGB,
60wo es wie folgt heißt:
61„Die Befristung trägt dem Umstand Rechnung, dass vorbehaltlich der Rechtsbeständigkeit der Vaterschaftsanerkennung das betroffene Kind deutscher Staatsangehöriger ist und der sorgeberechtigte Elternteil einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels hat. Diesen Anspruch verliert er nur und erst dann, wenn eine Anfechtungsklage erhoben wird und diese Erfolg hat.“
62Einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels verliert der sorgeberechtigte Elternteil nach dem Willen des Gesetzgebers somit nicht nach 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG, der im November 2006 bereits in der Fassung des Referentenentwurfs (Stand 13. März 2006) als § 27 Abs. 1a vorlag und weitgehend schon der am 28. August 2007 in Kraft getretenen Fassung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG entsprach, sondern allein durch eine erfolgreiche zivilrechtliche Anfechtungsklage.
63Nach § 1600 Abs. 3 BGB ist Voraussetzung der zivilrechtlichen Anfechtung der Vaterschaft nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB durch die zuständige Behörde (anfechtungsberechtigte Behörde) in den Fällen des § 1592 Nr. 2 BBG – der Vaterschaft infolge eines Anerkenntnisses -, dass zwischen dem Kind und dem Anerkennenden keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt der Anerkennung oder seines Todes bestanden hat und durch die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteiles geschaffen werden.
64Nichts anderes ergibt sich mit Blick auf den im Rahmen der Entstehung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG erkennbar gewordenen Willen des Gesetzgebers. Das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970), mit dem der genannte Ausschlusstatbestand ins Aufenthaltsgesetz eingefügt worden ist, diente, wie sich bereits aus dem Wortlaut ergibt, der Umsetzung diverser Richtlinien der Europäischen Union.
65Nach der Gesetzesbegründung zu § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG,
66vgl. BT-Drs. 16/5056 S. 170,
67die im Übrigen im Wesentlichen derjenigen des vorherigen Referentenentwurfs (Stand 13. März 2006) entspricht, wird durch die Vorschrift des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG ausdrücklich ein Ausschlussgrund für den Familiennachzug im Falle einer Zweckehe oder Zweckadoption normiert. Angesichts des in der Begründung des Weiteren enthaltenen Verweises auf Artikel 16 Abs. 2 b) der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (ABl. EU Nr. L 251 S. 12) dient § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG ersichtlich der Umsetzung des genannten Artikels der sogenannten Familienzusammenführungsrichtlinie. Dieser lässt es zu, dass ein Antrag auf Einreise und Aufenthalt zum Zwecke der Familienzusammenführung abgelehnt wird, wenn feststeht, dass die Ehe nur zu dem Zweck geschlossen bzw. die Adoption nur vorgenommen wurde, um der betreffenden Person die Einreise oder den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat zu ermöglichen. Nach der weiteren Gesetzesbegründung erfolgt lediglich in diesem Rahmen eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Vorschrift des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG auf - vom Anwendungsbereich der Familienzusammenführungsrichtlinie nicht erfasste - deutsche Staatsangehörige.
68Vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 30. März 2010 – 1 C 7.09 -, juris Rn.13.
69Dies lässt allein den Schluss zu, dass unter „Verwandtschaftsverhältnis“ im Sinne des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG nur ein durch Adoption begründetes Verwandtschaftsverhältnis fällt.
70Dass missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen von der Vorschrift des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG nicht erfasst werden, wird im Übrigen durch die mit dem Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13. März 2008 (BGBl. I S. 313) im Aufenthaltsgesetz eingefügten bzw. neugefassten Vorschriften der §§ 79 Abs. 2, 87 Abs. 2 und 6 sowie § 90 Abs. 5 AufenthG bestätigt, die das der anfechtungsberechtigten Behörde im Bürgerlichen Gesetzbuch eingeräumte Vaterschaftsanfechtungsrecht flankieren.
71Nach § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG ist die Entscheidung über den Aufenthaltstitel bis zum Abschluss des (Vaterschaftsanfechtungs-)Verfahrens, im Falle einer gerichtlichen Entscheidung bis zu deren Rechtskraft auszusetzen, wenn ein Ausländer, der in einem Verfahren, welches die Anfechtung der Vaterschaft nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB zum Gegenstand hat, Partei, Beigeladener, Beteiligter oder gesetzlicher Vertreter des Kindes ist, die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels beantragt, es sei denn, über den Aufenthaltstitel kann ohne Rücksicht auf den Ausgang des Verfahrens entschieden werden. Im Fall des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB ist das Verfahren nach § 79 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ab Eingang der Mitteilung nach § 87 Abs. 6 oder nach § 90 Abs. 5 AufenthG auszusetzen. Wenn die Ausländerbehörde oder die Auslandsvertretung Kenntnis von konkreten Tatsachen erhält, die die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen für ein Anfechtungsrecht nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB vorliegen, hat sie diese der anfechtungsberechtigten Behörde nach § 90 Abs. 5 AufenthG mitzuteilen.
72Die Neuregelung des § 79 Abs. 2 AufenthG trägt nach der Gesetzesbegründung,
73vgl. BT-Drs. 16/3291, S. 16,
74dem Umstand Rechnung, dass eine zivilrechtlich wirksame Vaterschaftsanerkennung auch für aufenthaltsrechtliche Verfahren Bindungswirkung entfaltet, die jedoch durch ein Anfechtungsverfahren aufgehoben werden kann.
75Vgl. hierzu auch Senatsbeschluss vom 26. April 2012 – 18 E 968/11 -, juris.
76Liegen angesichts einer rechtlich wirksamen Vaterschaftsanerkennung die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vor, kann diese auch nicht unter Hinweis auf rechtsmissbräuchliches Verhalten abgelehnt werden, mögen Zweifel an einer leiblichen Vaterschaft sowie am Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen Vater und Kind noch so berechtigt sein.
77Vgl. hierzu auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschlüsse vom 25. August 2006 – 2 M 228/06 – juris, und vom 1. Oktober 2004 – 2 M 441/04 -, juris; Hess. VGH, Beschluss vom 5. Juli 2005 – 9 UZ 364/05 -, juris; OVG Hamburg, Beschluss vom 24. Oktober 2008 – 5 Bs 196/08 -, juris Rn. 13; a.A. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 3. März 2005 – 13 S 3035/04 –, der vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13. März 2008 (BGBl. I S. 313) ergangen ist.
78Auch die weiteren allgemeinen Erteilungsvoraussetzung für die begehrte Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG liegen vor.
79Nach § 28 Abs. 1 Satz 2 AufenthG, der in dieser Fassung mit dem Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970) am 28. August 2007 in Kraft getreten ist, ist die Aufenthaltserlaubnis unter anderem im Fall des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, d.h. der Regelerteilungsvoraussetzung der Sicherung des Lebensunterhalts, zu erteilen.
80Auch § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, wonach die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraussetzt, dass kein Ausweisungsgrund vorliegt, ist erfüllt.
81Es liegt insbesondere kein Ausweisungsgrund nach den Vorschriften der §§ 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AufenthG vor, die seit Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes am 1. Januar 2005 keine Änderung erfahren haben.
82Nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG kann ein Ausländer nach § 55 Abs. 1 AufenthG, d.h. wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt, insbesondere ausgewiesen werden, wenn er einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebietes eine Straftat begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche Straftat anzusehen ist.
83Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.
84Die Klägerin ist zwar durch das seit dem 20. Januar 2006 rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts N. vom 12. Januar 2006 (Az.: 37 Ds 61 Js 1547/04 - 231/05) wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt worden. Dieser Verurteilung kommt aber keine rechtliche Relevanz zu. Tatbestandsvoraussetzung im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG ist nämlich nicht eine Verurteilung, sondern ein nicht nur vereinzelter oder geringfügiger Verstoß gegen Rechtsvorschriften. Das der genannten Verurteilung zugrunde liegende Verhalten der Klägerin, namentlich ihre Zustimmung vom 14. Oktober 2002 zu der von Herrn U. I. Q. erklärten Anerkennung der Vaterschaft, lässt jedoch einen Rechtsverstoß nicht erkennen. Nach den in gleichgelagerten Konstellationen ergangenen obergerichtlichen Urteilen,
85vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 19. Oktober 2009 – 1 Ss 133/09 -, juris, sowie OLG Hamm, Urteil vom 20. November 2007 – 1 Ss 58/07 -, juris,
86ist ein nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG strafbares Verhalten der Klägerin nicht feststellbar. Nach dieser Vorschrift wird unter anderem bestraft, wer unrichtige Angaben macht oder benutzt, um für sich eine Aufenthaltsgenehmigung zu beschaffen. Tatbestandlich sind jedoch nur solche Angaben unrichtig, die mit der tatsächlichen Rechtslage nicht in Einklang stehen, also falsch sind. Die mit Zustimmung der Klägerin durch Herrn U. I. Q. erfolgte Anerkennung der Vaterschaft über das Kind E. N. Q. stellt jedoch, wie bereits ausgeführt, eine wirksame konstitutive Festlegung der Vaterschaft dar, die weder sittenwidrig noch sonst nichtig ist. Das von Herrn Q. abgegebene Vaterschaftsanerkenntnis beinhaltete ausweislich der vorliegenden Urkunde im Übrigen lediglich die Erklärung, es werde die Vaterschaft anerkannt, und ist damit als solches ebenso wie die hierzu von der Klägerin erteilte Zustimmung nicht unrichtig. Anhaltspunkte dafür, dass von Herrn Q. oder der Klägerin im Rahmen der Vaterschaftsanerkennung unrichtige Angaben zur leiblichen Abstammung des Kindes oder zum Bestehen einer sozial-familiären Beziehung gemacht wurden, sind nicht erkennbar.
87Auch den von der Klägerin seit ihrer Einreise im Jahre 1999 bis zum 14. September 2006 der Aktenlage zufolge begangenen Verstößen kommt im Rahmen der von ihr begehrten Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis eine rechtliche Relevanz nicht zu.
88Insoweit ist maßgeblich, dass die Prüfung von Ausweisungsgründen im Verfahren um die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis dem Zweck dient, gegenwärtig bzw. in absehbarer Zukunft zu befürchtende Beeinträchtigungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder sonstiger erheblicher Interessen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne von § 55 Abs. 1 AufenthG abzuwenden, mithin der Gefahrenabwehr dient. Voraussetzung für die Annahme eines Ausweisungsgrundes ist daher insoweit stets, dass die Gefährdungslage, der mit der Versagung der begehrten Aufenthaltserlaubnis begegnet werden soll, auch tatsächlich und nicht nur theoretisch besteht.
89Vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 10. Dezember 2010 – 18 B 1598/10 -, juris, m.w.N.
90Gemessen an diesen Maßstäben liegt der Ausweisungsgrund nach §§ 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AufenthG nicht vor. Die den Verwaltungsvorgängen zu entnehmenden Rechtsverstöße der Klägerin (mehrfache illegale Einreise und Verstöße gegen räumliche Beschränkungen) beruhten allesamt auf ihrer ungesicherten ausländerrechtlichen Position. Mit einer Aufenthaltserlaubnis wären sie nicht geschehen und werden sie auch zukünftig nicht geschehen. Anhaltspunkte dafür, dass von der Klägerin eine Gefahr bezüglich der Begehung anderer Straftaten ausgeht, sind nicht ersichtlich.
91Der Erteilung der von der Klägerin begehrten Aufenthaltserlaubnis steht auch nicht der Ausweisungsgrund der §§ 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 6 AufenthG entgegen, die ebenfalls seit Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes am 1. Januar 2005 in dieser Fassung unverändert gelten.
92Nach den genannten Vorschriften kann ein Ausländer ausgewiesen werden, wenn er für sich, seine Familienangehörigen oder für sonstige Haushaltsangehörige Sozialhilfe in Anspruch nimmt.
93Auch wenn unter Sozialhilfe im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG die von der Klägerin in Anspruch genommenen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz fallen sollten,
94vgl. hierzu Hess.VGH, Beschluss vom 5. März 2007 – 3 UE 2823/06 -, juris; a.A. Sächsisches OVG, Beschluss vom 17. August 2006 – 3 BS 130/06 -, juris,
95kann der Klägerin dieser Leistungsbezug nicht als Ausweisungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entgegengehalten werden. Zur Vermeidung eines Wertungswiderspruchs ist insbesondere mit Blick auf Art. 6 GG vielmehr davon auszugehen, dass sich § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG jedenfalls im – vorliegend allein streitgegenständlichen - Fall des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG nicht auf den Ausweisungsgrund des § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG bezieht. Da nach § 28 Abs. 1 Satz 2 AufenthG unter anderem im Fall des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG die Aufenthaltserlaubnis abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zu erteilen ist, der Klägerin also insoweit der Bezug von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gerade nicht entgegengehalten werden kann, stünde es im Widerspruch zu dieser Wertung des Gesetzgebers, wenn der gleiche Leistungsbezug gleichwohl zur Ablehnung der begehrten Aufenthaltserlaubnis wegen Nichtvorliegens der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG führte.
96Vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschlüsse vom 22. Juni 2004 – 4 MB 45/04 -, juris, und vom 24. Februar 2003 – 4 MB 12/03 - juris, jeweils zur entsprechenden Vorschrift des § 46 Nr. 6 AuslG 1990.
97Die Klägerin, deren Identität geklärt ist, wie es § 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG voraussetzt, ist zudem im Besitz eines von der Republik Sierra Leone ausgestellten, bis zum 12. April 2015 gültigen Reisepasses und erfüllt somit auch die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG.
98Die Klägerin, die derzeit im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, ist auch abweichend von § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nach der auf § 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG beruhenden Regelung des 39 Nr. 1 AufenthV berechtigt, den begehrten Aufenthaltstitel nach §§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 7, 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 27 Abs. 1 AufenthG im Bundesgebiet einzuholen.
99Die Klägerin kann ferner in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch die rückwirkende Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug beanspruchen. Dabei kann dahinstehen, ob die Ausführungen im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts,
100vgl. BVerwG, Urteil vom 4. September 2007 – 1 C 43.06 -, juris Rn. 13,
101so zu verstehen sind, dass sich die Frage der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auch für die Vergangenheit stets nur nach der aktuellen Rechtslage richtet mit der Folge, dass nunmehr ein Anspruch auf rückwirkende Erteilung der Aufenthaltserlaubnis für in der Vergangenheit liegende Zeiträume auch dann bestünde, wenn dem Ausländer nach der damaligen Rechtslage kein solcher Anspruch zugestanden hätte.
102Denn der Klägerin steht - mit Ausnahme des Zeitraums vom 4. März 2008 bis 16. Juni 2010 – auch unter Anwendung der zu den jeweiligen Zeiträumen geltenden Vorschriften ein entsprechender Anspruch zu.
103Für den Zeitraum ab dem 28. August 2007 bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat ergibt sich der Anspruch der Klägerin – mit Ausnahme des Zeitraums vom 4. März 2008 bis 16. Juni 2010 – ebenfalls aus der zuvor bereits genannten, am 28. August 2007 in Kraft getretenen Vorschrift des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG.
104Der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis für den Zeitraum vom 4. März 2008 bis 16. Juni 2010 steht entgegen, dass die Klägerin insoweit die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG, d.h. die Passpflicht nach § 3 AufenthG in der jeweils seit dem 28. August 2007 geltenden Fassung nicht erfüllt.
105Der der Klägerin von der Republik Sierra Leone am 3. März 2003 ausgestellte Reisepass war nur bis zum 3. März 2008 gültig. Den am 12. April 2010 in G1. ausgestellten, bis zum 12. April 2015 gültigen Reisepass hat die Klägerin erst am 17. Juni 2010 beim Beklagten vorgelegt. Dafür, dass sie diesen Reisepass schon zu einem früheren Zeitpunkt in ihrem Besitz hatte, ist nichts ersichtlich und auch im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat nichts dargelegt worden. Anhaltspunkte für eine sonstige Ausnahme nach § 3 AufenthG sind nicht ersichtlich.
106Hinsichtlich der übrigen Zeiten des in Rede stehenden Zeitraums vom 28. August 2007 bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat liegen die Erteilungsvoraussetzungen vor.
107Insoweit kann hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 AufenthG, der Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1a, 2 und 3 AufenthG, die bezüglich ihrer Anspruchsvoraussetzungen seit Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes am 1. Januar 2005 keine Änderung erfahren haben, sowie des Nichtvorliegens des Ausschlusstatbestandes des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.
108Da die Klägerin die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, war sie auch nach den auf § 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG beruhenden Regelungen des § 39 Nr. 1 bzw. Nr. 5 AufenthV in der im genannten Zeitraum jeweils geltenden Fassung berechtigt, den begehrten Aufenthaltstitel abweichend von § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG in der seit dem 28. August 2007 geltenden Fassung im Bundesgebiet einholen.
109Nichts anderes gilt im Ergebnis für den Zeitraum vom 1. Januar 2005, dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes, bis zum 27. August 2007.
110Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis bis zum 27. August 2007, weil sie die Anspruchsvoraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG sowie die Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG in der bis 27. August 2007 maßgeblichen Fassung erfüllte und das fehlende Visumverfahren der Erteilung auch nach den in diesem Zeitraum maßgeblichen Vorschriften aus obigen Gründen ebenfalls nicht entgegenstand.
111Die in familiärer Lebensgemeinschaft mit ihrem Sohn E. N. Q. lebende Klägerin hat schließlich für den Zeitraum ab Antragstellung am 4. August 2003 bis zum 31. Dezember 2004 einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 des Ausländergesetzes in der Fassung vom 9. Juli 1990 (BGBl. I S. 1354), das zuletzt durch das Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus vom 9. Januar 2002 (BGBl. I S. 361) geändert wurde (im Folgenden: AuslG).
112Hiernach ist die Aufenthaltserlaubnis nach Maßgabe des § 17 Abs. 1 AuslG dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Nach § 17 Abs. 1 AuslG kann einem ausländischen Familienangehörigen eines Ausländers zum Zwecke des nach Artikel 6 des Grundgesetzes gebotenen Schutzes von Ehe und Familie eine Aufenthaltserlaubnis für die Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft mit dem Ausländer im Bundesgebiet erteilt und verlängert werden.
113Die tatbestandlichen Voraussetzungen liegen aus den oben dargelegten Gründen vor.
114Da nach § 23 Abs. 1 AuslG die Aufenthaltserlaubnis „nach Maßgabe des § 17 Abs. 1 AuslG“ und nicht nach Maßgabe auch des § 17 Abs. 2 AuslG erteilt wird, sind die dort genannten tatbestandlichen Voraussetzungen (ausreichender Wohnraum, Lebensunterhaltssicherung) für die Frage eines Anspruchs eines ausländischen Familienangehörigen auf Nachzug zu einem deutschen Staatsangehörigen ohne Bedeutung.
115Vgl. auch Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar zum Ausländergesetz, Stand: November 2000, A 1 § 23 AuslG Rn. 5; Kloesel/Christ/Häußer, Kommentar zum Ausländerrecht, Stand: März 1999, § 23 AuslG Rn. 13.
116Der gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 AuslG als Aufenthaltserlaubnis zu erteilenden Aufenthaltsgenehmigung steht auch nicht der zwingende Versagungsgrund des fehlenden Passbesitzes nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 AuslG entgegen, da die Klägerin im Besitz ihres am 3. März 2003 ausgestellten, bis zum 3. März 2008 gültigen sierra-leonischen Reisepasses war, den sie mit der Antragstellung am 4. August 2003 beim Beklagten vorgelegt hat.
117Auch der zwingende Versagungsgrund des § 8 Abs. 1 Nr. 1 AuslG steht der begehrten Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht entgegen. Dieser Versagungsgrund entfällt bzw. liegt nicht vor, wenn die Voraussetzungen nach § 3 Abs. 3 Satz 2 AuslG i.V.m. § 9 DVAuslG erfüllt sind, wonach ein Ausländer unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise die Aufenthaltsgenehmigung nach der Einreise einholen kann.
118Vgl. BVerwG, Urteile vom 17. März 2004 – 1 C 11.03 -, juris Rn. 15; vom 9. Dezember 1997 – 1 C 20.97 -, juris Rn. 18 f. und vom 9. Dezember 1997 – 1 C 19.96 -, juris Rn. 14.
119Dies ist vorliegend gegeben. Nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 DVAuslG vom 18. Dezember 1990, zuletzt geändert durch die Zehnte Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes vom 2. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1682), kann ein Ausländer die Aufenthaltserlaubnis zu dem in § 17 Abs. 1 des Ausländergesetzes bezeichneten Zweck nach der Einreise einholen, wenn er sich rechtmäßig, geduldet oder gestattet nach § 55 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes im Bundesgebiet aufhält und nach seiner Einreise durch Eheschließung im Bundesgebiet oder durch Geburt eines Kindes, für das er die Personensorge ausübt, einen gesetzlichen Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis erworben hat.
120Ein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis muss ein strikter Rechtsanspruch sein, nicht ein solcher, der seinerseits nur ein Ermessen eröffnet, selbst wenn im Einzelfall das Ermessen “auf Null“ reduziert ist.
121Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. März 2004 – 1 C 11.03 –, juris Rn. 12, zu § 9 Abs. 1 Nr. 2 AuslG; OVG Bremen, Beschluss vom 17. Januar 2000 – 1 B 461/99 -, juris, zu § 9 Abs. 2 Nr. 1 DVAuslG.
122Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Nr. 1 DVAuslG werden vorliegend erfüllt.
123Die Klägerin hat sich während des damaligen Zeitraums geduldet im Bundesgebiet aufgehalten. Durch die Geburt ihres Sohnes E. N. Q. , für den die Klägerin die Personensorge ausübt, hat sie auch mit Blick auf § 17 Abs. 5 AuslG, der in § 23 Abs. 3 AuslG für entsprechend anwendbar erklärt wird, einen strikten Rechtsanspruch auf Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 AuslG und nicht lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des Beklagten.
124Vgl. zu §§ 23 Abs. 3, 17 Abs. 5 AuslG BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1997 – 1 C 9.95 -, juris Rn. 24 f.; OVG Bremen, Beschluss vom 17. Januar 2000 – 1 B 461/99 -, juris Rn. 12 f.
125Denn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 17 Abs. 5 AuslG liegen nicht vor.
126Nach dieser Vorschrift kann die Aufenthaltserlaubnis auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz versagt werden, wenn gegen den Familienangehörigen ein Ausweisungsgrund vorliegt oder wenn der Ausländer für sonstige ausländische Familienangehörige, die sich im Bundesgebiet aufhalten und denen er allgemein zum Unterhalt verpflichtet ist, oder für Personen in seinem Haushalt, für die er Unterhalt getragen oder auf Grund einer Zusage zu tragen hat, Sozialhilfe in Anspruch nimmt oder in Anspruch nehmen muss.
127Die zweite Alternative liegt von tatbestandlicher Seite her ersichtlich nicht vor. Es ist nichts dafür erkennbar, dass das deutsche Kind E. N. Q. für sonstige Familienangehörige, gemeint ist insoweit ersichtlich nicht die Nachzug begehrende Klägerin als Mutter, Sozialhilfe in Anspruch nimmt oder in Anspruch nehmen muss.
128Vgl. hierzu auch Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar zum Ausländergesetz, Stand: November 2000, A 1 § 23 AuslG Rn. 6.
129Auch die erste Alternative des § 17 Abs. 5 AuslG, d.h. das Vorliegen eines Ausweisungsgrundes gegen den Familienangehörigen - hier die Klägerin - ist nicht gegeben.
130Ein Ausweisungsgrund nach den §§ 45 Abs. 1, 46 Nr. 2 AuslG, der mit dem derzeit geltenden Ausweisungsgrund nach den §§ 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AufenthG wörtlich übereinstimmt, liegt aus den obigen Gründen, die vorliegend in gleicher Weise gelten, nicht vor.
131Der Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis steht auch nicht der Ausweisungsgrund der §§ 45 Abs. 1, 46 Nr. 6 AuslG entgegen.
132Nach § 46 Nr. 6 AuslG kann ein Ausländer nach § 45 Abs. 1 AuslG, d.h. wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt, insbesondere ausgewiesen werden, wenn er für sich, seine Familienangehörigen, die sich im Bundesgebiet aufhalten und denen er allgemein zum Unterhalt verpflichtet ist, oder für Personen in seinem Haushalt, für die er Unterhalt getragen oder auf Grund einer Zusage zu tragen hat, Sozialhilfe in Anspruch nimmt oder in Anspruch nehmen muss.
133Mit Rücksicht darauf, dass, wie bereits ausgeführt, mangels Verweis auf § 17 Abs. 2 AuslG die Lebensunterhaltssicherung für die Frage eines Anspruchs eines ausländischen Familienangehörigen auf Nachzug zu einem deutschen Staatsangehörigen nach § 23 Abs. 1 AuslG ohne Bedeutung ist, ist im vorliegenden Zusammenhang zur Vermeidung eines Wertungswiderspruchs aus den oben ebenfalls bereits genannten Gründen zum Ausweisungsgrund nach den §§ 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 6 AufenthG, die hier in gleicher Weise gelten, davon auszugehen, dass sich § 17 Abs. 5 AuslG nicht auf den Ausweisungsgrund nach § 46 Nr. 6 bezieht. Der Klägerin kann damit auch im vorliegenden Zusammenhang der Bezug von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht entgegengehalten werden.
134Für das Vorliegen sonstiger zwingender Versagungsgründe nach § 8 Abs. 1 AuslG ist nichts erkennbar.
135Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Anordnung hinsichtlich ihrer vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
136Die Revision wird nicht zugelassen. Ein Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO liegt nicht vor.
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